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juristische und gesamtwirtschaftliche Implikationen

Vor allem von Seiten der Wirtschaftspraxis sowie der „financial community“ ist aus den be-reits oben genannten Gründen und Motiven604 ein Bedürfnis für eine derartige Regelung angemeldet worden. Aber auch aus dem rechtswissenschaftlichen Schrifttum sind diejeni-gen Stimmen immer lauter geworden, die sich für eine materielle Einschränkung der Rechtsposition von Minderheitsaktionären, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer uneingeschränkten Anfechtungsmöglichkeit605, bzw. für die Schaffung eines gesetzlichen Verfahrens zum zwangsweisen Ausschluss von Restminderheiten aus der Aktiengesell-schaft aussprechen.606

Ebenso wird in der Gesetzesbegründung zu den neuen §§ 327a ff. AktG darauf verwie-sen, dass es aufgrund des aus der Beachtung zwingender minderheitsschützender Nor-men resultierenden kostspieligen Aufwandes ökonomisch unsinnig sei, sehr kleine Min-derheiten in der Aktiengesellschaft zu belassen.607

604 Vgl. oben 1. Teil, B.

605 Als Abhilfe- bzw. Verbesserungsvorschläge werden insbesondere angeführt: die Einführung einer Mindestbeteiligung (Quorum) bzw. einer Mindestbesitzzeit für die Anfechtungsbefugnis, das Erfordernis einer individuellen Rechtsverlet-zung bzw. eines Feststellungsinteresses, die Verschärfung der Anforderungen an das Kausalitätserfordernis für die Ver-letzung von Formvorschriften und Informationspflichten bei Zustandekommen des Beschlusses, eine Übernahme der Abwägungskriterien § 16 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. UmwG in den materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab des Hauptsache-verfahrens sowie die inhaltliche Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung von Mehrheitsbeschlüssen. Vgl. Krieger, ZHR 1999, 343, 361; Messer, in: FS Quack, S. 321, 331 ff.; Zöllner, in: Semler/Hommelhoff/Doralt/Druey (Hrsg.), Re-formbedarf im Aktienrecht, 1994, S. 147.; Schiessl, AG 1999, 442, 444; Boujong, in: FS Kellermann, 1991, S. 1 ff.;

Schlaus AG 1988, 113, 117; Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag, 2000, F 99 ff. m.w.N

606 Doralt/Druey/Hommelhoff/Hopt/Lutter/Wymeersch, Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, S. 672, 732 f.;

Kallmeyer, AG 2000, 59; Handelsrechtsausschuss des Deutschen Anwaltsverein e.V., NZG 1999, 850; ders., WM 1999, 1536; Schiessl, AG 1999, 442, 451; Land/Hasselbach, DB 2000, 557, 561; dies., DB 2000, 1747. 1753; Halm, NZG 2000, 1162; Vetter, ZIP 2000, 1817; ders. DB 2001, 743; Kossmann, NZG 1999, 1198; Pötzsch/Möller, WM 2000, Son-derbeilage Nr. 2, 29; Ehricke/Roth, DStR 2001, 1120; abwägend Habersack, ZIP 2001, 1230, 1233, 1234

