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5. Feindbilder und Motivationen „von unten“

5.1. Militärhistorischer Hintergrund

5.1.2. Verlauf und Intensität der Kämpfe 1942/43

Nach dem Scheitern der deutschen Moskau-Offensive und den erbitterten Abwehrkämpfen des Winters 1941/42 beabsichtigte die deutsche Führung, im Sommer 1942 mit einer neuen Offensive die Entscheidung zu suchen. Im Rahmen seiner Ansprache am Jahrestag der Machtergreifung erklärte Hitler den Krieg an der Ostfront zum Kampf für Europa und für die zivilisierte Menschheit.

Das Oberkommando des Heeres OKH favorisierte eine begrenzte Operation, da zu einem Schlag wie im Sommer 1941 mittlerweile die Kraft fehlte. Man wählte den Südabschnitt, wo über den Donbogen das Industriezentrum Stalingrad an der Wolga erreicht werden sollte. Im Anschluss an die Einnahme der Stadt sollte je ein Angriffsflügel nach Norden gegen den Grossraum Moskau und nach Süden in den Kaukasus ausgreifen. Durch Unterbrechung der Öltransportwege aus dem Kaukasus wollte das Reich Stalin den Todesstoss versetzen.

Nach den militärischen Erfolgen von Mai bis Juni 1942 (Rückgewinnung der Ausgangspositionen auf der Halbinsel Kertsch, Eroberung der Krim mit der Festung Sewastopol) gab Hitler als Ziele für die Sommeroffensive vor, im Süden den „Durchbruch in den Kaukasus zu erzwingen“, im Norden Leningrad zu erobern und die Landverbindung mit Finnland herzustellen, in der Mitte den Stand zu halten. Gegenüber den Warnungen wegen der begrenzten personellen und materiellen Ressourcen reduzierte sich die Überwindung von Schwierigkeiten aus Hitlers Perspektive „auf einen reinen Willensakt, dem sich jeder vom

4 Der Mamaj-Hügel (russ. - Mamaev kurgan) war während der Schlacht um Stalingrad unter der militärischen Bezeichnung „Anhöhe 102“ ein strategisch wichtiger Punkt, denn von seiner unbebauten Kuppe war sowohl das Industrieviertel im Süden, als auch die Wohn- und Verwaltungsbezirke auf der Nordseite und die Steppe im Osten zu überblicken. Er wechselte mehrmals die Besitzer, bis sich im Januar 1943 endgültig die Rote Armee auf dem Hügel festsetzen konnte. Im Denkmalkomplex wir die Schlacht allegorisch und episodisch dargestellt und ihr Charakter in den Körper einer dynamischen appelativen Frauenfigur verpackt. Siehe Arnold, Sabine R., Stalingrad im sowjetischen Gedächtnis, S. 226ff, 280-283.

5 Arnold, Sabine R., Stalingrad im sowjetischen Gedächtnis, S. 227.

6 Mamontow, Wladislaw, Zarizyn-Stalingrad-Wolgograd, ebenda, S. 30.

Generalfeldmarschall bis zum Panzergrenadier blindlings und willenlos unterzuordnen hatte und tatsächlich auch unterordnete“.7

Am 23. Juli 1942 gab Hitler die Weisung Nr. 45 an die Heeresgruppe B, Stalingrad zu besetzen, während die Heeresgruppe A von Rostow aus die Ostküste des Schwarzen Meeres in deutsche Hand bringen sollte. Diese Weisung wurde auf folgenschwere Weise dahin modifiziert, dass statt des Hintereinanders der Operation jetzt eine Aufteilung der Heeresgruppen vorgenommen wurde mit der Absicht, beide Ziele parallel zu verfolgen. Durch diese Aufsplitterung der Kräfte fächerte sich die Front in breiter Form auf. Die Folgen waren „exzentrische Operation nie gekannten Ausmaßes“, eine Überdehnung der Südfront von über 2000 km bei unzureichenden Reserven und die Inkaufnahme grosser Frontlücken.8 Nachdem die Rote Armee bisher dem deutschen Vorstoss durch Rückzug ausgewichen war - was Hitler zu der irrigen Annahme verleiten hatte, sie sei bereits in Auflösung begriffen -, erliess Stalin am 28. Juli 1942 den berühmten Befehl Nr. 227, „keinen Schritt zurück“ zu gehen.9 Die Stalingrader Front wurde verstärkt und die Stadt Stalingrad, über die der Kriegszustand verhängt wurde, zur Verteidigung vorbereitet.

