• Keine Ergebnisse gefunden

C. Verfassungsmässigkeit

I. Beeinträchtigung des mitgliedschaftlichen Bestandsinteresses

Die verfassungsrechtliche Würdigung nimmt ihren Ausgang bei Art. 14 GG.

Der grundrechtliche Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet das Eigentum, worunter auch das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung durch Ver-fügungsbefugnis und Privatnützigkeit gekennzeichnete, in der Aktie verkörperte Anteilsei-gentum zu verstehen ist.642 Die Verfassung versteht den einzelnen Aktionär also als Ei-gentümer der Gesellschaft; seine Mitgliedschaft wird als rechtsformübergreifendes Struk-turmerkmal des Einzelnen zur Gesellschaft begriffen.643 Dieses grundlegende Verständnis von der Eigentümerstellung des Aktionärs verdeutlicht auch die Regierungsbegründung zum Aktiengesetz 1965:644 „Unsere Rechts- und Wirtschaftsordnung beruht auf der Aner-kennung und dem Schutz des privaten Eigentums und der freien Verfügung über das Ei-gentum. Ein Aktienrecht, das diesen Grundsätzen unserer Wirtschaftsverfassung entspre-chen soll, muss daher von dem wirtschaftlientspre-chen Eigentum der Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmen ausgehen und darf das Mitsprache- und Kon-trollrecht der Aktionäre nur insoweit einschränken als dies erforderlich ist, um die Funkti-onsfähigkeit und die Erreichung des Zweckes des Zusammenschlusses zu sichern, zu

642 BVerfGE 14, 263, 276 ff.; 25, 371, 407; 50, 290, 341 ff.; Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rnr. 193

643 Schmidt, Gesellschaftsrecht, §§ 19-21

644 Begr. RegE abgedruckt bei Kropff, AktG, 1965, S. 14

dem sich die Aktionäre freiwillig verbunden haben, sowie um die Wahrung übergeordneter witschafts- und gesellschaftsrechtlicher Ziele zu gewährleisten.“

Um diesem Grundverständnis Rechnung zu tragen, erstreckt sich der durch Art. 14 GG vermittelte Schutz des koporativen Eigentums nach eingeschliffener Begriffs- und Sys-tembildung dabei grundsätzlich sowohl auf die mitgliedschaftliche Stellung als auch auf die vermögensrechtlichen Ansprüche, die das Aktieneigentum vermittelt.645

Auch diese in Art. 14 GG verbürgte Eigentumsgarantie, die ihr einfachgesetzliches Ge-genstück in den gesellschaftsrechtlichen Mitverwaltungs- und Vermögensrechten findet, wird jedoch nicht schrankenlos gewährleistet.

Inhalt und Schranken des Eigentum werden vielmehr durch den Gesetzgeber bestimmt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), dem hierbei im Rahmen dessen, dass er die grundlegenden Wertentscheidungen der Verfassung zugunsten des Privateigentums nicht über Gebühr verkürzt, ein weiter Gestaltungsspielraum zuzuerkennen ist. Das Bundesverfassungsge-richt hat in seinem „Feldmühle"-Urteil646 diesbezüglich ausgeführt, dass „der Gesetzgeber es aus gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls für angebracht halten kann, die sen der Minderheitsaktionäre an der Erhaltung der Vermögenssubstanz hinter die Interes-sen an einer freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten zu lassen.“ Auch in seiner „DAT/Altana"-Entscheidung,647 der mit der Eingliederung einer Aktiengesellschaft eine vergleichbare Sachverhaltskonstellation wie beim „Feldmühle"-Urteil zugrundelag, sah das Gericht, ebenso wenig wie in seinem „Moto-Meter“-Beschluss648, keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Nun kommt es im Rahmen einer Mehrheitseingliederung nach § 320 AktG, wie beim Un-ternehmensvertrag nach §§ 291 ff. AktG, zwar jedenfalls zu einer Beeinträchtigung der grundrechtlich geschützten, in der Aktie verkörperten Rechtsposition, die mitunter auch einem Totalverlust wirtschaftlich gleichgestellt werden kann.649 Die Eingliederung gem. § 320 AktG führt jedoch im Gegensatz zu der in Frage stehenden Ausschlussregelung nicht in allen Fällen von vorneherein zu einem Totalausschluss aus der Gesellschaft, da sie prinzipiell eine primäre Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft vorsieht und nur für be-stimmte Fälle eine Barabfindung der ausscheidenden Gesellschafter zulässt.

