• Keine Ergebnisse gefunden

Da es über die Entstehung der 7. Kosmetikrichtlinie noch keine wissenschaftliche Literatur gibt, stützt sich der empirische Teil meiner Promotion ausschließlich auf Interviews mit beteiligten Akteuren und Dokumente aus dem Entscheidungsprozess. Die Dissertation soll dabei den hohen Ansprüchen, die Moravcsik an die Verwendung von Fakten knüpft, genügen.

Dieser kritisiert Politikwissenschaftler für ihre Neigung, sich zu stark auf Sekundärliteratur zu verlassen. „Political scientists and policy analysts working on the EC continue to rely on one another’s secondary work, government rhetoric, or journalistic commentary. This practice precludes from the start any effort to revise the conventional wisdom. This practice of treating speculation as data has been rightly condemned by professional historians“.8

Moravcsik strebt daher an, wo immer möglich, harte Primärquellen zu benutzen. Dazu zählen unter anderem interne Regierungsdokumente, Tagebucheintragungen, vertrauliche Gespräche

6 Die Herleitung der Hypothesen erfolgt im Teil I C) Der Institutionalismus von Tsebelis.

7 Siehe die Kapitel in Teil I B) und C).

8 Moravcsik, “The Choice for Europe”, Published in the UK by UCL Press, 1998, S. 81.

und lange Interviews mit mehreren entscheidenden Politikgestaltern.9 Moravcsik nimmt für sich in Anspruch, durch diese Verwendung von Primärquellen, wie ein Historiker und genauer als die meisten seiner Kollegen zu arbeiten.10 Dieser Meßlatte will auch diese Dissertation gerecht werden.

Die Frage der wissenschaftlichen Notwendigkeit von Tierversuchen wird in der naturwissenschaftlichen Fachliteratur diskutiert. Allerdings existiert bisher, von Presse- und Zeitschriftenartikeln abgesehen, keine Sekundärliteratur zur politischen Entstehungsgeschichte der 7. Kosmetikrichtlinie! Um den Ablauf nachzuzeichnen, mussten alle relevanten Dokumente von den einzelnen Behörden angefordert, ausgewertet und wie Mosaiksteinchen mit Hilfe von Interviews zu einem großen Ganzen zusammengesetzt werden. Die folgenden Abschnitte geben Auskunft über die Art der Dokumente und Interviews sowie die Quellenlage in den einzelnen Phasen des Ablaufs der 7.

Kosmetikrichtlinie.

Dokumente

Folgende Typen von Dokumenten können unterschieden werden: Erstens veröffentlichte EU-Dokumente, die den legislativen Verlauf der Kosmetikrichtlinie zwischen den europäischen Institutionen Rat, Parlament und Kommission wiedergeben. Diese Dokumente sind über die Internetseiten der jeweiligen Institution einfach erhältlich und rekapitulieren die Zwischenstufen des politischen Prozesses.

Zweitens interne EU-Dokumente, die den Entstehungsprozess der Kosmetikrichtlinie innerhalb der verschiedenen EU-Institutionen aufzeigen. Aus dem Parlament sind dies die Änderungsanträge von Politikern für die Richtlinie mit den dazugehörigen Wahlvorgaben der Parteien, die Abstimmungsergebnisse im zuständigen Ausschuss sowie im Plenum und schließlich Dokumente, die die Vorgänge im Vermittlungsausschuss beschreiben. Aus dem Rat die Protokolle der Verhandlungssitzungen und die Kompromissvorschläge der jeweiligen Ratspräsidentschaft. Aus der Kommission verschiedene Dokumente, die zur Formulierung der Richtlinie beigetragen haben. Die internen EU Dokumente sind auf Anfrage freigegeben worden.

