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Hinterziehung von Arbeitseinkommen

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 62-65)

Erweiterungen des Grundmodells

2.2 Endogene Steuerbemessungsgrundlage

2.2.3 Hinterziehung von Arbeitseinkommen

Pencavel (1979) läßt den Stpfl. arbeiten, bevor er veranlagt wird und schließlich sein Einkommen nach Steuer und Strafe konsumieren kann. Pro Arbeitsstunde h verdient er einen Lohn w. Das Einkommen wh unterliegt dem Tarif t(wh)".

Entscheidungsvariable des Stpfl. sind das Arbeitsangebot h und das deklarierte Einkommen D. Die Budgetbeschränkungen sind

G

=

wh-tD"

P

=

wh - t(wh)" - at((wh)" - D")

Im Vergleich zu den entsprechenden Beschränkungen des Grundmodells ist das exogene Einkommen durch wh ersetzt worden.

Die Nutzenfunktion des Stpfl. enthält mit endogenem Arbeitseinkommen ne-ben dem Konsum die Arbeitszeit h als zweites Argument. Pencavel verwen-det speziell die additiv separable Funktion V(C)

+

W(h) mit den Eigenschaften V' > 0, W'

<

0, V", W"

<

0 und zusätzlich einer abnehmenden absoluten Risikoaversion -V"(C)/V'(C).

10Zusätzlich können die Behörden bei jedem einzelnen Unternehmen auf die Relation von deklariertem Umsatz und deklarierten Einkäufen achten.

Die Anzahl der Argumente der Nutzenfunktion unterscheidet die Modelle von Haushalten und Unternehmen bei endogener Steuerbasis. Einziges Argument der Zielfunktion eines Unternehmens sind in der ökonomischen Theorie die finanziel-len Überschüsse. Dem Unternehmen ist die produzierte Gütermenge, die Zahl der Beschäftigten etc. als solche gleichgültig. Die Wohlfahrt eines Haushalts wird jedoch auch direkt von seiner Arbeitsleistung beeinflußt, und nicht nur durch den Konsum, den sie ermöglicht. Die unterschiedlichen Zielfunktionen der Un-ternehmen und Haushalte haben Konsequenzen. Die Produktionsentscheidungen und andere Entscheidungen der Unternehmen können eventuell unabhängig von der Steuerhinterziehung getroffen werden (siehe den vorangehenden Abschnitt und Marelli/Martina, 1988, S. 57 f.). Haushalte müssen dagegen simultan über ihr Ar-beitsangebot und das deklarierte Einkommen entscheiden. Die Konsequenz dieser Struktur zeigen die Ergebnisse von Pencavel.

Der Haushalt maximiert E(V(C)

+

W(h))

=

qV(G)

+

pV(P)

+

W(h) durch die Wahl

h*

=

h*(p,a,t,u,w) und

D*

=

D*(p, o:, t, u, w)

Das deklarierte Einkommen D• ist eine "unilluminating function" (Cowell, 1986, S. 196) der exogenen Variablen: Die Wirkung jedes der fünf Parameter auf D* ist unbestimmt. " ... the predominance of unambiguous sign implications" im Fall ei-nes exogenen Einkommens verkehrt sich bei endogenem Arbeitseinkommen "into a predominance of ambiguities" (Pencavel, 1979, S. 121). Betrachten wir z.B.

eine Erhöhung der Entdeckungswahrscheinlichkeit. Bei gegebenem Einkommen führt sie zu einem höheren deklarierten Einkommen und einer höheren Steuer-belastung. Der Stpfl. reduziert nun möglicherweise seine Arbeitszeit h*. Das fallende Einkommen wh• aber führt zu einem geringeren deklarierten Einkommen.

Der Gesamteffekt ist nicht vorhersagbar (ebenda, S. 121).

Pencavel ließ sich nicht beeindrucken und berechnete die Vorzeichen des hinter-zogenen Einkommens H•

=

wh• - D•, um zu eindeutigen Aussagen zu gelangen.

Mit einem endogenen Einkommen gilt nur zufällig dH•

=

-dD*, so daß aus ei-nem unbestimmten Vorzeichen von dD• nicht auch eine unbestimmte Reaktion des hinterzogenen Einkommens folgt. Mit proportionalem Tarif ( u

=

1) erhält Pencavel folgende Resultate: H* sinkt mit p und o:. Die Wirkung von t und w ist unbestimmt. Mit progressivem Tarif (u > 1) ist die Wirkung aller fünf Parameter auf das hinterzogene Einkommen unbestimmt. Zumindest für den proportionalen Tarif sind höhere Kontrollen und Strafen erfolgreiche Mittel gegen die Steuerhin-terziehung. Bei progressivem Tarif kann man sich auch dessen nicht sicher sein.