Ab dem 31.07.1942 näherte sich die Gruppe Hoth von Zimljansk her Stalingrad und trieb die Rotarmisten in die Seenkette südlich der Stadt zurück. Nachdem der russische Gegner am Aksai-Fluss Widerstand leistete, wurde er durch weites Ausgreifen nach Osten ausmanövriert, und am 07.08.1942 konnte Hoth bei Abganerowo nur 30 km vor Stalingrad zum Stehen gebracht werden. In der Stadt brach eine Panik aus, da etwa zur gleichen Zeit Wietersheim und Paulus bei Kalatsch zusammentrafen und bis zum 11.08.1942 die 62. Armee und die 1.

Panzerarmee zerschlagen konnten. Es gelang der Roten Armee allerdings, mehrere Brückenköpfe über den Don zu halten. Generaloberst Jeremenko übernahm den Oberbefehl im Raum Stalingrad. Ihm unterstanden die Stalingrad-Front (Gordow) und die Südwestfront (Golikow). Das Kommando über die verzweifelt kämpfenden Kräfte der sowjetischen Luftwaffe erhielt hier Stalins Luftwaffenchef Nowikow persönlich.

Zwischen dem 7. und 10. August 1942 war die Hauptmasse der westlich der Wolga stehenden sowjetischen Verbände eingekesselt und vernichtet worden; am frühen Morgen des 23. August begann der Angriff auf Stalingrad, den die deutschen Truppen nach einem schnellen Vormarsch bis an die Wolga und in die nördlichen Stadtgebiete führten. Gleichzeitig wurde Stalingrad durch

7 Humburg, Martin, Das Gesicht des Krieges, S. 31.

8 Humburg, Martin, ebenda.

9 Larionow, Walentin, Reflexionen zur Schlacht um Stalingrad aus heutiger Sicht, in: Jacobsen, Hans-Adolf (Hrsg.), Deutsch-russische Zeitwende: Krieg und Frieden 1941-1995, Baden-Baden 1995, S.

262-263.

schwere Bombenangriffe am 23. und 24. August 1942nahezu völlig zerstört, was in der noch nicht evakuierten, durch Flüchtlingsströme auf knapp 900 000 Menschen angewachsenen Zivilbevölkerung etwas 40 000 Tote forderte.10 Stalin verbot zunächst aus psychologischen Gründen jede Evakuierung oder teilweise Sprengung der Stand und befahl, sie um jeden Preis zu halten.

Den entscheidenden Glücksgriff tat STAWKA (Hauptquartier des Obersten Befehlshabers) mit der Ernennung Generalleutnant Wassili Tschuikows zum neuen Oberbefehlshaber der Stalingrad verteidigenden 62. Armee. Der neue Mann brachte das deutsche Angriffsschema durcheinander, indem er immer dicht am Gegner blieb. Luftwaffe und Artillerie konnten weniger in die Kämpfe eingreifen, und die deutsche Infanterie musste den ungeliebten und blutigen Nahkampf aufnehmen. 75.000 Zivilisten wurden in Arbeitermilizen zusammengefasst und Tschuikow unterstellt. Die sowjetischen Einheiten passten sich schnell an den Straßen- und Häuserkampf an. Sie bildeten bewegliche Kleinverbände in Gruppen- oder maximal Zugstärke, die sich mit den Deutschen um jeden Quadratmeter und um jedes Haus verbissen schlugen.

Mitunter nutzen die Stosstrupps die Kanalisation, um überraschend im Rücken der Angreifer aufzutauchen. Die erbitterten Kämpfe liessen die Stadt rasch in Trümmern versinken.

