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3. PRÄEXISTIERENDE FEINDBILDER UND PROPAGANDISTISCHE INDOKTRI- NATION

3.2. Mentale Kriegsbereitschaft

4.2.2. Russlandbild in der NS-Zeit

Das Geschichtsbild der Nationalsozialisten stellte ein naturgeschichtliches Kontinuum dar, den

”ewigen Kampf ums Dasein” als Gesetz, das über ”Werden und Vergehen” entscheidet. Die Geschichte als solche stiftet keinen Sinn, sie ist kein Fortschreiten zu irgendeiner höheren Vernunft; sondern die jeweiligen Stämme und Völker können sich nur insoweit aus den Niederungen des nackten Vegetierens erheben, als sie im Kampf mit konkurrierenden Menschengattungen sich durchsetzten, diese sich untertan machen, sich zum Herrenvolk aufschwingen und als solches ihre Reiche und Hochkulturen errichten. ”Die Erde”, so pflegte Hitler zu sagen, ”sei eben wie ein Wanderpokal und habe deshalb das Bestreben, immer in die Hand des Stärksten zu kommen.”18

In seinen Beschwörungen eines mythischen Indogermanen- oder Ariertums war das eine betont archaische, aber doch universale Vorstellung von der Welt und den Weltreichen, aus deren Ausstieg und Untergang die eigentliche menschliche Geschichte bestand. Alles in allem handelte es sich um eine Geschichtsromantik, die sich des Vokabulars der modernen Naturwissenschaften bediente, um ihre Projektionen als Ewig-Naturhafte, historisch Gesetzmäßige darzustellen und jeder konkreten Kritik zu entrücken.19

Beim Russlandbild, das sich Politiker, Eliten oder größere Gesellschaftliche Gruppen im NS-Deutschland machten, handelte es sich um eine sehr facettenreiche und zugleich dem Wandel unterworfene Erscheinung. Das Russlandbild bestand aus einem Gemisch von Sachinformationen und Vorurteilen, d.h. die Realität verzerrenden stereotypiserten Vorstellungen.

Die Palette der deutschen Feindbilder implizierte mehrere Länder; bei einem Vergleich zwischen den Amerika-, England- oder Frankreich-Bildern, die in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges verbreitet waren bzw. propagiert wurden, fällt auf, dass die

17

Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda. Ein Problemaufriß, in: Volkmann, Hans-Erich (Hrsg.), Das Rußlandbild im Dritten Reich, Köln 1994, S. 61.

18 Picker, Henry, ”Hitlers Tischgespräche”, S. 320.

19 Koenen, Gerd, Bolschewismus und Nationalsozialismus. S. 173. Dazu auch: Fest, Joachim C., Hitler. Eine Biographie. Frankfurt/M - Berlin, 1992.

Destruktionsintensität des Russlandbildes viel stärker war.20 Analog zur Art der deutschen Kriegführung gegen Franzosen, Engländer und Amerikaner, die im Regelfall die Schranken des Kriegsvölkerrechts beachtete, wurden die französischen, englischen und amerikanischen Soldaten auch nicht propagandistisch ‘entmenscht’.

Es war Hitler selbst, der mit der Wahl des Decknamens ”Unternehmen Barbarossa” eine Beziehung zu den Kreuzzügen des Mittelalters herstellte, also einer religiös und ideologisch motivierten Auseinandersetzung.21 Hitlers Russlandbild - beeinflußt von Alfred Rosenberg, Dietrich Eckart, Karl Haushofer und Karl von Manteuffel - war von der Vorstellung geprägt, das russische Volk beziehungsweise die slawische Rasse habe eine niedrige Kulturstufe und sei aus eigener Kraft zur Staatbildung nicht fähig. Daher habe sich in Russland ein fremdes Herrschaftssystem durchsetzten können, womit er die Herrschaft der Kommunistischen Partei der Sowjetunion seit der Machteroberung durch die Bolschewiki unter Lenin meinte. Hier wiederum hatte er die Vorstellung, die bolschewistische Partei bestünde aus Juden und bezeichnete das sowjetische Herrschaftssystem daher als ”jüdischen Bolschewismus”.22 Die Figur ‘des Juden’ stilisierte Hitler zur Inkarnation aller nur denkbaren Laster und Ängste, er war die Sache und ihr Widerspruch, der Satz und der Gegensatz, buchstäblich ”an allem schuld”: an Börsendiktatur und Bolschewismus, an humanitären Ideologien wie an den dreißig Millionen Opfer in der Sowjetunion. In einem während der Landsberger Haftzeit publizierten Gespräch mit dem inzwischen verstorbenen Dietrich Eckart hat Hitler unter Berufung auf Jesaja 19, 2-3 und Exodus 12,38 sogar die Identität von Judentum, Christentum und Bolschewismus behauptet.

