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TEIL III: DAS RESULTAT DER UNTERSUCHUNG

A) Anhang I: Die Analyse der Roll-Call-Votes

I. Analyse der Roll-Call-Votes im Plenum der ersten Lesung

577Siehe Anhang I: Analyse der Roll-Call-Votes im Plenum der ersten Lesung.

578 Antrag 43.

579 Antrag 42.

580 Antrag 41 und Antrag 23/2 (Teil 1).

Interessenbild der strittigen Punkte im Plenum in der ersten Lesung Plenum I***

Tiertestthematik

Grüne und GUE PES und ELDR EVP

Über ENVI - RCV die Spaltung prüfen

Vermarktungsverbot ab bzw. in 30.06.2003 5 Jahren 10 Jahren

Teststop für Bestandteile ab Wie PES 31.12.2004 31.12.2004 + 2 Jahre

Teststop für Fertigerzeugnisse ab Wie PES Inkrafttreten der Richtlinie Wie PES

Ausnahmeregelung Wie PES Ja Nein

Werbung „Nicht auf Tieren getestet“ Ja, führen leichte Modifikation ein: Kom muss EP bei Erarbeitung von Leitlinien hinzuziehen

Ja Nein

Etikettierungspflicht: „Im Tierversuch erprobt“

„Im Tierversuch erprobt“ mit 20 Prozent der Fläche

Dagegen „Im Tierversuch erprobt“ mit 20 Prozent der Fläche

Verwendung von CMR Stoffen Verbot Nur wenn sie das SCCNPF für unbedenklich erklärt Wie PES Mindesthaltbarkeit Wie EVP Produkte mit mehr als 30 Monaten Haltbarkeit müssen

angeben, wie lange man sie nach dem Öffnen verwenden kann

Alle Produkte müssen ihre Mindesthaltbarkeit nach dem Öffnen

angeben

Informationspflicht Wie PES Alles an die Öffentlichkeit Dagegen

Verwendung von Allergenen Verbot von 26 Stoffen

Die Mindestkonzentration von 26 Stoffen muss angegeben werden + Warnhinweis (wegen Verfahrensfehler

verfallen)

Wie Roth-Behrendt nur schwächerer Warnhinweis

Duftstoffe in Kosmetika für Kinder und Intimpflege

Wie PES Spezielle Risikoanalyse Wie PES

Ausnahme für Riech- und Aromastoffe Wie EVP ja Nein

Abkürzungen:

„Wie PES“ bedeutet, dass eine andere Fraktion wie die PES und die ELDR abgestimmt hat, unabhängig davon, von wem der Antrag kam.

„Fett“ markiert, was sich in der Abstimmung durchgesetzt hat.

„*“ zeigt die beiden Abstimmungen auf, bei denen die PES die kursiv gedruckten Positionen vorgezogen hätte, aber ohne die ELDR nicht durchsetzen konnte.

„-“ bedeutet, dass über die Haltung der Fraktion bzw. des Fraktionsteils keine Informationen vorliegen.

„Gespalten“ bedeutet, dass die Fraktion bzw. ein Teil dieser Fraktion in dieser Frage gespalten war.

5. Die Reaktionen der anderen Akteure auf das Ergebnis der ersten Lesung Die Tierschützer und die Industrie

Die Tierschützer empfanden das Ergebnis als einen Sieg. Zwar ging es einigen nicht weit genug, aber die Mehrheit war damit zufrieden. „Although we wish to see the ban implemented much sooner than the Parliament proposes, this is still an extremely significant day for laboratory animals and a slap in the face for those cosmetics companies continuing to kill animals for cosmetics.“581 Im Nachhinein hielten viele die erste Lesung für den wichtigsten Teil des Verfahrens. Von da an mussten die Tierschützer das Ergebnis nur noch verteidigen.582