Drittens interne Dokumente aus den ständigen Vertretungen der Mitgliedsstaaten und der nationalen Behörden, die den dortigen internen Entscheidungsprozess darlegen. Allerdings ist ihre Anzahl sehr gering, da die Mitgliedsstaaten den Zugang zu Dokumenten leider sehr

9 Ebd. S. 82.

10 Ebd. S. 83.

restriktiv handhaben. Viertens Informationsmaterial der Interessenvertreter und Artikel aus Zeitschriften. Dieses Material ist auf Anfrage dagegen leicht erhältlich.

Interviews

Diese Untersuchung eines Gesetzgebungsverfahrens basiert auch auf Interviews mit Entscheidungsträgern, die in Brüssel, Paris, London, Berlin und München geführt wurden.

Die Gesprächspartner setzten sich aus Politikern, Diplomaten, europäischen und nationalen Beamten sowie Industrie-, Verbraucherschutz- und Tierschutzlobbyisten zusammen. Bei den meisten Interviews wurde vereinbart, keine Zitate namentlich auszuzeichnen. Damit der Leser die Bedeutung der Aussagen besser einordnen kann, wurden die Zitate allerdings Gruppen wie beispielsweise „Industrie“ zugeordnet. Die Gruppe „Kommission und Parlament“ wurde gebildet um die wenigen Gesprächspartner dort besser zu schützen. Allerdings akzeptierten einige Gesprächspartner ihre namentliche Auflistung im Anhang, damit sich der Leser ein Bild von der Reichweite der Interviews machen kann. Viele Kontakte erscheinen auf persönlichen Wunsch auch dort nicht. Damit ist eine Rückführung eines Zitates zu einer im Annex genannten Person für den Leser nicht möglich. Im Einzelnen fanden folgende Gespräche statt:

o Im Europäischen Parlament mit der Berichterstatterin der 7. Richtlinie, Frau Dagmar Roth-Behrendt, Assistenten von Abgeordneten sowie Beamten des Parlamentssekretariats.

o Im Europäischen Rat mit Diplomaten der ständigen Vertretungen der Mitgliedsstaaten und des Ratsekretariats.

o In der Europäischen Kommission mit Beamten aus der Generaldirektion Industrie und dem Generalsekretariat.

o In den Mitgliedsländern Frankreich, Deutschland und Großbritannien mit Beamten der zuständigen Ministerien.

o Mit Unternehmen wie L’Oreal, LVMH und Unilever sowie Unternehmensvereinigungen wie „The European Cosmetics Toiletry and Perfumery Association“ (Colipa), „Cosmetic, Toiletry & Parfumery Associaton“ (CTPA/UK) und dem Verband der deutschen Riechstoffhersteller (DVRH).

o Mit nationalen und europäischen Tierschutzvereinigungen wie Deutscher Tierschutzbund (DTB), „British Union for the abolition of vivisection“ (BUAV) und

„Eurogroup for animal welfare“.

o Mit dem dänischen Verbraucherschutz und der europäischen Dachorganisation

„Beuc“.

In der Einstellung zu Transparenz und Offenheit zog sich eine Nord-Süd-Linie durch Europa.

Die Kooperationsbereitschaft von Nordeuropäern war im Allgemeinen höher als die von Südeuropäern. Die europäischen Institutionen kooperierten insgesamt sehr gut bei dem Zugang von Dokumenten, das Parlament und Mitglieder des Rates darüber hinaus auch bei der Gewährung von Interviews. Die nationalen Vertretungen und einige nationale Bürokratien waren dagegen bei der Freigabe ihre Dokumente sehr restriktiv und einige auch bei den Äußerungen in den Interviews zurückhaltender. Die Vertreter der Industrie, des Tier- und Verbraucherschutzes kooperierten dagegen sehr stark. Der Ausgang des Entscheidungsprozesses war unbedeutend für die Kooperationsbereitschaft des jeweiligen Akteurs. Die Gewinner waren genauso offen wie die Verlierer. Die Qualität jedes Gesprächspartners beruhte auf der Intensität mit der er in den Prozess involviert war, seiner Kompetenz und seiner Auskunftsbereitschaft. Dabei gab es natürlich Unterschiede zwischen den einzelnen Personen. Die verwendeten Zitate der meisten Gesprächspartner wurden auf ihren Wunsch verschleiert.

