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3. PRÄEXISTIERENDE FEINDBILDER UND PROPAGANDISTISCHE INDOKTRI- NATION

3.2. Mentale Kriegsbereitschaft

3.2.3. Propagandistische bzw. politische Vorbereitung der Truppe

Die politische und militärische Führung trafen sich in dem Ziel, Deutschlands ‘nationale Größe’

wieder aufzurichten, und sie waren sich auch über das erste Stück des Weges, die Revision des Versailer Vertrages, einig. Die primäre Forderung der Militärs, die Aufhebung der personellen und Rüstungsbeschränkungen der Wehrmacht, stand für Hitler ebenfalls im Vordergrund, so daß dem Chef des Ministeramts des Reichswehrministeriums, von Reichenau, im Mai 1933 ”die Berücksichtigung aller für die Aufgaben der Wehrmacht lebenswichtigen Wünsche sichergestellt schien”. Der neue Reichswehrminister von Blomberg betrachtete das Kabinett Hitler als die ”Verwirklichung dessen, was viele der Besten seit Jahren angestrebt”

hätten. Das konnte besonders für die psychologische Aufrüstung der Bevölkerung und die damit

40 Ebenda, S. 31.

41 Ebd., S. 32.

zusammenhängende Aufwertung der Wehrmacht innerhalb des Staats- und Gesellschaftsgefüges gelten, um die sich die Reichswehrführung während der Weimarer Republik, meist entgegen der auf Ausgleich mit den ehemaligen Kriegsgegner gerichteten Politik der Regierungen, bemüht hatte: Sie wurde nun von Hitler zu einem Kernstück seiner künftigen Innenpolitik erklärt. Die Wehrmachtführung paßte sich der für sie so günstigen neuen Situation schnell an. Sie nutzte nicht nur die von Staat und Partei bald völlig kontrollierten Publikationsmittel für ihr Ziel der ”Wehrhaftmachung des breiten Volkes” in vollem Umfang aus, sondern zumindest der Kriegsminister billigte auch die innere Umstrukturierungs des Staates, die er als günstige Voraussetzung für die Vorbereitung des ‘Kriegsinstruments’ ansah. Die Verwirklichung des Führergedankens und der ”Totalität des Staates, die bis in die persönlichsten Dinge des Einzelnen hineingreift”, wurde von Blomberg als die gewünschte Verwirklichung der wichtigsten Prinzipien des Soldatentums begrüßt.42

Die Leitung der gesamten Öffentlichkeitsarbeit der Wehrmachtführung lag bei der Pressegruppe im Ministeramt des Reichswehrministeriums. Sie wurde wegen des wachsenden Arbeitsanfalls im Februar 1934 beträchtlich erweitert und als Gruppe III der neugeschaffenen Abteilung Inland im Werhmachtsamt, dem ehemaligen Ministeramt, angeschlossen. Im Gefolge des Umbaus der Werhmachtspitze im Februar 1938 durch die Bildung des OKW wurde die Gruppe IV der Abteilung Inland, die mit der ”Vorbereitung der Propaganda im Kriege” befaßt war, in die Pressegruppe integriert, die am 1. April 1939 ”wohl schon im Hinblick auf die kommenden Ereignisse”, verstärkt durch Teile der Abteilungen Landesverteidigung und Abwehr II, zu einer eigene Abteilung für Wehrmachtpropaganda umgewandelt und dem Wehrmachtführungsamt untersellt wurde. Die Pressegruppe bzw. Abteilung für Wehrmacht-Propaganda im OKW arbeitete nur für Heer und Marine. Die Presse- und Zeitschriftenkonferenzen im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda bildeten auch für die Wehrmachtpropagandisten das wichtigste Forum für eine kontinuierliche Beeinflussung der Bevölkerung. Vertreter der Pressegruppe bzw. der Abteilung für Wehrmacht-Propaganda nahmen regelmäßig an den Konferenzen teil und gaben dort innerhalb der gestreckten grenzen ihre Anweisungen für die Behandlung militärischer und wehrpolitischer Fragen. Entsprechend zusammengestellte Informationen wurden über das Propagandaministerium verteilt oder über DNB verbreitet.43