Denn die Austreibung der Juden aus Ägypten sein die Folge ihres Versuchs gewesen, durch Aufwiegelung des Pöbels mit humanitären Phrasen eine revolutionäre Stimmung zu erzeugen, so dass die Figur Moses als die des ersten Führers des Bolschewismus erkennbar wird. Und wie Paulus gewissermaßen das Christentum erfand, um das römische Weltreich zu untergraben, so bediente Lenin sich der Lehre des Marxismus, um der gegenwärtigen Ordnung das Ende zu bereiten - so verriet das Modell des durch die Zeiten immer wiederholten jüdischen Anschlags auf die höherwertige schöpferische Rasse.23

Die Russen stufte Hitler als rassisch minderwertige ”Untermenschen” ein, die nach der Eroberung des Landes den germanischen ”Herrenmenschen” Sklavendienste leisten sollten. Ihr

20

Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda. S. 55-56.

21 Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda., S. 57. Dazu auch: Mayer, Arno J., Der Krieg als Kreuzzug. Das Deutsche Reich, Hitlers Wehrmacht und die ‘Endlösung’. Reinbek 1989.

22 Ebenda, S. 60-61. Dazu auch: Müller, Rolf-Dieter, Das Tor zur Weltmacht. Die Bedeutung der Sowjetunion für die deutsche Wirtschafts- und Rüstungspolitik zwischen den Weltkriegen. Boppard a. Rh. 1984, S.245ff; Fleischhauer, Ingeborg, Das Dritte Reich und die Deutschen in der Sowjetunion, Stuttgart 1983.

23 Fest, Joachim C., Hitler. Eine Biographie. Frankfurt/M - Berlin 1992, S. 302.

kulturelles Niveau mußte auf Dauer niedrig gehalten werden, damit sie nicht auf den Gedanken kamen, selbst die Herrschaft über ihr angestammtes Land auszuüben.24

Die Propaganda des NS-Staates in bezug auf Russland verlief keineswegs geradlinig, sondern folgte sich wandelnden machtpolitischen bzw. propagandataktischen Erfordernissen.25 Es handelte sich also um ein rassenideologisches Feindbild - Konglomerat (das Furcht sowie Überlegenheitsgefühl implizierte), um ein großmachtbesessenes Mixtum Compositum,26 das sich in seinem ‘negativen Sanktionsarsenal’ gleichermaßen gegen ”slawische Untermenschen”

und ”asiatische Horden” sowie gegen den ”jüdischen Bolschewismus” richtete.

Viele Forscher hoben dabei hervor, dass das Russlandbild im Dritten Reich im Vergleich zu den anderen Feindbildern (Amerika, England, Frankriech usw.) eine höhere Destruktinsintensität (bei einer gleichzeitigen Inhaltsleerheit) aufwies.27

Der Aufbau der riesigen, in ihren Verästelungen in alle Gebiete des öffentlichen wie privaten Lebens hineinreichenden Propagandamaschinerie sollte nicht nur dem Ausbau und der Stabilisierung der nationalsozialistischen Herrschaft dienen, sondern hatte in erster Linie den Zweck, die Bevölkerung für die Durchsetzung der langfristigen Pläne der Regierung, der Erweiterung des deutschen ”Lebensraums” durch einen Krieg (der nach Erfahrungen des Weltkriegsdynamik nur als ‘totaler Krieg’ vorstellbar war) mental verfügbar zu machen. Als wichtigste Bedingung für diese geistige Mobilmachung sahen Hitler wie Goebbels (vom März 1933 an ‘Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda’) die Erzeugung einer einheitlichen Grundhaltung der Bevölkerung an, welche die Bereitschaft einschloss, sich jederzeit für die Ziele der Staatsführung einsetzen zu lassen.28

Das Propagandaministerium, das in allen Ländern analog organisierte Außenstellen hatte, überwachte und steuerte in seinen den einzelnen Medien zugeordneten Abteilungen alle Bereiche der Publizistik. Die Reichskulturkammer, durch Personalunion in den wichtigsten

24

Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda. S.60. Dazu auch: Sievers, Leo, Deutsche und Russen. Tausend Jahre gemeinsame Geschichte. Hamburg 1981.