645 Maunz/Dürig, GG, Bd. II, Art. 14, Rnr. 193

646 BVerfGE, 14, 263, 282

647 BVerfGE, 100, 289

648 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, BVerfG, BB 2000, 2011

649 BGHZ 135, 374 = ZIP 1997, 1193; dazu Hüffer, EWiR 1997, 769

Eine andere als die in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Aus-druck gebrachte rechtliche Bewertung ist auch angesichts dieses Unterschiedes dennoch sachlich nicht gerechtfertigt. Geht man mit obiger Argumentation650 davon aus, dass es ein auch aus Gründen des volkswirtschaftlichen Gesamtwohls beachtenswertes unter-nehmerisches Interesse an einer weitergehenden Flexiblisierung von Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen gibt, und in diesem Zusammenhang auch ein Bedürfnis nach ei-ner Beschränkung der potentiellen Missbrauchsmöglichkeiten von Minderheitsaktionären zumindest bei Vorliegen besonderer Mehrheitsverhältnisse besteht, kann es verfassungs-rechtlich nicht beanstandet werden, dass die Beeinträchigung des mitgliedschaftlichen Bestandsinteresses nicht als besonders schwer bewertet wird. Bezieht man in diese Über-legungen weiterhin mit ein, dass die mit jeder Aktie durch das Stimmrecht auf der Haupt-versammlung als zentralem Organ der Gesellschaft verbundene Leitungs- und Herr-schaftskomponente bei Minderheitsaktionären nur noch sehr begrenzt ist651, und auch ihr Interessenschwerpunkt überwiegend an der Vermögenskomponente ihrer Beteiligung, mithin also an der Steigerung des Kurswertes und der Dividenden, ausgerichtet ist,652 be-gegnen der vorgesehenen Ausschlussregelung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Stellung keine prinzipiellen verfassungsrechtlichen Bedenken.653

Diese rechtliche Beurteilung ändert sich auch dann nicht, wenn man in die im Lichte des Art. 14 Abs. 1 GG vorzunehmende Abwägung zwischen den Interessen der Minderheits-aktionäre, mit den Interessen der Kontrollmehrheit einfließen lässt, dass durch den Aus-schluss die Auswahlentscheidung der Minderheitsaktionäre hinsichtlich ihrer Investition zunichte gemacht wird. Bei den dieser Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Grün-den kann es sich zunächst um ein rein ideelles Interesse handeln, speziell an dieser Ge-sellschaft beteiligt zu sein. Der Investor kann aber auch beispielsweise besondere, unter Umständen persönlich motivierte Erwartungen in die betreffende Gesellschaft, ihr Mana-gement oder das von ihr betriebene Geschäft setzen oder sich eine besonders gute Ren-tabilität von gerade dieser Gesellschaft versprechen, aus der er hinausgedrängt werden soll.

650 Vgl. oben, 4. Teil, B.

651 BGH, ZIP 1998, 690 = NJW 1998, 1866, 1867

652 BGHZ 120, 141, 151 = ZIP 1992, 1728

653 Ebenso Pötzsch/Möller, WM 2000, Sonderbeilage Nr. 2, 29; Land/Hasselbach, DB 2000, 557, 562; Handelsrechts ausschuss des Deutschen Anwaltsverein e.V., NZG 1999, 850; Halm, NZG 2000, 1162, 1165; Neye, EWiR, 2000, 913, 914

Angesichts der übergeordneten wirtschafts- und gesellschaftsrechtlichen Ziele ist es ihm jedoch zuzumuten, sich eine alternative Kapitalanlage in einem Unternehmen mit ver-gleichbarer Ausrichtung zu suchen, was sich zumindest in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes finden lassen wird.654

Darüber hinaus gilt auch für das Aktieneigentum, dass bloße, in dem aktuellen Wert des konkreten Eigentums noch nicht abgebildete Gewinnerwartungen und in der Zukunft lie-gende Verdienstmöglichkeiten sowie die Rahmenbedingungen und Chancen, innerhalb derer ein Unternehmen seine Tätigkeit entfaltet, außerhalb der von Art. 14 GG verbürgten Eigentumsgarantie liegen.655

Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG schließt es somit nicht schon grundsätzlich von vorneherein aus, eine Aktionärsminderheit auf andere Weise als im Wege der Eingliederung gegen ihren Willen aus der Aktiengesellschaft hinauszudrängen.656

Dieses Ergebnis wird auch durch einen Blick auf die Vorschriften über die Auflösung der Aktiengesellschaft, §§ 262 ff AktG, bestätigt. Der Gesetzgeber gestattet die Auflösung der Gesellschaft auch gegen den Willen der Minderheitsgesellschafter mit einer qualifizierten Mehrheit; er unterwirft die Minderheit mithin auch für den gravierenden Fall der Gesell-schaftsauflösung der Mehrheitsmacht. Das Gesetz selbst bringt hierin die Wertung zum Ausdruck, dass die Mitgliedschaft in einer Aktiengesellschaft nicht permanent und unent-ziehbar ist, und dass in einem Entzug bzw. einer Beendigung der Mitgliedschaft nicht zwangsläufig eine Verletzung von Eigentumsrechten erblickt werden kann.