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9 Haftungsfreistellung und –verzicht

11.5 Bestimmung der Gerichtsstände für die einzelnen Haftungsansprüche

11.5.1 Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft

11.5.3.3 Akzessorietät der deliktischen Ansprüche

Befürwortet man mit der zustimmungswürdigen Ansicht die Möglichkeit einer akzesso-rischen Eröffnung des Vertragsgerichtsstands für deliktische Ansprüche, so stellt sich die Frage, an welchem Vertragsverhältnis die Bestimmung des Gerichtsstandes für An-sprüche der Gesellschaftsgläubiger anknüpfen könnte.

11.5.3.3.1 Sachnähe der Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern zum Vertrag zwischen Gesellschaft und Gläubiger

Eine Akzessorietät zum Vertragsgerichtsstand des Organschaftsverhältnisses ist abzu-lehnen. Zwar würde man dadurch Ergebnisse erzielen, die der auf dem Gebiet des inter-nationalen Privatrechts vertretenen Einheitslehre entsprechen. Diese ist jedoch bei der Außenhaftung nicht sachgerecht, da sie die Gläubigerinteressen nicht genügend berück-sichtigt.

Die Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftsgläubigern steht dem Vertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger wesentlich näher als dem Organschaftsverhältnis. Auch die Haftung aus Art. 2449 c.c. und aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG entspringt aufgrund der Außenhaftungskonzeption der Verlet-zung von Pflichten, die unmittelbar gegenüber den Gesellschaftsgläubigern bestehen, mit denen das Geschäft zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger abgeschlos-sen wurde. Die Nähe der Haftung zu diesem Vertragsverhältnis zeigt sich auch daran, dass erst durch Abschluss des Geschäfts für den Neugläubiger ein Schaden entsteht, der zu ersetzen ist.

11.5.3.3.2 Vergleich mit der juristischen Diskussion zur Behandlung der Durch-griffshaftung

Für eine akzessorische Geltendmachung spricht auch der Vergleich mit der juristischen Diskussion zur Behandlung der Durchgriffshaftung. Eine starke Meinung in der

Litera-tur geht davon aus, dass auch im Fall der Durchgriffshaftung der Vertragsgerichtsstand gegenüber dem Deliktsgerichtsstand die stärkere Anziehungskraft entfaltet424. Für die Klage gegen den Gesellschafter wäre demnach derselbe Gerichtsstand eröffnet wie für die Klage gegen die Gesellschaft. Dies ist für den Vergleich mit der Geschäftsführerhaf-tung insbesondere deshalb interessant, weil dabei eine Akzessorietät trotz Verschieden-heit des Beklagten bejaht wird. Dass diese VerschiedenVerschieden-heit kein unüberwindbares Hin-dernis sein kann, zeigt auch die gesetzliche Wertung im Gerichtsstand der gemeinsamen Beklagten gemäß Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 6 Nr. 1 EuGVO.

Neuerdings wird jedoch für eine wichtige Fallgruppe der Durchgriffshaftung, die Kon-zernhaftung der herrschenden Gesellschaft im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, die Geltendmachung am Vertragsgerichtsstand, an dem auch die Gesellschaft verklagt werden kann, verneint425. Hauptargument gegen eine Einbeziehung der Konzernhaftung ist, dass die Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft keine freiwillige Verpflichtung eingegangen sei. Damit fehle es an der wesentlichen Voraus-setzung für die Anwendung des Vertragsgerichtsstandes. Charakteristikum des Ver-tragsgerichtsstandes sei es, dass für den Schuldner bereits im voraus die möglichen Pro-zessgegner feststehen. Auch daran fehle es bei der Konzernhaftung.

Die Argumente gegen eine Einbeziehung der Konzernhaftung vermögen durchaus zu überzeugen. Zwar ist mit dem Fehlen einer freiwillligen Verpflichtung, also eines Ver-tragsverhältnisses, noch nicht die Möglichkeit einer akzessorischen Geltendmachung der Konzernhaftung widerlegt. Der Verweis auf das Grundprinzip des Vertragsgerichts-standes spricht jedoch gegen dessen Anwendung. Das Grundprinzip besteht nämlich

424 , S. 84 und 86; ihm folgend:

Gottwald, Art. 5 IZPR Rz 4; /Hausmann, Art. 5 EuGVÜ 1989,

Rz 7; , Art. 5 Rz 6. Anderer Ansicht Goet (505).

Möllers, Internationale Zuständigkeit bei der Durchgriffshaftung

MünchKommZPO/ Wieczorek/Schütze

Schlosser, EuGVÜ te, DStR 1997, 503

Goette, DStR 1997, 503

Jaspert, EuGVÜ-Gerichtsstände und Anspruchsdurchsetzung gegen ausländische herrschende Unternehmen Haubold, IPRax 2000, 375 Staudinger

ms, IPRax 2000, 488 Mankowski, NZI 1999, 56

425 So (505) und wohl auch der BGH in seinem Beschluss vom 13.1.1997, II ZR 304/95, den Goette im zitierten Aufsatz vorstellt; OLG Frankfurt, Urteil vom 9.9.1999, 4 U 13/99, IPRax 2000, 525;

, S. 290 und 295; (381); /Hausmann,

Anhang II zu Art 27 – 37 EGBGB, Rz 50. Für die Anwendbarkeit von Art. 5 Nr. 1 EugVÜ/LugÜ bzw.

EuGVO: OLG München, Urteil vom 25.6.1999, 23 U 4834/98, IPRax 2000, 416 (417); Kul

(493); (58); ebenso OLG Bremen, Urteil vom 25.9.1997, RIW 1998, 63 (64), für den Durchgriff auf die alleinige Muttergesellschaft einer Gesellschafterin beim Dar-lehensrückzahlungsanspruch aus §§ 32a, 32b GmbHG.

darin, dass der Beklagte vor Entstehen der Streitigkeit den Kreis der späteren Prozess-gegner im Rahmen seiner freiwilligen Verpflichtung bestimmen kann. Dies trifft bei der Konzernhaftung nicht zu, da die Verpflichtung von der Tochtergesellschaft eingegangen wird und somit auch diese den Kreis der späteren Kläger bestimmt426.

Angewendet auf die Haftung des Geschäftsführers wird der Verweis auf die Bestim-mung der Prozessgegner durch den Schuldner jedoch zu einem Argument für die akzes-sorische Geltendmachung der Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gesell-schaftsgläubigern am vertraglichen Gerichtsstand des Vertrages zwischen Gesellschaft und Gläubiger. Durch sein Organhandeln erzeugt der Geschäftsführer beim Vertrag-schluss zwischen Gesellschaft und Gläubiger als Vertreter für die Gesellschaft deren freiwillige Verpflichtung. Dabei bestimmt der Geschäftsführer gleichzeitig selbst die potentiellen Prozessgegner hinsichtlich seiner Haftung. Durch die Ausgestaltung des Vertrages hat er darüber hinaus Einfluss auf den vertraglichen Gerichtsstand. Daher ist ihm eine Einbeziehung seiner Haftung in den Gerichtsstand des Vertrages zwischen Gesellschaft und Gläubiger durchaus zuzumuten. Ein Vergleich mit der Diskussion zur Durchgriffshaftung, insbesondere auch zur Haftung im qualifizierten faktischen Kon-zern, spricht also ebenfalls für eine akzessorische Geltendmachung der Außenhaftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern am vertraglichen Gerichtsstand des Vertrages zwi-schen Gesellschaft und Gläubiger.

11.5.3.3.3 Ergebnis: Eröffnung des Gerichtsstandes des Vertrages zwischen Ge-sellschaft und Gläubiger für die Geschäftsführerhaftung gegenüber Gesell-schaftsgläubigern

Obwohl die Ansprüche der Außenhaftung auch im Rahmen der autonomen Auslegung deliktischer Natur sind, ist für sie wegen der Sachnähe zu dem Vertrag zwischen Gesell-schaft und GesellGesell-schaftsgläubiger der Vertragsgerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 1 EuG-VÜ/LugÜ bzw. Art. 5 Nr. 1 EuGVO eröffnet.

426 Angemerkt sei, dass auch dieses Argument nicht zwingend ist, da die herrschende Gesellschaft mittel-bar durch Ausübung ihrer Beherrschungsmacht auch den Kreis der späteren Kläger bestimmen kann.

11.5.3.4 Ansprüche aus culpa in contrahendo bzw. §§ 311 Abs. 2 und 3,