25 Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda. S. 62.

26

Weißbecker, Manfred, ”Wenn hier Deutsche wohnten...” Beharrung und Veränderung im Rußlandbild Hitlers und der NSDAP, in: Volkmann, Hans-Erich (Hrsg.), Das Rußlandbild im Dritten Reich, Köln 1994, S. 10.

27 Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda, S. 55 - 78; Niedhart, Gottfried, Perzeption und Politik im Umgang mit der Sowjetunion, in ders. (Hrsg.), Der Westen und die Sowjetunion. Eunstellungen und Politik gegenüber der UdSSR in Europa und in den USA seit 1917. Paderborn 1983, S. 7-24; Jäckel, Eberhard, Hitlers Weltanschauung. Entwurf einer Herrschaft. Tübingen 1969.

28 Sywottek, Jutta, Mobilmachung für den totalen Krieg. Die propagandistische Vorbereitung der deutschen Bevölkerung auf den Zweiten Weltkrieg. Opladen 1976, S. 36, 23ff.

Ämtern eng mit dem Propagandaministerium verbunden, überwachte als obligatorische berufsständische Organisation ständig die ‘nationale Zuverlässigkeit’ aller im Bereich der Publizistik tätigen Personen, vom Journalisten bis zum Inhaber eines Zeitungskioskes, und konnte durch die Androhung von Sanktionen, bis zum Berufsverbot, unerwünschte Tendenzen weitgehend ausschalten.29

Die schon 1931 gegründete Reichspropagandaleitung der NSDAP, die das organisatorische Vorbild für das Propagandaministerium abgegeben hatte, blieb als dritte große Propagandainstitution bestehen. Ihr unterstanden alle sog. ‘parteiamtlichen’ Publikationsmittel, unter denen vor 1933 den Parteirednern besondere Bedeutung zukam.30 Später, als die Partei die finanziellen und die Machtmittel hatte, sich effektiverer Kommunikationsmedien zu bedienen, trat die Rednerorganisation in den Hintergrund. 1935 wurde der Reichspropagandaleitung der neugeschaffene Reichsring für Volksaufklärung und Propaganda unterstellt, in dem die Propagandastellen aller Gliederungen und angeschlossenen Verbände der Partei zusammengefasst waren. Personell waren die Reichspropagandaleitung wie auch die ihr unterstehenden Gau- und Kreispropagandaleitungen wiederum mit den beiden anderen jeweiligen Unterorganisatinen eng verzahnt, so dass eine Abstimmung zwischen Regierungs- und Parteipropaganda gewährleistet war.31

Die totale organisatorische Erfassung des gesamten Kultursektors entsprang dem Bemühen, alle Publikationsmittel in den Dienst der Propaganda zu stellen. Auf einer Festsitzung der Reichskulturkammer am 1. Mai 1936 faßte Goebbels die kulturpolitische Intentionen der Nationalsozialisten bei ihrer Regierungsübernahme wie folgt zusammen”...Wir mußten erstens die kulturschaffenden deutschen Menschen in einer festgefügten Organisation zasammenfassen, um sie einheitlich und diszipliniert zum Wohle von Volk und Staat zum Einsatz zu bringen. Wir mußten zweitens dem deutschen Kulturschaffen die innere Verbindung zu den neuen Werten und Inhalten der deutschen Politik vermitteln und es mit der tiefen weltanschaulichen Klarheit des Nationalsozialismus erfüllen...”. Neben den wichtigsten Medien - Presse und Rundfunk - mußten dabei auch Literatur, Theater, Film, bildende Kunst und auch die Musik mit ihren je verschiedenen Ausdrucksmittel auf sublime Weise die Bevölkerung permanent im Sinne der nationalsozialistischen Politik beeinflussen und so eine grundsätzliche Aufnahmebereitschaft für die in der Tagespublizistik verbreiteten aktuellen Propagandainhalte schaffen. Dieser weithin als unpolitisch angesehene Bereich der Kunst bot den

