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Kapital als Indikator wirtschaftlicher Schieflage der Gesellschaft

3 Kapital als Indikator und Tatbestände wirtschaftlicher Schieflage

3.1 Kapital als Indikator wirtschaftlicher Schieflage der Gesellschaft

3.1.1 Kapitalverlust

Der im Zusammenhang mit Kapitalverlusten verwendete Begriff des Kapitals ist eigent-lich zu weit, da er sowohl das Eigen-, als auch das Fremdkapital erfasst. Gemeint ist jedoch nur das Eigenkapital. Dieses findet sich im deutschen Recht in § 266 Abs. 3 HGB unter Gliederungspunkt A als bilanzielle Größe. Vereinfacht gesagt ergibt sich das Eigenkapital einer GmbH, indem man von ihrem gesamten Vermögen alle Verbindlich-keiten, die das sogenannte Fremdkapital darstellen, abzieht. Eigen- und Fremdkapital kennzeichnen gewissermaßen, wem das Vermögen eines Unternehmens wirtschaftlich zuzuordnen ist. Das Eigenkapital zeigt die wirtschaftliche Stärke eines Unternehmens.

Kapitalverluste sind somit auch Verluste des Unternehmens an wirtschaftlichem Wert.

3.1.2 Eigenkapital und Stammkapital in Deutschland 3.1.2.1 Eigenkapital und Stammkapital

Der Begriff „Stammkapital“ wird von § 5 Abs. 1 GmbHG verwendet. Die Höhe des Stammkapitals muss der Summe der Stammeinlagen der Gesellschafter entsprechen,

§ 5 Abs. 3 Satz 3 GmbHG. Das Stammkapital ist somit keine bilanzielle Größe, die den Zustand des Unternehmens kennzeichnet, sondern eine rechnerische Größe22. Das Ei-genkapital kennzeichnet den Ist-Zustand, das Stammkapital den Soll-Zustand. Verluste führen zu einem Herabsinken des Eigenkapitals gegenüber dem fixen Stammkapital.

Das Mindeststammkapital beträgt gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG 25.000 €.

22 Vgl. , S. 19;

, S. 119.

Kleffner, Erhaltung des Stammkapitals und Haftung nach §§ 30, 31 GmbHG Kühn, Kon-kursantragspflicht bei Überschuldung einer GmbH

Bilanziell entspricht das Stammkapital dem in § 266 Abs. 3 HGB unter Gliederungs-punkt A.I genannten gezeichneten Kapital23. Zu Beginn ihrer Geschäftstätigkeit, wenn Eigenkapital und Stammkapital identisch sind, sähe die beispielhafte Bilanz einer GmbH mit einem Stammkapital von 100.000 € folgendermaßen aus:

Aktiva Tausend € Passiva Tausend €

Anlagevermögen

Bilanzsumme 100 Bilanzsumme 100

3.1.2.2 Anfangskapital

Das Anfangskapital ist das Eigenkapital der Gesellschaft zu Beginn ihrer wirtschaftli-chen Betätigung bzw. bei ihrer Eintragung.

Da gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 GmbHG die Anmeldung der GmbH zum Handelsregister bereits erfolgen kann, wenn die tatsächlich geleisteten Einlagen nur ein Viertel der Verpflichtung und die Summe der Leistungen nur die Hälfte des gesetzlichen Mindeststammkapitals von 25.000 € erreichen, kann das Anfangskapital das Stammkapital bereits unterschreiten25.

23 Baumbach/Hopt, HGB, § 266 Rz 14; Goerdeler/Müller in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 30 Rz 20.

Frank/Wachter, GmbHR 2002, 17

24 In diesem Beispiel haben die Gesellschafter keinen Agio eingezahlt, so dass noch keine Kapitalrück-lage, § 272 Abs. 2 HGB, vorhanden ist. Gewinnrücklagen, § 272 Abs. 3 HGB, konnten noch nicht ge-bildet werden, da die Gesellschaft ihre Tätigkeit gerade erst aufgenommen hat und so noch kein ver-teilungsfähiges Jahresergebnis vorhanden ist, das gemäß § 29 Abs. 2 GmbHG fakultativ in die Gewinnrücklage eingestellt werden kann.

25 Einen Überblick über das Prinzip der Kapitalaufbringung in den verschiedenen Staaten Europas

ge-ben: (17 ff).

Auch in Italien müssen gemäß Art. 2329 Abs. 1 Nr. 2, 2475 Abs. 2 c.c. nur 3/10 der Bareinlagen geleistet werden. Etwas anderes gilt jedoch für die Einmann-GmbH, bei der die Bareinlagen in voller Höhe eingezahlt werden müssen, Art. 2476 Abs. 2 Satz 1 c.c.