Am 13.09.1942 eroberten die Deutschen die Höhen westlich Stalingrad, und am nächsten Tag kam Seydlitz einem geplanten Ausfall Tschuikows zuvor. Sein LI Korps konnte erst am Metallwerk „Roter Oktober“ und an der Geschützfabrik Barrikaden aufgehalten werden.

Nachdem ein Gegenangriff scheiterte, drangen die Deutschen bis ins Stadtzentrum vor und feierten hier schon voreilig ihren Sieg. Die Russen stellten sich am Hauptbahnhof und hielten hier den Gegner auf. Bis zum 16.09.1942 konnten sie unter schwersten Verlusten den beherrschenden Hügel Mamajew Kurgan freikämpfen. Dennoch war einen Tag später der Hauptbahnhof in deutscher Hand. Die 13. Gardeschützendivision (Rodimzew) kämpfte hier bis zur völligen Vernichtung. Das Areal wechselte 15 Mal den Besitzer. Von Süden her kam Hoth heran, eroberte die Vorstadt Kuporosnoje und erreichte südlich der Stadt die Wolga.

Die heftige Gegenwehr der sowjetischen Armee verhinderte dann den schnellen Vormarsch der Deutschen in das eigentliche Stadtgebiet, dessen Besetzung laut Hitlers Anweisung zur sofortigen Vernichtung aller männlichen und zur Deportation aller weiblichen Einwohner geführt hätte, doch schob sich die deutsche Front bis Mitte September in die Stadt hinein vor, wo der Kampf in den nächsten Wochen um jeden Meter und jedes Haus geführt wurde. Seit Mitte

10 Golovansky, Anatoly, „Ich will raus aus diesem Wahnsinn“, S. 123.

September liefen auf der sowjetischen Seite die Planungen für das Unternehmen „Uranus“, d.h.

die Umfassung der deutschen Kräfte von den Flanken her.11

Nachdem zwischen dem 19. und dem 21.09.1942 die russischen Truppen bei Gumrak heftige Gegenangriffe führten, konnten die Deutschen am 22.09.1942 den Fährhafen erobern und die 62. Armee in zwei Teile spalten. Erneut scheiterten alle Gegenangriffe Tschuikows. Paulus wurde durch die Mitteilung angestachelt, die Einnahme der Stadt könnte ihn zum Nachfolger Jodls als Chef des Wehrmachtsführungsstabes machen. Im Gegenstoss nach einem sowjetischen Angriff am Mamajew Kurgan eroberten die Deutschen am 27.09.1942 den Grossteil des Hügels und erreichten die Werkssiedlungen des Metallwerks „Roter Oktober“. Zur Eröffnung des Kriegswinterhilfswerkes konnte Hitler die baldige Eroberung Stalingrads ankündigen: "Und sie können der Überzeugung sein, dass uns kein Mensch von dieser Stelle mehr wegbringen wird!"12

Trotz der angespannten Versorgung der 6. Armee und der fragwürdigen strategischen Bedeutung der völlig zerstörten Stadt verlangte Hitler ihre vollständige Eroberung: Stalingrad wurde in Deutschland von der Bevölkerung als möglicher Wendepunkt des Kriegsgeschehens im Osten betrachtet, und die nationalsozialistische Führung hatte diese Erwartungshaltung in propagandistischer Absicht so verstärkt, dass ein Zurückweichen nicht mehr möglich wahr. Für Hitler persönlich assoziierte sich die Einnahme von Stalingrad mit einem bestimmten Moment an neben dem, was sie wirklich bedeutete, nämlich die Eroberung der Getreidegebiete am Don und Kuban, den Durchbruch zu den Bakuer Erdölvorkommen und die Zerschneidung des für Moskau wichtigen Verbindungsweges über die Wolga mit der niedergeworfenen „Stalin-Stadt“.13

