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TEIL II: DER ABLAUF DER 7. KOSMETIKRICHTLINIE

E) Das Parlament nimmt in der zweiten Lesung eine harte Position ein um Verhandlungsmasse

II. Die zweite Lesung im ENVI Ausschuss

Übersicht

Ein Kompromiss zwischen Parlament und Rat in der zweiten Lesung konnte nicht erreicht werden, da die Differenzen zu groß waren. Daher stand innerhalb des Ausschuss eine feste Mehrheit hinter der Auffassung von Roth-Behrendt, eine harte Position zu beziehen und die vom Rat herausgestrichenen Punkte wieder aufzunehmen um in einem sich abzeichnenden Vermittlungsverfahren über genügend Verhandlungsmasse zu verfügen.

Die Konstellation der Fraktionen zeigte gegenüber der ersten Lesung Unterschiede, da die EVP in der Tierschutzfrage stärker in zwei Lager zerfiel und bei den Verbraucherschutzpunkten ihren Widerstand deutlich reduzierte: Der beherrschende Gegensatz blieb weiter die Frontstellung eines Teiles der EVP gegen eine Koalition aus PES, ELDR, Grünen und der GUE in den drei umstrittenen Themenfeldern Vermarktungsverbot, Fristende für Tierversuche für Bestandteile von Kosmetika und die Verwendung der CMR Stoffe. Allerdings sollte sich der Druck innerhalb der EVP nun zu einer offenen Spaltung ausweiten, die sich in der Freigabe der Abstimmung durch die EVP Fraktion über den entscheidenden Antrag 12 der Berichterstatterin, der auf die Einführung eines Vermarktungsverbotes abzielte, konkretisierte. Außerdem gab die EVP in den Verbraucherschutzpunkten mit Ausnahme der CMR Frage ihren Widerstand aus der ersten Lesung auf. Neben der EVP wurden sonst nur die Grünen in der Frage der Mindesthaltbarkeit und die ELDR gemeinsam mit der EVP in der Frage des Vermarktungsverbotes überstimmt.

Der Entwurf von Roth-Behrendt in der zweiten Lesung wurde im ENVI Ausschuss am 23.5.2003 fast einstimmig mit 44 zu 0 bei 2 Enthaltungen angenommen. Im Gegensatz zur ersten Lesung gab es deutlich weniger umstrittene Anträge bzw. Abstimmungen. Das Ergebnis der zweiten Lesung im Ausschuss lag nahe bei dem der verabschiedeten ersten Lesung des Parlaments, da 18 der Anträge zum zweiten Mal eingebracht wurden, nachdem sie der Rat vorher herausgestrichen hatte.

Informelle Verhandlungen zwischen dem Parlament und dem Rat scheitern

Vor der Abstimmung im Plenum verhandelten die Berichterstatterin und die Ratspräsidentschaft informell über die Möglichkeit, die Richtlinie in der zweiten Lesung zu Ende zu bringen. Roth-Behrendt hat unter Absprache mit den politischen Fraktionen dem Rat drei Elemente übermittelt, die die Basis eines Kompromisses noch in der zweiten Lesung bilden sollten: Erstens ein Inkrafttreten des Vermarktungsverbot nach 7-8 Jahren, zweitens ein

Inkrafttreten eines Verbotes für Tierversuche für Bestandteilen von Kosmetika im Jahr 2006/2007 und drittens Ausnahmen für zwei Tests (Toxität und Mutagenität) des Vermarktungsverbotes für eine Zeit von 10-12 Jahren.764

Der Rat hatte in seinem gemeinsamen Standpunkt sowohl den Eintritt des Vermarktungsverbotes, als auch des Tierversuchsverbot für Bestandteile von Kosmetika an den wissenschaftlichen Fortschritt und die damit verbundene Entwicklung von Alternativmethoden gebunden. Der Rat lehnte die Eckpunkte ab und hoffte, dass Roth-Behrendt an den erhöhten Zustimmungserfordernissen der zweiten Lesung scheitern werde.765 Der Entwurf von Roth-Behrendt

