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Steuerhinterziehung und die Bereitstellung öffentlicher Güter

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 68-71)

Erweiterungen des Grundmodells

2.3 Interdependenzen zwischen Steuerhinterziehern

2.3.2 Steuerhinterziehung und die Bereitstellung öffentlicher Güter

Das Steueraufkommen verwendet der Staat für die Bereitstellung öffentlicher Lei-stungen. Wenn ein einziger Stpfl. hinterzieht, wird der entsprechende Aufkom-mensverlust die öffentlichen Leistungen kaum beeinflussen. Wenn Millionen von Bürgern ihre Steuerschuld verkürzen, müssen die öffentlichen Leistungen jedoch gekürzt werden. Dies berührt die Wohlfahrt jedes einzelnen Stpfl. und kann ihn dazu veranlassen, seine Deklarationsentscheidung zu überdenken. Gottlieb (1985), Falkinger (1988) und Cowell/Gordon (1988) berücksichtigen diesen Zusammen-hang. Ich konzentriere mich hier auf den Aufsatz von Cowell/Gordon, da sie einer Frage nachgehen, die uns schon in den Partialmodellen beschäftigt hat: Wel-chen Einfluß hat die Steuerbelastung ( der Steuersatz) auf die Hinterziehung? Co-well/Gordon fragen speziell: Kann durch die Berücksichtigung öffentlicher Güter der in empirischen Arbeiten gefundene positive Zusammenhang zwischen diesen Größen (siehe Clotfelter, 1983, dessen Ergebnis von Slemrod, 1985, jedoch nicht bestätigt wird) erklärt werden?

Betrachtet wird eine Wirtschaft mit n identischen Individuen. Der Erwartungs-nutzen jedes Stpfl. ist

E(U(C, Z))

=

qU(G, Z)

+

pU(P, Z)

wobei G und P durch (1.1) und (1.2) definiert sind. Das zusätzliche Argument der Nutzenfunktion ist das durch Einkommensteuern finanzierte öffentliche Gut.

Hinterzieht ein bestimmter Stpfl. S

=

tH und alle übrigen Stpfl. jeweils

S =

tH, ist das Aufkommen pro Kopf gleich 14

n-1 - 1

A

=

tY - --(q - pa)S - -(q - pa)S

n n

Gibt es sehr viele Stpfl. ( n - oo ), gilt

A

=

tY - (q - pa)S

14Die Kosten der Steuerprüfungen, die Cowell/Gordon berücksichtigen, werden hier ver-nachlässigt, da sie für das Ergebnis der Analyse keine Rolle spielen.

Dieses Aufkommen wird in (1/t/J)A Einheiten des öffentlichen Gutes Z umgesetzt, das jedem Stpfl. zur Verfügung steht.

Wie bestimmt sich die hinterzogene Steuer eines einzelnen Stpfl.? Der einzelne geht bei seiner Entscheidung

s•

davon aus, daß sie einen zu vernachlässigenden Einfluß auf das Ausmaß der Bereitstellung des öffentlichen Gutes hat. Zweitens soll er davon ausgehen, daß die Entscheidungen aller anderen Individuen von seiner Deklarationsentscheidung unberührt bleiben. Unter diesen Voraussetzungen sind

qUc(G, Z) - pUc(P, Z)a

=

0 (2.19) und

A.

=

qUcc(G, Z)

+

pUcc(P, Z)a2

=

0

die Bedingungen erster und zweiter Ordnung für ein Maximum von E(U(C, Z)).

Dabei ist Uc die erste Ableitung nach C, etc.

(2.19) bestimmt

s•

als Funktion von (u.a.) Z. Ein Cournot-Nash-Gleichge-wicht ist erreicht, wennn

s• = S

gilt: Die Entscheidungen aller (identischen) Stpfl. sind kompatibel; für keinen Stpfl. lohnt es sich, von der Entscheidung S•

abzugehen.

s• = S =

S0 und Z werden von den zwei Gleichungen (2.19) und (2.20) bestimmt.

1 G

Z

=

-(tY - (q - pa)S )

tp (2.20)

Differenziert man diese Gleichungen nach t, erhält man die Wirkung eines höheren Steuersatzes auf

s

0 . Aus (2.19) ergibt sich:

as

0

öt

=

A.-1[(qUcc(G, Z) - pUcc(P, Z)a)Y

-(qUcz(G, Z) - pUcz(P, Z)a)ßt] öZ (2.21) Die Änderung der hinterzogenen Steuer eines einzelnen Stpfl. ist zu klein, um auf Z Einfluß zu haben. Unendlich viele kleine Änderungen von S0 summieren sich aber zu einer endlichen Änderung von Z, so daß neben dem üblichen direkten Effekt von t zu beachten ist, daß sich durch die Steuererhöhung die Versorgung mit dem öffentlichen Gut ändert (siehe Cowell/Gordon, 1988, S. 307 - 309, für eine rigorose Ableitung dieses Zusammenhangs). Setzt man

öZ 1 öS0

- =

-(Y - (q - pa)-)

