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F. Erreichen der Beteiligungsquote

II. Special Purpose Vehicles

2. Holding, Pool und Stimmrechtsbindung

Neben der vorstehend behandelten schrittweisen Annäherung an den Schwellenwert mit-tels einer Kapitalerhöhung unter Auschluss des Bezugsrechts muss in diesem Kontext die Frage aufgeworfen werden, ob und inwieweit es zwei oder mehr Aktionären gestattet wer-den kann, ihre Anteile ausschließlich zum Zwecke der Herbeiführung eines Ausschlusses der übrigen Mitaktionäre gemäß den §§ 327a ff. AktG in eine holding oder einen pool ein-zubringen oder durch die Hauptversammlung Stimmrechtsbindungsvereinbarungen im Vorfeld der Beschlussfassung über den squeeze-out abzuschließen. Bejaht man diese Frage uneingeschränkt, so wäre es mehreren Anteilseignern möglich, obwohl jeder ein-zelne für sich nicht die für einen squeeze-out benötigte Beteiligungsquote von 95% in ei-ner Hand vereint, ihre Anteile auf eine allein zu diesem Zweck gegründete juristische Per-son als special purpose vehicle zu übertragen, um diese sodann nach dem Erreichen der 95%-Schwelle und Durchführung des Ausschlusses wieder rückzuübertragen. Auf diesem Wege wäre es sogar denkbar, durch bloße schuldrechtliche Stimmrechtsbindungs-verträge einen Ausschluss von anderen Mitaktionären zu bewerkstelligen.

706 Baums, WM 2001, 1843, 1844

Die Beurteilung der Zulässigkeit derartiger Gestaltungen nimmt ihren Ausgangspunkt in dem schon oben707 definierten Begriff des Hauptaktionärs. Auch wenn das Gesetz durch die Wahl des Singulars „ein Aktionär“ bzw. „ Hauptaktionär“ zum Ausdruck bringt, dass es sich hierbei um eine Person handeln muss, mithin scheinbar gerade nicht mehrere ge-meint sind, die sich zur gemeinsamen Stimmrechtsausübung zusammenschließen, um-fasst der Begriff des „Hauptaktionärs“ i.S.d § 327a ff. AktG natürliche und juristische Per-sonen ebenso wie PerPer-sonenhandelsgesellschaften und Gesellschaften bürgerlichen Rechts sowie vergleichbare Gesamthandsgemeinschaften.

Mit dieser Feststellung steht jedenfalls allein der Wortlaut des § 327a AktG bzw. die Wahl der Begrifflichkeit einem solchen Vorgehen nicht entgegen. Denn obschon eine lediglich zum Halten und Verwalten der Anteile gegründete holding in der Praxis in aller Regel im Rechtskleid einer Kapitalsgesellschaft anzutreffen ist, wäre es ebenso denkbar, eine Ge-sellschaft bürgerlichen Rechts zu gründen, in die zwecks Haltens und Verwaltens von Be-teiligungen die betreffenden BeBe-teiligungen zu Gesamthandseigentum eingebracht wer-den. Auch das pooling, d.h. die Vereinigung mehrerer Beteiligungen in einer Hand bzw.

die Bildung eines Konsortiums, lässt in Ermangelung anderweitiger Veinbarungen regel-mäßig jedenfalls eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts i.S.d. der §§ 705 ff. BGB entste-hen. Der erforderliche und unter Umständen nur bis zur Abstimmung in der Hauptver-sammlung befristete gemeinsame Zweck läge in dieser Fallkonstellation im Ausschluss der Mitaktionäre begründet. Schließlich führen auch Stimmrechtsbindungsverträge, im Rahmen derer sich die Anteilseigner im Gegensatz zur Holding nicht zu einer Übertragung ihrer Anteile sondern lediglich dazu verpflichten, ihr Stimmrecht in einer bestimmten, im Vorfeld der Abstimmung bzw. Beschlussfassung der Hauptversammlung festgelegten und für den Fall des Abweichens meist mit drakonischen Vertragsstrafen bewehrten Art und Weise auszuüben, zu einem Stimmrechtspool i.S.d §§ 705 ff. BGB.708

Allerdings lässt sich die Gründung einer holding oder eines (Stimmrechts-)pools trotz der Subsumierbarkeit dieser special purpose vehicles unter den Begriff des „Hauptaktionärs“

nicht uneingeschränkt mit der ratio legis der §§ 327a ff. AktG in Einklang bringen. Sinn und Zweck dieser Vorschriften ist vor allem die Eliminierung, des mit dem Bestehen von

707 Vgl. 4. Teil, E., I.

708 Zur Zulässigkeit von Stimmrechtsbindungsverträgen, die in Rechtsprechung und Lit. Ganz überwiegend bejaht wird, vgl. Hüffer, AktG, § 133, Rnr. 27 ff., m.w.N.