607 BegrRegE, Allgemeiner Teil, S. 73.

In der Tat sind nach geltendem Recht, ungeachtet der Höhe der Beteiligung, sämtliche Vorschriften des Aktiengesetzes, insbesondere aber die zugunsten der Aktionäre beste-henden Schutzvorschriften, zu beachten. Selbst wenn es sich bei der außenstebeste-henden Minderheit zahlenmäßig nur noch um einen einzigen Aktionär handeln sollte, stehen auch diesem weiterhin grundsätzlich alle Rechte eines Aktionärs - namentlich im wesentlichen das Recht zur Teilnahme an Hauptversammlungen, das Stimmrecht für die zu fassenden Beschlüsse, das Informations- und Auskunftsrecht (§ 131 AktG)608 sowie das Anfech-tungsrecht - zu. Um diesen Individualrechten Rechnung zu tragen, sieht sich der Vorstand vor die Aufgabe gestellt, vor Durchführung einer Hauptversammlung und den zu beschlie-ßenden Maßnahmen umfangreiches Datenmaterial, schriftliche Berichte und Stellung-nahmen sowie mündliche Erläuterungen vorzubereiten. Ungeachtet der Tatsache, dass der Mehrheitsaktionär über weit mehr als die für Grundlagenentscheidungen und struktur-ändernde Maßnahmen erforderliche ¾-Mehrheit des Grundkapitals verfügt, ist für jede in die Kompetenz der Hauptversammlung fallende Maßnahme weiterhin eine Zustimmung derselben erforderlich. Der hierdurch verursachte Zeit- und Kostenaufwand bleibt unab-hängig davon, ob außer dem Mehrheitsaktionär nur noch ein Rest an außenstehenden Aktionären vorhanden ist oder eine breite Streuung des Aktienbesitzes vorliegt, im We-sentlichen derselbe und ist auch nach Einführung der Erleichterungen für die kleine Akti-engesellschaft609 noch bedeutend größer als bei einer Einmann-AG. Unabhängig davon, ob die Minderheitsaktionäre Obstruktion gegenüber der Geschäftsleitung betreiben, kann die Beachtung des Minderheitenschutzes daher lästig und unverhältnismäßig sein.610

Abgesehen von diesen aus der inhaltlichen Vorbereitung und Durchführung der Hauptver-sammlung resultierenden unverhältnismäßig hohen Kosten und des erheblichen Formal-aufwandes sieht sich der Vorstand zudem dem Risiko ausgesetzt, trotz der Tatsache, dass Beschlüsse in der Hauptversammlung mit überwältigender Mehrheit gefasst werden können, mit einer unter Umständen auch „provozierten“ Anfechtungsklage konfrontiert zu werden, die eine Umsetzung der Beschlüsse erheblich verzögern oder gar gänzlich un-möglich machen kann.

Das geltende Recht macht es dabei auch den sog. „räuberischen“ Kleinaktionären leicht, ihre Kleinstbeteiligungen dazu zu missbrauchen, den Mehrheitsaktionär bei der Unter-nehmensführung erheblich zu behindern und auch wirtschaftlich sinnvolle und notwendige

608 Beachte auch die speziellen Auskunftsrechte nach § 293g Abs. 3, § 319 Abs. 3 Satz 4 AktG, § 64 Abs. 2 UmwG

609 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 2.8.1994, BGBl I, 1961

610 Doralt/Druey/Hommelhoff/Hopt/Lutter/Wymeersch, Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 732

Umstrukturierungsmaßnahmen zu torpedieren, einzig mit dem Ziel, ihn zu finanziellen Zu-geständnissen zu veranlassen.611

Jeder Aktionär, der in der Hauptversammlung erschienen ist und Widerspruch gegen ei-nen Beschluss zur Niederschrift erklärt hat, kann wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung innerhalb einer einmonatigen Frist Anfechtungsklage erheben (§§ 243, 245 AktG). An sonstige Voraussetzungen, wie ein individuelles Betroffensein des Klägers durch den Beschluss oder eine bestimmte Beteiligungshöhe bzw. Quorum, ist das Anfech-tungsrecht nicht gebunden. Damit ist jeder anfechtungsbefugt, der nur eine einzige Aktie der Gesellschaft im Nennbetrag von einem Euro (vgl. § 8 Abs. 2 AktG) besitzt. Das Kos-tenrisiko des Anfechtungsklägers ist zudem wegen der gesetzlichen Streitwertregelung in

§ 247 AktG begrenzt. Eine besondere Haftungsnorm, wie sie § 200 Abs. 2 des Aktienge-setzes von 1937 darstellte und nach welchem die Kläger für einen Schaden der Gesell-schaft aus unbegründeter Anfechtung als Gesamtschuldner verantwortlich waren, sofern ihnen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden konnte, hat keinen Eingang in das Aktiengesetz von 1965 gefunden.612

Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs zum AktG 1965 wurde vom Ge-setzgeber bewusst davon abgesehen, „das Anfechtungsrecht des Aktionärs zu erschwe-ren.“ „Dieses Recht ist die wirksamste Waffe des Aktionärs. Wirklich missbräuchliche An-fechtungsklagen sind in den letzten Jahren nicht bekannt geworden.“613 Diese zum dama-ligen Zeitpunkt wohl schon nicht ganz zutreffende Annahme614 sollte sich auch im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung als folgenschwerer Irrtum erweisen.

