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4. 7 Progressiver Tarif

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 117-121)

Die direkt progressive Steuerbetragsfunktion T(B) der Bemessungsgrundlage B >

0 sei definiert durch:

B

>

T(B)

>

0 1 > T'(B) > b

T"(B) > 0

Welche Auswirkung hat die Quellensteuer, wenn das Einkommen statt einem pro-portionalen einem direkt progressiven Tarif unterliegt? Um diese Frage zu beant-worten, müssen die Budgetgleichungen für die zwei möglichen Zustände abgeleitet werden. Ich gehe wie in den Abschnitten 4.2 und 4.3 von einer gegebenen Ersparnis aus.

Unter der Bedingung, daß der Stpfl. einer steuerlichen Prüfung entgeht, ist sein Konsum gleich

G (1

+

r(l - b))s

+

w - T(w

+

rs - H)

+

b(rs - H)

=

(1

+

r)s

+

w - T(w

+

rs - H) - bH

Betrachteu wir die erste Zeile. Die Zinszahlungen sind um die Quellensteuer gekürzt. Von der progressiven Steuer auf der Grundlage des Lohneinkommens und der deklarierten Zinserträge kann die vorweg durch die Bank bezahlte Quel-lensteuer abgezogen werden. Der Abzug ist nur entsprechend der Höhe der ver-steuerten Zinsen möglich. Das Lohneinkommen kann, so sei angenommen, nicht hinterzogen werden, da es der Lohnsteuer unterliegt.

In dem weniger glücklichen Zustand einer steuerlichen Prüfung ist die hinter-zogene Steuer wie unter dem proportionalen Tarif die Ausgangsgröße der Strafe.

Es wird ein konstanter Strafsatz vorausgesetzt. Wird der Stpfl. kontrolliert, gilt die Beschränkung

P

=

(1

+

r)s

+

w - T(w

+

rs) - a(T(w

+

rs) - T(w

+

rs - H) - bH) Die mit a multiplizierte Klammer enthält die hinterzogene Steuer. Es gibt ein ein-fach zu erzeugendes Indiz, das auf eine korrekte Formulierung der Beschränkungen G und P hinweist. Wäre der Stpfl. steuerehrlich, müßte sein Konsum in beiden Zuständen gleich sein. In der Tat ist mit H

=

0 auch G

=

P.

Das Optimierungsproblem wird für den progressiven Tarif nicht explizit for-muliert. Wir fragen stattdessen, unter welcher Bedingung sich der Konsum trotz einer Erhöhung der Quellensteuer nicht ändert. Wann sind also

{)G I {)H {)H

-{)b =T(w+rs-H)--H-b-{)b {)b =0

und {)P {)G

-=-a-=0 {)b {)b

erfüllt? Die Ableitung der Nachfragefunktion H(b) ist unter der Voraussetzung einer inneren Lösung

{)H H

{)b

---

T'( w

+

r s - H) - b und stellt sicher, daß G und P sich nicht mit b ändern.

Das hinterzogene Einkommen steigt mit der Quellensteuer. Für eine quantita-tive Vorhersage muß man den marginalen Einkommensteuersatz in dem Zustand ohne eine Prüfung kennen und wissen, in welchem Umfang in der Ausgangssitua-tion Zinsen nicht deklariert werden. Unter einem direkt progressiven Tarif ist die Reaktion des Stpfl. ähnlich einfach wie bei einer proportionalen Steuer. Die hin-terzogenen Steuern bleiben jedesmal konstant, wenn der Haushalt den abgeleiteten Regeln folgt.

Das gleiche Ergebnis erhält man, wenn die Ersparnis endogen ist. Das entspre-chende Argument enthält bereits Abschnitt 4.5. Die deutsche Straffunktion ändert ebenfalls nichts.

Die progressive Besteuerung führt im Fall endogener Zinsen und einer Ecklösung wieder zu unbestimmten Ergebnissen. Der Effekt der Quellensteuer auf die Erspar-nis ist nicht eindeutig. Die Entwicklung des Aufkommens von den Anlegern, die keine Zinsen deklarieren, läßt sich folglich nicht vorhersagen.

