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Steuerhinterziehung und Bankgeheimnis unter einer

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 121-125)

direkten Konsumsteuer

5.1 Einleitung

Die Zinserträge der privaten Haushalte werden steuerlich zu einem großen Teil nicht erfaßt. Der Versuch, an dieser Situation mit Hilfe einer Quellensteuer auf Zinserträge etwas zu ändern, ist gescheitert. Ob andere Maßnahmen in dieser Richtung zu erwarten sind, ist fraglich. Da Zinsen Teil des Einkommens sind, kann die Finanzwissenschaft nur noch schlechten Gewissens lehren, das Einkommen sei in der Bundesrepublik Bemessungsgrundlage der direkten Besteuerung. Der Vorschlag, die Zinserträge steuerlich zu befreien und die Einkommen durch eine direkte Konsumsteuer zu ersetzen, liegt daher nahe 1 . Gegen diese Substitution spricht aber die von vielen Autoren vertretene Ansicht, eine solche persönliche Ausgabensteuer sei nicht praktikabel.

In diesem Kapitel werden zwei Thesen vertreten: Unter den heute gegebenen institutionellen Verhältnissen auf dem Gebiet der Steuererhebung - unter ande-rem § 30 a der Abgabenordnung, der die Ausfertigung von Kontrollmitteilungen über die Ersparnisse und Zinserträge der Haushalte untersagt - ist eine Konsum-steuer einfacher zu administrieren als die EinkommenKonsum-steuer. Insbesondere stellt die durch das Bankgeheimnis ermöglichte Steuerhinterziehung unter einer Kon-sumsteuer kein Problem dar. 'Zweitens führt die KonKon-sumsteuer - wieder gegeben

1 Eine indirekte Konsumsteuer gibt es schon in Form der Umsatzsteuer, die ein anerkannter Bestandteil unseres Steuersystems ist. Da diese nur mit einem proportionalen Tarif praktikabel ist, ist die direkte Ausgabensteuer dann sinnvoll, wenn der Konsum einem progressiven Tarif unterliegen soll.

das Bankgeheimnis bzw. der Schutz der Bankkunden vor dem Fiskus - eher als die existierende Einkommensteuer zu einer gleichmäßigen Besteuerung. Insbesondere tragen Steuerpflichtige mit zeitlich schwankendem Konsum auch bei progressivem Tarif keine höhere Steuerlast als solche mit gleichmäßigen Ausgaben.

Da. in der Literatur unumstritten ist, daß für Zwecke der direkten Besteuerung der Konsum nicht direkt, sondern nur indirekt als Einkommen minus (Netto-) Ersparnis ermittelt werden kann, klingen die zwei Thesen nicht sehr einleuchtend, da. der Fiskus die Höhe der Ersparnisse eines konsumsteuerpflichtigen Haushalts in vielen Fällen nicht festzustellen vermag und die Ausgabensteuern durch Über-treibung der Ersparnisse hinterzogen werden könnten. Da. aber neben Kontrollen und Strafen und dem Abzug an der Quelle als drittes denkbares Instrument zur Durchsetzung eines Steueranspruchs das logische Schließen der Finanzverwaltung berücksichtigt werden muß, kann diese Behörde unter bestimmten Bedingungen trotz beschränkter Informationen über die Sparkonten der Steuerzahler ihrem Auf-trag gerecht werden. Diese Möglichkeit wird in Abschnitt 5.3 mit Hilfe eines einfa-chen Modells eines repräsentativen Sparers illustriert. Fragen der horizontalen und vertikalen Steuergerechtigkeit werden ebenfalls in Abschnitt 5.3 aufgegriffen. Ab-schnitt 5.4 diskutiert, ob die zwei oben angegebenen Thesen unter allgemeineren Voraussetzungen zutreffend sein können. Bevor im Detail auf die Konsumsteuer eingegangen wird, zeigt in Abschnitt 5.2 eine Analyse der jüngsten steuerpoliti-schen Ereignisse, daß der Übergang zu einer direkten Konsumsteuer vielleicht der einzige Weg aus der Sackgasse ist, in die die "Erfassung" der Zinserträge geraten ist. Insgesamt soll das Kapitel eine Ergänzung zu den administrativen Aspek-ten der Vorschläge zur Einführung einer Konsumsteuer 2 sein und die Frage der steuerlichen Gleichmäßigkeit unter einer Konsumsteuer beleuchten.