Während Stadtzentrum und Süden der Stadt in deutscher Hand waren, scheiterte zwischen dem 04.10. und dem 06.10.1942 ein Angriff auf das Traktorenwerk. Derweil besprachen Schukow und Wassilewski als Vertreter STAWKAs mit den Oberbefehlshabern der Fronten die für den Winter geplante Gegenoffensive. In der Operation „Uranus“ sollte die 6. Armee durch Flankenstösse aus den Donköpfen heraus eingeschlossen werden. Folgen würde ein Vorstoss nach Rostow, um die HG A im Kaukasus abzuschneiden. Das OKH spielte dem sowjetischen Kommando in die Hände. Die verlustreichen Kämpfe verschlangen immer mehr Kräfte, und auch die aus dem Kaukasus abgezogene 3. rumänische Armee (Dumitrescu) wurde zwischen Italienern und Paulus am Don eingeschoben. Ihre Truppen waren schlecht ausgerüstet und besassen keine Panzerabwehrwaffen, die einem sowjetischen T-34 gefährlich werden konnten.

11 Golovansky, Anatoly, „Ich will raus aus diesem Wahnsinn“, S. 124-125.

12 Ueberschär, Gerd R., Stalingrad - eine Schlacht des zweiten Weltkireges, in: ders., Wette, Wolfram, Stalingrad. Mythos und Wirklichkeit einer Schlacht, S. 21.

13 Larionow, Walentin, Reflexionen zur Schlacht um Stalingrad aus heutiger Sicht, ebenda, S. 264.

Auch südlich der 4. Panzerarmee wurden mit der rumänischen 4. Armee mangelhaft geeignete verbündete Truppen als Flankenschutz eingesetzt.

Hitlers Operationsbefehl Nr. 1 stellte am 14.10.1942 alle Angriffsoperationen im Osten bis auf Stalingrad und den Raum Grosnyi ein. Die Führung war der Meinung, dass eine Entscheidung vor 1943 nicht mehr fallen konnte. Am gleichen Tag eröffnete Paulus einen Grossangriff am Traktorenwerk. Unter dem Verlust von 3000 Gefallenen eroberten die Deutschen die Fabrik und isolierten die Nordgruppe Tschuikows bei der Vorstadt Spartakowka. Die 62. Armee konnte die Angreifer wieder zum Stehen bringen, wobei sie allerdings drei Viertel der eingesetzten Kräfte verlor. Es folgten ab dem 18.10.1942 heftige deutsche Angriffe am Metallwerk „Roter Oktober“, und nach vier Tagen konnten sie immerhin in die Fabrikanlagen und die Geschützfabrik

„Barrikady“ eindringen. Als Vorbote des nahen Winters fiel an diesem 22.10.1942 der erste Schnee. Nachdem am 25.10.1942 die Wolga-Flottille einen Angriff auf Spartakowka zusammenschoss, scheiterten bis Monatsende alle Versuche, Tschuikow in die Wolga zu werfen.

Ende Oktober - Mitte November 1942 hatte STAWKA im Raum Stalingrad 1 134 800 Mann, 14.934 Geschütze und Granatwerfer, 1560 Panzer und 1916 Flugzeuge zusammengezogen.

Die Achse verfügte hier über 1 011 500 Mann, 10.290 Geschütze und Granatwerfer, 675 Panzer und 1216 Flugzeuge.14 Am 01.11.1942 meldete die deutsche Funkaufklärung Angriffsabsichten, nachdem Hitlers ungute Ahnungen bisher von der Aufklärungsabteilung Fremde Heere Ost nicht bestätigt wurden. Bei der Parade zum 25. Jahrestag der Oktoberrevolution erklärte Stalin, die Deutschen hätten bereits die Widerstandskraft der Roten Armee kennengelernt, und in absehbarer Zeit würden sie auch die "Stärke der vernichtenden Schläge" erfahren. Hitler wiederum äusserte einen Tag darauf in seiner Rede vor den ‘Alten Kämpfern’, die Einnahme der Stadt sei weitgehend beendet. Die Dauer der Schlacht schob er auf die angeblich verlustsparende Stosstrupptaktik ("Ich will kein zweites Verdun"). Erst am 09.11.1942 meldete Fremde Heere Ost sowjetische Truppenkonzentrationen von ungewöhnlicher Stärke nördlich und südlich der 6. Armee. Man erkannte allerdings trotz aller Warnungen der Funkaufklärung den unmittelbar bevorstehenden Grossangriff nicht, den FHO eher bei der HG Mitte erwartete. Am 11.11.1942 erreicht der letzte deutsche Angriff am Metallwerk Roter Oktober die Wolga. Tschuikow eröffnete mit frischen Kräften überall Gegenangriffe. Das militärische Situation in Stalingrad begann sich zu wenden.