Für die Industrie stellte sich die Lage diametral dar: „Die erste Lesung war ein Desaster für die Industrie“.583 Der ursprüngliche Entwurf der Kommission stimmte völlig mit ihren Interessen überein. Die Verkehrung in sein Gegenteil kam zudem überraschend. „Die Industrie hatte das Emotionale der Debatte nicht begriffen und das Parlament unterschätzt.“584 Allerdings war das Resultat auch ein Weckruf, denn das Parlament wurde von der Industrie bisher nicht ernst genommen. „Die erste Lesung war das große Erwachen.“585

Die Kommission

Es ist für die Kommission grundsätzlich schwieriger, die Reaktion des Parlaments als die des Rates vorherzusehen. Das liegt an den häufigeren Konsultationen der Kommission mit dem Rat und der höheren inneren Komplexität des Parlaments. Deswegen können Lesungen des Parlaments immer eine gewisse Überraschung für sie beinhalten.586 Die Mehrheit für die einzelnen tierschutzfreundlichen Anträge war sehr groß, was die Kommission beeindruckte und überraschte. Dazu hatte Roth-Behrendt die Richtlinie für Verbraucherschutzpunkte geöffnet, was von der Kommission ursprünglich nicht beabsichtigt war. Insgesamt hinterließ die erste Lesung damit einen starken Eindruck.587

Die Kommission lehnte die Wiedereinsetzung des Vermarktungsverbotes, das strengere Tiertestverbot für Bestandteile und die Ausweitung der Definition „kosmetisches Fertigerzeugnis“ auf Prototypen ab. Sie wandte sich auch gegen die Einführung der Etikettierung „Im Tierversuch erprobt“, konnte sich aber die Werbemöglichkeit „Nicht auf

581BUAV, Press release: “Animal tested cosmetics rejected by Euro MPs”, 3.4.2001, p. 1.

582 Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

583 Gesprächspartner aus der Industrie.

584 Gesprächspartner aus der Industrie.

585 Gesprächspartner aus der Industrie.

586 Gesprächspartner aus Kommission und Parlament.

587 Gesprächspartner aus Kommission und Parlament.

Tieren getestet“ vorstellen. In den Verbraucherschutzpunkten akzeptierte die Kommission die Einführung der speziellen Sicherheitsüberprüfung für Kosmetika für Kinder und die weibliche Intimpflege. Die CMR Stoffe wollte sie mit ihrer neuen Chemikalienpolitik regeln, bei der geplant war die Stoffe der Kategorie 1 und 2 zu verbieten, sofern sie nicht von SCNNPF autorisiert werden und sah daher keine Notwendigkeit für eine spezielle Regelung in der 7.

Richtlinie. Die Kommission sprach sich gegen die Veröffentlichung der Informationen über die Bestandteile an die Bevölkerung aus, da dies gegen das geistige Eigentum verstoßen würde. Die Aufhebung der Ausnahme für die Riech- und Aromastoffe und die Einführung einer Mindesthaltbarkeit nach dem Öffnen im Sinne des Parlaments zusätzlich zum Verfallsdatum lehnte sie ebenfalls ab. Die Kommission unterstützte zwar eine Etikettierung der wichtigsten Allergene, sprach sich aber gegen Warnhinweise und volle Informationsweitergabe aus, da dies die Menschen nur verunsichern würde und zu umfangreich sei.588

Der Rat

Der Rat war über die Abstimmung im Parlament und seine inneren Konfliktlinien genau informiert.589 Das Ergebnis des Parlaments hatte für den Rat zur Konsequenz, dass dort nunmehr verstärkt Verbraucherschutzpunkte diskutiert wurden, da das Parlament die Richtlinie um dieses Themenfeld erweitert hatte. Der Einsetzung des Vermarktungsverbotes stand der Rat allerdings größtenteils feindselig gegenüber und hoffte auf ein Scheitern von Roth-Behrendt’s Vorschlag in der zweiten Lesung, wo die Anforderungen für das Erreichen einer Mehrheit höher waren. Die Darstellung und Analyse der Geschehnisse im Rat folgen im nächsten Kapitel.

588 European Commission, GD Enterprise, F3, Briefing Note for Cabinet of M. Liikanen, Internal Market Council, 26.11.2001, p. 24.