Sämtliche wichtige Strukturmaßnahmen, sei es die Verschmelzung, die Spaltung, die Vermögensübertragung oder der Formwechsel gemäß dem UmwG, die Eingliederung, der Unternehmensvertrag oder die Satzungsänderung und die Maßnahmen zur Kapitalbe-schaffung und -herabsetzung (genehmigtes Kapital, Aktienoptionspläne, erleichterte Be-zugsrechtsausschlüsse) nach dem AktG, bedürfen nach geltendem Recht neben der Zu-stimmung der Hauptversammlung zu ihrer Wirksamkeit zwingend der Eintragung in das Handelsregister.615

611 Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 245, Rnr. 48

612 Krieger, ZHR 1999, 343, 360

613 BegrRegE, zitiert nach Kropff, AktG 1965, S. 332 f.

614 Die Rechtsprechung des BGH war bezüglich des Vorwurfs eines Missbrauchs des Anfechtungsrechts äußerst zurück- haltend, vgl. z.B. BGHZ 33, 175, 186 f.; BGHZ 36, 121 ff.; BGH WM 1962, 456, 457. Dies rechtfertigt allerdings nicht die Annahme, dass ein Auskauf von Anfechtungsklagen zu dieser Zeit nicht stattgefunden hätte, vgl. Boesebeck, AG 1963, 203. Einen rechtshistorischen Überblick über den Missbrauch des Anfechtungsrecht liefert Baums, Gutachten zum 63.

Deutschen Juristentag, 2000, F 144 f., m.w.N.; vgl. auch Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 245, Rnr. 47 f.

615 Vgl. nur §§ 20, 131, 202 UmwG, bzw. §§ 320a, 294 Abs. 2, 181 Abs. 3, 189, 197, 203, 211 AktG

Gerade angesichts dieses Erfordernisses stellt sich das grundsätzlich uneingeschränkte Anfechtungsrecht jedes einzelnen Aktionärs jedoch als besonders problematisch dar.

Durch die der Anfechtungsklage innewohnende Hebelwirkung werden missbräuchliche Anfechtungsklagen geradezu herausgefordert.616

Die Erledigung der Anmeldung durch Eintragung setzt für die Verschmelzung und (kraft Verweisung) auch für die sonstigen Umwandlungen nach dem UmwG, wie die Spaltung (§

125 UmwG), die Vermögensübertragung (§ 176 Abs. 1 UmwG) und den Formwechsel (§

198 Abs. 3 UmwG), gemäß § 16 Abs. 2 UmwG die Erklärung des Antragstellers voraus,

„dass eine Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses nicht oder nicht fristgemäß er-hoben oder rechtskräftig abgewiesen oder zurückgenommen worden ist.“ Eine identische Vorschrift besteht für die Eingliederung in § 319 Abs. 5 AktG. Ohne diesen sog. „Negativ-test“ dürfen diese Maßnahmen grundsätzlich nicht eingetragen werden.617 Jede Klage ge-gen einen Umwandlungsbeschluss, sei sie auch mutwillig erhoben, bewirkt daher eine nur schwer überwindbare Registersperre.618 Mit dem Ziel, Nachteile für die Gesellschaften durch fristgerecht, aber aussichtslos erhobene Klagen insbesondere „räuberischer“ Klein-aktionäre zu verhindern, hat das UmwG 1994 in § 16 Abs. 3 UmwG sowie das AktG für die Eingliederung in § 319 Abs. 6 AktG durch Einführung des sog. Freigabebeschlusses zwar die durchaus hilfreiche Möglichkeit geschaffen, dass das Prozessgericht die Eintra-gung anordnen kann, wenn die Klage unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder wenn das alsbaldige Wirksamwerden der Strukturmaßnahme nach freier Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der Schwere der mit der Klage geltend gemachten Rechtsverletzung zur Abwendung der vom Antragssteller dargelegten wesentlichen Nachteile für die an der Strukturmaßnahme beteiligten Rechtsträger und ihre Aktionäre vorrangig erscheint.