Der Entwurf von Roth-Behrendt umfasste 27 Anträge und entsprach weitgehend dem aus der ersten Lesung.766 Ihre wichtigste Forderung war das Vermarktungsverbot für Kosmetika, die auf Tieren getestet wurden, spätestens fünf Jahre nach Annahme dieser Richtlinie.767 Außerdem verlangte sie ein Tiertestverbot für Bestandteile von Kosmetikprodukten ab dem 31.12.2004 und ein sofortiges Tierversuchsverbot für Fertigerzeugnisse.768 Dazu sollten bis zu den Stichtagen Hersteller damit werben können, dass ihre Produkte ohne Tiertests entstanden sind769 und diejenigen, die auf Tieren getestet haben, sollten dies auf der Verpackung angeben müssen.770 Außerdem wurde die Definition von Fertigerzeugnissen wieder um „Protoypen“

erweitert um Missbrauch zu vermeiden.771

Im Themenfeld Verbraucherschutz kam es im Vergleich zur ersten Lesung zu Neuerungen:

Zwar verlangte Roth-Behrendt wieder die Einführung eines Mindesthaltbarkeitsdatums nach dem Öffnen für Produkte, die länger als 30 Monate haltbar sind,772 die Etikettierung von Grenzwerten für die Verwendung der 26 vom SCCNPF identifizierten Allergene773 und die

764 Council of the European Union, Note from General Secretariat of the Council to Working Party, 8576/02, Brussels, 2.5.2002, p. 1 and 2.

765 European Commission, GD Entreprise, 7th Amendment to the Cosmetics Directive, Road Map, update, 19 of June 2002, p. 7.

766 Europäisches Parlament, 1999 – 2004, Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik, Vorläufig 2000/0077 (COD), PE 232.072, ***II Entwurf einer Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 76/768/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über kosmetische Mittel, Berichterstatterin Dagmar Roth-Behrendt, 5. April 2002, S. 1–40.

767 Antrag 12.

768 Antrag 13.

769 Antrag 21.

770 Antrag 20.

771 Antrag 15.

772 Antrag 37.

773 Antrag 26.

Verpflichtung der Hersteller die Zusammensetzung der Bestandteile ihrer Kosmetika einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.774

Allerdings forderte sie die Einführung einer speziellen Risikoanalyse für Kosmetikprodukte für Kinder und weibliche Intimpflege nur in den Erwägungen und nicht mehr in den Artikeln beschlossen, da der Rat letzteres schon akzeptierte hatte.775 Dazu wurde der Antrag von Roth-Behrendt zur Verwendung von CMR Stoffen durch das Gutachten des SCCNPF hinfällig.

Schließlich verzichtete die Berichterstatterin auf einen Versuch die Abschaffung der Sonderbehandlung von Riech- und Aromastoffen rückgängig zu machen um Verhandlungsmasse gegenüber dem Rat aufzubauen.776

Die Anträge der Ausschussmitglieder

Von den zehn im Ausschuss gestellten Anträgen wurden einer von Roth-Behrendt zur Korrektur ihres Berichts und die anderen neun von fünf Abgeordneten gestellt:777 Die konservativen Abgeordneten Bowis, Goodwill und Orcoyen brachten vier Anträge778 ein: Sie zielten auf einen späteren Eintritt des Vermarktungsverbotes in Verbindung mit einem gestaffelten Zeitplan für die einzelnen Tests, eine Verschiebungsmöglichkeit für die das Tierversuchsverbot von Bestandteilen von Kosmetika, sowie eine leichtere Verwendung von CMR Stoffen ab. Die Abgeordneten McKenna & Breyer der Grünen versuchten mit drei Anträgen das CMR Verbot auf Grundlage der neuen Erkenntnisse des SCCNPF durchzusetzen.779 Chris Davies von der ELDR reichte zwei Anträge ein mit denen er ein Vermarktungsverbot nach sieben Jahren bei gleichzeitigem Eintritt des Tierversuchsverbotes für Bestandteile von Kosmetika anstrebte.780 Allerdings zog er sie vor der Abstimmung zurück, mit Ausnahme eines Teils der den Eintritt des Verbots von Tiertests für Fertigerzeugnisse regelte. Dies hing damit zusammen, dass diese Anträge unzulässig waren, da in der zweiten Lesung keine Anträge eingebracht werden dürfen, die über die aus der ersten Lesung hinausgehen.781 Roth-Behrendt zielte mit einem zusätzlichen Antrag neben ihrem Bericht auf eine Verdeutlichung der Frage der Mindesthaltbarkeit.782

