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D. Gesamtbetrachtung

VII. Unternehmensvertrag; §§ 291 ff AktG

Macht ein Unternehmen von der im deutschen Aktienrecht bestehenden Möglichkeit Gebrauch, einen Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag (§ 291 AktG)575 mit einer Aktiengesellschaft abzuschließen, so hat es den außenstehenden Aktionären neben der Regelung der Ausgleichsverpflichtung nach § 304 AktG zusätzlich ein Angebot auf Erwerb ihrer Aktien gegen eine angemessene Abfindung zu machen, § 305 AktG. Das Gesetz kennt in § 305 Abs. 2 Nr.1 bis 3 lediglich zwei verschiedene Formen der Abfindung, näm-lich die Abfindung in Aktien als Regelform sowie die subsidiär geschuldete Barabfindung.

Die außenstehenden Aktionäre sind allerdings nicht verpflichtet, dieses ausschließlich ih-nen zustehende576 Abfindungsangebot anzunehmen.577 Sie erhalten auf diese Weise vielmehr ein Wahlrecht, entweder gegen eine angemessene Abfindung aus der Gesell-schaft auszuscheiden oder mit einem Anspruch auf angemessenen Ausgleich als Aktionär in der Gesellschaft zu verbleiben.578

Beide Alternativen dürfen freilich nicht dahingehend missverstanden werden, dass dem Minderheitsaktionär hierdurch die Möglichkeit eröffnet werden würde, sich für eine unver-änderte Teilhabe an der wirtschaftlichen Zukunft der sich bislang in seinem Besitz befind-lichen Vermögensmasse zu entscheiden. Zwar steht ihm offen, seine formale Rechtsstel-lung als Miteigentümer der beherrschten Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Der Preis hier-für ist allerdings der Austausch seiner bislang nach der jeweiligen Ertragslage der nun be-herrschten Gesellschaft bemessenen Dividendenzahlung gegen eine alljährliche „Aus-gleichszahlung“, die - ebenso wie die Abfindung - nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmensvertrages jedenfalls zunächst einmal vom Hauptakti-onär festgelegt wird. Dadurch läuft der MinderheitsaktiHauptakti-onär Gefahr, für den Fall einer nicht prognostizierbaren günstigeren Entwicklung des beherrschten Unternehmens, nicht an dieser partizipieren zu können. Ihm wird nur der Ertrag zugestanden, den die

575 Allgemein zum Unternehmensvertrag vgl. z.B.: Krieger in: Münch. Hdb. GesR, Bd. 4 AktG, §§ 70, 71, 72; Emmerich, in:

Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, §§ 291 ff.; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. VI,

§§ 291 ff.

576 Emmerich in: Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 305, Rnr. 16; Hüffer, AktG, § 305, Rnr. 5; Krieger, in: Münch Hdb. GesR, Bd. 4 AktG, § 70, Rnr. 90

577 Than, in: FS Claussen, S. 405, 419

578 Krieger, in: Münch. Hbd. GesR, Bd. 4 AktG, § 70, Rnr. 89; Bilda, in: Münch. Komm. AktG, § 305, Rnr. 14

perspektiven im Zeitpunkt des Abschlusses des Unternehmensvertrages herzugeben scheinen.

Wählt der Minderheitsaktionär hingegen die Abfindung und erfolgt diese in Aktien des herrschenden Unternehmens, so partizipiert er jedenfalls mittelbar an der wirtschaftlichen Entwicklung des beherrschten Unternehmens. Seine ehemaligen Eigentumsrechte wer-den ihm allerdings nur noch in bisweilen stark verwässerter Form zugute kommen. Zudem kann der Hauptaktionär der aus seiner Sicht regelmässig unerwünschten Abfindung in Ak-tien der herrschenden Gesellschaft dadurch entgehen, dass er seine Anteile an der be-herrschten Gesellschaft auf eine Zwischenholding überträgt, die dann nicht mehr als eine Barabfindung anzubieten braucht.

Im Ergebnis ermöglicht damit, jedenfalls bis zum Ende der Vertragslaufzeit, das Instru-ment des Unternehmensvertrages bei richtiger Handhabung zwar einen weitgehenden wirtschaftlichen Ausschluss der Minderheitsaktionäre; ein zwangsweiser Erwerb der Akti-en gegAkti-en ihrAkti-en WillAkti-en ist nach dAkti-en VorschriftAkti-en über UnternehmAkti-ensverträge aufgrund des den Minderheitsaktionären gewählten Wahlrechts allerdings nicht möglich.579

C. Zusammenfassung

Bereits vor dem Inkkrafttreten des Aktiengesetzes von 1965 und bis in die jüngste Ver-gangenheit hinein, hat das Bedürfnis nach einem Ausschluss von Restminderheiten aus der AG zu angestrengten Versuchen von Seiten der Großaktionäre geführt, ihr Ziel im Rahmen gesetzlich zulässiger Mittel der Struktuveränderung zu erreichen. Mit einigen dieser Versuche wurden die Gerichte bis hin zum Bundesverfassungsgericht befasst.