Allerdings führen schon die Erfordernisse dieser Vorschriften dazu, dass die Antwort auf die Frage, ob ein Freigabebeschluss erlassen und die Registersperre beseitigt werden wird, letzten Endes einer Einzelfallentscheidung des Gerichts überlassen bleibt.619 Diese wird sich aber kaum jemals verlässlich vorhersagen lassen.

616 Selbst bei nicht eintragungsbedürftigen Maßnahmen kann sich ein erheblicher "Lästigkeitswert" aus der Erhebung einer Anfechtungsklage ergeben. So kann beispielsweise die Anfechtung einer Aufsichtsratswahl (§ 251 AktG) aufgrund der Rückwirkung eines stattgebenden Aufhebungsurteils einige Probleme mit sich bringen und schon vorher die Legiti-mation des betreffenden Aufsichtsratsmitglieds in Frage stellen, vgl. BGH WM 1975, 787, 789 f.

617 Grunewald, in: Münch. Komm. AktG, Bd. 8, § 319, Rnr. 32; Veil, ZIP 1996, 1065 ff.

618 Zur Entwicklung der daraus resultierenden Abhängigkeit der betroffenen Gesellschaften vgl. Schmid, ZGR 1997, 493 ff.

619 Ganske, Umwandlungsrecht, S. 69

Zudem wird eine erhobene Anfechtungsklage, selbst im Falle eines erfolgreichen Vorab-verfahrens, regelmäßig zu einem Zeitverlust von zumindest mehreren Monaten führen.620

Aber auch für die nicht unter das Umwandlungsgesetz fallenden bzw. nicht die Eingliede-rung betreffenden Strukturmaßnahmen, wie SatzungsändeEingliede-rungen, Abschluss, ÄndeEingliede-rung und Aufhebung von Unternehmensverträgen sowie Maßnahmen der Kapitalbeschaffung und –herabsetzung, besteht faktisch eine Registersperre. Nach § 127 FGG kann das Re-gistergericht, sofern die Eintragung von der Beurteilung eines streitigen Rechtsverhältnis-ses abhängt, die Verfügung aussetzen, bis über das Rechtsverhältnis im Wege des Rechtsstreits entschieden worden ist. Die vom Registerrichter nach pflichtgemäßem Er-messen zu treffende Entscheidung könnte allerdings nicht nur in einer Aussetzung des Verfahrens sondern auch darin bestehen, dass er die Anmeldung zurückweist oder die Eintragung verfügt.621 Sofern sich jedoch nicht ein beherzter Registerrichter findet, der, wenn er der Klage keine Erfolgsaussichten beimisst, trotz seines persönlichen Haftungsri-sikos – der Registerrichter kommt nicht in den Genuss des Spruchrichterprivilegs des § 839 Abs. 2 BGB - eine Eintragung vornimmt, wird das Eintragungsverfahren bei schwe-benden Anfechtungsklagen jedenfalls bis zur erstinstanzlichen Entscheidung überwiegend ausgesetzt werden.622

Lässt sich in den vorgenannten Fällen die tatsächlich oder faktisch bestehende Register-sperre jedenfalls theoretisch noch überwinden, so steckt der Vorstand bei Strukturverän-derungen im Sinne der „Holzmüller“-Entscheidung623 endgültig in einem Dilemma. Ent-scheidet sich der Vorstand, die in Frage stehende Maßnahme trotz drohender oder bereits erhobener Anfechtungsklage im Interesse des Unternehmens umzusetzen, birgt dies das Risiko, dass er im Falle des späteren Unterliegens im Anfechtungsverfahren von der Ge-sellschaft persönlich in Regress genommen wird, vgl. § 93 AktG. Unterlässt der Vorstand hingegen die Maßnahme bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsprozesses, kann es unter Umständen Jahre bis zu deren Ausführung dauern.

