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Sonderproblem: Verluste von weniger als einem Drittel des capitale, die

6 Unterschreiten des gesetzlichen Mindestkapitals

6.6 Sonderproblem: Verluste von weniger als einem Drittel des capitale, die

Mindestkapi-talbetrags führen

Systematisch gehört diese Fallgruppe an den Anfang der vorliegenden Untersuchung.

Ihre Behandlung ist jedoch nur zu verstehen, nachdem die Art. 2447 ff c.c. besprochen wurden.

Das Problem kann sich stellen bei Gesellschaften mit sehr geringer Kapitalausstattung.

Liegt das capitale nur geringfügig über dem gesetzlichen Mindestkapital von 10.000 €

220 Weigmann, LIQUIDAZIONE DELLE SOCIETÀ, S. 29.

oder ist es mit ihm gleich, so bewirken bereits geringe Verluste, dass das Gesellschafts-vermögen unter den Mindestkapitalbetrag sinkt. Die Verluste können dann so gering sein, dass sie nicht ein Drittel des capitale erreichen. Beispielsweise genügt bei einem capitale von 12.000 € ein Verlust von 3.000 €, um das Gesellschaftsvermögen unter den Schwellenwert von 10.000 € zu bringen. Gleichzeitig erreicht der Verlust aber nicht 4.000 €, also ein Drittel des capitale. Der Schwellenwert für die Größe der Gesellschaft, bis zu dem das Sonderproblem auftreten kann, liegt somit bei einem capitale von 15.000 €.

Bilanziell stellt sich dies zum Beispiel bei einem capitale von 12.000 € und einem plötzlichen Warenverlust von 3.000 € ohne Aufnahme weiterer Schulden folgenderma-ßen dar:

Fondi per rischi e oneri Debiti

Da die Verluste weniger als ein Drittel des capitale betragen, ist Art. 2447 c.c. schon von seinem Wortlaut her nicht erfüllt. Umstritten ist aber, ob es dennoch zu einer Auflö-sung der Gesellschaft kommen kann.

6.6.1 Herrschende Auffassung: Auflösung der Gesellschaft auch, wenn nur das gesetzliche Mindestkapital unterschritten wird

Nach herrschender Ansicht221 sind die Regelungen der Art. 2448, 2449 c.c. anzuwen-den, so dass es zur Auflösung der Gesellschaft kommt.

221 Cian/Trabucchi, CODICE CIVILE, Art. 2447 Rz 3.

6.6.2 Gegenansicht: Unanwendbarkeit der Art. 2447 ff c.c. insgesamt

Die Gegenauffassung will auch Art. 2448, 2449 c.c. nicht anwenden. Ausweislich des Wortlauts der Vorschriften müsse sowohl ein Drittel des capitale verloren, als auch der gesetzliche Mindestkapitalbetrag unterschritten sein222. Wird zwar das Mindestkapital unterschritten, erreichen aber die Verluste nicht die Höhe von mehr als einem Drittel des capitale, tritt keine Auflösung ein, da dann auch nicht die Voraussetzungen des Art.

2447 c.c. gegeben sind. Die Einschränkung „salvo quanto è disposto dall’ articolo 2447” in Art. 2448 Nr. 4 c.c. bezieht sich nach dieser Auffassung nicht nur auf einen Gesellschafterbeschluss zur Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens, sondern auch darauf, dass ein Verlust von mehr als einem Drittel des capitale gegeben sein muss.

6.6.3 Eigene Stellungnahme: Gesetzliches Mindestkapital als absolute Untergren-ze

Für die Gegenauffassung spricht zwar, dass eine Gesellschaft, die nur mit dem gesetzli-chen Mindestkapital ausgestattet ist, rechtlich kaum existieren könnte. Damit würde das Mindestkapital de facto angehoben, was dem Gesetzeszweck widerspricht. Gerade die kleinen Gesellschaften, die oben erwähnten start-ups, würden benachteiligt223. Diese Überlegungen können jedoch nur bei der S.p.a. den Ausschlag geben. Angesichts des ohnehin geringen Mindestkapitalbetrags von 10.000 € bei der S.r.l. wäre dort der Gläu-bigerschutz ad absurdum geführt, wenn dieser Betrag de facto noch unterschritten wer-den könnte. Daher muss es dabei bleiben, dass, wie es wohl auch der ratio legis ent-spricht, keine S.r.l. mit einem dauerhaft unter dem gesetzlichen Mindestkapital liegen-den patrimonio netto existieren kann. Angesichts des geringen Mindestkapitalbetrags stellt dies auch kein ernstliches Hindernis für Jungunternehmer dar. Die vom Gesetz gewollte Funktion des Mindestkapitals, nämlich der Gläubigerschutz, ist jedoch ge-wahrt.

