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Versicherung der Folgen einer Steuerprüfung

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 74-77)

Erweiterungen des Grundmodells

2.3 Interdependenzen zwischen Steuerhinterziehern

2.3.4 Versicherung der Folgen einer Steuerprüfung

Die Literatur nimmt implizit an, daß ein Steuerhinterzieher sich gegen die Kon-sequenzen einer steuerlichen Prüfung nicht versichern kann. Tatsächlich ist auch keine Versicherungsgesellschaft bekannt, die gegen Prämie verspricht, im Fall ei-ner entdeckten Steuerstraftat die nachzuzahlende Steuer und die Strafe zu tragen.

Eine Versicherung muß jedoch nicht auf einem (öffentlichen) Markt zwischen Ver-sicherungsnehmern, die einem Risiko ausgesetzt sind, und einem Versicherungs-unternehmen, das bereit ist, viele unkorrelierte Risiken zu übernehmen, zustande kommen. Es können sich auch Individuen gegenseitig versichern, ohne daß die Existenz solcher Vereinbarungen öffentlich bekannt werden muß. Ich zeige im fol-genden, wie sich zwei Steuerhinterzieher gegen die Folgen steuerlicher Prüfungen versichern könnten. Im Anschluß wird diskutiert, warum die beschriebene Koope-ration eventuell nicht zustande kommt.

Das Beispiel baut auf dem Grundmodell auf. Nur geht es jetzt um zwei Stpfl., die d.E.h. indentische Präferenzen und ein gleich hohes Einkommen haben. Sie beschließen, sich gegen steuerliche Prüfungen zu versichern. Da sie unabhängig voneinander mit der Wahrscheinlichkeit p geprüft werden, sind vier Fälle zu un-terscheiden. Im ersten Fall werden beide nicht geprüft. Im zweiten Fall werden beide kontrolliert. In zwei weiteren Fällen wird jeweils nur einer geprüft. Die Wahrscheinlichkeiten der vier Zustände sind q2 ,p2 und zweimal pq. Für die ersten zwei Zustände vereinbaren die beiden Stpfl. keine Versicherung, da sie jeweils in derselben Lage sind. Interessant sind die zwei letzten Fälle. Die beiden Stpfl.

vereinbaren, daß der, der nicht geprüft wird, dem anderen einen Betrag X zahlt.

Der Erwartungsnutzen jedes Stpfl. ist

q2U(G)

+

p2U(P)

+

pq(U(Gp)

+

U(Pa)) (2.23) G ist das Nettoeinkommen des Stpfl., wenn beide nicht entdeckt werden. P ist entsprechend definiert. Pa ist der Konsum des Stpfl., wenn er selbst geprüft, sein Partner aber nicht kontrolliert wird. Entsprechend ist Gp definiert.

(1 - t)Y

+

tH - X (1 - t)Y - atH

+

X

(2.24) (2.25) Wie wird X bestimmt? Aus (2.23), der Konstanz der Summe Gp

+

Pa beige-gebenem Hund der strikten Konkavität der Nutzenfunktion folgt, daß X optimal

festgelegt ist, wenn Gp

=

Pa gilt. Mit (2.24) und (2.25) erhält man (1 - t)Y

+

tH - X*

= =

(1 -(1

+

2 t)Y -a)tH atH

+

X*

Der Stpfl., der Glück gehabt hat, beteiligt sich zur Hälfte an der Steuernachzahlung und der Strafe des anderen. Der Erwartungsnutzen beider Partner ist mit der Versicherung X* größer als ohne Versicherung.

Es ist ein gegebenes hinterzogenes Einkommen unterstellt worden. Plausi-bel ist, daß infolge der Versicherung mehr hinterzogen wird. Quantitativ würde die Kooperation sich dann auf die Hinterziehung auswirken. An der qualitativen Abhängigkeit der Hinterziehung von den Parametern des Modells ändert sich je-doch nichts. Statt diese Punkte im Detail zu belegen, stelle ich die Frage, ob die Versicherung überhaupt zustande kommen kann.

Das Beispiel hat zwar gezeigt, daß ein Anreiz zu einer Versicherung des Steu-erbetrugs besteht. Die "armchair evidence" deutet aber nicht auf die Verbreitung dieser Form der Kooperation hin. Welche Hindernisse könnten ihr im Wege stehen?

Zwei Antworten bieten sich an. (i) Der Versicherungsvertrag ist nicht erzwingbar, da er illegal ist. Diese Antwort überzeugt nicht, da der Stpfl., der um die Zahlung X* gebracht werden soll, ein wirksames Druckmittel hat. Er weiß, daß sein Partner hinterzogen hat, und kann ihn anzeigen. (ii) Bevor eine Versicherung vereinbart werden kann, muß jeder der Beteiligten dem anderen mitteilen, daß er einen Steuer-betrug beabsichtigt oder bereits hinterzogen hat. Diese Mitteilung setzt natürlich ein gewisses Vertrauen voraus. Mangelt es daran, kommt die Versicherung nicht zustande.

