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TEIL II: DER ABLAUF DER 7. KOSMETIKRICHTLINIE

A) Begriffe, Vorgeschichte und Akteure

IV. Die Akteure und ihre Präferenzen auf einen Blick

2. Die Tierschützer

Die Organisationen der Tierschützer

Auf nationaler Ebene existiert in jedem Land der europäischen Union eine Tierschutzlobby.

Allerdings verfügen diese über eine deutlich unterschiedliche innenpolitische Bedeutung, da es in Europa kein einheitliches Bewusstsein gegenüber Tierschutzfragen, sondern ein deutlich ausdifferenziertes Nord-Süd Gefälle gibt. Die Öffentlichkeiten in den nordeuropäischen Ländern wie Großbritannien, Deutschland, Österreich, Luxemburg, Holland und den skandinavischen Staaten billigen dem Tierschutz einen deutlich höheren Stellenwert zu, als dies in den südeuropäischen Ländern Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland sowie Irland und Belgien der Fall ist. Dies lässt sich mit mehreren Fakten belegen:

Erstens haben mehrere Interviewpartner, unabhängig von Institution oder Nationalität, auf diesen in ihren Augen wichtigen Faktor für die Entscheidungsfindung hingewiesen. Zweitens lag das Tierschutzniveau in einigen nordeuropäischen Staaten höher als in den anderen Ländern, da sie bereits ein Tiertestverbot für Fertigerzeugnisse im nationalen Rahmen erlassen hatten.208 Drittens spiegelt sich diese unterschiedliche Einstellung in einer von

„Eurogroup“ im Mai 1999, speziell für die 7. Kosmetikrichtlinie, in sechs Ländern -

205Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

206Gesprächspartner aus der Industrie.

207 Gesprächspartner aus der Industrie.

208 Deutschland, Großbritannien, Österreich und die Niederlande.

Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und Großbritannien - erstellten Studie wieder: Die in Auftrag gegebene Frage lautete, ob Tierversuche für Kosmetikprodukte verboten werden sollten. Wenngleich die Zustimmung zu einem Tiertestverbot in allen Ländern 50 Prozent übertraf, zeigten sich doch deutliche Unterschiede: Die höchsten Zustimmungsraten für ein Verbot lagen in Großbritannien (88 Prozent), Deutschland (87 Prozent) und Schweden (79 Prozent), wohingegen die südeuropäischen Länder mit Italien (63 Prozent), Frankreich (56 Prozent) und Spanien (51 Prozent) eine deutlich niedrigere Zustimmungsrate aufwiesen.209

Diese Situation schlägt sich auch in der Bedeutung der nationalen Tierschutzvereinigungen nieder, die Einfluss auf europäischer Ebene haben. Großbritannien verfügt über die bedeutendste Tierschutzszene Europas. Die dominierende Organisation dort ist der RSPCA, der sich für „animal welfare“ einsetzt, was man mit besseren Haltungsmethoden für Tiere übersetzen kann. Er gilt als eine moderate Vereinigung. Daneben existiert noch der BUAV,210 der deutlich radikalere Positionen als der RSPCA bezieht, indem er für „animal rights“, für Tierrechte, kämpft. Beide sind stark in Brüssel engagiert. Neben den britischen Organisationen spielt nur noch der Deutsche Tierschutzbund (DTB) eine Rolle. Alle anderen Tierschutzorganisationen hatten nationale Bedeutung, aber kaum Einfluss in Brüssel.211 Auf europäischer Ebene existieren zwei Organisationen, die Tierschutzinteressen vertreten.

Sie sind beide der verlängerte Arm der aus Großbritannien stammenden Tierschutzverbände und unterscheiden sich an denselben Merkmalen.212

Der Dachverband der europäischen Tierschutzvereinigungen auf EU-Ebene heißt Eurogroup.

In ihm sind die nationalen Gliederungen wie der Deutsche Tierschutzbund oder der RSPCA vereinigt. Eurogroup deckt die gesamte Bandbreite von Tierschutzinteressen, von Tiertransporten zu Schlachthöfen bis zu Tierversuchen für kosmetische Zwecke, ab und agiert moderat wie in Großbritannien.213

Die andere Organisation auf europäischer Ebene, ECEAE214, wurde als Konkurrenz zu Eurogroup in den neunziger Jahren zu Beginn der Verhandlungen zur 6. Richtlinie vom BUAV gegründet, weil sie der Auffassung waren, dass Eurogroup nicht so effektiv in der Durchsetzung von Interessen im Kosmetikbereich sind und ursprünglich nur je eine nationale

209Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

210 British Union for the Abolition of Vivisection

211 Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

212 Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

213 Eurogroup setzt sich genau wie RSPCA für „Animal welfare“ ein.

214 European Coalition for the Ending of all Animal Experiments (Europäische Koalition für das Ende von allen Tierversuchen).

