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Tobias Pfanner an Thomasius Weimar, 29. November 1688

Chronologisches Briefverzeichnis

Falknern 8 dienstlich zugrüßen ich recommendire meinen sohn zum besten undt ver- ver-bleibe unter Christi schutz

T. Nobilissimae Excellentiae deditissimum Clientem

87 Tobias Pfanner an Thomasius Weimar, 29. November 1688

Weimar, 29. November 1688

auch bey mir nach und nach sich die Liebe und aestime verlohren, biß endlichen

nechstverwichenen Jahrs sich bekandter maßen zugetragen, daß der Herr von Pufen-dorff den Herrn von SeckenPufen-dorff in seinem Meüselwitz,

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welches ein Asylum omni-um bonoromni-um eoqve magis tutissimomni-um suiipsius refugiomni-um atqve receptaculomni-um seyn sol-te, gantz unverschuldeter weiße überfallen, angegriffen, deßen durch Arbeit und Verdienste so vieler Jahre auferbaute Ehre, so viel an ihme uno impetu, in Staub und Koth getreten, Ihn von seiner nicht nur bey Höfen, sondern auch unter denen Gelehr-ten erreichGelehr-ten Ehren-Stelle in die Verächtlichste Gasse herunter gesetzt, aus seinem de toga wohlverdienten Staatsmann schier gar einen Schneider gemacht,

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und mit weni-gem auf solche weise tractiret, die kaum durch einige vorhergehende wiederige Erwei-sung hette verdienet werden können.

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Was dieses Tractement bey allen sonst gantz unpassionirten Gemüthern vor Bewegung erwecket, und der anfallenden Parthie vor Unglimpff zugezogen, will ich vor dißmal mit beschwerlicher Weitleüftigkeit unausgeführet laßen, meine darüber geschöpfte Ungedult ist nicht geringer als mit dem Scripto zu mildern geweßen, welches eben auch mich in den Krieg mit eingeflochten, und wie ich ungerne vermercke, auch Mhhn. zu unangenehmer Empfindung gereichet. Ich will mich mit Verthädigung eines solchen Vornehmens nicht aufhalten, worzu ich keinen andern Antrieb gehabt, als welcher aus der Unlust zu entstehen pfleget, die denen Gemüthern gemeiniglich ange-bohrn oder angewehnet ist, die Unschuld von den Übermuth vergewaltiget oder beläs-tigt zusehen. Es kan derselbe mit Ehrerbietung und Freündschaft dem von Pufendorff so sehr nicht zugethan seyn, Daß sie mir die Zuversicht zu meiner Sache, und zu deßen gerechten Urthel solten benehmen können, ohne die geringste Vorbehaltung aller in denen Rechten gebräuchlichen oder ersinnlichen Wohlthaten auf deßen Erkäntniß und Ausspruch auszustellen, ob der Herr geheimbde Rath von Seckendorf einen solchen Angrif verdienet, oder auch nur verweißlich fallen können, der beleidigten Unschuld zu einer geringen Bedienung einen Streich zuwagen, und mich in Gefahr, in keinem andern Absehen, als jener wo nicht eine Hülffe iedoch einigen Trost zu schaffen, zu-setzen. Maßen ich darbey so gar anders sonsten nichts gesuchet, daß ich, wie dem Hochsten bekandt, dieses Vorhaben so gar ohne Wißen des von Seckendorff zu Wer-cke gestellet, daß er dieses Scriptum eine gute weile nachdeme es heraus gekommen, pro foetu, nescio, cujus Lipsiensis gehalten hat;

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deme ich auch wegen Erbauung meiner fortun in hiesigen Landen ein mehrers nicht, als ein gelehrter demjenigen zu dancken, durch deßen Anweisung Er in Erlernung des Lesens zu seiner erudition einen Anfang erlanget.

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Ich vernehme sonsten, daß nunmehr zwischen diesen beeden Friede gestiftet worden;

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Zwar ohne Vermerckung, daß ich darbey in den Schluß oder auch nur in die Tractaten

gekommen, worbey Ich mich nicht erwehren können, daß mir nicht die Holländer

dar-über eingefallen, welche zwar die Hülffe von Keyser und andern Alliirten

angenom-men, selbiger

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aber bey Erzielung eines particular-Friedens in dem Stich und Kriege

und mithin in der Gefahr und Schaden gelaßen,

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doch verdencke ich diesem

vorneh-men Mann nicht, wann er seinem Alter Ruhe schaffen,

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und sich von stätiger

Besorg-niß fernern Einfalß und Angrifs befreyet und gesichert zuwißen verlanget, were es eine

