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TEIL II: DER ABLAUF DER 7. KOSMETIKRICHTLINIE

B) Die Entstehung des Kommissionsvorschlages

II. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Kommission von 1998 bis 1999

Die Ausrichtung der 7. Richtlinie auf eine Revision des mit der 6. Richtlinie eingeführten Vermarktungsverbotes war in der Kommission weitgehend unumstritten. Es gab nur seitens der GD Verbraucherschutz Vorschläge für einen stärkeren Verbraucherschutz. In den Generaldirektionen zirkulierten zwei interne Probeentwürfe („Draft“) und es lief ein internes Konsultativverfahren bevor der Vorschlag der Kommission veröffentlicht wurde.

Die GD Unternehmen war verantwortlich für die Richtlinie und konsultierte die anderen Generaldirektionen im Jahre 1998 zwei Mal zu ihrem ersten Entwurf im Mai/Juni 1998 und dem zweiten „Draft“ am 24. September 1998. Am 2.2.2000 startete sie den Prozess der internen Konsultationen mit allen anderen Generaldirektionen.

Der zweite Entwurf samt Antworten der einzelnen GDs wurde dieser Arbeit zur Verfügung gestellt. Vom ersten Entwurf wurden nur einige Rückmeldungen einiger GDs von der Kommission übermittelt, der Bericht selbst leider nicht. Der Gesetzestext für die internen Konsultationen sowie die darauf erhaltenen Antworten konnten dagegen verwendet werden.

Der erste Entwurf wurde von den GD Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (XII), Arbeit, industrielle Beziehungen und Soziales (V), Unternehmenspolitik, Handel und Tourismus (XXIII), Binnenmarkt und Finanzbeziehungen (XV) und dem gemeinsamen Forschungszentrum (CCR) kommentarlos unterstützt. Lediglich die damalige GD Information, Kommunikation, Kultur und Audiovisuel (X) warnte die GD Unternehmen (III) wegen der Sensibilität der Öffentlichkeit und bot ihre Hilfe an, um „faire passer le message“.232

2. Der zweite Entwurf ist industriefreundlicher als der später veröffentlichte Vorschlag Hintergrund und Inhalt

Die Zielsetzung des zweiten Entwurfes entsprach weitgehend der später von der Kommission veröffentlichten Richtlinie und muss vor dem Hintergrund der damals auf ihren Generaldirektionen lastenden Zwänge gesehen werden: Die zu initiierende 7. Richtlinie sollte die Gesundheit des Menschen schützen und so schnell wie technisch verfügbar, Alternativmethoden einsetzen. Dabei beinhaltete der Entwurf der GD Unternehmen drei Kernziele: Erstens die bestehende Gesetzgebung mit dem Verbot Kosmetikprodukte auf Tieren zu testen mit den Verpflichtungen der WHO in Einklang zu bringen. Zweitens bei

232 DG X (Information, Communication, Culture, Audio.), Note a DG III, 003422, Bruxelles, 15.06.1998, p. 1.

Fertigerzeugnissen das Testen von Kosmetikprodukten auf Tieren zu verbieten. Drittens das für das Jahr 2000 vorhergesehene Vermarktungsverbot wieder aufzuheben.233

Anstatt des gestrichenen Vermarktungsverbotes beinhaltete der Entwurf für Fertigerzeugnisse ein Tiertestverbot sechs Monate nach Eintreten der Richtlinie und für Bestandteile sechs Monate, nachdem die Kommission eine von ECVAM geprüfte Alternativmethode veröffentlicht hat.234 Daneben sollten Fertigerzeugnisse als Produkte, die der Kunde erhält, definiert werden, Ausnahmeregelungen für Tiertests nach Eintritt des Verbotes unter strikten Auflagen möglich sein235, die EU auf Drittstaaten einwirken um eine gegenseitige Anerkennung von Daten aus Alternativmethoden zu erreichen236 und eine Etikettierungspflicht für Produkte, die auf Tieren getestet wurden, eingeführt werden.237

