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Die Prämissen des Grundmodells eine Diskussion

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 35-40)

Dieser Abschnitt läßt die Annahmen des Grundmodells Revue passieren. Den anschließenden Kommentaren zu den einzelnen Annahmen kann entnommen wer-den, welche Annahmen in den folgenden Kapiteln beibehalten und welche modifi-ziert werden.

Die Annahmen des Grundmodells lauteten:

1. Es wird das Partialmodell eines Stpfl. behandelt.

2. Die Präferenzen des Stpfl. sind ausschließlich über Konsum definiert. Sie genügen den Axiomen der Erwartungsnutzentheorie und Arrows Hypothese einer abnehmenden absoluten Risikoaversion.

3. Der Stpfl. verfügt über ein fest vorgegebenes Einkommen, das ihm legal zugeflossen ist.

4. Er unterliegt einer Einkommensteuer mit proportionalem Tarif.

5. Der Stpfl. deklariert zuerst sein Einkommen und zahlt die veranlagte Steuer.

Anschließend kann eine Prüfung erfolgen, die bei entdeckter Steuerhinterzie-hung zu einer Nachzahlung und einer Strafe führt.

6. Das hinterzogene Einkommen der betrachteten Periode ist die einzige Ent-scheidungsvariable des Stpfl.

7. Die Hinterziehung verursacht bis auf das mit ihr verbundene Risiko keine Kosten.

teilt, bleibt die theoretische Analyse der Steuerumgehung eine wichtige Aufgabe. Auf vier der wenigen vorliegenden Arbeiten sei daher hingewiesen: Feldman/Kay (1981), Kay (1980), Stiglitz (1983) und (1986).

14Ob weitergehende Zusammenhänge existieren, die eine theoretische Analyse lohnend machen, ist offen. Ein Modell, das Steuerhinterziehung und -vermeidung zusammen erfassen soll, präsen-tieren Cross/Shaw (1982). Sie postulieren einfach Beziehungen zwischen Steuerhinterziehung und -vermeidung durch eine gemeinsame Kostenfunktion beider Aktivitäten.

8. Die Steuerprüfung erfolgt mit einer Wahrscheinlichkeit O < p < 1 und deckt das tatsächliche Einkommen des Stpfl. auf.

9. Die Strafe ist ein konstantes Vielfaches der hinterzogenen Steuer.

Die Ausführungen zu den einzelnen Annahmen sind entsprechend numeriert.

ad 1) Das Partialmodell ist in der mikroökonomischen Theorie stets der erste Schritt. In der Theorie der Steuerhinterziehung ist es allerdings bislang überwie-gend bei Partialmodellen geblieben. Die Kapitel 3 bis 6 dieser Arbeit machen da keinen Unterschied. Über Ansätze, die über das Partialmodell hinausgehen, wird in Kapitel 2 berichtet.

ad 2) Der erste Teil von Annahme 2 erstaunt: Warum sind neben dem priva-ten Konsum nicht auch staatliche Ausgaben für öffentliche Güter Argument der Nutzenfunktion, wenn der Staat Steuern beansprucht und es ihm gelingt, diesen Anspruch zum Teil durchzusetzen. Die Antwort ist, daß öffentliche Güter ein Ar-gument der Nutzenfunktion sein werden. Wenn das Ausmaß der Bereitstellung öffentlicher Güter jedoch für den einzelnen eine konstante Größe ist, müssen sie in der Analyse eines repräsentativen Stpfl. nicht berücksichtigt werden. Dieser wird die staatlichen Ausgaben als unabhängig von der Höhe seiner Steuerzah-lung betrachten und, sofern er individuell-rational handelt, versuchen, Steuern zu verkürzen: Der Steuerhinterzieher ist ein Trittbrettfahrer par excellence.

Die Erwartungsnutzentheorie ist in ihrer hergebrachten Form vielen Einwänden ausgesetzt. Als Hypothese über das tatsächliche Entscheidungsverhalten der Indi-viduen ist sie in vielen Fällen nicht brauchbar, wie Schoemaker (1982, S. 552) in sei-nem Überblick feststellt. "However, there may be exceptions. For well-structered repetitive tasks, with important stakes, and weil trained decision makers, expec-ted utility maximization may weil describe the actual decision process" (ebenda, S. 552). Zumindest die zwei zuerst genannten Bedingungen sind bei der jährlichen Steuerveranlagung erfüllt. Ein weiterer Grund, in dieser Arbeit der traditionellen Erwartungsnutzenhypothese zu folgen, ist, daß Präferenzfunktionen, die sich nicht allzu sehr von der Erwartungsnutzenfunktion unterscheiden, zu qualitativ gleichen komparativ-statischen Ergebnissen führen (siehe Machina, 1989).

Laut Annahme 2 beeinflussen nichtpekuniäre Faktoren den Stpfl. nicht (vgl.