5.2 Erfassung der Zinserträge oder direkte Besteuerung des Konsums?

Um die steuerliche Erfassung der Zinserträge zu verbessern, sind 1989 drei Maß-nahmen eingeführt worden. Es wurde eine Quellensteuer von 10 % auf inländische Zinserträge eingeführt; der sogenannte Ba.nkenerla.ß - ursprünglich eine Verwal-tungsanweisung, die Stichproben von Konten ohne konkreten Verdacht untersagte

2Neben Kaldors Klassiker von 1954 sind drei Gutachten jüngeren Datums zu nennen, die im Regierungsauftrag in Schweden, England und den Vereinigten Staaten erstellt wurden und zu einem positiwn Votum für eine persönliche Ausgabensteuer kamen (Lodin, 1982, Meade-Kommission, 1978, Bradford, 1984). Zu den administrativen Problemen einer Konsumsteuer bieten neben diesen Arbeiten Graetz (1980), Mieszkowski (1980) und Peffekoven (1980, S. 420 -427) einen guten Überblick.

und die Betriebsprüfer der Banken vergessen lassen sollte, was sie bei ihrer Arbeit über die Konten und Depots privater Haushalte erfuhren - wurde unter dem Titel

"Schutz von Bankkunden" als § 30 a in die Abgabenordnung übernommen; reui-gen Stpfl., die Zinserträge verganreui-gener Jahre nachträglich deklarierten, wurde die Nachzahlung der hinterzogenen Steuer erlassen 3 • Zu diesem Maßnahmenbündel, das ein Teil der "Steuerreform 1990" war, kann man einiges sagen. Fraglich ist insbesondere, ob die Quellensteuer geeignet zum Erreichen der angestrebten Ziele war (siehe Kapitel 4) und ob Detailprobleme gut gelöst waren. Nicht fraglich ist, daß das Bündel ein geradezu höflicher Versuch des Staates war, sich an den kontinuierlich steigenden Zinserträgen der privaten Haushalte zu beteiligen. Man hätte ja auch mit höheren Strafen und Stichproben oder gar flächendeckenden Kontrollmitteilungen arbeiten können.

Die Reaktionen der Stpfl. waren weniger höflich. Die "Steueramnestie" und die Festschreibung einer geringen Entdeckungswahrscheinlichkeit bei der Hinter-ziehung von Zinsen in § 30 a AO wurden wie selbstverständlich hingenommen

4 • Die Quellensteuer aber führte zu "Anpassungs- und Ausweichreaktionen der inländischen Anleger" (Deutsche Bundesbank, 1989, S. 49) und verbreitete eine Empörung, die eineinhalb Jahre lang den Wirtschaftsteil der Zeitungen füllen konnte. Die Ausweichreaktionen kann man leicht verstehen, wenn man davon aus-geht, daß Stpfl. den Erwartungsnutzen ihres Nettoeinkommens maximieren. Im übrigen ist der Widerstand der Zensiten gegen die Quellensteuer nicht so einfach zu verstehen. Drei mögliche Erklärungen bieten sich an:

- Die Sparer wollten bestehende steuerliche Privilegien verteidigen.

- Die Einführung der Quellensteuer wurde als Verletzung der Privatsphäre empfunden.

- Die Besteuerung von Zinsen aus der Anlage versteuerten (Lohn-) Einkom-mens wird als ungerecht angesehen.

Die erste Erklärung ist naheliegend und sicher ein Teil der Wahrheit. Ihr folgt die für Fragen der Steuererhebung und gerechtigkeit nicht verantwortliche -Bundesbank, wenn sie feststellt, die "Quellensteuer auf inländische Zinseinkünfte

3 Auch vorher schon zog eine Nachdeklaration keine Strafe nach sich. Die Selbstanzeige nach

§ 371 AO hat nur die Nachzahlung der hinterzogenen Steuer zur Konsequenz.

4Ein gewisser Spielraum bezüglich der Kontrolle von Konten bleibt der Steuerfahndung. Ein-zelauskunftsersuchen sind in § 30 a Abs. 5 AO ausdrücklich zugelassen. Die Ausschreibung von Kontrolhnitteilungen soll nach § 30 a Abs. 3 Satz 2 zwar unterbleiben. "Eine derartige Unter-sagung ist jedoch gesetzeswidrig und unwirksam, wenn sie der finanzbehördlichen Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung zuwiderläuft" (Bilsdorfer, 1989, S. 85). Zu dem Spielraum, der für die Prüfung von Konten bleibt, siehe auch Kottke (1989). Inwieweit der gesetzlich zulässige Spielraum genutzt oder nicht genutzt wird, ist natürlich eine zweite Frage.

wurde von Anlegern im In- und Ausland als einschneidende Verschlechterung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Kapitalanlagen in der Bundesrepublik empfunden" (Deutsche Bundesbank, 1989, S. 48 f.). Die Erklärung übersieht je-doch, daß die Quellensteuer Teil eines Reformpakets war, zu dem auch die Ent-lastung durch einen neuen Einkommensteuertarif gehörte. Sie müßte daher eine Begründung dafür mitliefern, warum die Bürger sich auf einzelne Bestandteile ei-nes Pakets fixieren, das der Staat nur als Ganzes anbieten wollte.