Kleinstbeteiligungen einhergehenden Minderheitenaufwandes und Störpotenzials.709 Durch die Option zum Erwerb einer Alleinaktionärsstellung sollen Beschränkungen bei der einheitlichen Leitung von Unternehmen bzw. Konzernen abgebaut werden. Keinesfalls soll dieses Instrument dazu benutzt werden dürfen, lediglich einzelne Aktionäre oder nur einen Teil der bestehenden Restminderheit aus anderen Gründen, wie etwa Gründe persönli-cher Natur, aus der Gesellschaft auszuschließen. Nach der Intention des Gesetzgebers muss der Effekt eines Ausschlusses gemäß den §§ 327a ff. AktG einen Alleinaktionär her-vorbringen. In der Konsequenz dieses Grundgedankens müsste demzufolge ein Aus-schluss von Minderheitsaktionären durch mehrere, ausschließlich zu diesem Zweck ver-bundene Aktionäre - unabhängig von der Rechtsform und Ausgestaltung des gewählten special purpose vehicles - wegen einer Umgehung der gesetzgeberischen Zielsetzung unzulässig sein. Denn nach erfolgtem Ausschluss würde die Auflösung des Zusammen-schlusses wiederum zu einem zersplitterten Aktienbesitz in mehreren Händen führen; die ausdrückliche Intention des Gesetzgebers würde so konterkariert. Die ratio legis des Rechtsinstituts squeeze-out würde im Ergebnis völlig verfehlt, wenn nach einem Aus-schluss die Gesellschafterstruktur noch immer mehrere Aktionäre aufwiese.

Nun ist aber nicht zu übersehen, dass mit dieser Bewertung nicht nur die vorgenannten sondern auch viele andere Fallkonstellationen, insbesondere diejenigen, in denen juristi-sche Personen als Mehrheits-, respektive als Hauptaktionär und damit als potenzielle special purpose vehicles auftreten, ins Spannungsverhältnis zwischen Erfüllung des Hauptaktionärbegriffs i.S.d. § 327a AktG einerseits und Umgehung der gesetzgeberischen Intention andererseits geraten. Zur Lösung der auftretenden Abgrenzungsproblematik kann die Heranziehung zweier Kriterien dienen: erstens die Frage nach dem Zweck des Zusammenschlusses und zweitens die Beachtung der zeitlichen Komponente.

Sollte sich bei Überprüfung des Zwecks des Zusammenschlusses mehrerer Aktionäre herausstellen, dass dieser ausschließlich zum Erreichen der 95%-Schwelle eingegangen und hernach wieder aufgelöst werden soll, ist der daraufhin erfolgte Ausschluss der Min-derheit wegen Umgehung des Gesetzeszwecks als unzulässig zu erachten. Die Proble-matik dieses Kriteriums liegt allerdings darin begründet, dass die Motivforschung des mit der Entscheidung betrauten Gerichts regelmäßig an Grenzen stoßen wird. Aus diesem Grunde kommt dem Zeitpunkt des Zusammenschlusses und gegebenenfalls seiner Auflö-sung eine besondere Bedeutung zu. Erfolgt die Gründung der holding oder des pools bzw.

709 Vgl. hierzu oben 4. Teil, B.

der Absschluss der Stimmrechtsbindungsvereinbarungen relativ zeitnah zum Ausschlies-sungsbeschluss der Hauptversammlung, oder erfolgt die Auflösung dieser Veinbarungen relativ zeitnah zu demselben, spricht dies in starkem Maße für eine Umgehung der §§

327a ff. AktG. Es kommt entscheidend also auf die „Dauerhaftigkeit“710 der Vereinbarung an. Wohlwissend um die Schwierigkeit der Grenzziehung im Einzelfall und der damit ein-hergehenden Rechtsunsicherheit wird man für die Qualifizierung des Zusammenschlus-ses als dauerhaft einige Wochen oder Monate als nicht ausreichend ansehen müssen. Als Rechtsfolge einer anhand dieser Kriterien festgestellten Umgehung der §§ 327a ff. AktG kann der Ausschließungsbeschluss entsprechend § 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG keine rechtli-chen Wirkungen entfalten.711