Allingham/Sandmo 1972, S. 326). Die Steuerhinterziehung ist nicht mit psychi-schen Kosten oder Erträgen verbunden. Vorstellbar ist natürlich, daß der soziale Status durch eine Verurteilung beeinträchtigt wird (Andersen, 1977, S. 377). Ge-nausogut ist auch möglich, daß eine erfolgreiche Hinterziehung zu einer steigenden Reputation bei engen Freunden führt. Technisch gesprochen wäre der Nutzen in diesen Fällen zustandsabhängig. Die ökonomische Theorie tut sich schwer damit, Aussagen über psychologische Determinanten der Steuerhinterziehung zu machen.

Die Frage ist, ob sie durch die Konzentration auf pekunäre Faktoren einen großen

Fehler macht. Schließlich ist die Steuerhinterziehung ein anonymes Delikt: Ein menschliches Opfer wie z.B. bei einem Raubüberfall ist für den Täter nicht er-kennbar. Eine Verurteilung bleibt Dritten zumeist verborgen. Daher ist es bei der Steuerhinterziehung - wie bei anderen Arten der Wirtschaftskriminalität - in vielen Fällen gerechtfertigt, ausschließlich Faktoren zu betrachten, die sich in Geld niederschlagen. An einer Stelle wird jedoch auch ein Modell dargestellt, in dem die Steuermoral der Gesellschaft Einfluß auf jeden einzelnen hat.

Aus Annahme 2 und den unterstellten steuerrechtlichen Kenntnissen des Haus-halts folgt, daß eine Hinterziehung nie unbeabsichtigt (ohne Vorsatz) erfolgt. Für eine positive Analyse ist dies nicht problematisch. Interessant wird die Unter-scheidung zwischen vorsätzlichen und versehentlichen Gesetzesverstößen, wenn der Staat Kontrollen und Strafen nach einem bestimmten Kriterium optimal festsetzen will, aber zwischen den beiden Typen nicht (gut) unterscheiden kann: Nur hohe Strafen haben einen abschreckenden Effekt auf die Täter aus Vorsatz; sie führen aber zu unerwünschten Nebenwirkungen (sie sind z.B. ungerecht), wenn ein Ver-stoß nur "leichtfertig" begangen wurde. Auf dieses Dilemma komme ich in Kapitel 6 zurück.

ad 3) Annahme 3 bedeutet, daß die ökonomischen Aktivitäten, durch die der Stpfl. sein Einkommen verdient, unabhängig von den Möglichkeiten sind, Steuern zu hinterziehen. Kurzfristig kann diese Annahme durchaus sinnvoll sein. Langfri-stig gibt es zwischen der Steuerbelastung bzw. den Möglichkeiten, der Besteuerung zu entgehen, und der Entstehung des Einkommens im allgemeinen einen Zusam-menhang. Die Entscheidungen der Stpfl. über ihr Arbeitsangebot und ihre Er-sparnis sind abhängig von der zu erwartenden Steuerlast. Ein Schwerpunkt der Literatur und dieser Arbeit liegt daher bei der Berücksichtigung des Zusammen-hangs von Entstehung der Besteuerungsgrundlage und der Hinterziehung.

ad 4) Der Untersuchung eines proportionalen folgt stets die Analyse eines pro-gressiven Tarifs. Siehe dazu Abschnitt 2.1. Für die Bezeichnung der Bemessungs-grundlage bzw. den Namen der untersuchten Steuer gibt es, wie bereits erwähnt wurde, verschiedene Möglichkeiten, solange die Bemessungsgrundlage exogen ist.

Ist sie endogen, unterscheiden sich die Modelle der Steuerhinterziehung je nach untersuchter Steuer. Eine Systematik der Modelle mit endogener Bemessungs-grundlage enthält Abschnitt 2.2.

ad 5) Annahme 5 betrifft die zeitliche Struktur des Modells. Diese zeitliche Ab-folge ist immer gegeben, solange die Steuererhebung auf die Mitarbeit einer (oder mehrerer) Wirtschaftseinheit(en) des privaten Sektors (des Steuerzahlers und/oder eines zum Abzug Verpflichteten) angewiesen ist. Sie ist daher in allen Modellen der Steuerhinterziehung anzutreffen.

In der Praxis kommt es gar nicht selten vor, daß veranlagte Steuern - sei die Bemessungsgrundlage richtig oder zu niedrig deklariert worden - nicht bezahlt

werden. Den Finanzbehörden fehlt oft das Personal, um Steuerrückstände einzu-treiben. Dieser Fall ist mit Annahme 5 ausgeschlossen.

ad 6) In Erweiterungen des Grundmodells wird das hinterzogene Einkommen einer einzigen Periode um weitere Entscheidungsvariable ergänzt. Es handelt sich erstens um ein endogenes Einkommen (bzw. eine endogene Steuerbemessungs-grundlage), zweitens um das hinterzogene Einkommen weiterer Perioden. Wenn der Stpfl. mehrere Perioden betrachtet, in denen er jeweils sein Einkommen de-klarieren muß, wird es im allgemeinen nicht optimal sein, die Steuererklärungen für die verschiedenen Zeitabschnitte unabhängig voneinander abzugeben. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Kontrollen und Strafen von dem Verhalten des Stpfl. in der Vergangenheit abhängig sind. Diese Form der Steuersicherung be-handelt Kapitel 6.