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Sache, die mit Wünschen ausgerichtet werden könte, so wolte ich Ihme gönnen, daß auch das Andencken des vergangenen mit allen deßen Reliqvien aboliret werden, und Ihme also die völlige restitution des von der Göttl. Gütigkeit sonst so mildiglich ver-liehenen Ruhe- und Wohlstands gedeihen, und also mit der Wunde sich auch die Nar-be verliehren könte, welche gleichwohl nach gestalt der Sache, in seinem Gedächtnis, so lange sein Leben wehret, und auf dem Pappier, so lange noch die Welt zustehen hat, unausgeleschet verbleiben muß. Ich meines Orths will auswarten, was meine Fehde vor ein Ende gewinnen werde, worein mich, wie angeführet, kein anderer Muthwillen, als der gerechten Sache nach meinem armen Vermögen beyzustehen verleitet, woraus aber zukommen, ich mir eine iede weise werde gefallen laßen, welche so wohl mir ehrlich und erleidlich als dem Gegentheil anständig seyn möchte. Und zu solchem Zweck eben ist das anempfohlene Schreiben etlicher maßen angesehen, wovon ich hierbey eine Abschrift einzulegen, vor diensam befunden, damit derselbe desto zuver-läßiger ermeßen möge, was wegen verlangter Fortbestellung, salvo amici officio möchte zuthun, oder zulaßen seyn;

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maßen ich auch auf diesen letztern Fall nichtsdes-toweniger bey dem Vertrauen verbleiben werde, welches ich einmal zu deßen Höflig-keit gefaßet, und worinn ich mich nach so geneigter Offerte desto mehr gestärcket be-funden. Ich kan mir eben das Geschicke nicht zutrauen, hierbey eine solche Maaße getroffen zuhaben, so zugleich allerseits Vergnügung und d[em]

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darbey angezielten Absehen gemäß seyn, doch ist vorset[zlich] darinn nichts enthalten, wordurch zu Fort-setzung de[s] Kriegs Anlaß und Ursach gegeben werden möchte, we[lches] ich mit einem ehrlichen Frieden vielmehr verwechsel[t] zuwerden verlange. Es kan mein Schreiben ein mehrer[s] nicht, als die Jura legationis praetendiren, die nach Beschaf-fenheit der Ümbständte iezuweilen, auch salvô Genti[um] jure, nicht zugelaßen, oder zurücke gewiesen werden kan.

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Inzwischen werde ich mir insonders lieb seyn laßen, durch eine obgleich so wieder-wertige Occasion zu der [Ehre] einer nähern Bekandtschaft Mhhn. gerathen zu seyn, und will ich meine obgleich geringe Schriften, mir sel[bsten] noch etwas mehr gefallen laßen, nachdem derselbe [mich] eines so gütigen Urthels würdigen wollen, deßen in[ge]nium bereits durch genugsame Proben gewiesen, [wie] weit es sich aus- und über die gemeine Gattung gesch[wun]gen habe. Werde mich auch etwa hinkünftig der erlaubten Freyheit bedienen, über ein und anders von meinen unverfänglichen Ge-dancken eine bescheidentlich[e] Anzeige zuthun, welches vor dißmal weder die Kürtze [der] Zeit, noch die vorhin schon über ihre Maße ausgewichene Größe gegenwärtigen Schreibens verstatten wollen. Schließe demnach mit dancknehmiger Acceptirung der angetragenen Mediation, der Anempfehlung in Göttl. Gnaden-Schutz, und mit der Versicherung hinkünftig zu verbleiben

Meines hochgeehrten herren Dienstfertigster TPfanner, f. S.

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gesampter hofRathe mpp.

Weymar den 29 Novembr. 1688.

Weimar, 29. November 1688

Beilage:

Schreiben von Tobias Pfanner an Samuel von Pufendorf, [Weimar, 15.11.1688]

Überlieferung: SUB Hamburg, Sup. ep. 51, Bl. 73r–74v (Abschrift, Schreiber; o. O., o. D., o. U.)24; Döring (Hg.): Samuel Pufendorf. Briefwechsel, 1996, Nr. 151, S. 218–22125

Pfanner bemüht sich in seinem Brief sichtlich um einen Ausgleich mit Pufendorf und be-dauert die Eskalation der Kontroverse, wobei er – ähnlich wie gegenüber Thomasius – die Position, die er in dem Streit eingenommen hatte, durchaus selbstbewusst vertritt. Er gibt Pufendorf zu verstehen, dass er sich von dessen Polemik und der seiner Parteigänger getroffen fühlt. Abschließend wünscht er jedoch, dass Pufendorf ihn nicht zu den „Swar-zianis Becmannisqve“

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zählen möge.