589 Council of the European Union, Information Note, Outcome of the European Parliament’s first reading, 7571/01, Brussels on the 5.4.2001, p. 1-25.

D) Der Rat weist in seiner ersten Lesung die Forderungen des Parlaments zurück

I. Einführung 1. Übersicht

Dieses Kapitel analysiert in vier Schritten den Ablauf der Verhandlungen im Rat. Der Erste führt mit Hilfe der Sekundärliteratur in die Funktionsweise des Ministerrates in seinen drei Gruppierungen Arbeitsgruppe, COREPER und politische Ebene des Ministerrates ein und beleuchtet die Präsidentschaften sowie Interessen der einzelnen Länder. Die folgenden drei Schritte analysieren den Ablauf der Verhandlungen, je nach Präsidentschaft gegliedert, auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Akten des Rates und Interviews. Doch zuvor soll ein kurzer Überblick die Geschehnisse im Rat nachzeichnen:

Schon früh zeichneten sich innerhalb des Rates Konfliktlinien ab: Dänemark entwickelte eine Außenseiterposition und stand alleine treu zum Vermarktungsverbot der 6. Richtlinie und gegen den Vorschlag der Kommission. Finnland, Schweden, Österreich, Deutschland und die Niederlande akzeptierten die Aufhebung des Vermarktungsverbotes aus Angst vor Streitigkeiten mit der WHO, wollten aber ein geringfügig schnelleres Tiertestverbot für Bestandteile erreichen. Frankreich, Spanien, Italien, Belgien, Irland, Portugal und Griechenland unterstützten ebenso die Aufhebung des Vermarktungsverbotes, stellten aber den Schutz der öffentlichen Gesundheit und der Innovationsfähigkeit der Industrie in den Vordergrund und drängten auf Erleichterungen bei Tiertests für Bestandteile. Großbritannien lavierte zwischen den beiden Gruppen umher.

Die schwedische Präsidentschaft versuchte noch in der ersten Lesung mit zwei Vorschlägen einen Kompromiss mit dem Parlament zu erreichen. Der erste Vorschlag erfolgte in Absprache mit der Berichterstatterin Frau Roth-Behrendt und umfasste die Einführung eines Vermarktungsverbotes ab dem Jahre 2013 sowie ein Tiertestverbot für Fertigerzeugnisse und für Bestandteile innerhalb der EU. Die Ratsmehrheit konnte aber insbesondere das Vermarktungsverbot nicht zu diesem frühen Zeitpunkt akzeptieren.

Der zweite schwedische Kompromissvorschlag reagierte auf die Kritik der Delegationen und war deutlich industriefreundlicher ausgerichtet als sein Vorgänger, da er kein Vermarktungsverbot mehr enthielt und das Enddatum für Tiertests für Bestandteile auf 48 Monate ausdehnte. Die Verbraucherschutzpunkte des Parlaments wie Mindesthaltbarkeit,

Informations- oder Berichtspflicht wurden von der Präsidentschaft eingebracht, viele aber von den Delegationen abgelehnt. Der COREPER verwässerte noch die Tierschutzregelungen, indem er das Testverbot von Bestandteilen auf 60 Monate ausdehnte. Es gelang aber nicht, noch im Sommer eine Einigung zu erzielen, da die Positionen der Länder nach wie vor zu weit auseinander lagen.

Die belgische Präsidentschaft stand in Verbrauchschutzfragen in der Kontinuität der Schweden, nahm aber in der Tierschutzfrage eine deutlich industriefreundlichere Haltung ein und verschärfte dadurch den Kurs des Rates gegenüber dem Parlament: Das Vermarktungsverbot wurde zwar eingeführt, aber an die einstimmig beschließende OECD angekoppelt, „um ein multinationales Band zu schaffen“590 und damit aufgrund des auf Einstimmigkeit beruhendem Verfahren auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Die Anbindung des Enddatums für das Testverbot für Bestandteile an die Entwicklung von Alternativmethoden und die Einführung einer Definition von Alternativmethoden führte zu einer weiteren Schwächung des Tierschutzes. Dieses Resultat wurde letztendlich im Februar 2002 gegen die Stimmen Österreichs und bei Enthaltung von Deutschland, der Niederlande und Dänemark verabschiedet.