ad 7) Die Annahme einer bis auf das Risiko einer Nachzahlung und einer Strafe kostenlosen Hinterziehung ist z.B. für einen privaten Haushalt in der Bundesre-publik, der nur einen Teil seiner Zinserträge deklariert, gerechtfertigt, wenn eine Bestechung der Fahndungsbeamten nutzlos ist. Um hingegen einem Zoll zu ent-gehen, kann es notwendig sein, die Waren abseits der Handelswege durch unweg-sames Gelände zu befördern, so daß zusätzliche Kosten entstehen. Die Literatur nimmt in der Regel eine kostenlose Hinterziehung an 15 • Ich folge dieser Praxis.

Eine Berücksichtigung fixer Kosten der Hinterziehung oder variabler Kosten in Abhängigkeit von dem hinterzogenen Einkommen wäre allerdings nicht schwierig, würde jedoch nicht zu wesentlich anderen Ergebnissen führen.

ad 8) Die Entdeckungswahrscheinlichkeit muß nicht konstant sein. Sie kann von Informationen abhängen, die die Behörde schon vor einer Prüfung über den Stpfl. besitzt. Diese Möglichkeit wird kurz in Abschnitt 2.2 und ausführlich in Kapitel 6 untersucht.

ad 9) Zu der im Grundmodell verwendeten Strafe gibt es Alternativen. Ein Schwerpunkt der Literatur ist die Untersuchung der Konsequenzen verschiedener Strafen. In Kapitel 2 werden zwei weitere Straffunktionen vorgestellt. Kapitel 6 behandelt rückwirkende Strafen.

1.6 Zusammenfassung

Ob Steuern durch Veranlagung oder durch Quellenabzug erhoben werden - min-destens eine Wirtschaftseinheit hat die Möglichkeit, illegal Steuern zu sparen, da der Staat nicht über alle ökonomischen Transaktionen, die eine Steuerschuld begründen, informiert sein kann. Ob ein Steuerpflichtiger von der Möglichkeit der Hinterziehung Gebrauch macht, ist eine zweite Frage, wie das Grundmodell anhand

15Eine Ausnahme sind die Aufsätze zum Schmuggel (siehe z.B. Norton, 1988).

eines Haushalts, der zur Einkommensteuer veranlagt wird, gezeigt hat. Die Steu-erhinterziehung kann durch die Steuerfahndung aufgedeckt und bestraft werden, so daß sich ein Steuerpflichtiger, der nur an seinem Nettoeinkommen interessiert ist, fragen muß, ob sich die Steuerhinterziehung lohnt.

Wenn die Entdeckungswahrscheinlichkeit und der Strafsatz so klein sind, daß nicht das tatsächliche Einkommen deklariert wird, stellt sich die Frage, wie die Steuerhinterziehung auf eine Änderung finanzpolitischer Parameter reagiert. Die Analyse des Grundmodells hat neben erwarteten auch ein unerwartetes Resultat gebracht. Höhere Strafen und verschärfte Kontrollen haben eine abschreckende Wirkung auf einen rationalen Steuerhinterzieher. Ein höherer Steuersatz hat über-raschenderweise ebenfalls diese Wirkung, wenn man eine abnehmende absolute Ri-sikoaversion annimmt. Das letzte Ergebnis impliziert, daß das Steueraufkommen mit einem höheren Steuersatz steigt. Daher finanziert sich umgekehrt eine Steu-ersenkung nicht zum Teil von selbst: Die Wirkung eines kleineren Steuersatzes auf das Aufkommen bei gegebenem Umfang des hinterzogenen Einkommens wird nicht durch höhere deklarierte Einkommen kompensiert.

Die Steuerhinterziehung ist nur eine der möglichen Aktivitäten, um Steuern zu sparen. Sie ist zu unterscheiden von verschiedenen Formen der Steuervermeidung, die dieses Ziel auf legalem Wege erreichen können. Die Steuerhinterziehung ist eine naheliegende Gelegenheit, Steuern zu sparen, wenn der Staat die Steuerhin-terziehung nicht unterbinden kann oder will und wenn alle Möglichkeiten, legal die Abgabenlast zu verringern, ausgeschöpft sind. Entsprechend ist die Theorie der Steuerhinterziehung seit der Arbeit von Allingham/Sandmo {1972) nicht mehr aus der Steuerwirkungslehre wegzudenken. Auf Entwicklungen dieser Theorie, die in den folgenden Kapiteln dieser Arbeit zu finden sind, hat eine Diskussion der Annahmen des Grundmodells bereits hingewiesen.

Kapitel 2

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