Als nach geltendem Recht besonders erfolgsversprechend stellte sich hierbei die Auflö-sung der Gesellschaft mit Übernahme des Vermögens aus der Liquidation sowie der un-mittelbare oder un-mittelbare Verkauf des gesamten Gesellschaftsvermögens an den Mehr-heitsaktionär (mit oder ohne anschließender Liquidation) gemäß § 179a AktG heraus.

579 Vgl. auch Than, in: FS Claussen, S. 405, 419

Dennoch sind auch diese beiden Möglichkeiten mit großen Opfern verbunden und dürften sich schon deshalb in einer Vielzahl von Fällen verbieten. Zudem wird selbst bei Inkauf-nahme damit einhergehender Nachteile und des beträchtlichen organisatorischen Auf-wandes die zeitliche und finanzielle Planung dieser Gestaltungsvarianten aufgrund der ihr immanenten Anfechtungsrisiken regelmäßig erhebliche Probleme bereiten.

Desweiteren birgt die Zweckentfremdung dieser an sich zulässigen, jedoch nicht für den Einsatz als Mittel zum Ausschluss konzipierten Strukturmassnahmen die Gefahr einer Umgehung des Minderheitenschutzes.

Es muss somit konstatiert werden, dass jedenfalls die bis 01.01.2002 bestehende Geset-zes- und Rechtslage aus der Sicht aller Beteiligten für diesen potentiellen Mehrheits-/Minderheitskonflikt keine befriedigende Lösung zur Verfügung stellte.

4. Teil

Der Ausschluss von Minderheitsaktionären nach den §§ 327a ff. AktG

Im Gegensatz zum Gesellschafts-, Aktien- und Übernahmerecht in den USA580 und den meisten westeuropäischen Industrieländern581 kannte das deutsche Aktien- und „Über-nahmerecht“ bislang weder eine explizite Regelung zum zwangsweisen Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft gegen Barabfindung, noch existierte in Deutschland ein kodifiziertes Übernahmerecht, welches börsennotierte Gesellschaften betreffende öffentliche Übernahmeangebote verbindlichen Verhaltensregeln unterwirft.

Andere im Rahmen des allgemeinen Zivil- bzw. Gesellschaftsrechts sowie des Aktien- bzw. Umwandlungsgesetzes erdachten und beschrittenen Wege führen entweder schon de lege lata nicht zu einem Ausschluss oder sind mit erheblichen Schwierigkeiten, Nachteilen und Unwägbarkeiten gepflastert.

In dem jüngst verabschiedeten Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Er-werb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (kurz: WertpapiererEr-werbs- und Übernahmegesetz; WpÜG) werden nun diese Bereiche einer gesetzlichen Regelung zugeführt, wie dies schon seit längerem von Seiten der Wirtschaft, der „financial commu-nity“ und insbesondere den international operierenden Investmentgesellschaften gefordert wird.582

Das als Artikelgesetz konzipierte Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz enthält in Art. 1 den eigentlichen Gesetzestext des WpÜG. Die weiteren Artikel 2 bis 9 sehen An-passungen und Änderungen verschiedener Kapitalmarktgesetze, wie beispielsweise des

580 Siehe hierzu insgesamt oben 2. Teil und insbesondere die Ausführungen zum cash-out merger unter B., IV.

581 Hierbei handelt es sich entweder um vom Gesetzgeber ausdrücklich als Auskaufsrechte konzipierte Regelungen, oder um anderen Umstrukturierungsbestimmungen immante Ausschlussmöglichkeiten. Vgl. beispielsweise die Regelungen des englischen Companies Act 1985 - in der seit 30.4.1987 geltenden, auf Section 172 Financial Services Act 1986 und dessen Schedule 12 zurückgehenden Fassung; Art. 92a, 201a des Zweiten Buches des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches, in Kraft seit 1988; die belgischen Gesetze über Handelsgesellschaften, Art. 190 quinquies L.C.S.C. in der Fassung der königlichen Verordnung vom 11.6.1997; das französische retrait obligatoire, Art. 5-5-1 et s. Reglement general du Conseil des marches financiers, loi du 31 dec. 1993, art. 16-I; Art. 111 des italienischen Testo unico; § 2 Abs.

2 Nr. 3 des österreichischen Umwandlungsgesetzes, in Kraft seit 1.7.1996; Art. 33, 54 BEHG, Art. 55 BEHV des schwei-zerischen Finanzmarktrechts

582 Hierzu auch Hopt, in: FS Zöllner, Bd. I, 1998, S. 253 f.; Herkenroth, Konzernierungsprozesse im Schnittfeld von Konzernrecht und Übernahmerecht, 1994

Wertpapierhandelsgesetzes, des Kapitalanlagegesellschaftsgesetzes, des Auslandin-vestmentsgesetzes und des Wertpapierverkaufsprospektgesetzes vor.

Der für diese Arbeit besonders interessante Artikel 7 betrifft eine Änderung des Aktienge-setzes. Das Dritte Buch des Aktiengesetzes „Verbundene Unternehmen“ erhält einen neuen Vierten Teil, der mit „Ausschluss von Minderheitsaktionären“ überschrieben ist und sechs Paragrafen umfasst (§§ 327a – 327f AktG). Der bisherige Vierte und Fünfte Teil des Aktiengesetzes sind fortan Fünfter und Sechster Teil.

A. Hintergrund des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes