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Der Nettoeffekt rückwirkender Kontrollen

Im Dokument Steuerhinterziehung und Finanzpolitik (Seite 177-181)

Verdächtiger: Modelle mit wiederholter Veranlagung

6.2 Rückwirkende Kontrollen

6.2.5 Der Nettoeffekt rückwirkender Kontrollen

Lohnt es sich aus der Sicht von Finanzbehörden, die mit ihrem Budget ein möglichst großes Steueraufkommen erzielen wollen, rückwirkende Kontrollen einzuführen?

Wenn die rückwirkenden Kontrollen keine zusätzlichen Kosten verursachen, lohnt sich ihre Einführung, da sie den erwarteten Ertrag der Steuerhinterziehung sen-ken. Bei exogenem Einkommen heißt das ja, daß das Steueraufkommen steigt.

Verursacht die rückwirkende Kontrolle zusätzliche Kosten, stellt sich die Frage nach dem Nettoeffekt. Dieser Abschnitt untersucht, ob bei gleichen Kosten der Steuerfahndung

- das statische System der Sicherung des Steuereingangs, in dem nur die letzte Steuererklärung mit der immer gleichen Wahrscheinlichkeit p, geprüft wird, - oder das dynamische System einer rückwirkenden Kontrolle mit einer

Ver-jährungsfrist von einem Jahr zu einem höheren Steueraufkommen führt.

Pro Kopf der steuerpflichtigen Bevölkerung, deren Umfang über die Zeit kon-stant bleibe, verfügt die Finanzbehörde über ein Budget K. Die Prüfung der letzten Steuererklärung jedes (identischen) Stpfl. kostet unabhängig von dem Um-fang der Hinterziehung k. Wird die vorletzte Erklärung gleich mit geprüft, fallen zusätzliche Kosten (Jk an (9 > 0). Bei statischen Kontrollen können in jeder Peri-ode p.

=

K / k % der Bevölkerung geprüft werden. Es gelte p.

<

1 / 1r

=

1 / ( 1

+

a), da sonst nicht hinterzogen wird. Der Steuerausfall pro Kopf und pro Periode beträgt 1 - p, 1r.

Wieviel Stpfl. können bei dynamischen Kontrollen mit einem Budget K geprüft werden, und wie groß ist der entsprechende Aufkommensverlust? Die Antwort auf diese Fragen setzt eine Annahme und eine Vorüberlegung voraus. Die - provisori-sche - Annahme lautet, daß alle Stpfl. notoriprovisori-sche Hinterzieher sind. Unter dieser Voraussetzung sind eine Periode nach dem Start in Zustand s alle Stpfl. in den Zuständen m und e. Nach s kehren sie nicht mehr zurück. Langfristig sind g. % der Stpfl. in e und 9m

=

1 - 90 % in m, wobei g. sich aus der Gleichung

P9e

=

q(l - g.) (6.11)

bestimmt. p % der Stpfl. in Zustand e wandern in jeder Periode nach m. q % der Mitglieder von m gelangen nach e, so daß sich Zu- und Abgänge saldieren.

Man kann diesen Zusammenhang auch anders ausdrücken: Die Wahrscheinlichkeit, einen betimmten Stpfl. in e anzutreffen, nachdem seit dem Start des Prozesses t Perioden vergangen sind, konvergiert mit t-+ oo gegen g •. Entsprechend ist 9m die stationäre Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Stpfl. in m wiederzufinden. Der folgende Vergleich der statischen und der dynamischen Kontrolle beschränkt sich Landsberger/Meilijson(1982), Greenberg (1984) und Harrington (1988) folgend auf den Gleichgewichtszustand des Prozesses.

Aus (6.11) ergibt sichg.