620 Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag, 2000, F 158

621 Zu den Empfehlungen, wie dieses Ermessen ausgeübt werden soll vgl. z.B. Keidel/Kunze/Winkler, FG, § 127, Rnr.

36 ff.; Zöllner, in: Kölner Komm., § 243, Rnr. 37 ff.; ders. Reformbedarf im Aktienrecht, S. 162; Hüffer, in: Geß-ler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. V, § 243, Rnr. 132 ff.; Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktio-näre im Rahmen von Anfechtungs- und Spruchstellenverfahren, S. 68 ff.; Lüke, ZGR 1990, 657, 667 f.; Bokelmann, DB 1994, 1341 ff.;

622 Schiessl, AG 1999, 442, 444, 445; Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag, 2000, F 160

Die hieraus entstehenden Konsequenzen sind verheerend. Berechtigte, wie auch miss-bräuchliche Klagen können die für den Erfolg wichtiger Struktur- und Kapitalmaßnahmen entscheidende zeitnahe Umsetzung durch teilweise jahrelange Blockierung der Eintra-gung erheblich verzögern. Die Verzögerung der Implementierung derartiger Maßnahmen verursacht nicht nur Kosten in (je nach Grössenordnung) Millionen- oder auch Milliarden-höhe. Das Damoklesschwert einer Nicht-Eintragung führt darüberhinaus auch zu einer er-heblichen Verunsicherung der Aktionäre, Führungskräfte, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und nicht zuletzt der Kapitalmärkte, die hierauf regelmäßig mit Abstrafungen in Form von Kursabschlägen reagieren.

Vor diesem Hintergrund bereitet es insbesondere der Sparte der sog. Berufsaktionäre624, die die Erhebung von Anfechtungsklagen als Einkommensquelle erschlossen haben, kei-ne allzu großen Schwierigkeiten, den Vorstand eikei-ner Aktiengesellschaft zu eikei-nem Auskauf der Anfechtungsklage zu bewegen. Auch wenn derartige finanzielle Zugeständnisse ein-deutig gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr in § 57 AktG und das Verbot der Gleichbehandlung aller Aktiönäre nach § 53a AktG verstoßen,625 so ist es aus rein be-triebswirtschaftlicher Sicht des Unternehmens trotzdem weitaus vorteilhafter, Beträge in nicht unerheblicher Höhe zu bezahlen, sofern dadurch der Weg für eine eilige Struktur-maßnahme frei wird.

Versuche der Rechtsprechung, rechtsmissbräuchlichen Aktionärsklagen mit dem Instru-ment der allgemeinen Missbrauchskontrolle aus § 242 BGB zu begegnen, waren zumin-dest in der Vergangenheit nicht sonderlich von Erfolg gekrönt.

Als rechtmissbräuchlich wird es jüngerer Zeit zwar bewertet, wenn der Anfechtungskläger einen Beschluss der Hauptversammlung ausschließlich zu dem Zweck anficht, die Ge-sellschaft grob eigennützig zu einer ihm unter keinem Gesichtspunkt zustehenden Zah-lung zu veranlassen und er sich dabei von der VorstelZah-lung leiten lässt, die Gesellschaft werde die Leistung in der Hoffnung erbringen, dadurch den Eintritt anfechtungsbedingter Nachteile zu vermeiden oder zumindest gering zu halten.626 Nach der älteren Rechtspre-chung bedurfte es demgegenüber zur Feststellung des Rechtsmissbrauchs noch Versu-che von Seiten des Anfechtungsklägers, der Gesellschaft „selbstsüchtig seinen Willen

623 BGHZ 83, 122 = DB 1982, 795 = NJW 1982, 1703 = WM 1982, 388 = AG 1982, 158

624 Zu der in diesem Bereich besonders aktiven Personengruppe, siehe Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag, 2000, F 56

625 Umfassend hierzu und einem denkbaren Verstoss gegen § 71 AktG: Lutter, ZGR 1978, 347 ff.; auch Lutter, in: Kölner Komm. AktG, § 57, Rnr. 5, 8; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. I, § 57, Rnr. 4, 5

626 BGHZ 107, 296 "Kochs Adler"; BGH, AG 1992, 317 "AMB/BfG"; BGH, NJW 1992, 569 "Deutsche Bank/Kühne"; BGH AG 1990, 259 "DAT/Altana"; vgl. auch Schmidt, in: Großkomm. AktG, § 245, Rnr. 53 f.