Die inhaltliche Ausrichtung des Entwurfes der Generaldirektionen entstand unter dem Eindruck der folgenden Gesichtspunkte: Erstens handelte die Kommission unter Zeitdruck, was eine gewisse Hektik auslöste. Der mit der 6. Kosmetikrichtlinie geschaffene Status sah ein Vermarktungs- und Tiertestverbot ab 1998 vor. Sein in Kraft treten war allerdings von Kommission und Rat um zwei Jahre nach hinten verschoben worden.238 Diese Frist lief im Jahr 2000 ab, als die nächste Überprüfung der Lage bevorstand.239 Aufgrund des knappen Zeitfensters verfasste die Kommission kein so genanntes Weiss- oder Grünbuch um Meinungen der Lobbyisten einzuholen. Zwar stellte die Kommission den Lobbygruppen ihre Vorschläge vor, aber konnte sie nicht wirklich konsultieren. Auch der Amtsantritt der neuen Kommission im November 1999 brachte eine gewisse Unruhe in den Prozess. Allerdings beeinflusste dieser Wechsel nicht das Verfahren.240

Zweitens kamen die Generaldirektionen in ihrer Abwägung der zwei Ziele Tier- und Verbraucherschutz zu dem Schluss, dass auf Tiertests noch nicht verzichtet werden konnte.

Zwar stellte der Entwurf bei der Begründung für den Tierschutz fest, dass das Reduzieren und Eliminieren von Tiertests ein Ziel sei, dem sich alle Teilnehmer an der Diskussion aus ethischen Erwägungen und Anteilnahme der öffentlichen Meinung verpflichtet fühlten. Dies

233 DG III (Industry), Draft Proposal 24.9.1998. Explanatory memorandum, p. 1.

234 Ebd. S. 4.

235 Ebd. S. 8.

236 Ebd. S. 7.

237 Ebd. S. 4.

238 Direktive der Europäischen Kommission 97/18 zur Verschiebung des Termins, von dem an Tierversuche für Bestandteile oder Kombinationen von Bestandteilen kosmetischer Mittel untersagt sind, 17.4.1998, Amtsblatt der Europäischen Union L 114 vom 1.5.1997, S. 1-3.

239 DG III (Industry), Draft Proposal 24.9.1998. Explanatory memorandum, p. 4.

240 Gesprächspartner aus Kommission und Parlament.

sei schon in der fünften Richtlinie als Ziel verankert241 worden und daher müsse in der Kosmetikpolitik gehandelt werden.242 Aber unter dem Stichwort Verbraucherschutz wurden zwei Punkte angeführt, weswegen es nicht möglich sei auf Tiertests zu verzichten. Zum einen aus Sicherheitsgründen für den Menschen. Zum anderen würde ein Teststop die Innovationsfähigkeit der Industrie beschädigen, die immer auf neue Produkte angewiesen sei.

„A total prohibition would lead to a halt in innovation in this industry“.243 Insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen hätten es dann schwerer mit den etablierten Großunternehmen zu konkurrieren,244 denn ein Testverbot der Industrie würde insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen Kosten verursachen.245

Drittens fürchteten die Generaldirektionen eine mögliche Inkompatibilität des ab Juni 2000 einzuführenden Vermarktungsverbotes der 6. Richtlinie mit den Regeln der Welthandelsorganisation. Die WHO-Regeln verbieten jegliche diskriminierende Maßnahme zwischen ähnlichen Produkten. Da die Testmethoden keinerlei Auswirkung auf die Güte eines Kosmetikartikels haben, wäre eine Diskriminierung auf dieser Basis konträr zu den Regeln der WHO. Außerdem stünde das Vermarktungsverbot im Gegensatz zur gegenseitigen Anerkennung von Prüfungsmethoden, die von der WHO im TBT246 gefördert werden. Es sei für die Sicherheit der menschlichen Gesundheit unerheblich, ob ein Kosmetikartikel mit Tier- oder Alternativtests untersucht wird. Daher wäre es schwierig, eine Ausnahme zu erwirken und eine Anfechtung der Richtlinie vor der WHO wäre wahrscheinlich.247