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1 Ein Teil der Blätter wurde in der Sammlung in falscher Reihenfolge eingebunden; hier ist die rich-tige Abfolge wiederhergestellt. Zum Teil schwer lesbare Zeilenenden konnten in Zweifelsfällen meist durch den Entwurf verifiziert werden.

2 Der Entwurf war offenkundig die unmittelbare Vorlage für die Endfassung, da selbst Fehler mit-samt ihren Korrekturen übernommen wurden.

3 Siehe Thomasius’ Schreiben an Pfanner vom 25.11.1688.

4 Die Anrede auf der Adressseite lautet entsprechend vertraulich „Mon tres-honore Amy“.

5 Gemeint ist Pfanners Schreiben an Pufendorf, s. die Beilage zu diesem Schreiben bzw. Beilage [1]

zu Pfanners Brief an Thomasius vom 15.11.1688.

6 Durch Korrektur in der Vorlage offenbar versehentlich getilgtes Schluss-„e“.

7 Die ursprünglich hier folgende Formulierung „die von der milden Natur verliehene, und“ wurde bereits im Entwurf selbst ausgestrichen.

8 Pfanners 1. Auflage seiner Geschichte des Westfälischen Friedens erschien 1679 anonym mit fin-giertem Druckort („Irenopolis“ für Gotha) unter dem Titel „Historia Pacis Germano-Gallo-Suecicae, Monasterii Atque Osnabrugae tractatae“. Die Bezeichnung „Historia Pacis Westphali-cae“ tauchte darin nur als Kolumnentitel auf und fand sich erst ab der 3. Auflage (1697) auch auf dem Titelblatt wieder.

9 Es handelte sich um Georg Friedrich Sperling, der seit 1667 das Amt des kaiserlichen Bücher-kommissars bekleidete. Die kaiserliche Bücherkommission mit Sitz in Frankfurt/M., dem führen-den Buchmesseplatz jener Zeit, war Teil der kaiserlichen Zensurbehörführen-den. Die ausnehmend katho-lische Ausrichtung der Kommission führte im Laufe des 17. Jahrhunderts – nicht zuletzt unter Sperling als einem entschiedenen Verfechter dieser Linie – zu Spannungen mit den protestanti-schen Reichsständen. Siehe dazu Kapp: Geschichte des Deutprotestanti-schen Buchhandels, 1886, S. 608–735, und Eisenhardt: Die kaiserliche Aufsicht, 1970, bes. S. 79f., 111–113, 117.

10 Die 2. Auflage war 1681 wiederum anonym und mit dem fingierten Verlagsort „Irenopolis“ er-schienen. Der von Pfanner genannte Hinweis findet sich in der „Praefatio ad Editionem Secun-dam“, S. [5].

11 Das Rittergut und Schloss Meuselwitz bei Altenburg hatte Veit Ludwig von Seckendorff 1676 erworben; 1681 ließ er sich dort dauerhaft nieder, um sich seinen wissenschaftlichen Studien zu widmen, s. u. a. Strauch: Seckendorff, 2005, S. 79ff. Pfanner greift hier und im Folgenden bei der Beschreibung seiner Verstrickung in die Kontroverse zwischen Pufendorf und Seckendorff Formu-lierungen auf, die er bereits in seiner Streitschrift gegen Pufendorf (Modestiae Castigatio, 1687) gebraucht hatte.

Weimar, 29. November 1688

12 Zu Pufendorfs Geringschätzung von Seckendorffs staatspolitischem Rang vgl. seinen Brief an Thomasius vom 9.4.1687.

13 Die Differenzen zwischen Seckendorff und Pufendorf hatten zwar schon 1686 begonnen (vgl.

Pufendorfs Brief an Thomasius vom 9.6.1686), aber Pfanner bezieht sich hier – wie schon zuvor in seiner „Modestiae Castigatio“ – auf die Angriffe, die Pufendorf in seiner im Herbst 1687 herausge-kommenen Streitschrift „Commentatio Super Invenusto Veneris Lipsiae Pullo“ gegen Seckendorff gerichtet hatte, vgl. dazu auch den Brief von Pufendorf an Thomasius vom 25.2.1688.