14 Zolotarew, W., Sewostjanow, G. (Red.), Velikaja oteÝestvennaja vojna 1941-1945, Kniga 2

‘Perelom’ (Der Grosse Vaterländische Krieg 1941-1945, Band 2 ‘Die Wende’), Moskau 1998, S.

49.

Die lange vorbereitete sowjetische Gegenoffensive begann am 19. November 1942mit der Operation „Uranus“ und führte zum 23. November 1942 zur Einkreisung der 6. Armee sowie von Teilen der 4. Panzerarmee und der rumänischen 3. Armee. Das Oberkommando der 6. Armee entschloss sich vorerst zur Einigelung in dem verbliebenden Areal, das in ost-westlicher Richtung 70 km und in nord-südlicher gut 20 km Ausdehnung besass, und traf erste Vorbereitungen für die Luftversorgung. Ein geplanter Ausbruch wurde untersagt: Hitler hielt ein Zurückweichen für psychologisch zu gefährlich und unterschätzte die russischen Kräfte ein weiteres Mal. Die Luftwaffenführung erklärte es zudem für möglich, den Kessel über einen gewissen Zeitraum aus der Luft zu versorgen. Das Urteil über den Kessel von Stalingrad wurde am 24.11.1942 gesprochen. Göring garantierte eine Luftversorgung, Fremde Heere Ost rechnete nicht mit weiteren Grossangriffen, und so erklärte Hitler Stalingrad zur Festung und untersagte jeden Ausbruch. Paulus kürzte die Verpflegungssätze auf die Hälfte und forderte die Luftwaffe auf, lieber Munition und Treibstoff als Nahrungsmittel einzufliegen, da er noch offensichtlich ein Ausbruch für möglich hielt.15

Am 25.11.1942 waren in Stalingrad 19 deutsche Heeresdivisionen (je 3 gepanzert bzw.

motorisiert) und die 9. Flakdivision eingeschlossen. Hinzu kamen aus Rumänien je eine Infanterie- und Kavalleriedivision sowie kroatische Freiwilligenverbände. Im Kessel konnten zur Luftversorgung nur die unter Artilleriebeschuss und Luftangriffen liegenden Flugplätze Pitomnik, Bassargino und Gumrak benutzt werden. Die sowjetische Truppen flogen auch Angriffe gegen die deutschen Absprungflugplätze. Jagdflieger bedrohten die Transporter in der Luft, so dass die Luftflotte 4 (Freiherr von Richthofen) Jäger in den Kessel legen musste. Nowikow richtete vier Operationszonen zur Verhinderung der Luftbrücke ein. In der 1. Zone operierten die Bomber, um die deutschen Absprungflugplätze anzugreifen. In der 2. Zone überwachten die Jäger die deutschen Einflugschneisen, und in der 3. Zone blockierten 3000 Flakgeschütze die Luftkorridore. Die 4. Zone stellte Stalingrad selber da, wo die Flugplätze unaufhörlich angegriffen wurden. Statt der geforderten 600 t täglich erreichten nur 300 t Nachschub die 6.

Armee. Später sollten es weniger als 100 t sein. Die Rote Armee hatte das Ausmass ihres Erfolges nicht erkannt. Die Feindaufklärung hatte die Stärke der eingeschlossenen Achsentruppen mit nur 85-90.000 Mann ermittelt, wodurch sich die Vernichtung der 6. Armee wesentlich verzögerte.

Das OKH bildete die neue Heeresgruppe Don unter Generalfeldmarschall Erich von Manstein.