Eine gegenseitige Versicherung von Steuerhinterziehern scheint ungewöhnlich zu sein. Gesetzesverstöße zeichnen sich jedoch oft durch die Kooperation von Ge-setzesbrechern aus. Erwähnt sei hier nur das organisierte Verbrechen als extremste Form der Kooperation. Wichtige Gründe für diese Zusammenarbeit sind das Ver-sicherungsmotiv und (mikroökonomisch ausgedrückt) produktionstechnische Vor-teile. Die ökonomische Theorie der Kriminalität hat die Kooperation mehrerer Straftäter meines Wissens nach bisher nicht beachtet. In der Theorie gibt es nur den einsamen Gesetzesbrecher (siehe z.B. Pyle, 1983, Kapitel 2). Die Literatur zur Steuerhinterziehung macht da keine Ausnahme. Ich habe daher an einem Beispiel gezeigt, daß die Kooperation mikroökonomisch erklärt werden kann.

2.4 Zusammenfassung

Dieses Kapitel hat eine Vielzahl von Modifikationen und Erweiterungen des Grund-modells dargestellt. Die Ergebnisse sollen hier selektiv zusammengefaßt werden:

Nur die Wirkungen eines höheren Einkommensteuersatzes auf die Steuerhinterzie-hung werden noch einmal festgehalten. Dieser Zusammenhang hat in der Literatur seit Allingham/Sandmo {1972) wohl aus folgendem Grund eine zentrale Rolle ge-spielt. Änderungen des Einkommensteuertarifs sind in vielen Ländern ein bevor-zugtes Arbeitsfeld der Finanzpolitik, so daß die Vorhersage der Steuerwirkungen interessant wird. Andere für einen Steuerhinterzieher bedeutsame Parameter wie die Häufigkeit von Prüfungen und die Höhe der Strafen unterliegen zwar ebenfalls Änderungen - über diese spricht man in der finanzpolitischen Diskussion jedoch nicht so gerne.

In allen Modellen (angefangen mit dem Grundmodell) hat eine höhere Einkom-mensteuer einen negativen Einkommenseffekt auf das hinterzogene Einkommen, wenn man von einer abnehmenden absoluten Risikoaversion ausgeht. Varianten und Erweiterungen des Grundmodells enthalten zusätzliche Effekte, die zum Teil in die gleiche Richtung wie der Steuersatz weisen. Eine Kompensation des negativen Einkommenseffektes, so daß der oft vermutete und zum Teil empirisch bestätigte positive Zusammenhang zwischen Steuerbelastung und Abgabenwiderstand (vgl.

Clotfelter, 1983, Poterba, 1987) zustande kommt, ist damit zwar möglich, aber nicht gesichert, wenn man nicht sehr spezielle Nutzenfunktionen annehmen will.

Lassen wir die Effekte, die für ein steigendes hinterzogenes Einkommen spre-chen, Revue passieren. Ist statt der hinterzogenen Steuer das hinterzogene Ein-kommen Bemessungsgrundlage der Geldstrafe, kann ein höherer Steuersatz mit einem positiven Substitutionseffekt verbunden sein, da die Strafe pro DM nicht gezahlter Steuern sinkt. Mit der Strafe nach deutschem Recht sinkt der Preis der Steuerhinterziehung ebenfalls: Der Tagessatz ist von dem sicheren Nettoeinkom-men abhängig, das durch die höhere Steuer vermindert wird. Sieht ein Hinterzie-her, daß neben ihm noch viele andere seines Schlages existieren, und berücksichtigt er die entsprechende Kürzung öffentlicher Leistungen, kann es zu einer steigenden Hinterziehung kommen. Wenn sich ehrliche Steuerzahler von den Steuerhinter-ziehern anstecken lassen, führt eine höhere Steuerbelastung zu einer steigenden Anzahl von Hinterziehern, so daß die Summe aller nicht angegebenen Einkommen auf diesem Wege steigen kann.

Würde man alle Erweiterungen und Modifikationen des Grundmodells zusam-menziehen, die einen positiven Zusammenhang zwischen Steuersatz und Steuer-hinterziehung erklären können, könnte man mit Gordon {1989, S. 804) folgende Rechnung aufmachen: Viele Effekte sprechen für, aber nur ein Effekt gegen einen mit dem Steuersatz steigenden Abgabenwiderstand. Folglich sei dieser Zusammen-hang "likely, if not conclusive". Leider reicht die Mathematik nicht aus, um eine Summe zu berechnen, wenn man nur die verschiedenen Vorzeichen der einzelnen Summanden kennt. Ein Stück Überzeugung gehört auch dazu.

Kapitel 3

Hinterziehung

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