Nicht nur konkrete Kontrollmaßnahmen sondern auch die Angst der Journalisten vor Sanktionen für ihre persönliche Sicherheit oder die ihrer Zeitungen bei einem möglicherweise nicht vollkommen genehmen Artikel führte dazu, dass das Kontrollsystem der Presse seit 1937

42 Sywottek, S. 37.

43 Ebenda, S. 38.

bereits überaus geschlossen war. Es war Ziel der Pressefachleute im Kriegsminsterium bzw.

OKW mit “der Wehrpropaganda alle Nachrichten und Schilderungen zu durchdringen”.

Daneben suchten sie sich besonders ‘Einflußnahme’ auf die Militärzeitschriften, sowohl durch Anregung bestimmter Beiträge als auch durch direkte Unterstützung einzelner Blätter, zu verschaffen. Soweit diese sich jedoch an einen breiten, auch außermilitärischen Leserkreis wandten, sollten sie allmählich von der ab November 1936 vom Reichskriegsministerium, dann vom OKW, selbst herausgegebenen illustrierten Halbmonatsschrift “Die Wehrmacht” verdrängt werden, um den militärischen Führungsinstanzen “maßgeblichen Einfluß” auf die öffentliche Meinungsbildung in allem Wehrfragen” zu sichern. Die Zeitschrift, die “ausgesprochen volkstümlichen Charakter tragen (sollte), um die breitesten Kreise der Öffentlichkeit zu erfassen und zu interessieren”, wurde von der Pressegruppe/ Abteilung für Wehrmacht-Propaganda betreut und steigerte ihre Auflage von 90 000 Exemplaren im Novemer 1936 auf 680 000 Im Juli 1939.44

Außer Presse und Rundfunk stellten die Wehrmachtpropaganda auch den Film in immer stärkerem Maße in ihren Dienst. Mit seiner Hilfe sollte “zunächst gefühlsmäßig Begeisterungen und Vorleibe” für die Wehrmacht geweckt werden, “um auf dieser fruchtbaren Grundlage allmählich den sachlich richtigen Begriff in der Volksmeinung zu formen”. Zu Anfang stand jedoch eine eher prohibitive Propagandaführung im Mittelpunkt, nämlich der Versuch, filme auszuschalten, die dem Bild, das die Wehrmacht von sich zu vermitteln suchte, nicht entsprachen. Zum Teil wurden die Filmgesellschaften direkt veranlaßt, die beanstandeten Filme aus dem Vertrieb zurückzuziehen, in anderen Fällen bewirkten die Vertreter der Pressegruppe als Sachverständige bei der Film-Oberprüfstelle den Widerruf der Zulassung nicht genehmer Filme. Neben ihrer sich immer mehr auf rein Vorzensur verlagernde Kontrolltätigkeit, die die Abteilung der Wehrmacht-Propaganda auf alle Filme, “die, in der Kriegs- oder Vorkriegszeit spielend militärische Themen behandeln”, auszudehnen trachtete, beteiligte sich das Reichskriegsministerium/ OKW durch Anregungen, Anweisungen und vielseitige Mitarbeit an der Herstellung neuer Filme jeglicher Art, vom kurzen Film für Vortragszwecke über die Wochenschau, den “Kulturfilm” bis zum abendfüllenden Spielfilm.