222 ,

S. 303; , S. 72.

Niccolini, SCIOGLIMENTO, LIQUIDAZIONE ED ESTINZIONE DELLA SOCIETÀ PER AZIONI

Niccolini, SCIOGLIMENTO, LIQUIDAZIONE ED ESTINZIO-NE DELLA SOCIETÀ PER AZIONI

Quatraro/Picone, RESPONSABILITÀ DI AMMINISTRATORI

223 Dieses Argument findet sich auch bei , S. 303.

6.7 Ergebnis

Art. 2447 – 2449 c.c. sind die zentralen kapitalschützenden Normen im italienischen Recht. Erleidet die Gesellschaft Verluste, die dazu führen, dass das Gesellschaftsver-mögen betragsmäßig das gesetzliche Mindestkapital unterschreitet, ist der Geschäftsfüh-rer qua Auflösung der Gesellschaft verpflichtet, keine neuen Geschäfte zu tätigen.

Bei einem Verstoß gegen diese Unterlassenspflicht riskiert er gegenüber der Gesell-schaft die Haftung gemäß Art. 2392 Abs. 1, 2393, 2487 Abs. 2 c.c.

Dagegen trifft ihn gegenüber den Gesellschaftern keine Haftung. Wie bereits gesagt gibt es im italienischen Recht keine Haftung aufgrund kapitalschützender Normen gegen-über den Gesellschaftern.

Von besonderer Bedeutung ist die Haftung aus Art. 2449 Abs. 1 Satz 2, 2496 Abs. 1 c.c.

gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Diese führt dazu, dass bei einem Verstoß gegen das Verbot neuer Geschäfte der Geschäftsführer gesamtschuldnerisch mit der Gesell-schaft auf Erfüllung der eingegangenen Verpflichtung haftet.

Daneben greift in diesem Fall gegenüber den Gesellschaftsgläubigern die Haftung aus Art. 2394, 2487 Abs. 1 c.c. Diese kommt auch Altgläubigern der Gesellschaft zugute224. Ersetzt wird allerdings nur der Schaden, der vergleichbar dem Gesamtgläubigerschaden, den Altgläubiger in Deutschland ersetzt bekommen, durch die Minderung des Gesell-schaftsvermögens entstanden ist.

Dieser Anspruch kann zudem im Konkurs nur vom Konkursverwalter geltend gemacht werden, so dass es dann an der Aktivlegitimation der Gesellschaftsgläubiger fehlt. Auch hier finden sich Parallelen zum deutschen Recht, da dort in der Insolvenz nicht nur der Anspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG der Gesellschaft zusteht und damit in die Insol-venzmasse fällt, sondern auch der Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64

224 Ausdrücklich weist (178), auf die Unterscheidung der zwei Gläubiger-kategorien hin. Jorio, Giur. comm. 1986, 175

Abs. 1 GmbHG, soweit er auf Altgläubiger entfällt, vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wird und somit ebenfalls in die Insolvenzmasse fällt225.

Folgt man der Ansicht, die in Art. 2394 c.c. nur eine gesetzliche Prozessstandschaft sieht und auch Art. 2449 Abs. 1 Satz 2 c.c. keine eigenständige Bedeutung zubilligt, so entsteht ein reines Innenhaftungsmodell. Die Regelung wäre dann vergleichbar mit der-jenigen, welche das historische GmbHG vorgesehen hat, das keine direkte Haftung aus

§ 823 Abs. 2 BGB kannte. Nicht zuletzt aus praktischen Erwägungen ist dies jedoch mit der in Italien herrschenden Ansicht zugunsten einer Außenhaftung abzulehnen.

225 Vgl. Kap. 7.1.3.2.

7 Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung

In dieser Phase entstehen die konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Antragspflichten.

Darüber hinaus greift im deutschen Recht erst jetzt ein allgemeines Zahlungsverbot ge-mäß § 64 Abs. 2 GmbHG. Dieses hat jedoch nur mittelbar Schutzwirkung für die Ge-sellschaftsgläubiger, da bei einem Verstoß gegenüber der Gesellschaft gehaftet wird.

Als Anknüpfungspunkt für eine Haftung unmittelbar gegenüber den Gesellschaftsgläu-bigern dienen in Deutschland Aufklärungspflichten gegenüber den Geschäftspartnern der Gesellschaft und in der neueren Rechtsprechung vor allem die Insolvenzantrags-pflicht des Geschäftsführers gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG. Im italienischen Recht kommt der Antragspflicht keine Bedeutung für die zivilrechtliche Haftung zu, da diese bereits durch die Haftung bei Unterschreiten des gesetzlichen Mindestkapitals gewährleistet ist.