Ihr unterstanden die 6. Armee in Stalingrad, die 4. Panzerarmee und die Rumänen. Am Tschir im Süden leistete die Armeeabteilung Hollidt Widerstand. Ab dem 03.12.1942 sollte Hoth mit Kirchners LVII Panzerkorps im Unternehmen „Wintergewitter“ Stalingrad entsetzen. Der Kessel

15 Golovansky, Anatoly, „Ich will raus aus diesem Wahnsinn“, S. 124.

band 50 Schützendivisionen, 12 Schützenbrigaden, 6 mechanisierte Brigaden, 25 Panzerbrigaden und 3 Kavalleriedivisionen, alles in einem sieben komplette Armeen und gut 50

% aller vor der HG Don stehenden feindlichen Kräfte.

Mit infolge von Verweigerungshaltung der HG A im Kaukasus und Transportproblemen schwächeren Kräften als vorgesehen, setzte Kirchner erst am 12.12.1942 zum Sprung nach Stalingrad an. Zunächst konnte er nur mit der 6. Panzerdivision (Raus) aus dem Raum Kotelnikowo aus angreifen, aber allmählich trafen andere Panzerkräfte ein. Mit Hilfe der bewährten Kampfgruppentaktik konnte Raus auf 30 km Breite durchbrechen, erreichte aber das Tagesziel - die Übergänge über den Aksai - nicht. Schon am Vortag schlugen die sowjetischen Einheiten unerwartet mit der Woronesch-Front (Watutin) gegen die Italiener los, die sich erbittert verteidigten. Paulus vernachlässigte derweil den Ausbau der Landeplätze im Kessel, so dass die Bodenorganisation weiterhin der Luftversorgung nicht gewachsen war. Die Truppe wurde mit wässerigem Roggenbrot versorgt, weil die Heeresverwaltung die Weizenmehl- und Buttervorräte in Rostow nicht freigab. Niemand dachte daran, hochwertige Kraftnahrung, wie sie beispielsweise Fallschirmjäger und U-Waffe in rauhen Mengen besassen, aus Deutschland heranzuschaffen.

Nachdem ein Einsatzversuch der eingekesselten Armee vom 12. bis 21. Dezember 1942 an der heftigen sowjetischen Gegenwehr (die sowjetische Militäroperation „Kleiner Saturn“) gescheitert war und die Versorgung der 6. Armee aus der Luft sich als unzureichend erwies, verschlechterten sich die Verhältnisse im Kessel immer mehr. Es fehlte an Treibstoff und an Pferden, vor allem aber an Verpflegung. Seit dem 26. November 1942 wurden die Rationen für die Eingekesselten immer mehr zusammengestrichen; mit Beginn der Weihnachtszeit sank die Versorgung auf einen Tiefpunkt. In den letzten Wochen des Jahres 1942 starben die ersten Männer an Unterernährung.

Manstein forderte am 18.12.1942 vom OKH den sofortigen Ausbruch der 6. Armee. Sie sollte dem LVI Panzerkorps entgegenkommen. Auf Drängen seines Stabschefs Schmidt lehnte Paulus dieses als Katastrophenlösung ab und forderte lediglich eine bessere Versorgung seiner Armee. Kurz darauf bereitete er aber doch den Ausbruch im Unternehmen „Donnerschlag“ vor.

Die Lieferungen stiegen auf fast 300 t täglich an. Im Kessel lag die Verpflegungsstärke bei 230.000 deutschen und verbündeten Soldaten sowie 19.300 gefangenen Rotarmisten. Am 19.12.1942 konnten die Entsatztruppen die Myschkowa überschreiten, und Manstein forderte einen Ausbruch der 6. Armee an diesen Fluss oder wenigstens die Freikämpfung eines Korridors, um die Truppen durchzuschleusen. 48 Stunden später war Watutins Durchbruch bei den Italienern bereits 100 km breit, aber die Deutschen standen 48 km vor Stalingrad. Paulus

brauchte Hoth nur die Hand zu reichen, aber Hitler war gegen einen Ausbruch. Wie der 23.12.1942 zeigte, war die Kampfkraft der 6. Armee noch lange nicht gebrochen. Sowjetische Angriffe am Mamajew Kurgan scheiterten, und am Metallwerk „Roter Oktober“ eröffnete Paulus sogar Gegenangriffe. Die bedrohliche Lage im Rücken der Heeresgruppe und am Tschir machte nun aber einen Abbruch der Entsatzoperation erforderlich. Die sowjetischen Truppen überrannten die Absprungflugplätze der Lufttransporter.