2. Die Funktionsweise des Rates Der Rat: Ursprung und Struktur

Der Rat bzw. Ministerrat ist das wichtigste Entscheidungsgremium der Europäischen Union.

Vertreter der Mitgliedsstaaten artikulieren dort ihre nationalen Interessen und handeln Kompromisse aus. Der Rat kann seine Anfänge bis zum speziellen Rat der Minister der EGKS aus dem Jahre 1951 aus dem Pariser Vertrag zurückverfolgen, der allerdings nur zum Austausch von Informationen diente. Der mit den Römischen Verträgen im Jahre 1957 geschaffene Ministerrat der Europäischen Gemeinschaften wurde dagegen gegründet um die Koordinierung der allgemeinen Wirtschaftspolitik zu gewährleisten und Entscheidungen zu treffen (Artikel 145 EG-Vertrag).591

Der Rat besteht aber nicht aus einem monolytischen Block, sondern den Mitgliedsstaaten der EU. Diese variieren beträchtlich nach Bevölkerungszahl, wirtschaftlichem Gewicht, Länge der EU Mitgliedschaft, Verwaltungskultur, Verhandlungsstil, Einstellung zu Europa und anderem. Die Koalitionen im Rat bilden sich je nach Themengebiet immer wieder neu

590 Gesprächspartner aus Rat und Mitgliedsstaaten.

591 John Peterson and Michael Shackleton, “The Institutions of the European Union”, Oxford University Press, 2002. p. 49.

heraus.592 Der Rat ist hierarchisch gegliedert: Von unten nach oben beschäftigen sich erst die aus nationalen Experten zusammengesetzten Arbeitsgruppen, dann der aus Diplomaten bestehende COREPER und schließlich die entsandten Minister des Ministerrates mit den zur Diskussion stehenden Themen.593

Über dem Ministerrat steht noch der Europäische Rat mit den Staats- und Regierungschefs, der aber normalerweise nicht in die Alltagsgeschäfte der EU eingreift, sondern sich um die Entwicklung der großen Linien der EU kümmert. Der Ministerrat tagt in verschiedenen Formationen, je nach Aufgabengebiet. Die Minister nehmen dort als Vertreter ihrer jeweiligen Regierung teil und sind autorisiert diese auf Entscheidungen zu verpflichten.594 Die Präsidentschaft rotiert gleichmäßig zwischen den Mitgliedern für einen Zeitraum von sechs Monaten, der am 1. Januar oder Juni beginnt. Das Beschlusssystem des Rates hängt von dem betreffenden Politikfeld ab.595 Das Sekretariat des Rates ist politisch neutral und unterstützt die gesamte Ratshierarchie bei ihrer Arbeit.

Die Arbeitsweise des Rates

Die Hauptaufgabe des Rates liegt im Treffen von Entscheidungen. Dabei handelt er nach Maßgabe seiner internen und informellen Regeln, die den Entscheidungsprozess des Ministerrates, der Präsidentschaft und des Sekretariates prägen.596

Der Ministerrat ist der wichtigste Gesetzgeber der Europäischen Institutionen. Innerhalb des Rates werden nationale Interessen artikuliert und verteidigt, Koalitionen gebildet und Kompromisse geschlossen. Darüber hinaus muss der Rat auch mit den anderen für den Entscheidungsweg relevanten Institutionen verhandeln. Die Kommission nimmt an den Sitzungen des Rates teil, das Parlament muss dagegen über die Entscheidungsverfahren einbezogen werden.597

Die Arbeit des Ministerrates wird durch den COREPER und die Arbeitsgruppen vorbereitet.