4.8 Abschließende Bemerkungen

Dieses Kapitel hat die Wirkungen einer Quellensteuer auf Zinserträge unter der Annahme untersucht, daß die Sparer ihr Geld nur in eine einzige quellenbesteu-erte Anlage investieren können. Von quellensteuerfreien In- und Auslandsanlagen wurde abgesehen. Trotz dieser günstigen Voraussetzungen erfüllt die Quellensteuer die Erwartungen nicht, die unter ungünstigeren Bedingungen in sie gesetzt worden sind. Ein Steuerpflichtiger kann der Steuer voll ausweichen, wenn er bislang nicht seine gesamten Zinserträge hinterzogen hat. Er leistet keinen Beitrag zu einem höheren Aufkommen aus der Besteuerung der Kapitalerträge. Die Quellensteuer führt folglich nicht dazu, daß alle Bezieher von Zinseinkommen den Beziehern von Lohneinkommen (zumindest der Tendenz nach) gleichgestellt werden. Die Steuer trifft nur die Anleger, die ihre gesamten Zinserträge hinterziehen 8• Diese Gruppe reagiert möglicherweise durch eine geringere Sparbereitschaft auf die Belastung der Erträge an der Quelle. In diesem Fall ist es sogar denkbar, daß die Steuer einen Rückgang des Aufkommens aus der Besteuerung von Kapitaleinkommen verur-sacht. Die Wirkung der Quellensteuer auf die Sparbereitschaft der Anleger, die die Ecklösung wählen, ist letztlich jedoch eine empirische Frage 9 •

War es also richtig, die Quellensteuer nach einer Laufzeit von einem halben Jahr abzuschaffen, wenn sie selbst· ohne Ausnahmeregelungen und ohne die Möglich-keit des Kapitalexports in ein quellensteuer- und kontrollmitteilungenfreies Aus-8Die These von Schneider (1987, S. 2533), "Die Quellensteuer trifft steuerunehrliche Inhaber zinstragender Forderungstitel", ist daher zu einfach.

9Geiger (1989, S. 332) z.B attestiert den Bundesbürgern eine ungebrochene Sparbereitschaft.

land die in sie gesetzten Erwartungen nicht (theoretisch abgesichert) hätte erfüllen können? Dazu ist trotz allem Respekt vor der bewährten Methode der komparati-ven Statik festzustellen: Man kann nicht alle Änderungen mit "-1" multiplizieren und erwarten, wieder in den Zustand vor der Reform zurückzukehren. Im Fall der Quellensteuer bleibt ein Verlust an Glaubwürdigkeit der Steuerpolitik übrig -mit der Folge, daß es in Zukunft (noch) weniger ehrliche Steuerzahler geben wird (Tipke, 1989, S. 299, Rürup, 1989, S. 336). Wenn der Staat nicht einmal eine be-scheidene Quellensteuer von 10 % auf Zinsen durchsetzen kann, werden sich viele Steuerpflichtige fragen, warum sie ihre Einkünfte ordnungsgemäß angeben sollten.

Daß der Bundesgerichtshof im Juni 1989 die im Vergleich zu betimmten anderen Einkünften unterschiedliche Erhebung der Steuern auf Zinsen als verfassungskon-form eingestuft hat, läßt nicht darüber hinwegsehen, daß die Finanzpolitik von ihr selbst formulierte Probleme nicht löst, sondern vor ihnen in der Erwartung kapituliert, daß sich die Steuerreform von selbst finanziert. "Der Gesetzgeber hat entgegen allen Bekundungen das Interesse an Steuergerechtigkeit bei der Behand-lung von Zinseinkünften verloren" (Rürup, 1989, S. 337).

Die Einführung der Quellensteuer war vermutlich eine wenig geeignete Maß-nahme, um ein höheres Aufkommen und eine gleichmäßigere Besteuerung aller Einkommen zu erreichen. Ihre Abschaffung nach einem halben Jahr war eben-falls keine zukunftsweisende Entscheidung. Erstens hätte man eine längere Zeit gebraucht, um die Wirkungen dieser Steuer auch empirisch beurteilen zu können.

Zweitens ist es immer besser, Verbesserungen oder Alternativen anzubieten, statt einen ungeordneten Rückzug anzutreten. Eine Alternative gab es, die brauchba-rer gewesen wäre: Stichproben von Sparkonten. Diese Maßnahme ist freilich wie die Quellensteuer dem Einwand ausgesetzt, sie würde die Kapitalströme in das Ausland lenken (Geiger, 1989, S. 334). Daher wird in dem nächsten Kapitel dieser Arbeit der Versuch unternommen, eine Alternative zu der gegenwärtigen Form der Haushaltsbesteuerung zu skizzieren, die weniger Probleme schaffen würde.

Kapitel 5

Steuerhinterziehung und

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