Die zweite Erklärung für den Widerstand gegen die Quellensteuer ist nicht von der Hand zu weisen. Das Bankgeheimnis, der Schutz der Geschäftsbeziehungen der Geldinstitute mit ihren Kunden vor Einblicken Dritter, wird in der Bundesre-publik (und anderswo) fast als Grundrecht angesehen (vgl. Walter, 1985, S. 2 und 23). Die verbreitete Empfindung der Bürger, durch die neue Steuer werde ihre Privatsphäre verletzt, ist von der Sache her jedoch nicht gerechtfertigt. Dazu nur zwei Anmerkungen: Was unter personenbezogene Daten fällt, die vor dem Staat und anderen Dritten zu schützen sind, ist von Land zu Land verschieden und da-her diskussionswürdig. In den Vereinigten Staaten z.B. gibt es kein Bankgeheimnis - aber auch keine Personalausweise und keine polizeiliche Meldepflicht. Zweitens erfährt der Fiskus im Zuge der Anrechnung der Quellensteuer bei der Einkommen-steuerveranlagung nur das Geldvermögen und die Zinsen derjenigen Haushalte, die steuerehrlich sind - die übrigen werden sich ja die Quellensteuer nur zum Teil bzw.

gar nicht anrechnen lassen, wie in Kapitel 4 gezeigt worden ist. Der tiefere Grund für die Empörung gegen die Quellensteuer liegt eher darin, daß die diffuse Wahr-nehmung vieler Menschen, ihre Persönlichkeitsrechte seien von vielen Seiten her Gefahren ausgesetzt, sich plötzlich gegen eine vermeintliche Quelle der Bedrohung richtet, auf die man sich leicht einigen kann.

Ein in der Bevölkerung oft gehörtes Argument gegen die Quellensteuer ist die sogenannte Doppelbesteuerung der Ersparnis durch die Einkommensteuer. Zuwei-len konnte man glauben, John Stuart Mill sei (wieder) zum Bestseller geworden.

Er schrieb: " ... when (income is (R.H.)) saved and invested ... it thenceforth pays income tax on the interest or profit which it brings, notwithstanding that it has already been taxed on the principal. Unless, therefore, savings are exempted from income tax, the contributors are twice taxed on what they save, and only once on what they spend .... The difference thus created to the disadvantage of prudence and economy is not only impolitic but injust." (Mill, 1848, S. 813 - 814). Wenn man die "Erfassung" der Zinserträge mit Hilfe der Quellensteuer als ungerecht und politisch unklug bezeichnen will, muß man den Bürgern aber auch vorwerfen, zu kurz gedacht zu haben: Über den Widerstand gegen die Quellensteuer hinaus ist es zu einer konstruktiven öffentlichen Diskussion über die geeignete Bemessungs-grundlage der direkten Besteuerung nicht gekommen.

Die Koalition von Bürgern und Banken hat durch den Export von Kapital in

das für den Fiskus schwer zugängliche Ausland die Rücknahme der Quellensteuer erreicht. Die Motive für den Widerstand gegen die neue Steuer wird die zukünf-tige Steuerpolitik ernst nehmen müssen. Das Bankgeheimnis - hier der Schutz der Konten vor dem Einblick des Fiskus - wird einen gewissen Stellenwert einnehmen.

Die systematische Erhebung von Stichproben der Konten - eine Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit - oder erhöhte Strafen werden nur schwer durch-zusetzen sein. Das Argument der Doppelbesteuerung der Ersparnis und die mit ihm verbundene Forderung nach einer gleichmäßigen Besteuerung wird Beachtung finden müssen.

Der Spielraum für die Steuerpolitik ist eng geworden. Nur zwei Wege bleiben offen, wenn die Finanzpolitik nicht erneut den Unmut der Steuerzahler auf sich ziehen will: Man kann einen status quo beibehalten, der den Namen Einkommen-steuer nicht verdient - wie eng man den Einkommensbegriff auch immer fassen will: Zinsen sind Einkommen - und der in bezug auf die steuerliche Gleichmäßig-keit nicht gut abschneidet, wie unten gezeigt werden wird. Oder man geht zu einer Konsumsteuer über, die nicht schlechter als das bestehende System der direkten Besteuerung ist, wahrscheinlich aber besser abschneiden würde.

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 121-125)