Die Minister nehmen alle auf unterer Ebene ausgehandelten Kompromisse ohne Diskussion als so genannte „A-Punkte“ an und diskutieren lediglich Themen, die auf unterer Ebene keine Einigung gefunden haben. Schätzungen zufolge behandeln die Minister nur 10 bis 15 Prozent der zu verabschiedenden Gesetzesakte. Am Ende einer Diskussion im Ministerrat wird der

592 Ebd. S. 63.

593 Ebd. S. 49.

594 Ebd. S. 50.

595 Ebd. S. 47.

596 Ebd. S. 53.

597 Ebd. S. 54.

betreffende Punkt beschlossen oder wieder an den COREPER oder die Arbeitsgruppen zur weiteren Verhandlung verwiesen. 598

Bei Abstimmungen im Ministerrat gilt je nach Themengebiet die einfache Mehrheit, die qualifizierte Mehrheit oder das Einstimmigkeitsprinzip. Nur in letzterem Fall besitzen die Mitglieder ein Vetorecht. Bei den meisten Entscheidungen gilt das Verfahren der qualifizierten Mehrheit. Dabei verfügt jedes Land über eine gewisse Anzahl von Stimmen, die sich nach der Bevölkerungsstärke ausrichtet. Bis zum Vertrag von Nizza reichte die Skala von zwei Stimmen für Luxemburg bis zu zehn Stimmen für Frankreich oder Deutschland. Seither liegt das Minimum bei drei Stimmen für Malta und das Maximum bei 29 Stimmen für große Länder wie Frankreich oder Deutschland.599

Um zu einer Entscheidung zu kommen sind folgende Bedingungen zu erfüllen: Erstens muss eine qualifizierte Mehrheit erreicht werden. Unter den Bestimmungen der EU-15 vor dem Vertrag von Nizza, unter denen die Kosmetikrichtlinie verhandelt wurde, lag diese bei 62 von 87 möglichen Stimmen. Seit dem Vertrag von Nizza und der Osterweiterung sind 255 von 345 Stimmen nötig. Die Sperrminorität trat demnach früher bei 26 von 87 Stimmen und nun bei 91 von 345 Stimmen ein. Zweitens muss mindestens die Hälfte der Staaten zustimmen.

Seit Nizza existiert eine dritte Bedingung: 62 Prozent der Bevölkerung der Union müssen vertreten sein.600 Die Entscheidungsfindung im Rat läuft nicht auf eine reine Abstimmungsmechanik heraus. Die Suche nach einem Konsens ist die Praxis und jede Präsidentschaft versucht, so viele Länder wie möglich in ihren Kompromissvorschlag zu integrieren. Statistisch werden nur in einer von vier Entscheidungen Abstimmungen angesetzt.601

Die Präsidentschaft ist der Hauptansprechpartner der Kommission und des Parlaments während der Verhandlungen. Sie ist in den Ratsverhandlungen neutral. Das Sekretariat des Rates hat zwei formale Funktionen: Erstens die Organisation der Konferenzen und zweitens die Unterstützung der Ausschüsse.602

Der COREPER

COREPER, der Ausschuss der ständigen Vertreter, wurde als Vorbereitungsgremium für die Ministerratssitzungen gegründet, wandelte sich aber zu einem Ort der kontinuierlichen Verhandlungen und Entscheidungen. Dieses kollektive Entscheidungssystem entwickelte

598 Ebd. S. 54.

599 Ebd. S. 57.

600 Ebd. S. 58.

601 Ebd. S. 58.

602 Ebd. S. 60.

seine eigene Organisationskultur, Normen, Rationalität und Verhandlungsstil.603 Der COREPER ist einer der Hauptakteure in der alltäglichen Entscheidungsfindung der EU, steht aber nicht im Rampenlicht. Die Mitglieder des COREPER stehen in dem Spannungsverhältnis einerseits die nationalen Interessen ihrer Länder zu vertreten, andererseits Kompromisse und Lösungen zu erreichen.604