presserisch aufzuzwingen“.627 Es werden hier auch Fälle erfasst, in denen von Seiten des Anfechtungsklägers versucht wird, die Gesellschaft durch Anfechtung des Beschlusses unter seine Kontrolle zu bringen628 oder die Gesellschaft unter Druck zu setzen, um sie in einen von ihm gegen die Gesellschaft geführten Schadensersatzprozess zum Nachgeben zu zwingen.629

Die Beweislast für missbräuchliches Verhalten trägt dabei allerdings die Gesellschaft, wo-bei hier auch das außerprozessuale Verhalten des Klägers, insbesondere seine Stellung als bekannter deutscher Berufsaktionär und seine in anderen Verfahren unternommenen Versuche, die Gesellschaft zu einem Auskauf seiner Anfechtungklage zu bewegen, Be-rücksichtigung finden können.630

Durch eine subtilere Vogehensweise und geschicktes prozesstaktisches Verhalten gelingt es den Anfechtungsklägern jedoch immer wieder, den Nachweis des Missbrauchs im Pro-zess zu erschweren.631

Dieses Szenario erlangt über die negativen Auswirkungen für die beteiligten Unternehmen hinaus auch Bedeutung für den Wirtschaftsstandort und Finanz- bzw. Börsenplatz Deutschland, dessen Provinzialität in der Vergangenheit schon des öfteren beklagt wor-den ist.632

Für inländische Gesellschaften, Konzerne und Investoren stellt es im internationalen Wettbewerb zweifelsohne einen Nachteil dar, wenn Strukturänderungen der Gesellschaft, die aus wirtschaftlichen, geschäftspolitischen oder strategischen Gründen angestrebt werden, wegen der Existenz von einigen wenigen Minderheitsgesellschaftern mit gerin-gem Aktienbesitz nicht oder nur mit erheblichem zeitlichen und finanziellen Aufwand bzw.

um den Preis langwieriger Anfechtungsklagen umgesetzt werden können.

Aber auch ausländische Investoren werden es - jedenfalls wenn sie mit der Akquisition bzw. Umstrukturierung einen Gesamtplan verfolgen, dessen Verwirklichung einen 100%

Anteilsbesitz voraussetzt - bisweilen als abschreckendes Hindernis betrachten, in Deutschland zwar unter Umständen eine weit über die satzungsändernde Mehrheit hi-nausgehende Beteiligung, gleichwohl aber nicht alle Aktien erwerben zu können und

627 RGZ 146, 385, 395

628 BGHZ 33, 175, 186 "Minimax II"; vgl. auch BGHZ 21, 354 „Minimax I“

629 OLG Frankfurt, AG 1996, 135 "Frankfurter Hypothekenbank AG/Deutsche Centralbodenkredit AG"

630 BGH, AG 1990, 259 "DAT/Altana"; BGHZ 107, 296 "Kochs Adler"

631 Zu diesen Vorgehensweisen vgl. Baums, Gutachten zum 63. Deutschen Juristentag, 2000, F 153, 154

632 Baums, ZIP 1997, 1310; Hopt, ZHR 1997, 368, 370 Fn. 6, 394; Neye, ZIP 1995, 1464; Assmann, AG 1995, 563

folgedessen bei allen zukünftigen Maßnahmen auf die gesetzlichen Schutzrechte einer womöglich renitenten Minderheit Rücksicht nehmen zu müssen.

Es geht in diesem Zusammenhang also auch um institutionelle Vorteile im internationalen Standortwettbewerb um neue Investitionen, junges Kapital, den Sitz junger Gesellschaf-ten, die Effektivität und Attraktivität der Börsen- und Kapitalmärkte, letztlich mithin um ei-nen Teil der corporate governance und einer leistungsfähigeren Unternehmens- und Wirt-schaftsverfassung.