=

q und 9m

=

p. Da nur Steuersünder in e rückwirkend geprüft werden - in m fand in der Vorperiode schon eine Prüfung statt -, lautet die Budgetgleichung der Finanzbehörde

K

=

kp(l

+

909)

=

kp(l

+

qfJ) {6.12) Der Steuerausfall pro Kopf und pro Periode, den die Steuerhinterziehung verur-sacht, ist gleich

9m{l - p,r)

+

g.{1 - p,r{l

+ ! )) =

1 - p1r(l

+

!i) (6.13)

'7 '7

Unter welchem Sytem ist bei gleichen Kosten der Fahndung der Steuerausfall am geringsten? Gleiche Kosten entstehen mit p,

=

p(l

+

q8): Die Entdeckungs-wahrscheinlichkeit bei dem dynamischen System ist kleiner als p„ da die rückwir-kende Kontrolle finanziert werden muß. Setzt man p, in die Ungleichung

1 - p,rr

>

1 - pir(l

+

1)

T/

ein und vereinfacht, ergibt sich 8

<

1/TJ als Bedingung für die Überlegenheit dy-namischer Kontrollen. Es sei an die Annahme T/ < 1 erinnert. Die gefundene Bedingung ist also nicht sehr restriktiv: Solange die rückwirkende Kontrolle nicht mehr kostet als die Überprüfung der aktuellen Steuererklärung, lohnt sich ihre Durchführung.

Wir sind von der Voraussetzung ausgegangen, daß die Stpfl. notorisch hinter-ziehen. Wenn das Budget K jedoch nicht ausreicht, um eine Entdeckungswahr-scheinlichkeit p > pc zu finanzieren (siehe Abbildung 6.3), werden die Stpfl. nach einem Erfolg einmal ehrlich, um die Vergangenheit vergessen zu machen. Für diesen Fall ist daher die gerade vorgeführte Rechnung zu wiederholen.

Die stationäre Besetzung der Zustände s, m und e erhält man aus dem Glei-chungssystem:

s : pg.

+

qg.

=

g.

m: qgm

=

pg,

e : 9e

=

q(g,

+

9m) g,

+

9m

+

9e

=

1

Die linke Seite der drei ersten Gleichungen enthält die Abgänge aus den einzelnen Zuständen. Die rechte Seite enthält die Zugänge aus den anderen Zuständen.

Betrachten wir z.B. die erste Zeile: p % der Stpfl. aus s gelangt nach m, q % nach e; nach s wechseln alle Mitglieder des Zustands e. Die letzte Gleichung des Systems fordert, daß sich die prozentualen Anteile zu eins addieren. Die Lösung des Systems ist schnell gefunden: Aus den letzten beiden Gleichungen erhält man g.

=

q/(1

+

q). Aus der ersten Gleichung des System ergibt sich g.

=

g •. Aus der zweiten folgt schließlich 9m

=

p/(1

+

q).

In m wird kein Stpfl. rückwirkend geprüft. Dies gilt auch für e, da dort alle ehrlich sind. Nur in s wird bei einem Teil der Stpfl. rückwirkend kontrolliert: p

%

in s werden "erwischt"; qg,

=

qg.

%

von ihnen sind in der Vorperiode nicht geprüft worden und unterliegen daher jetzt einer rückwirkenden Kontrolle - die leider feststellt, daß die betreffenden Stpfl. in der Vorperiode ehrlich waren. Die Budgetgleichung der Behörde lautet damit:

K

=

kp(l

+

Oqg,)

=

kp(l

+

8-) q2

l+q (6.14)

Der durch die Steuerhinterziehung verursachte Verlust ist 1-p,r

(g.

+

9m)(l - p,r)

= 1+q

(6.15)

Die statische und die dynamische Kontrolle führen zu gleichen Kosten, wenn p.

=

p(l

+

8-1 -) q2 +q

gilt. Der Steuerausfall ist nun mit der dynamischen Kontrolle bei gleichen Kosten geringer, wenn folgende Bedingung erfüllt ist:

q2 1-p,r

1 - p,r(l

+

8-) > -1

+

q I+q

# 1 - p,r(l

+

q8) > 0

Sei p* durch 1 - ,rp*(l

+

q*8)

=

0 definiert. Mit p

<

p* sind die rückwirkenden den statischen Kontrollen überlegen, wenn gleichzeitig periodisch hinterzogen wird. p muß mit anderen Worten in dem Intervall (Pc,p*) liegen. Wenn 8 nicht zu groß ist, ist dieses Intervall nicht leer. Mit 8 ~ 1 gilt p* i:;:; PB > pc (siehe Abbildung 6.3).