In "offiziellen" Beschäftigungsverhältnissen werden die Arbeitseinkommen in

den meisten Ländern so hoch mit einer Lohnsteuer belastet, daß eine abschließende Einkommensteuerveranlagung zu keiner zusätzlichen Zahlungsverpflichtung der Arbeitnehmer führt. Das Modell von Pencavel scheint daher für unselbständig Beschäftigte nicht relevant zu sein. Mit Sandmo (1981), Wiegard (1984) und Co-weil (1985) kann man ihm jedoch eine andere Interpretation geben, wenn man von folgender Sichtweise ausgeht: Die Wirtschaft ist in einen offiziellen und einen inoffiziellen Sektor gespalten. Die Unternehmen in dem ersten Sektor ziehen den Beschäftigten Lohnsteuern ab, so daß deren Steuerschuld abgegolten ist. In dem Sektor, der im "Schatten" liegt, werden alle Abgaben hinterzogen. Wenn ein ein-zelner Haushalt in beiden Sektoren beschäftigt sein kann, w1 (w;) der Lohnsatz in dem offiziellen Sektor (der Schattenwirtschaft) und h1 (h;) seine Arbeitszeit in diesem Sektor ist, lauten die beiden Budgetbeschränkungen des Haushalts

G w1h1(l - t)

+

w;h;

=

(w1h1

+

w;h;)(l - t)

+

tw;h;

P

=

(w1h1

+

w;h;)(l - t) - o:tw;h;

Ist neben dem Nettoeinkommen die Summe h

=

h1+h; das zweite Argument seiner Nutzenfunktion, entsprechen sich dieses Modell und das Modell von Pencavel 11 - und damit auch ihre Ergebnisse 12• Cowell (1985) ersetzt daher die additive Separabilität der Nutzenfunktion durch eine funktionale Separabilität: Funktionen der Form

U(C, h)

=

f1(füh)

+

h(h)C)

mit /1 , / 2 und /3 als zunehmende Funktionen führen dazu, daß die Entscheidungen über die Gesamtarbeitszeit und die Arbeit in der Schattenwirtschaft in folgendem Sinne separabel sind. h ist allein von dem sicheren Nettolohnsatz in dem offiziel-len Sektor abhängig: h*

=

h*(w1(1 - t)). Das inoffizielle Arbeitsangebot ist von h* und vier Parametern abhängig, die den Ertrag der Schwarzarbeit bestimmen:

h;

=

h;(h*,w;,t,p,o:). Die offizielle Arbeitszeit ergibt sich aus der Differenz von h* und h;. Das Entscheidungsproblem des Haushalts kann also in zwei Stufen gespalten werden. Zuerst wird über die Gesamtarbeitszeit und anschließend über die "unsichere Anlage" eines Teils dieser Zeit entschieden (vgl. Dreze/Modigliani, 1972, S. 321 f.). Es liegt auf der Hand, daß nun mehr über die Wirkung finanz-politischer Parameteränderungen auf das Verhalten des Steuerhinterziehers ausge-sagt werden kann, wenn man neben der funktionalen Separabilität die gewohnten Annahmen über den Verlauf der Arrow-Pratt-Maße trifft. Die Zusammenhänge llDaß legale Arbeit und die Arbeit in der Schattenwirtschaft sich z.B. durch die Dauer und Sicherheit der Beschäftigungsverhältnisse unterscheiden, wird hier nicht berücksichtigt.

12Siehe jedoch Wiegard (1984), der zum Teil bestimmtere Resultate als Pencavel erzielt, obwohl beide dieselbe additiv separable Nutzenfunktion verwenden.

entsprechen durchweg denjenigen, die man aufgrund des Grundmodells erwartet hätte (vgl. Cowell, 1985, S. 29).

Unterschiede ergeben sich, wenn h1 fest vorgegeben ist: Wer sich einmal für ei-nen bestimmten Beruf entschieden hat, kann seine Arbeitszeit in seinem offiziellen Beschäftigungsverhältnis kaum variieren, über das Ausmaß zusätzlicher Schwarzar-beit aber schon frei entscheiden. In diesem realistischen Fall besteht z.B. zwischen p bzw. a und der in der Schattenökonomie verbrachten Arbeitszeit auch ohne die Annahme einer funktional separablen Nutzenfunktion ein negativer Zusammen-hang, wenn das Arbeitsangebot mit w; steigt (Cowell, 1985, S. 29).

Zu den zwei Formen der Separabilität, die in der Literatur Verwendung finden, soll eine kurze Bemerkung festgehalten werden. Unterschiedliche Nutzenfunktio-nen führen im allgemeiNutzenfunktio-nen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Auf dem Boden der angewandten Theorie kann jedoch nicht ohne weiteres entschieden werden, welche Präferenzordnungen der Entscheidungsträger "defensible" und "reasonable" sind (Cowell, 1985, S. 24 und 32). Daß bestimmte Funktionen eher als andere Ergeb-nisse generieren, die der "armchair evidence"13 entsprechen, ist kein Grund dafür, sie mit jenen Prädikaten zu versehen.

Was leistet die Literatur zur Hinterziehung von Arbeitseinkommen zum Ver-ständnis der Besteuerungspraxis? Für Selbständige und selbständige Schwarz-arbeiter sind die Modelle instruktiv. Viele Haushalte können jedoch nicht ein-mal dann als Selbständige bezeichnet werden, wenn sie im "Schatten" arbeiten.

Auch für die Schwarzarbeit werden zumeist eine gewisse Kapitalausstattung und geschäftliche Verbindungen benötigt, die im Besitz von (im Handelsregister ein-getragenen) Firmen sind. Die Schwarzarbeit zeichnet sich daher in vielen Fällen durch eine Kooperation von "offiziellen" Firmen und mit ihrer Hilfe beschäftigten Schwarzarbeitern aus (vgl. Wenig, 1988, S. 4), wenn man nicht sogar von un-selbständig beschäftigten Schwarzarbeitern sprechen muß. An der Hinterziehung der Abgaben sind damit zwei Parteien beteiligt, so daß die Modellierung dieses Vorgangs als einsame Entscheidung eines Haushalts nicht sehr überzeugend wirkt.

2.3 Interdependenzen zwischen

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