774 Antrag 17.

775 Antrag 9.

776 Antrag 19.

777 Europäisches Parlament, 1999 – 2004, Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherpolitik, PE 232.072/28-37, Entwurf einer Empfehlung für die zweite Lesung, Kosmetische Mittel, Berichterstatterin Dagmar Roth-Behrendt, 30. April 2002, S. 1-16.

778 Anträge 28, 33, 34 und 36.

779 Anträge 29, 30, 31.

780 Anträge 32 und 35.

781 Dagmar Roth-Behrendt, Mitglied des Europäischen Parlaments, deutsche Sozialdemokratin und Berichterstatterin der 6. und 7. Kosmetikrichtlinie, Telefoninterview am 30.1.2007.

782 Antrag 37.

Die Anzahl der Anträge und Abstimmungen

Insgesamt lagen dem Ausschuss 37 Anträge vor. Neun von ihnen wurden geteilt, einer gedrittelt. Damit standen 48 Anträge bzw. Antragsteile zur Abstimmung, deren Zahl sich durch die Abstimmung über das Gesamtpaket auf 49 erhöhte. Drei wurden zurückgezogen,783 elf verfielen784 und 26 wurden fraktionsübergreifend beschlossen.785 Bei neun Kampfabstimmungen wurde mindestens eine Fraktion überstimmt:786 Fünfmal traf es die EVP,787 dreimal die Grünen788 und einmal die EVP zusammen mit der ELDR.789

Die hohe Anzahl an einstimmig verabschiedeten Anträgen in der zweiten Lesung lag insbesondere an einem Positionswechsel der EVP bei vielen noch in der ersten Lesung von ihr bekämpften Verbraucherschutzpunkten. Nunmehr akzeptierte sie die Einführung der Anzeigepflicht von 26 vom SCCNPF identifizierten Allergene ab einer gewissen Mindestkonzentration, die Abschaffung der Ausnahme von Riech- und Aromastoffen von der Veröffentlichungspflicht, die Erweiterung der Definition „kosmetisches Fertigerzeugnis“ um den Begriff Prototyp und die Verpflichtung der Hersteller die Zusammensetzung der Bestandteile ihrer Kosmetika einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Damit wurden viele Nebenkriegsschauplätze geräumt. Allerdings waren die Kernpunkte der Richtlinie in Erwägungen und Artikeln nach wie vor heftig umkämpft.

Die Auseinandersetzung um die Anträge

In den Erwägungen gab es fünf umstrittene Anträge, von denen sich drei um die entscheidenden Punkte der 7. Richtlinie drehten: Ein mündlicher Antrag des britischen Konservativen Bowis, der das Vermarktungsverbot nach fünf Jahren und für zwei Ausnahmen in zehn Jahren einführen wollte, wurde mit 22 zu 21 Stimmen von den Abgeordneten der PES, Grünen und GUE gegen die EVP und ELDR abgelehnt.790

Zwei weitere betrafen die Frage der CMR Stoffe: Der wissenschaftliche Ausschuss der EU, das SCNNPF, stufte die Verwendung von CMR Stoffen der Kategorie 1 und 2 in seiner Stellungsnahme als höchst bedenklich ein. Aufgrund dieser neuen wissenschaftlichen Erkenntnis durfte das Parlament sich gemäß der Geschäftsordnung des Europäischen Parlaments Artikel 80 (2)d erneut mit dieser Frage befassen, da abgeschlossene Artikel

783 Anträge 18, 32 und 35 (Teil 2).

784 Anträge 10, 12 (Teil 2), 13 (Teil 1), 31 (Teil 1), 33 (Teil 1), 33 (Teil 2), 34 (Teil 1), 34 (Teil 2), 36 (Teil 1), 36 (Teil 2) und 36 (Teil 3).