Viertens hatte es nicht soviel Fortschritt bei der Entwicklung von Alternativmethoden gegeben wie erhofft. Aufgrund des gegenwärtigen Wissensstandes sei daher klar, dass nicht alle Tests vollständig ersetzt werden könnten.248 Die Kommission ist darüber hinaus verpflichtet, die Möglichkeit des Inkrafttretens des Vermarktungsverbotes alle zwei Jahre zu überprüfen und voraussichtlich aufgrund des mangelnden technischen Fortschritts dauernd zu verschieben. Daher wollte dieser Entwurf das in der 6. Richtlinie angestrebte Enddatum für ein Vermarktungs- und Tiertestverbot abschaffen. Stattdessen sollten Alternativmethoden

241 Richtlinie 86/609/EEC des Rates vom 24.11.1986 zur fünften Änderung der Richtlinie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über kosmetische Mittel. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 358 vom 18.12.1986.

242 DG III (Industry), Draft Proposal 24.9.1998. Explanatory memorandum, p. 3.

243 Ebd. S. 6.

244 Ebd. S. 3.

245 Ebd. S. 8.

246 Agreement on Technical Barriers to Trade (TBT).

247 DG III (Industry), Draft Proposal 24.9.1998. Explanatory memorandum, p. 4.

248 Ebd. S. 5.

eingeführt werden, sobald sie verfügbar seien.249 Fünftens sollten verschiedene Unklarheiten der bestehenden Rechtslage spezifiziert werden.250

Die Reaktion der anderen Generaldirektionen

Die Antworten auf den zweiten Entwurf der Kommission sind kaum umfangreicher als auf den Ersten: Der juristische Dienst, das Generalsekretariat, das gemeinsame Forschungszentrum (CCR)251, die GD Arbeit, industrielle Beziehungen und Soziales (V), die GD Wissenschaft, Forschung und Entwicklung (XII), Unternehmenspolitik, Handel und Tourismus (XXIII) und die GD Außenhandel unterstützten den Entwurf.

Lediglich aus zwei Antworten von GD lassen sich Erkenntnisse zu unterschiedlichen Standpunkten innerhalb der Kommission führen: Die GD Umwelt, Nukleare Sicherheit und Zivilschutz (XI) legte Wert auf einen Verweis auf die Ratsrichtlinie 96/29 Euratom, in der Sicherheitsbestimmungen für radioaktive Stoffe niedergelegt sind. Unter keinen Umständen sollten radioaktiv Stoffe bei Kosmetikprodukten verwendet werden dürfen.

Die GD Verbraucherpolitik und Verbraucherschutz (XXIV) bedauerte, dass es auch im zweiten Entwurf zu keiner Verpflichtung zur Etikettierung der Mindesthaltbarkeit für Kosmetikprodukte von einer Lebensdauer von mehr als 30 Monaten gekommen ist.

Zusammengefasst kann man feststellen, dass die Aufhebung des Vermarktungsverbotes die Zustimmung aller Generaldirektionen fand. Die entstehende 7. Richtlinie wurde nicht aus Tierschutzgründen kritisiert. Eine Verbesserung des Verbraucherschutzes durch die von der GD Verbraucherschutz angemahnte Einführung der Mindesthaltbarkeit konnte sich nicht durchsetzen.