3.1.3 Patrimonio sociale und capitale im codice civile

3.1.3.1 Patrimonio netto als Äquivalent zum Eigenkapital und capitale als Äquiva-lent zum Stammkapital

Der Begriff des capitale im italienischen Recht stellt eine fixe Größe dar und errechnet sich aus den zu leistenden Einlagen der Gesellschafter26. Es entspricht somit dem Stammkapital.

Vergleichbar dem gezeichneten Kapital in § 266 Abs. 3 HGB, also dem Stammkapital, findet sich das capitale auch in der Bilanzvorschrift des Art. 2424 c.c. (Contenuto dello stato patrimoniale27), die gemäß Art. 2491 Abs. 1 c.c. auch auf die S.r.l. Anwendung findet, auf der Passivseite des stato patrimoniale an erster Stelle des dem Eigenkapital entsprechenden patrimonio netto. Das patrimonio sociale ist somit nicht als „Vermö-gen“ im deutschen bilanziellen Sinne zu verstehen, sondern spiegelt wie das Eigenkapi-tal als veränderliche Größe den Zustand der Gesellschaft wider. Das patrimonio netto entspricht dem Eigenkapital.

Entsprechend § 5 Abs. 1 GmbHG, der eine Mindesthöhe für das Stammkapital von 25.000 € vorschreibt, bestimmt Art. 2474 Abs. 1 c.c., dass die S.r.l. nicht mit einem capitale von unter 10.000 € gegründet werden darf28.

Der beispielhafte stato patrimoniale einer mit einem capitale von 100.000 € gegründe-ten S.r.l. zu Beginn ihrer Geschäftstätigkeit sähe folgendermaßen aus:

26 , Art. 2327 I Rz 1; Villa in ,

S. 170.

Cian/Trabucchi, CODICE CIVILE Palma, BILANCIO DI ESERCIZIO

27 Der Bilanz als Teil des Jahresabschlusses, § 242 HGB, entspricht der stato patrimoniale als Teil des bilancio, Art. 2423 Abs. 1 c.c..

attivo 1000 € passivo 1000 € Fondi per rischi e oneri Debiti

3.1.3.2 Capitale versato und Capitale nominale

Der Begriff des capitale versato bezeichnet den Teil des capitale, in dessen Höhe die Gesellschafter ihre Einlagen tatsächlich erbracht haben. Demgegenüber stellt das capi-tale nominale die Höhe des capicapi-tale unabhängig davon dar, ob die Einlagen bereits er-bracht worden sind, oder nicht. Die Vorschriften des codice civile zur Kapitalerhaltung verwenden den Begriff des capitale im Sinne des capitale nominale30. Andernfalls könnten sie ihre Schutzfunktion nicht erfüllen.

28 Somit verlangt das italienische Recht bei der GmbH eine geringere Kapitalausstattung. Demgegenüber ist für die AG in Italien gemäß Art. 2327 c.c. ein Mindeskapital von 100.000 € nötig, in Deutschland gemäß § 7 AktG dagegen nur 50.000 €.

29 Im vorliegenden Beispiel haben die Gesellschafter wie bei der obigen deutschen Beispielsbilanz kei-nen Agio einbezahlt, so dass noch keine Kapitalrücklage, riserva da sopraprezzo delle azioni, vorhan-den ist. Mangels Geschäftstätigkeit konnten auch noch keine Gewinnrücklagen, insbesondere die Ge-setzliche Rücklage, riserva legale, der Art. 2430, 2491 Abs. 1 c.c. gebildet werden. Anders als in Deutschland, wo für die GmbH keine gesetzliche Rücklage vorgesehen ist, muss in Italien sowohl bei der S.p.a., als auch bei der S.r.l. ein Zehntel des Jahresergebnisses zur Bildung einer gesetzlichen Rücklage verwendet werden, bis diese ein Fünftel des Grund- bzw. Stammkapitals erreicht. In Deutschland ist bei der AG gemäß § 150 Abs. 2 AktG ein Zwanzigstel des Jahresüberschusses abzüg-lich eines Verlustvortrags, also ebenfalls des Jahresergebnisses, in die gesetzabzüg-liche Rücklage einzustel-len, bis diese zusammen mit der Kapitalrücklage ein Zehntel des Grundkapitals erreicht. In Italien darf die Kapitalrücklage erst dann aufgelöst werden, wenn die gesetzliche Rücklage die Zielsumme er-reicht hat.

30 Colombo, BILANCIO D’ESERCIZIO, S. 364; Villa in Palma, BILANCIO DI ESERCIZIO, S. 170.

3.2 Tatbestände wirtschaftlicher Schieflage der Gesellschaft im