Ob die Finanzbehörde bei rückwirkenden Kontrollen eine Entdeckungswahr-scheinlichkeit festsetzt, die die Stpfl. zu periodischen oder zu notorischen Hinter-ziehern macht - in jedem Fall lohnt sich die Einführung rückwirkender Kontrollen, wenn p < p* gilt und die zusätzlichen Kosten der Prüfung der vorletzten Steuer-erklärung kleiner sind als die Kosten, die die Prüfung allein der letzten Steuerer-klärung verursacht. Wenn es mit anderen Worten "abnehmende Grenzkosten" bei einer Ausweitung der Kontrollen auf die Vergangenheit des Stpfl. gibt, sollten sie von der Finanzbehörde genutzt werden. Überraschenderweise gibt es eine obere Grenze p* für den Bereich der Entdeckungswahrscheinlichkeiten, in dem sich die Einführung rückwirkender Kontrollen lohnt. Da in der Praxis eine "hohe" Kon-trollwahrscheinlichkeit jedoch nicht zu erwarten ist, ist die obere Grenze nicht sehr bedeutsam.

Der letzte Teil dieses Abschnitts geht einer Hypothese von Allingham/Sandmo (1972, S. 334) nach: Eine plausible Daumenregel zur Rationierung der für ko-stenträchtige Prüfungen zur Verfügung stehenden Mittel sei, die rückwirkenden Kontrollen abzubrechen, sobald sie kein zusätzliches Steueraufkommen erbringen.

Diese Regel ist einleuchtend, wenn der Stpfl. in der Vergangenheit schon geprüft worden ist oder wenn die Verjährungsfrist überschritten ist. Sollten rückwirkende Kontrollen jedoch auch dann abbrechen, wenn der Stpfl. in einer Periode sein tatsächliches Einkommen deklariert hat?

Zur Beantwortung dieser Frage soll folgender Fall betrachtet werden. Sei p E (Pc,PB), die Verjährungsfrist ein Jahr, und es sei wie bisher angenommen, daß

die rückwirkende Kontrolle abbricht, wenn nicht hinterzogen wird. Unter diesen Bedingungen wird der Stpfl. in e ehrlich sein und im übrigen hinterziehen. Wenn die Spielregeln jetzt in der Weise geändert werden, daß die Deklaration des tatsäch-lichen Einkommens die rückwirkende Kontrolle nicht länger aufhält, wird der Stpfl.

zu einem notorischen Hinterzieher, da sich die Steuerehrlichkeit nicht mehr lohnt.

Diese Verhaltensänderung erhöht die Kontrollkosten der Finanzbehörde um (siehe (6.12} und (6.14}}

q2 q

kp(l

+

qO) - kp(l

+

8 - )

=

kOp- > 0

l+q l+q

da nun häufiger rückwirkende Kontrollen stattfinden. Andererseits sinkt der durch die Hinterziehung verursachte Steuerausfall um (siehe (6.13} und (6.15}}

1 - p1r(l + '!..) - l - p1r

=

_q_(l - p1r(l +

'!..

+

!)}

< 0

77 l+q l+q 77 77

Das Vorzeichen folgt aus 77

<

1 und der Annahme p > pc <

1-p,r(l +q+ l/77)

<

0 (siehe Abschnitt 6.2.2}. Kontrollkosten und Steueraufkommen steigen infolge der Regeländerung. Der Nettoeffekt beider Änderungen kann im allgemeinen nicht be-stimmt werden. Wenn jedoch die zusätzlichen Kosten einer rückwirkenden Kon-trolle Ok nicht zu klein sind, kann sich die Regel von Allingham/Sandmo, daß rückwirkende Kontrollen abzubrechen sind, wenn nicht hinterzogen wird, als rich-tig erweisen.

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