Am 29.12.1942 beschloss die deutsche Führung, Paulus im Februar über Kalatsch zu entsetzen. Im Dezember verlor die 6. Armee durch Tod, Krankheit oder Verwundung 80.000 Mann. In den Augen der sowjetischen Führung gab es keine Hoffnung mehr für Paulus, und am 08.01.1943 forderten sie ihn zur ehrenvollen Kapitulation auf. Hitler untersagte diese, da die 6.

Armee 80 insgesamt sowjetische Grossverbände band, die ansonsten den Untergang der HG A herbeiführen würden. Den in Stalingrad kämpfenden Rumänen teilte man die Kapitulationsaufforderung nicht einmal mit. Einen Tag später befahl Paulus "Halten um jeden Preis".

Die am 10. Januar 1943 beginnende sowjetische Offensive gegen die Nordwest- und Südfront des Stalingrader Kessels fand unter dieses Bedingungen wenig Widerstand (in den russischen Dokumenten wurde diese Offensive als die„Operation Ring“ bezeichnet). Am 10.01.1943 eröffneten 6500 Geschütze das Trommelfeuer auf den Kessel. Anschliessend stürmten 212.000 Mann mit 250 Panzern zur Vernichtung des Kessels vor. Am 14. und 16. Januar 1943 wurden die beiden Flugplätze eingenommen, die bislang noch eine gewisse Versorgung aus der Luft ermöglicht hatten. Die Oberquartiermeisterabteilung meldete am 13. Januar 1943 „Wir haben kein Brot, keine Munition und keinen Betriebsstoff“; am 17. Januar 1943 notierte sie in ihrem Kriegstagebuch: „Die Armee ist nicht in der Lage, die Truppen zu verpflegen.“16

Auf Befehl Hitlers musste Paulus am 20.01.1943 eine erneute Kapitulationsaufforderung ablehnen. Schliesslich brach am 22.01.1943 der Abschlussangriff los. Am Abend startete zum letzten Mal ein deutsches Flugzeug aus Stalingrad. Die Luftwaffe konnte 32.000 Verwundete und 10.000 Mann Spezialpersonal aus dem Kessel ausfliegen. Hitler erteilte Paulus absolutes Kapitulationsverbot. In der Stadt blieben 20.000 Verwundete unversorgt. Weitere 20.000 Mann waren infolge von Erfrierungen und Hunger kampfunfähig. Um die kampffähige Truppe zu retten, erhielten Kranke und Verwundete keine Verpflegung mehr. Nach dem gelungenen tiefen Einbruch der sowjetischen Truppen im südwestlichen Teil des Kessels am 22.01.1943 stellte sich die Frage, ob das Armeeoberkommando den aussichtslosen und verlustreichen Kampf angesichts der ausgehenden Munition und Verpflegung endlich einstellen und kapitulieren sollte. Hitler verfügte jedoch, dass eine „Kapitulation ausgeschlossen sei“, die Truppe habe

16 Ueberschär, Gerd R., Stalingrad - eine Schlacht des zweiten Weltkireges, ebenda, S. 33.

„sich bis zuletzt“ zu verteidigen. Paulus befahl seinen Soldaten, „um jeden Fussbreit Boden“ zu kämpfen und rief zum fanatischen Willen auf, „sich bis zum Äussersten zu wehren, sich unter

„sich bis zuletzt“ zu verteidigen. Paulus befahl seinen Soldaten, „um jeden Fussbreit Boden“ zu kämpfen und rief zum fanatischen Willen auf, „sich bis zum Äussersten zu wehren, sich unter