öt tp Öt

in (2.21) ein, ergibt sich (Cowell/Gordon, 1988, S. 309):

as

0

at

=

(A.0 )-1{[qUcc(G, Z) - pUcc(P, Z)a]Y

-[qUcz(G, Z) - pUcz(P, Z)a]Y/tp} (2.22)

wobei tJ.G

=

fJ. - (qUcz(G, Z) - pUcz(P, Z)al(q - pa)N ist. Der Nenner die-ses Ausdrucks ist negativ, wenn das Cournot-Nash-Gleichgewicht stabil ist (Co-well/Gordon, 1988, S. 310). Der Zähler enthält zwei Terme. Der erste hat mit einer abnehmenden absoluten Risikoaversion ein positives Vorzeichen und spricht (wegen des negativen Nenners) für einen negativen Zusammenhang von Steuer-belastung und -hinterziehung. Dahinter steckt der negative Einkommenseffekt, auf den Yitzhaki (1974) hingewiesen hat. Der rechte Term im Zähler (exclusive des Minuszeichens) hat das Vorzeichen von öS• /öZ. Es handelt sich hier um einen zweiten "Einkommens"-Effekt, der auf die Änderung der Versorgung mit dem öffentlichen Gut zurückgeht, die aus einer höheren Besteuerung sehr vieler Individuen resultiert (Cowell/Gordon, 1988, S. 310).

Um den Nettoeffekt zu bestimmen, muß von einer speziellen Nutzenfunktion ausgegangen werden. Es soll hier nur der Fall Uz/Uc

=

m(Z) betrachtet werden:

Die Grenzrate der Substitution zwischen C und Z ist unabhängig von C, d.h. auch unabhängig davon, ob der Stpfl. entdeckt wird oder nicht. Aus

öm(Z)

=

UzcUc - UzUcc

=

0

/JG (Uc)2

folgt Uze

=

mUcc- Setzt man diese Beziehung in (2.22) ein, gelangt man zu ö:tG

=

-(tJ.0

t

1[(qUcc(G, Z) - pUcc(P, Z)a]Y(mN -1)

Das Vorzeichen dieses Ausdrucks hängt mit abnehmender absoluter Risikoaversion von m/tp -1 ab. Diese Bedingung gibt an, ob die Individuen mit dem öffentlichen Gut unter- oder überversorgt sind. Der Versuch, den Anteil des Staates an dem Einkommen der Wirtschaft durch eine Steuererhöhung zu steigern, hat auf den Erwartungsnutzen jedes Stpfl. im Gleichgewicht nämlich folgenden Einfluß:

öE(U(C,Z))

öt Y[-qUc(G, Z) - pUc(P, Z)

+

(qUz(G, Z)

+

pUz(P, Z))N]

Y[qUc(G, Z)

+

pUc(P, Z)l(mN-1)

Dabei sind das Enveloppen-Theorem und die Beziehung Uz

=

mUc ausgenutzt worden. Ist die Änderung des Erwartungsnutzens z.B. positiv, "then public goods are under-provided since the individual would welcome an expansion of the pu-blic sector with its consequent implications of enforced taxation" (Cowell/Gordon, 1988,

s.

312).

Vergleicht man nun die Änderungen des Nutzens und der hinterzogenen Steuer S0 , ergibt sich: Zwischen Steuerbelastung und Hinterziehung besteht ein positi-ver (negatipositi-ver) Zusammenhang, wenn eine Unterpositi-versorgung (Überpositi-versorgung) mit dem öffentlichen Gut vorliegt. Die ökonomische Logik für dieses überraschende

Ergebnis ist: "If public goods are under-provided (as definded), then when the government increases their provision (via a higher tax rate), it runs the risk of making individuals on balance feel better off. Under decreasing absolute risk aver-sion this will make them increase the size of their gamble, i.e. evade more tax "

(Cowell/Gordon, 1988, S. 313).

Dieses Verhalten ist nun nicht nur überraschend, sondern geradewegs unerfreu-lich, wenn eine Unterversorgung mit öffentlichen Gütern besteht. Versucht der Staat nämlich, dieser Situation durch eine Erhöhung von t abzuhelfen, ist nicht sicher, daß das Steueraufkommen steigt. Der Versuch, die Grenzrate der Trans-formation pro Kopf 15 t/J und die Grenzrate der Substitution m zwischen dem privaten und dem öffentlichen Gut anzugleichen, kann fehlschlagen, da die Indivi-duen sich in einem "prisoner's dilemma" befinden und nach individuell-rationalen Gesichtspunkten entscheiden.

Wenn Steuerzahler (aus dem dargestellten Modell) argumentieren, daß sie hin-terziehen, weil Steuern für überflüssige öffentliche Ausgaben verwendet werden, regt sich der Verdacht, daß es sich bei dem Argument um eine "rationalization of otherwise determined evading-decisions" handelt (Falkinger, 1988, S. 388):

Individuell- rationale Entscheidungen werden mit dem Anschein kollektiver Ratio-nalität versehen. Ist dieser Verdacht richtig, hätten Cowell/Gordon (1988, S. 320) keinen Grund, sich über das von ihnen erzielte Ergebnis so zerknirscht zu äußern und die mangelnde Verläßlichkeit ökonomischer Intuition zu beklagen: " ... resting an explanation for a positive tax rate effect on public goods being under-provided is unsatisfactory, since intuition seems to suggest the opposite, i.e. that individuals are more likely to increase evasion after a tax rise when they feel that government services do not represent good value for their tax contributions".

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 68-71)