29 Sywottek, Jutta, Mobilmachung für den totalen Krieg. S. 24.

30 Alle Redner hatten ihre Vorträge an den stets richtungsweisenden jeweils jüngsten Ausführungen hoher Parteifunktionäre sowie an dem zweimal monatlich von der Reichspropagandaleitung der NSDAP herausgegebenen ”Parteiamtlichen Aufklärungs- und Rednerinformationsmaterial” zu orientieren. (Sywottek, Mobilmachung für den totalen Krieg, S. 251.)

31 Ebenda, S. 24

Nationalsozialisten zugleich die Möglichkeit, Personen anzusprechen, die aufgrund ihrer Ausbildung bzw. ihrer politischen Ansichten den neuen Machthabern ablehnend gegenüberstanden. Das Verbot der Kunstkritik sollte die propagandistische Einsatzfähigkeit der Kunst erhöhen.32

Große Anstrengungen machte die Propagandaführung, um die in der Weimarer Republik sehr vielgestaltige Presse auf eine Linie zu bringen. Mit dem endgültigen Verbot der kommunistischen und sozialdemokratischen Zeitungen bei der Auflösung dieser Parteien waren lediglich die Presseorgane ausgeschaltet worden, die am schärfsten gegen die nationalsozialistische Politik opponiert hatten. Eine inhaltliche Vereinheitlichung der Zeitungen war noch ein wichtiges Ziel der Nationalsozialisten, das durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erreicht wurde. So wurde ein Teil der Zeitungen (meist unter Beibehaltung des Titels und häufig auch der alten Verlags- und Firmenbezeichnung, über Holding- und Treuhandgesellschaften dem parteieigenen Eher-Verlag angegliedert.) Der Jahresbericht 1938 stellte lapidar fest: ”Der Partei nicht unmittelbar oder mittelbar unterstehende Zeitungen sind kaum noch vorhanden”. Viele Leser lebten noch lange in dem Glauben, ihre altvertraute Tageszeitung zu beziehen. Um auch die restlichen Zeitungsverlage an die Regierungspolitik zu binden, wurde durch das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 ausdrücklich den Redakteuren die Verantwortung für den ‘geistigen’ Inhalt der Zeitung übertragen, während vorher in der Regel der Verlagsleiter die politische Linie einer Zeitung bestimmt hatte.33

Bereits vor Inkrafttreten des Schriftleitergesetzes nahmen die Journalisten täglich die Anweisungen des Propagandaministeriums entgegen; der Leiter der Pressestelle des Ministeriums saß jeder Konferenz vor und teilte, ergänzt von den Pressesprechern der anderen Ministerien, genaue ‘Direktiven’ an die 100 bis 200 akkreditierten Journalisten aus. Diesen wurde nicht nur vorgeschrieben, über welche Ereignisse sie berichten durften oder nicht, sondern auch wie sie diese zu kommentieren hatten, häufig auch, wie lang einzelne Artikel sein mußten oder durften und an welcher Stelle der Zeitung sie plaziert werden sollten. Zu allem für wichtig gehaltenen Fragen wurden den Journalisten ausformulierte Kommentare zugeteilt, die von den kleineren Zeitungen vollständig abgedruckt werden konnten und den sog.

„kommentierfähigen“ Zeitungen als Vorlage zu dienen hatten. Auch die Nachrichtenagenturen waren monopolisiert: Die wichtigste von ihnen, das Ende 1933 durch Zusammenlegung des Wolffschen Telegraphenbüros mit der Telegraphen-Union aus dem Hugenberg-Konzern entstandene Deutsche Nachrichtenbüro war zu 100% Eigentum des reiches und wie alle anderen zugelassenen Nachrichtenagenturen dem Reichspressenchef, der gleichzeitig

32 Sywottek, Mobilmachung für den totalen Krieg, S. 24-26.

33 Ebenda, S.28.

Staatssekretär im Propagandaministerium war, unterstellt. Meldungen an die deutschen Agenturen mußten alle über die Presseabteilung des Ministeriums geleitet werden.34