Der Vorläufer des COREPERs wurde bei dem ersten Ministertreffen im Jahre 1952 ad hoc gebildet und dann permanent weitergeführt. Mit den Römischen Verträgen wurde dann die gesetzliche Basis für das Komitee mit Artikel 151 EEC geschaffen. COREPER erhielt schnell den Ruf, Kompromisse schmieden zu können und Lösungen über eine breite Anzahl an Themen zu erreichen.605 1962 teilte man den COREPER in zwei bis heute gültige Themengebiete auf: Der COREPER II umfasst die Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten und behandelt die Außen-, Finanz- und Innenpolitik sowie institutionelle Fragen. COREPER I besteht dagegen aus den Stellvertretern der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten und beschäftigt sich mit dem Binnenmarkt und angrenzenden Themen.606

Der COREPER hat starke Einflussmöglichkeiten auf die Gesetzesvorhaben der EU. Dazu gehört die „de facto“ Macht Entscheidungen zu treffen, sowie die institutionelle Fähigkeit Interessen zu bündeln.607 Formal besitzt der COREPER keine Entscheidungsautorität, trifft aber in der Praxis als ständiges Verhandlungsgremium Entscheidungen am laufenden Band.

Dabei herrscht innerhalb des COREPERs eine Kultur des Konsenses, es wird versucht so viele Delegationen wie möglich zur Zustimmung zu bewegen. Offiziell darf im COREPER nicht abgestimmt werden, dies kann aber über Abstimmungen, die anzeigen, wie eine Delegation im Ministerrat wählen würde, umgangen werden. 608

Die institutionelle Fähigkeit divergierende Interessen zu bündeln resultiert aus vielen Faktoren: Der Intensität der Verhandlungen, der Abwesenheit von Öffentlichkeit, der gegenseitige Wille aller Delegationen die Probleme der anderen zu verstehen, der Vielzahl behandelter unterschiedlicher Themen, einem Gedächtnis für gegenseitig erbrachte Leistungen, einer speziellen Konsenskultur, die soviel Mitglieder wie möglich einzubinden versucht und einer gewissen Autonomie des COREPERs von Anweisungen der Hauptstadt.

603 Ebd. S. 277.

604 Ebd. S. 278.

605 Ebd. S. 281.

606 Ebd. S. 284.

607 Ebd. S. 287.

608 Ebd. S. 287.

Dies alles kreiert ein dynamisches Umfeld, in dem Entscheidungen getroffen werden können.609

Das Verhältnis des Rates zu anderen Institutionen

In den 90ziger Jahren kam es zu einer Machtverschiebung im Dreieck zwischen Rat, Parlament und Kommission. Mit der Einführung des Mitentscheidungsverfahrens und dem damit verbundenen Vetorecht sowie dem direkten Zugang zum Rat, erfuhr das Parlament einen entscheidenden Machtzuwachs und etablierte sich gleichauf mit dem Rat als Gesetzgeber. Die Kommission verlor dagegen die Möglichkeit, Änderungsanträge des Parlaments abzulehnen. Dennoch bleibt sie ein wichtiger Akteur: Die Kommission besitzt das Initiativrecht, gilt als Hüterin des Gemeinschaftsinteresses und kann als Vermittlerin zwischen den Institutionen auftreten. Gleichzeitig ist sie aber auch Anwalt ihres eigenen Vorschlages.610 Das Parlament ist nun ein Gesetzgeber auf gleicher Augenhöhe mit dem Rat und verfügt über ein Vetorecht bei Entscheidungen. Daher nimmt der Rat das Parlament nun ernster und dieses verhält sich weniger störrisch als früher, als es versuchte seine Macht auszubauen. Das Mitentscheidungsverfahren verlangt ein hohes Ausmaß an Kooperation zwischen den gesetzgebenden Institutionen. Um das dreistufige Verfahren so schnell wie möglich abzuschließen, existieren viele informelle Verhandlungswege zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission um zu eruieren, ob eine Lösung bereits in der ersten oder zweiten Lesung erreichbar ist.611

3. Präsidentschaften und Interessen der Länder Zeitplan und Präsidentschaften

Die Kommission hat am 5.4.2000 dem Parlament und dem Rat einen Vorschlag für die 7.

Kosmetikrichtlinie unterbreitet. Das Parlament beendete seine erste Lesung im April 2001.