Tierschutzvereinigung Eurogroup beitreten konnte, was BUAV ins zweite Glied verwies.215 Einige nationale Organisationen, wie der Deutsche Tierschutzbund, sind auch im ECEAE Mitglied. Diese besitzt ein anderes Profil, kämpft ausschließlich um ein Verbot von Tierversuchen und verfügt über eine deutlich andere Philosophie in Bezug zur Tierrechtsproblematik. Im Gegensatz zu Eurogroup gilt der ECEAE als radikal in Bezug auf seine Tierrechtsforderungen.

Es gibt auch deutliche Unterschiede der Ressourcen. In Brüssel verfügt Eurogroup über mehr Mittel und Personal als der ECEAE und der RSPCA ist in Großbritannien deutlich stärker als der BUAV. Damit unterscheiden sich die beiden Organisationen in der Radikalität ihrer Positionen und ihrer Stärke, sind aber durch ein „gesundes Konkurrenzverhältnis miteinander verbunden und haben bei der 7. Richtlinie zusammengearbeitet“.216

Die 6. Richtlinie wurde seinerzeit vom ECEAE begleitet, während bei der 7. Richtlinie Eurogroup deutlich einflussreicher war. Die Organisationen Eurogroup und ECEAE gelten auf europäischer Ebene eine Art verlängerter Arm der britischen Tierschützer. „Die Deutschen haben daneben noch einen gewissen Einfluss, insbesondere wegen ihrer Finanzstärke, aber ansonsten werden die Vereinigungen von Engländern dominiert.“217

Die Interessen und Strategie der Tierschützer

Eurogroup hatte nur zwei Interessen: Erstens die Wiedereinführung des Vermarktungsverbotes und zweitens die Möglichkeit Produkte, die auf Tieren getestet worden sind, zu etikettieren. Als Gegner galten die Kosmetikindustrie und deren Flaggschiff:

„L’Oreal ist unser Feindbild Nummer 1.“218

Eurogroup führte sein Lobbying in der Reihenfolge des Mitentscheidungsverfahrens durch:

Kommission, die Ausschüsse der Parlaments (IETR und ENVI), den Parteien, allen ständigen Vertretungen und Ministerien außer Frankreich sowie die nationalen Parlamente, die auf Anfrage geantwortet haben. Eurogroup startete sehr früh mit seinen Aktivitäten und konzentrierte sich auf das Europäische Parlament sowie die WHO Problematik. Die davor geschalteten Versuche mit der Kommission blieben aufgrund ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Anliegen des Tierschutzes erfolglos. „Die Tierschützer haben nur zu Beginn des Prozesses mit der Kommission gesprochen, danach nicht mehr.“219

215 Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

216 Gesprächspartner aus der Industrie.

217Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

218Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

219 Gesprächspartner von den Tier- und Verbraucherschützern.

Eurogroup begann seine Arbeit im Parlament im ITER Ausschuss, da dort der Prozess startete. Das wurde ein wichtiger Erfolg, weil der ITER bereits das Verkaufsverbot akzeptierte. Eurogroup konnte ihn mit zwei Argumenten davon überzeugen, dass das WHO Argument nicht stichhaltig war. Erstens weil es nicht sicher sei, dass die EU dort verlieren würde und man den Versuch wagen könne. Zweitens, weil es selbst im Falle einer Niederlage keinen Automatismus gäbe, sondern nur zu Sanktionen käme, falls die EU die Richtlinie nicht wieder aufheben würde. Diese Argumentation überzeugte die Abgeordneten. Im ENVI Ausschuss wurde Eurogroup bei ihrer Arbeit von den Repräsentanten der jeweiligen nationalen Tierschutzorganisationen unterstützt.220

Eurogroup und die ECEAE waren Verbündete von Roth-Behrendt und haben Material sowie Analysen geliefert und verschiedene Aktionen gestartet: Übergabe von Unterschriften oder während der 1. Lesung verkleidete Kaninchen. „Die Debatte um den Tierschutz wurde sehr emotional geführt, aber das machen beide Seiten. Die Industrie ist genauso wie die Tierschützer“.221 Interessant ist die Tatsache, dass das Lobbying der Tierschutzbewegung von britischen Organisationen dominiert wurde, während die Interessenvertretung der Industrie von französischen Unternehmen geprägt war.