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TEIL II: DER ABLAUF DER 7. KOSMETIKRICHTLINIE

C) Das Parlament verkehrt den Vorschlag der Kommission in der ersten Lesung in sein Gegenteil

II. Die Diskussion am Runden Tisch überzeugt die Berichterstatterin von ihren Chancen

2. Die Diskussion zum Themenfeld Tierschutz

Roth-Behrendt rekapitulierte den Stand der Dinge, wonach die 1993 beschlossene 6.

Richtlinie ein totales Vermarktungsverbot ab einem bestimmten Stichtag beinhaltete, bevor sie alle Anwesenden bat, ihre Meinung zu der von der geplanten 7.Richtlinie der Kommission zu äußern.

Die anwesenden Tierschützer standen dem Vorschlag der Kommission feindselig gegenüber und griffen die Rücknahme des noch in der 6. Richtlinie stehenden Vermarktungsverbotes scharf an. Erstens in dem sie die von der Kommission aufgezeigten juristischen Problemen auf WHO Ebene verwarfen. Die Tierschützer akzeptierten dieses Argument nicht, da die WHO ihrer Auffassung nach unter Artikel 20 des WHO Regimes Handelsbeschränkungen wegen „public moral“ erlaubt, unter die auch Tierversuche fallen würden. Außerdem habe es schon Präzedenzfälle der Amerikaner gegeben und daher sei die Einführung des Vermarktungsverbotes eine politische und keine juristische Frage. Zweitens in dem sie auf die Anteilnahme der Öffentlichkeit und die institutionelle Entwicklung der Kosmetikrichtlinie zu mehr Tierschutz hinwiesen.

Die europäische Kosmetikindustrie COLIPA, beteuerte ihren Willen, die Tiertests beenden zu wollen und hielt eine Reduzierung der Tiertests von gegenwärtig 35 000 auf 7 000 pro Jahr in der EU für möglich. Allerdings unterstrich sie auch ihre Prioritäten: Die Sicherheit der Verbraucher müsse an erster Stelle stehen, es dürfe kein Verkaufsverbot geben, Testverbote seien akzeptabel, sobald alternative Testmethoden existierten, aber die internationale Lage sei zu bedenken und die 7 000 Tests unbedingt notwendig. CFTA und BEUC sprachen sich überall dort für Tests aus, wo sie notwendig seien.

Jede der drei anwesenden Generaldirektionen der Kommission verteidigte ihren Entwurf in einer anderen Art und Weise: Die GD Unternehmen versuchte die Debatte zu versachlichen, die in ihren Augen zu emotional gelaufen war und argumentierte vielschichtig. Kernpunkt der geplanten Richtlinie sei es, die vier Ziele, öffentliche Gesundheit, Tierschutz, Binnenmarkt und Außenhandel untereinander auszubalancieren. Das Vermarktungsverbot sollte durch folgende Lösung innerhalb der europäischen Union ersetzt werden: Ein sofortiges Tiertestverbot für Fertigerzeugnisse und ein graduelles Verbot von Tierversuchen für Bestandteile nach einer Frist von zwei Jahren mit der Möglichkeit sie unter Umständen um drei Jahre verlängern zu können. Die GD Unternehmen führte weiter aus, dass sie nie damit argumentiert hätte, dass das Verkaufsverbot WHO Probleme schaffen würde! Der Artikel 3.4 der WHO unterscheide schließlich zwischen „similar products“. Die GD Unternehmen

stimmte den Tierschützern ausdrücklich zu, dass die Einführung eines Vermarktungsverbotes keine juristische, sondern eine politische Frage sei! Die GD Unternehmen wollte die internationale Anerkennung stärken, um die Wiederholung von den gleichen Tests rund um die Welt zu stoppen. Das Problem mit den „Mutual Recognition Agreements (MRA)“ sei aber, dass ihre Annerkennung im OECD Prozess zu lange dauere. Bei der Frage der Etikettierung wollte die GD Unternehmen ein Maximum an Information für den Verbraucher veröffentlichen lassen. Auch die Erforschung von alternativen Testmethoden müsste deutlich beschleunigt werden. Das Parlament solle doch die Kommission bitten, auf diesem Gebiet aktiv zu werden.