Die Pressegruppen im Kriegsministerium/OKW bzw. die Abteilung der Wehrmacht-Pro-paganda als die Propaganazentralen der Wehrmachtführung konzipierten, initiierten und kontrollierten die Wehrpropagana in Zusammenarbeit mit den Oberkommandos der drei Wehrmachtteile, dem Propagandaministerium und den Spitzen der anderen Ministerien, Behörden und Organisationen. Die organisatorischen und personalpolitischen Vorarbeiten von Staat und Partei erlaubten es der Wehrmachtführung, ihren eigenen Propagandaapparat in relativ

44 Ebenda, S. 38-39.

bescheidenen Grenzen zu halten. Sie profitierte weitgehend von der zentral geführten Propagandainstitutionen, die ihr nicht nur den Zugang zu allen Publikationsmedien ermöglichten, sondern zugleich auch durch ständige Kontrolle und Androhung von Sanktionen die weisungsgemäße und in allen Sparten der Publizistik gleichmäßige Durchführung der Wehrmachtpropaganda garantieren. Die Voraussetzung für eine derart enge Kooperation mit den Propagandaorganisationen von Staat und Partei war die Anpassung an Stil und Methoden nationalsozialistischer Propagandaführung und Politik; dies mußte wiederum die Integration der nationalsozialistischen Weltanschauung in die Wehrmachtideologie forcieren.45

Zwar glaubte der Leiter der Pressegruppe, Foertsch, 1933 noch, dass die Wehrmachtpropaganda von der Pressegruppe allein formuliert wird und das Propagandaministerium nur “zur Ausführung eingespannt” werden könnte, aber allmählich setzte Goebbels auch gegenüber der Wehrmacht seinen “Totalitätsanspruch” in Angelegenheiten der Propaganda durch, und da er dabei Hitlers ausdrückliche Billigung fand, erkannte die militärische Führung die dominierende Stellung des Reichsminiseriums für Volksaufklärung und Propaganda an. Auftretende Konflikte waren ohnehin - soweit ersichtlich - auf Kompetenzfragen einzelner Propagandamaßnahmen beschränkt, bewegten sich also im Rahmen auch innerhalb der nationalsozialistischen Führung auftretender Spannungen. Sollten trotz der , auch wehrmachtinternen Betonung des “engsten Einvernehmens mit dem Reichspropagandaministerium” Differenzen grundsätzlicher Art vorhanden gewesen sein, so haben sie sich jedenfalls nicht in der Propaganda ausgewirkt; die Presseoffiziere wurden im Gegenteil vom Reichskriegsministerium angehalten, “die innere Verbundenheit mit der nationalsozialistischen Bewegung (...) auch in der Propaganda zum Ausdruck” zu bringen.46

Die russsich-deutsche Militärkooperation ‘Reichsheer - Rote Armee’ 1925-33, die Manöver- und Truppenbesuche, technische und Ausbildungsmaßnahmen implizierte, eröffnete den Partnern nicht nur tiefe Einblicke in die gegenseitigen Wehrstrukturen, sondern erlaubte auch mannigfaltige Einblicke in das politische und soziale Leben der Länder.47 Nach der Militärkooperation 1925-33 erfolgte eine Phase der zunehmenden Distanz und Entfremdung bis 1939 (bestimmt durch innen- sowie außenpolitische Entwicklung wie z.B. Nichtangriffpakt Berlins mit Warschau vom 26. Januar 1934), die ihrerseits von der kurzen Phase der erneuten Partnerschaft 1939/1940 abgelöst wurde. Für die Wehrmacht blieb auch unter der neuen Partnerschaft das zwiespältige Bild Sowjetrusslands und seiner Armee als ein Konglomerat aus

45 Sywottek, S. 40-41.

46 Sywottek, S. 41.

47 Zeidler, Manfred, Das Bild der Wehrmacht von Rußland und der Ruten Armee zwischen 1933 und 1939, in: Volkmann, Hans-Erich (Hrsg.), Das Russlandbild im Dritten Reich, Köln 1994, S. 106-106.