Die Ausgabe von Informationen und Weisungen an die Presse konzentrierten sich immer mehr auf der Presseabteilung des Propagandaministeriums, die der Staatssekretär des Ministeriums und Pressechef der Reichsregierung, Otto Dietrich, zum ”Großen Generalstab der deutschen Pressepolitik” ausgestalten wollte. Seit 1936 waren sämtliche Behörden verpflichtet, vor jeder Presseveranstaltung, die sie abhalten wollten, die Billigung des Propagandaministeriums oder des zuständigen Reichspropagandaamtes einzuholen; darüber hinaus verfügte Hitler am 16.

Februar 1939, dass die Veröffentlichung von amtlichen Nachrichten jedweder Art aus dem Bereich der Reichsministerien und sämtlicher übrigen Dienststellen des Reiches ausschließlich über die Presseabteilung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda zu erfolgen habe. Das entsprechende Monopol für alle die Partei, ihre Gliederungen, angeschlossenen verbände und von ihr betreuten Organisationen betreffenden Nachrichten hatte die Reichspressestelle der NSDAP in München. Ihre Verbreitung war ausschließlich der Nationalsozialistischen Partei-Korrespondenz vorbehalten. In Anlehnung an die im Propagandaministerium geübte Praxis wurden von Mai 1939 an ”zur wirksamen Kontrolle und Lenkung der (Partei-) Presse” von der Reichspressestelle täglich Richtlinien an die einzelnen Parteipressestellen geschickt. Regelmäßige Pressekonferenzen waren in München schon vorher eingerichtet worden. Da beide Pressestellen seit Anfang 1938 von Dietrich geleitet wurden (dieser war Pressechef der Rechsregierung und zugleich Reichspressechef der NSDAP), war die einheitliche Lenkung der parteiamtlichen und der ‘bürgerliche’ Presse gesichert.35

Es ist auch festzustellen, dass beide Bestandteile des Ministeriumtitels -”(Volks)Aufklärung”

sowie ”Propaganda” - historische Parallelen hatten. Seit dem VII. Weltkongreß der Kommunistischen Internationale 1935 in Moskau sprach Goebbels von einer deutschen

”Weltmission” gegen den Weltbolschewismus (verstanden als die kommunistische Bewegung unter Führung der Sowjetunion), von dessen Ausgang das Schicksal aller Kulturvölker abhinge.36 Somit wurde eine pseudo-religiöse und ideologisch motivierte ‘Begründung’ einer künftigen Auseinandersetzung mit der Sowjetunion vorbereitet.37 Wiederholt hob Goebbels in seinen Tagebuchnotizen hervor, dass er Religionen - nicht nur jüdische, sondern ebenso die

34 Sywottek, S. 27-28.

35 Sywottek, S. 29.

36

Wette, Wolfram, Das Russlandbild in der NS-Propaganda, S. 63.

37 Wenige Wochen nach der Kapitulation der Reste der 6. Armee im Kessel von Stalingrad wies er die seiner Kontrolle unterstehenden Medien an, ”alle egoistischen Ziele im Osten abzustreiten und von dem heiligen Kreuzzug des 20. Jahrhunderts gegen den Bolschwismus zu sprechen”. Siehe:

christliche - für Aberglauben hält. Wie Hitler war er fest entschlossen, nach dem Krieg den Einfluß der Kirchen mit allen staatlichen Machtmitteln zurückzudrängen. Gottesglaube im Sinne der großen Weltreligionen dürfte er wie die französischen Atheisten des 18. Jahrhunderts für

‘Priesterbetrug’ gehalten haben. Im Gegensatz dazu beruft er sich (ebenso wie Hitler und andere führende Nationalsozialisten) immer wieder auf den ”Allmächtigen” und auf einen immanenten Sinn der Geschichte, der offenbar durch ein göttliches Wesen garantiert sein soll.

Aufgeklärtheit in einem kruden Sinn schlägt hier unvermittelt in einen irrationalen Mythos um.