Die GD Verbraucherschutz argumentierte dagegen wissenschaftlich, gestützt auf den wissenschaftlichen Ausschuss (SCCNPF)315 der Kommission und sprach sich für weitere Tests aus. Bisher konnten nur drei einwandfrei alternative Tests entwickelt werden. Gutes wissenschaftliches Vorgehen sei die Kombination aus den drei Alternativtests und die weitere Verwendung von einigen Tiertests. Man müsse unbedingt verhindern, dass Tiertests durch Tests an Menschen ersetzt werden. Die GD Verbraucherschutz führte aus, dass sich das SCCNPF selbst deutlich für weitere Tiertests aussprach. Außerdem legte sie auf ein weltweites Vorgehen Wert, da sonst Importprodukte den Binnenmarkt überschwemmen würden, weil die europäische Industrie nicht wettbewerbsfähig sei.

Die GD Außenhandel argumentierte hingegen juristisch mit Hinblick auf die WHO und widersprach damit der GD Unternehmen. Die Rechtslage sei vielleicht nicht der wichtigste Grund für die Ersetzung des Vermarktungsverbotes, spiele aber auch eine Rolle und sei komplizierter, als sie dargestellt wurde.

Anschließend verteidigte sich die OECD gegen die Anschuldigungen der GD Unternehmen, wonach sie zu langsam sei und wiederholte die wissenschaftliche Argumentation der GD Verbraucherschutz. Die Entwicklung und Prüfung von Alternativmethoden sei eine weltweite Angelegenheit und die internationale Abstimmung eben kompliziert. Gute Wissenschaft brauche Zeit. Die OECD widersprach auch der negativen Einschätzung des Fortschritts seitens der Tierschützer. In vier Jahren wird es zwar nicht möglich sein, alle Tiertests zu ersetzen, aber es wird in Zukunft große Fortschritte geben. Die OECD sprach sich daher gegen ein Vermarktungsverbot und für eine graduelle Einführung von Alternativtests aus. Die Mischung von Alternativtests und einigen notwendigen Tiertests sei der beste Weg nach vorne.

315 Scientific Committee on Cosmetic Products and Non Food Products intended for Consumers.

Bewertung der Debatte

Die Eröffnungserklärungen aller Teilnehmer verdeutlichten die Konfliktlinien zwischen den anwesenden Akteuren. Die grundsätzliche Ablehnung der Tierschützer sowie die Zustimmung der Industrie zum Entwurf der Kommission können nicht überraschen. Interessant ist allerdings die unterschiedliche Einschätzung der internationalen Rechtslage. Tierschützer und GD Unternehmen hielten sie beide für zweideutig und durchaus für den Tierschutz zu gewinnen. Die GD Außenhandel und die Industrie beharrten dagegen darauf, dass die internationale Rechtlage zu schwerwiegenden Problemen mit der WHO und den Amerikaner führen würde.

Außerdem wird deutlich, dass jede Generaldirektion ihre eigene Argumentationsstruktur besaß, die in dieser Deutlichkeit durch die von der Kommission gelieferten Dokumente nicht in den internen Konsultationen nachgewiesen werden konnten. Die GD Außenhandel war völlig auf die rechtliche WHO Problematik fixiert. Die GD Verbraucherschutz argumentierte dagegen rein wissenschaftlich mit der Notwendigkeit von Tiertests aus Sicherheitsgründen.

Die GD Unternehmen widersprach der rein rechtlichen Rechtfertigung der GD Außenhandel und verteidigte die Richtlinie politisch mit Hinblick auf eine Ausbalancierung der Ziele öffentliche Gesundheit, Tierschutz, Binnenmarkt und Außenhandel.

Die Reaktionen auf die Positionen der Anderen in der Frage und Antwort Runde

Im weiteren Verlauf verschärfte Roth-Behrendt die Diskussion, als sie auf die Eingangserklärungen der Teilnehmer einging. Zuerst drohte sie mit der Implementierung der 6. Richtlinie. Dann zog sie die WHO Probleme in Zweifel und verweigerte es, dem US Kongress eine Mitentscheidung in EU Angelegenheiten zuzubilligen. Drittens warf sie der Industrie vor, sich hinter der Wissenschaft zu verstecken und immer mehr Zeit zu verlangen.

Außerdem schlug sie vor, dass die OECD die von dem EU Institut ECVAM geprüften Methoden übernehmen solle. Dies führte zu harscher Gegenwehr der OECD und COLIPA.

Die OECD hielt es für realitätsfremd zu glauben, dass politischer Druck die Wissenschaft beschleunigen kann. Die OECD sah sich außerstande die ECVAM Methoden blindlings zu übernehmen, da sie aus 29 Staaten besteht und die neuen Methoden kontrollieren müsse. Aber das Verfahren dauere nur sechs Monate.