785 Anträge 1, 2 (Teil 1), 3 (Teil 1), 4-9, 11, 14-17, 19-27, 35 (Teil 1), 37 (Teil 1) und das Gesamtpacket.

786 Anträge 2 (Teil 2), 3 (Teil 2), 12 (Teil 1), 13 (Teil 2), 28, 29, 30, 31 (Teil 2) und 37 (Teil 2).

787 Antrag 12 (Teil 1), 13 (Teil 2), 29, 30, 31 (Teil 2).

788 Anträge 2 (Teil 2), 3 (Teil 2) und 37 (Teil 2).

789 Antrag 28.

790 Antrag 28.

normalerweise nicht mehr geändert werden dürfen. Alle Parteien außer der EVP stimmten für ein Verbot von CMR Stoffen der Kategorie 1 und 2 in Kosmetika und verlangten den Nachweis der Ungefährlichkeit für die CMR Stoffe der Kategorie 3 als Voraussetzung ihrer Verwendung.791 Daneben stimmten die Grünen alleine gegen zwei unbedeutende Anträge über Alternativmethoden von Roth-Behrendt. Dies war das erste Mal, dass die GUE nicht mit den Grünen votierte.792

In den Artikeln standen ebenso die Kernpunkte der Richtlinie im Zentrum der Auseinandersetzung: Das Vermarktungsverbot, das Fristende für Tierversuche für Bestandteile von Kosmetika und Fertigerzeugnisse sowie die Frage der Verwendung der CMR Stoffe. Daneben wurde um die Mindesthaltbarkeit gerungen.

In der Frage der Ausgestaltung des Vermarktungsverbotes konnte sich Roth-Behrendt mit ihrem Antrag 12, der ein Inkrafttreten nach fünf Jahren vorsah, durchsetzen. Die Konservativen waren gespalten und hatten die Abstimmung frei gestellt. Einige unterstützten den Antrag von Roth-Behrendt, andere wollten ein Vermarktungsverbot dagegen erst in zehn Jahren gemäß den Anträgen von Orcoyen793 oder Bowis und Goodwill794 einführen. Ebenso interessant ist ein zurückgezogener, nicht zur Abstimmung gestellter Antrag des Abgeordneten Davies der ELDR mit einem geplanten Vermarktungsverbot nach Ablauf von sieben Jahren.795 Der Antrag der Grünen entsprach in der Ausgestaltung des Vermarktungsverbotes dem von Roth-Behrendt und verfiel ebenfalls.796

Das Fristende für Tierversuche für Bestandteile von Kosmetika wurde ebenso gegen den Willen der EVP beschlossen und sollte am 31.12.2004 in Kraft treten.797 Die Anträge der EVP von Frau Orcoyen sahen stattdessen erstmals den 31.12.2006 vor798 und wollten darüber hinaus die einmalige Option einer zweijährigen Verschiebung einführen.799 Der Erste verfiel und der Zweite wurde abgelehnt. Ein Antrag des ELDR Abgeordneten Davies wurde auch hier zurückgezogen.800 Davies plante ursprünglich das Inkrafttreten des Tierversuchsverbotes für Bestandteile von Kosmetika und Fertigerzeugnissen mit dem Eintritt des Vermarktungsverbotes zu verbinden, das erst in sieben Jahren kommen sollte. Das sofortige Inkrafttreten des Tiertestverbotes für Fertigerzeugnisse war bei allen Fraktionen unumstritten.

791 Antrag 29 und 30.

792 Anträge 2 (Teil 2) und 3 (Teil 2).

793 Antrag 33 (Teil 1).

794 Antrag 34 (Teil 1).

795 Antrag 32.

796 Antrag 31 (Teil 1).

797 Antrag 13 (Teil 2).

798 Antrag 36 (Teil 2).

799 Antrag 36 (Teil 3).

800 Antrag 35 (Teil 2).