Der zweite Bestandteil der Bezeichnung des Ministeriums, ”Propaganda”, drückt die eigentliche Zielsetzung offen aus. Auch hier gibt es ein älteres Vorbild: die ”propaganda fidei”. Die 1622 von Papst Gregor XV. gegründete Propagandakongregation der katholischen Kirche hatte die Ausbreitung des christlichen Glaubens zur Aufgabe. Auch der Inhalt der von Goebbels betriebenen Propaganda (wörtlich ‘Ausbreitung’) hatte einen ”Glauben” zum Inhalt. Die Nationalsozialisten sprachen selbst von einem ”fanatischen Glauben” und gaben damit den pseudo-religiösen Charakter ihrer Ideologie zu.38

Der Zentralisierung der Presse folgte eine wirtschaftliche Zentralisierung des Rundfunks in den Händen des Propagandaministeriums, dem die Reichs-Rundfunk-Gesellschaft angegliedert war. Die Rundfunkabteilung des Propagandaministeriums war als die ”Befehlszentrale des Deutschen Rundfunks” für die langfristige Programmplanung, die Festlegung des Anteils politischer und kultureller, belehrender und unterhaltender Sendungen am Programm und die Koordination des Einsatzes der Sender bei politischen Veranstaltungen zuständig. Seit Beginn der Ausstrahlung regelmäßiger aktueller Informationssendungen war der Rundfunk als Konkurrent der Presse gesehen worden. Den Nationalsozialisten, die ihre Propaganda vom

”Prinzip der nationalen Objektivität” leiten ließen, mußte an einer einheitlichen Informationspolitik in Rundfunk und Presse sehr gelegen sein. Schon wenige Wochen nach ihrem Regierungsantritt wurde deshalb der Drahtlose Dienst, der die Rundfunksender mit Nachrichten belieferte, aus der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft ausgegliedert und der Presseabteilung des Propagandaministeriums unterstellt. Sein Leiter, Hans Fritzsche, spielte sowohl in der Rundfunkpropaganda durch seine regelmäßig ausgestrahlten Kommentarsendungen als auch in der Pressepropaganda als Leiter der Presseabteilung (von 1938 bis 1942) eine führende Rolle.39

Goebbels’ Ministerkonferenz vom 20. Februar 1943, in: Boelcke, Willi A. (Hrsg.), Wollt Ihr den totalen Krieg? Die geheimen Goebbels-Konferenzen 1939-43. Herrsching 1989, S. 341.

38 Fetscher, Iring, Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast 1943. ”Wollt ihr den totalen Krieg?”, Hamburg 1998, S. 12-13.

39 Sywottek, S. 30-31.

Rundfunkpropaganda war immer auch Propaganda für den Rundfunk bzw. das Rundfunkhören, denn es sollte ja gewährleistet sein, daß der Adressat auch erreicht wurde. Es war hauptsächlich die Aufgabe der weitverzweigten Funkwarte-Organistaion der Partei, dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung ihrer ”politischen Verpflichtung zum regelmäßigen Rundfunkhören” nachkam. Die Funkwarte waren zuständig für die Rundfunkwerbung im lokalen Bereich, die Erforschung der Hörermeinung und für die Organisation des Gemeinschaftsempfangs. Getreu der Devise, jedermann müsse jederzeit einsatzbereit sein,

”wenn die Stime des Rundfunks die politische Forderung der Stunde zu ihm trägt”, wurden Hitler-Reden und andere wichtige Veranstaltungen nicht nur in Fabriken, Restaurants und öffentliche Gebäude übertragen, sondern auch über sog. Reichslautsprechersäulen. Im Sommer 1938 wurde in Breslau der erste dieser Super-Lautsprecher in Betrieb genommen;

weitere 6 000 sollten in kürzer Zeit in allen Teilen des Landes aufgestellt werden.

Staatssekretär Kalr Handke vom Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda ließ bei der Einweihung seine Zuhörer über den Zweck dieser neuen Einrichtungen nicht im Unklaren: Sie seien dazu bestimmt, ”eine direkte und schnelle Befehlsausgabe zu gewährleisten”.40

Die Konstruktion und der billige Vertrieb des ‘Volksempfängers’, der die Typenbezeichnung ‘VE 301’ erhielt, und des ‘deutschen Kleinempfängers’ ist ebenfalls unter dieser Kategorie der Rundfunkpropaganda zu sehen.41