Die Quellenlage in den einzelnen Abschnitten des Verfahrens

Die Struktur des zweiten Teils dieser Arbeit orientiert sich am zeitlichen Ablauf des Mitentscheidungsverfahrens der Europäischen Union und zerlegt ihn in sechs Abschnitte:

Vorgeschichte und Entstehung des Kommissionsvorschlages, erste Lesung im Parlament, erste Lesung im Rat, zweite Lesung im Parlament und das Vermittlungsverfahren. Um den Ablauf jeder der sechs Abschnitte nachvollziehen zu können, wurden die dazugehörigen Dokumente gesammelt und mit Interviewaussagen kombiniert.

Der erste Abschnitt gibt mit Hilfe von Artikeln, Interviews und Dokumenten die Vorgeschichte der 7. Richtlinie wider. Der zweite Abschnitt konzentriert sich auf die Entstehung des Vorschlages im Inneren der Kommission. Dabei kommen in erster Linie Dokumente der einzelnen Generaldirektionen zum Tragen. Leider fanden sich kaum Partner für Interviews innerhalb der Kommission.

Der dritte und fünfte Abschnitt behandeln die erste und zweite Lesung des Parlaments. Hier werden die Entwürfe der Berichterstatterin im Ausschuss und Plenum sowie die dazugehörigen Änderungsanträge der Parlamentarier samt Abstimmungslisten verwendet.

Interviews mit Beamten des Parlaments sowie Beteiligten anderer Akteure runden das Bild ab. Allerdings stand von den involvierten Akteuren lediglich die Berichterstatterin Roth-Behrendt zur Verfügung.

Der vierte Abschnitt stellt die Entstehung des gemeinsamen Standpunktes im Rat in den Mittelpunkt. Er beruht auf den internen Dokumenten des Rates und der Kommission sowie

einigen wenigen Positionspapieren von Mitgliedsstaaten. Zahlreiche Interviews mit Mitgliedern des Ratssekretariats, der Ständigen Vertretungen und der nationalen Ministerien beleuchteten den Sachverhalt. Eine stärkere Bereitschaft zur Weitergabe von Positionspapieren wäre trotzdem hilfreich gewesen.

Der letzte Abschnitt untersucht das Zustandekommen des Ergebnisses im Vermittlungsausschuss. Er stützt sich auf Dokumente aus dem Parlament und der Kommission und Aussagen von Interviewpartnern.

Das Einwirken der Industrie und der Nichtregierungsorganisationen auf den Prozess wird in allen Abschnitten mit Hilfe von Dokumenten und Interviews zur Sprache gebracht. Insgesamt erschließen die verwendeten Dokumente mitsamt den durchgeführten Interviews jedoch den gesamten Ablauf des Verfahrens.

Kürzel

Um Platz zu sparen und die Lesbarkeit zu erleichtern werden in dieser Arbeit die europäischen Institutionen normalerweise als Rat, Kommission und Parlament bezeichnet, anstatt die ausführlicheren Namen Ministerrat, Europäische Kommission und Europäisches Parlament aufzuführen. Aus der gleichen Intention heraus werden die Kürzel der Parteien EVP, PES, Grüne, GUE und ELDR verwendet, anstatt die damit verbundenen Namen immer auszuschreiben.11 Gleiches gilt auch für Abkürzungen von Generaldirektion der Kommission (GD bzw. DG) oder von Lobbyisten (COLIPA, BUAV, RSPCA, DTB etc.). Die Nennung von Namen von Politikern und Wissenschaftlern erfolgt ohne Vornahmen. Jede Abkürzung wird in einer Fußnote und am Ende der Arbeit in einem Abkürzungsverzeichnis aufgeführt.

Begriffe und Fremdwörter werden mit Fußnoten in der Arbeit erklärt.