COLIPA eröffnete der Runde, dass die 6. Richtlinie, die ebenfalls Roth-Behrendt als Berichterstatterin begleitet hatte, ein Fehler gewesen und nicht zu implementieren sei. Man müsse das doch realistisch angehen.

Die Tierschützer spezifizierten die Rechtsfrage, indem sie erklärten, dass die WHO ein Problem sein kann, aber nicht sein muss. Außerdem äußerten sie, dass ein Tiertest- und ein

Vermarktungsverbot nötig seien, gerade weil man der Wissenschaft keine Fristen geben könne. Es ginge darum, eine moralische Linie zu ziehen!

Mehrere Teilnehmern verteidigten erneut den Vorschlag der Kommission, das Vermarktungsverbot zu streichen: Das wissenschaftliche Komitee erklärte, dass es ein Vermarktungsverbot für gefährlich hielte, weil es die Entwicklung von neuen Produkten hindere. Die GD Außenhandel unterstrich nochmals die schwierige Rechtslage mit Hinblick auf die WHO.

Roth-Behrendt äußerte Unverständnis, warum Kosmetikprodukte von der OECD anders als Pharmazeutikprodukte behandelt werden. Roth-Behrendt erwiderte, dass das wissenschaftliche Komitee dasselbe schon vor sieben Jahren gesagt hatte. Es gäbe doch bereits 8000 getestete Bestandteile. Wofür noch mehr?

Die Frage des Vermarktungsverbotes wurde kontrovers zwischen Tierschützern, GD Unternehmen und COLIPA diskutiert: Aufgrund ihrer Erfahrung mit der zweimaligen Verlängerung des Inkrafttretens der 6. Richtlinie fragten die Tierschützer, ob die anvisierte 3+2 Lösung der Kommission bei dem Tiertestverbot für Bestandteile endgültig wäre, oder nur wieder auf Verlängerungen hinauslaufe. Die GD Unternehmen antwortete, dass der 3+2 Vorschlag eine Lösung für die nächsten fünf bis sieben Jahre darstellen würde.

COLIPA erklärte, dass die Industrie einen Teststopp für Fertigerzeugnisse und für Bestandteile, für die es gültige Alternativmethoden gibt, akzeptieren könne. Ebenso sei ein stärkeres Engagement der Industrie für die Entwicklung von Alternativmethoden vorstellbar.

Der RSPCA lehnte es dagegen ab, sich auf das Wort der Industrie zu verlassen. Eine endgültige Frist sei unbedingt notwendig. Die Summen, die von der Industrie, den Staaten und der EU für die Entwicklung von alternativen Methoden ausgegeben werden, seien zu niedrig.

Ein Nebenstreit entzündete sich an der Frage der möglichen Etikettierung von nicht auf Tieren getesteten Produkten. Der BUAV verweigerte die Idee einer Kennzeichnung „nicht auf Tieren getestet“, wenn ein Produkt irgendwann einmal auf Tieren getestet worden sei. Diese Kennzeichnung dürfe nur ein Produkt tragen, das nie einen Tiertest nötig hatte.

Roth-Behrendt und GD Unternehmen behandelten die Frage, ob eine 7. Richtlinie überhaupt sein müsse. GD Unternehmen trat für eine 7. Richtlinie ein, um zu verhindern, dass mehrere Staaten am Europäischen Gerichtshof angeklagt werden und um einige Verbesserungen zu erreichen. Roth-Behrendt sah eine juristische Lösung im Falle eines Scheiterns auch nur als

drittbeste Lösung an. In diesem Punkt herrschte Einverständnis zwischen den Roth-Behrendt und GD Unternehmen.

Roth-Behrendt bekräftigte ihr Ziel, ein Resultat herbeizuführen, bei der weniger Tiere

„verbraucht“ werden und bekannte sich am Ende der Diskussion dazu, das Vermarktungsverbot wieder in den Text aufzunehmen.

Die Diskussion am Runden Tisch überzeugte sie davon, die 7. Kosmetikrichtlinie offensiv anzugehen und die Konfrontation zu wagen. Sie forderte mit einem Vermarktungsverbot viel in der Tierschutzfrage und öffnete die Richtlinie für Verbraucherschutzfragen. Die Frist von fünf Jahren ergab sich folgendermaßen: „Die Zeitspanne durfte nicht zu lang und nicht zu kurz sein, daher fünf Jahre.“316