3. Die Generaldirektion Unternehmen diskutiert ihre Optionen

Im November 1999 diskutierte die GD Unternehmen drei verschiedene Handlungsoptionen mit Blick auf die 7. Richtlinie: Option eins bestand im Inkrafttreten der 6. Richtlinie. Dies hätte in den Augen der Kommission zu zwei Vorteilen geführt: Erstens wüsste die Industrie, dass sie alle notwendigen Mittel auf die Erforschung von Alternativmethoden verwenden muss um diese zu beschleunigen und zweitens wäre der Kommission die Unterstützung der Tierschützer und des Parlaments sicher. Die Nachteile lägen in der Nichtübereinstimmung des Vermarktungsverbotes mit den WHO Regeln, dem starken Widerstand der Industrie und weiteren Tiertests für Kosmetika, die nach Japan oder die USA verkauft werden, da diese Länder auf Tiertests bestünden.

249 Ebd. S. 6.

250 Ebd. S. 5-9.

251 Centre Commun de Recherche.

Option zwei zielte auf die Modifizierung der 6. Richtlinie ohne Verschiebung: Diese sollte einen Wechsel vom Vermarktungs- zum Tiertestverbot für Fertigerzeugnisse und Bestandteile beinhalten um den WHO Problemen aus dem Weg zu gehen. Das Verbot für Bestandteile sollte die Tierschützer besänftigen. Es wird angemerkt, dass dies nur in einem ca. dreijährigen Mitentscheidungsverfahren möglich und dass die geplante Nichteinforderung der 6. Richtlinie durch die Kommission während der Verhandlungen zur 7. Richtlinie eventuell schwierig zu gestalten sei. Der Option lag die folgende Einschätzung der Reaktion der einzelnen Akteure zu Grunde: Die Auswirkungen auf die Industrie wurden als gering eingeschätzt, da sie das Testen ins Ausland verlagern kann. Die WHO sollte in der kurzen Übergangsphase von der 6.

zur 7. Richtlinie kein Problem sehen, da die Kommission das Vermarktungsverbot bis zur Ersetzung durch das Tiertestverbot nicht einfordern würde. Für die Mitgliedsstaaten sollte ein Tiertestverbot als kleineres Übel im Gegensatz zu einem Vermarktungsverbot willkommen sein. Interessant ist die Einschätzung der Reaktion des Parlaments und der Tierschützer:

Ersteres sollte damit zufrieden sein, weil das Testen von Tieren in Europa beendet wird und letztere aufgrund der nicht stattfindenden zweiten Verlängerung des Inkrafttretens der 6.

Richtlinie. Allerdings wird angemerkt, dass die Tierschützer argumentieren könnten, dass ein Tiertestverbot nur das Problem in andere Länder exportiert.

Option drei umfasste eine Verschiebung des Inkrafttretens der 6. Richtlinie im Komitologieverfahren. Der Vorteil wurde in der Vermeidung von Handelskonflikten mit der WHO gesehen und in der Beibehaltung der Innovationsfähigkeit der Industrie. Die Nachteile bestanden erstens in dem nur kurzen Zeitaufschub von zwei Jahren, der das Problem nicht dauerhaft lösen würde. Zweitens wären die Tierschützer wütend und das Parlament nicht zufrieden. Drittens wäre nicht gesichert, dass eine weitere Verschiebung im Komitologieverfahren die dafür notwendige qualifizierte Mehrheit im Rat erhielte, da dies von einigen Mitgliedern kritisch gesehen würde.252

Vor dem Hintergrund des späteren Ablaufs der Verhandlungen zur 7. Richtlinie ist festzustellen, dass sich die Kommission in der Heftigkeit des Widerspruchs insbesondere des Parlaments getäuscht hat. Sowohl die Ersetzung des Vermarktungsverbotes, als auch die erneute Verschiebung des Inkrafttretens brachten dieses zur Weißglut. Die Reaktion der anderen Teilnehmer wurde dagegen korrekt eingeschätzt.

252 European Commission, GD Enterprise, E3, Briefing Note on animal testing in the Cosmetics Sector, November 1999, p. 1-4.

III. Die Auseinandersetzungen innerhalb der Kommission bis zur