kolossaler Masse und führungsmäßiger Kopflosigkeit im wesentlichen bestehen. Die aus dem Finnlandkrieg gewonnenen Erkenntnisse waren bei aller Widersprüchlichkeit auch nicht dazu geeignet, den Respekt vor Moskaus militärischem Instrumentarium zu vergrößern. Das Ende Dezember 1939 von der Abteilung ‘Fremde Heere Ost’ beim Generalstab des Heeres vorgelegte “Werturteil über die Rote Armee nach den Berichten über den Einmarsch in Polen, im Baltikum und in Finnland” wurde so zum Ausgangspunkt aller Einschätzungen der folgenden anderthalb Jahre. Seine Schlußfogerung lautete: “Zahlenmäßig ein riesiges Kriegsinstrument...

Dieses Kriegsinstrument steht jedoch in keiner Weise organisatorisch vollendet da... Einer großen, neuzeitlichen Armee gegenüber wird die Rote Armee das Gewicht ihrer Masse nicht zur Geltung bringen können”.48

Das bis zur Hybris gesteigerte Selbstbewußtsein, dass als Resultat der grandiosen Erfolge der Westfeldzugs bereits ein halbes Jahr später in der Wehrmacht Platz gegriffen hatte, gab auch dem Großteil ihrer Führung die letzte Gewißheit, im Besitz einer weit überlegenen Führungskunst zu sein, in der man den Schlüssel zum militärischen Erfolg schlechthin sah.

Hitlers nach dem Zeugnis Albert Speers drei Tage nach dem Beginn der Waffenruhe in Frankreich gegenüber Keitel und Alfred Jodl gefallene Äußerung “Jetzt haben wir gezeigt, wozu wir fähig sind (...), ein Feldzug gegen Rußland wäre dagegen nur ein Sandkastenspiel”, war symptomatisch für eine Euphorie, der sich auch die Fachmilitärs kaum mehr zu entziehen vermochten.49

Die Erwartung, dass die deutsche Kriegsmaschinerie die Sowjetunion in kurzer Zeit überrollen werde, war indessen nicht nur in der deutschen militärischen Führung weitestgehend Opinio communis, sondern sie wurde auch von britischen und amerikanischen Militärs und Politikern geteilt, die an dem einseitig die Schwächen hervorkehrenden Russland-Bild sogar bis weit in den deutsch-sowjetischen Krieg hinein festhielten (der britische Geheimdienst rechnete im Mai/

Juni 1941 mit zehn Tagen, Botschafter Cripps mit einem Monat und der Chef des Empire-Generlstabes Dill mit sechs Wochen vom Beginn des deutschen Angriffs bis zum Kollaps der Sowjetunion).50 Wenn man Russland - Bilder der Wehrmacht kurz vor dem Angriff auf die Sowjetunion ins Visier nimmt, so wird man resümieren können, dass in dieser Zeit das eine, quasi das optimistische “Gesicht” des traditionellen Bildes, die Vorstellung vom “tönernen

48 Zitat nach: Zeidler, Manfred, Das Bild der Wehrmacht von Rußland und der Roten Armee zwischen 1933 und 1939, S. 122-123.

49 Zeidler, Manfred, Das Bild der Wehrmacht, S.123. Dazu auch: Lakowski, Richard, Zwischen Professionalismus und Nazismus: die Wehrmacht des Dritten Reiches vor dem Überfall auf die UdSSR, in: Wegner (Hrsg.), Zwei Wege nach Moskau; Speer, Albert, Erinnerungen, Frankfurt/M., Berlin, Wien 1969.

50 Hillgruber, Andreas, Das Russland-Bild der führenden deutschen Militärs, in: Volkmann, Hans-Erich (Hrsg.), Das Russlandbild im Dritten Reich, S. 139. Die o.g. Einschätzungen aus: A.J.P.

Taylor, The Second World War, London 1969, S. 98ff.

Koloß”, der bei einem starken Stoß von außen schnell zusammenbrechen werde, eindeutig dominierte.