Der Rat begann am 3.7.2000 seine Arbeit und legte am 14.2.2002 einen gemeinsamen Standpunkt vor. Die Verhandlungen fanden in der Arbeitsgruppe,612 dem COREPER und dem Ministerrat statt. Die Verhandlungen standen unter folgenden Präsidentschaften: Frankreich (2. Hälfte 2000), Schweden (1. Hälfte 2001), Belgien (2. Hälfte 2001) und Spanien (1. Hälfte 2002). Beim anschließenden Vermittlungsverfahren lag die Präsidentschaft bei Dänemark (2.

Hälfte 2002).

609 Ebd. S. 281.

610 Ebd. S. 62.

611 Ebd. S. 61.

612 Working Party on Technical Harmonisation (Cosmetics).

Die französische Präsidentschaft hatte keinen großen Einfluss, da der Rat vor dem Ende der ersten Lesung des Parlaments keinen gemeinsamen Standpunkt veröffentlichen darf und der politische Prozess gerade erst begonnen hatte. Von daher konnten die Franzosen nichts voranbringen. Die schwedische Präsidentschaft war bestrebt eine Einigung in der ersten Lesung zu schaffen und legte zwei ehrgeizige Vorschläge vor. Sie scheiterte aber, weil es um diese Zeit zwei sich gegenseitig blockierende Minderheiten gab und der Rat das Vermarktungsverbot noch nicht akzeptieren wollte. Unter der belgischen Präsidentschaft erfolgte dann die politische Einigung des Rates im November, wo der gemeinsame Standpunkt in groben Zügen aufgesetzt wurde. Die spanische Präsidentschaft hätte das Verfahren gerne in der zweiten Lesung abgeschlossen und hat sehr früh angefangen, Gespräche zu führen. Die Spanier hatten aber keine Chance einen Kompromiss mit dem Parlament in der zweiten Lesung zu finden, da die Positionen von Rat und Parlament zu weit auseinander lagen und es keinen Verständigungswillen gab. So konnten sie nur den gemeinsamen Standpunkt finalisieren. Die dänische Präsidentschaft hatte sehr großen Einfluss und erzielte die Einigung mit dem Parlament im Vermittlungsverfahren. Pikanterweise entsprach die eigene Position der Dänen nahezu identisch der des Parlaments. Insgesamt gilt, dass die Verhandlungen der ersten Lesung im Rat während der schwedischen und belgischen

Die französische Präsidentschaft hatte keinen großen Einfluss, da der Rat vor dem Ende der ersten Lesung des Parlaments keinen gemeinsamen Standpunkt veröffentlichen darf und der politische Prozess gerade erst begonnen hatte. Von daher konnten die Franzosen nichts voranbringen. Die schwedische Präsidentschaft war bestrebt eine Einigung in der ersten Lesung zu schaffen und legte zwei ehrgeizige Vorschläge vor. Sie scheiterte aber, weil es um diese Zeit zwei sich gegenseitig blockierende Minderheiten gab und der Rat das Vermarktungsverbot noch nicht akzeptieren wollte. Unter der belgischen Präsidentschaft erfolgte dann die politische Einigung des Rates im November, wo der gemeinsame Standpunkt in groben Zügen aufgesetzt wurde. Die spanische Präsidentschaft hätte das Verfahren gerne in der zweiten Lesung abgeschlossen und hat sehr früh angefangen, Gespräche zu führen. Die Spanier hatten aber keine Chance einen Kompromiss mit dem Parlament in der zweiten Lesung zu finden, da die Positionen von Rat und Parlament zu weit auseinander lagen und es keinen Verständigungswillen gab. So konnten sie nur den gemeinsamen Standpunkt finalisieren. Die dänische Präsidentschaft hatte sehr großen Einfluss und erzielte die Einigung mit dem Parlament im Vermittlungsverfahren. Pikanterweise entsprach die eigene Position der Dänen nahezu identisch der des Parlaments. Insgesamt gilt, dass die Verhandlungen der ersten Lesung im Rat während der schwedischen und belgischen