Eingeordnet in diesen größeren Rahmen gewinnt die squeeze-out Option damit eine nicht zu unterschätzende gesamtökonomische Komponente. Generell betrachtet geht es aus ökonomischer Sicht zunächst vor allem darum, dass die durch die verbliebenen Restmin-derheiten verursachten Transaktionskosten nicht durch anderweitige Vorteile ausgegli-chen werden.633 Im Sinne einer Verringerung dieser Transaktionskosten ist eine Aus-schlussoption geeignet, folgende positive Effekte mit gesamtwirtschaftlichen Auswirkun-gen zu Auswirkun-generieren:

· Reduktion von Agency-Kosten

Infolge eines squeeze-outs kommt es zu einer Vereinigung des Anteilseigentums in einer Hand. Durch diese Konzentration des Eigentums und der Stimmrechte be-steht die Möglichkeit zur Optimierung der Kontrolle über die Gesellschaft und des Managements, da die Überwachung (monitoring) des Managements durch den Al-leinaktionär als Kontrolleur verbessert werden kann. In Ermangelung des bei Exis-tenz von Minderheitsaktionären hinsichtlich der Überwachung des Managements bestehenden free rider problems, wird der Kontrolleur bei alleinigem Eigentum der Gesellschaft in die Lage versetzt, sämtliche Erträge aus dem monitoring zu inter-nalisieren, so dass sein Anreiz zu weiteren Anstrengungen maximiert und damit ein für ihn optimales Kontrollniveau erreicht werden kann. In der Konsequenz wer-den dadurch die Agency-Kosten des Eigenkapitals minimiert, woraus eine Steige-rung des Unternehmenswertes folgt. Die squeeze-out option eröffnet von daher die Möglichkeit, die hierfür erforderliche Vereinigung von Eigentum und Kontrolle her-zustellen. Zu bemerken ist allerdings, dass dieser Effekt in Deutschland lange

633 Wenger/Kaserer/Hecker, ZBB 2001, 317, 322

ne so große Rolle wie in den USA spielen dürfte, da bereits zur Durchführung des squeeze-out ein hoher Grad an Eigentumskonzentration vorausgesetzt wird.634

· Eliminierung der shareholder servicing costs

Als Folge eines im Zusammenhang mit einem going private einhergehenden Aus-schlusses von Restminderheiten sowie der Einstellung der Börsennotiz ergibt sich ein weiterer unternehmenswertsteigernder Effekt aus der Einsparung der share-holder servicing costs, die insbesondere aus den mit der Börsennotierung einher-gehenden Emittentenpflichten, wie der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Handels durch die Beauftragung von designated sponsors oder market makers oder der Einhaltung zwindender minderheitenschützender Normen sowie aus den Kosten für investor relations resultieren.635

· Sicherung erforderlicher Um- und Restrukturierungsmaßnahmen und deren Finan-zierung

· Erhöhung der gesellschaftsinternen Rechts- und Planungssicherheit bei der Reali-sation strategischer Vorhaben

· Erhöhung der Rechts- und Planungssicherheit bei Unternehmensübernahmen Die Schnelligkeit der Unternehmensübernahme und des sich anschließenden In-tegrationsprozesses ist als einer der wesentlichen Erfolgsdeterminanten für einen Zusammenschluss anzusehen. Da mit einer kodifizierten Ausschlussregelung eine vollständige Übernahme und damit der Erwerb der Kontrolle über das Unterneh-men nach Überschreitung einer bestimmten Beteiligungsschwelle garantiert ist, ist zu erwarten, dass Unternehmenstransaktionen reibungsloser und im Ergebnis er-folgreicher durchgeführt werden können als ohne deren Existenz.

Angesichts dieser zu erwartenden positiven Effekte auf die Aktivitäten im Bereich mergers

& acquisitions ist abzusehen, dass die gesetzliche Verankerung eines Rechts zum Aus-schluss von Minderheitsaktionären den gesamtökonomisch optimalen Strukturwandel von Unternehmen, Konzernen und ganzer Industriezweige durch beispielsweise die

& acquisitions ist abzusehen, dass die gesetzliche Verankerung eines Rechts zum Aus-schluss von Minderheitsaktionären den gesamtökonomisch optimalen Strukturwandel von Unternehmen, Konzernen und ganzer Industriezweige durch beispielsweise die