14 Gemeint war Valentin Alberti, Pufendorfs Gegner in Fragen des Naturrechts und ein Parteigänger Seckendorffs. Alberti war – wie schon in mehreren Schriften Pufendorfs zuvor – auch in dessen

„Commentatio Super Invenusto Veneris Lipsicae Pullo“ das Hauptangriffsziel gewesen, vgl. insbe-sondere Pufendorfs Briefe an Thomasius vom 9.6.1686, 9.4.1687 und 31.8.1687.

15 Seckendorff hatte dem jungen Pfanner Anfang der 1660er Jahre durch Empfehlungen zu einem Studienstipendium des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha sowie zu einer Hofmeisterstelle bei dem schwedischen Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie verholfen (die Stelle hatte Pfanner aller-dings nicht angetreten). Spätestens seit Ende 1687 unterhielten Seckendorff und Pfanner wieder engeren Kontakt. Seckendorff stützte sich für seinen „Commentarius Historicus Et Apologeticus De Lutheranismo“ (1688, erweitert 1692) auf die Mitarbeit des inzwischen renommierten Hofar-chivars Pfanner, vgl. Hirsching: Historisch-literarisches Handbuch, Bd. 7, 2. Abtlg., 1805, S. 112;

Strauch: Seckendorff, S. 17. Zu Seckendorffs Geschichte des Luthertums s. auch den Brief Pufen-dorfs an Thomasius vom 9.4.1687.

16 Zu den Versöhnungsbemühungen zwischen Pufendorf und Seckendorff vgl. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 28.8.1688 und Pfanners Brief an Thomasius vom 15.8.1688.

17 Im Entwurf „selbige“.

18 Gemeint sind die Friedensverträge von Nimwegen, mit denen 1678/1679 der Französisch-Niederländische Krieg beendet wurde. Da Ludwig XIV. von Frankreich und die Vereinigten Nie-derlande mit einem Separatvertrag Fakten schufen, mussten die übrigen beteiligten Kriegsmächte nachziehen und sich insbesondere die Verbündeten der Niederländer, Spanien und das Heilige Rö-mische Reich, ungünstigen Friedensbedingungen unterwerfen, während die Niederlande ihre terri-toriale Integrität weitgehend wahren konnten.

19 Die Entwurfsfassung bricht an dieser Stelle ab.

20 Siehe die Beilage zu diesem Brief. Pfanner war bereit, den Inhalt seines Schreibens an Pufendorf vom 15. November 1688 Thomasius zugänglich zu machen, damit dieser den Inhalt prüfen und ge-gebenenfalls seine Vorbehalte gegen eine Weiterleitung des Briefs aufgeben konnte.

21 Die folgenden eckigen Klammern kennzeichnen in der Vorlage nicht lesbare Stellen am Seiten-rand, Ergänzungen erfolgten nach Plausibilität.

22 Das „ius legationis“ bzw. „ius legatorum“ (Gesandtschaftsrecht), auf das Pfanner – als ein Kenner internationaler Vertragswerke – hier anspielt, war ein zentrales Thema der staats- und völkerrecht-lichen Diskussionen seit dem Dreißigjährigen Krieg. Das „ius legationis“ bezeichnete das Recht ei-nes Landes, eigene Repräsentanten in fremde Staaten zu schicken, setzte aber die Einwilligung des betreffenden Landes bzw. die gegenseitige Anerkennung von Entsende- und Empfangsstaat voraus.

23 „f. s.“ = fürstlich sächsischer.

24 Von den erhalten gebliebenen Entwurfs- und Abschriftsfassungen ist diese Version die speziell für Thomasius angefertigte Abschrift: „Sam. Pufendorfio Consiliario Brandenburgico Electorali T.

Pfannerus S. M.“

25 Dort auch zu weiteren Überlieferungen und zu Fragen der Datierung. Döring gibt als Datum „[No-vember 1688]“ an. Die hier vorgenommene zeitliche Einordnung ergibt sich aus dem Umstand, dass Pfanner ziemlich wahrscheinlich sowohl den Brief an Thomasius als auch jenen an Pufendorf an einem Tag fertiggestellt haben dürfte; vgl. auch unten seine Schreiben an Thomasius und (in der Beilage) an Pufendorf vom 14.1.1689.

[Annaberg, ca. 29./30. November] 1688

26 Pfanner bezieht sich hier auf Pufendorfs Gegner in Schweden, Josua Schwartz und Nikolaus Beckmann, gegen die Pufendorf in mehreren Schriften polemisiert hatte, vgl. passim im Brief-wechsel zwischen Pufendorf und Thomasius in den Jahren 1687/1688. In einer dieser Schriften (Jo-suae Schwartzii Dissertatio Epistolica, 1688 [o. S.]; S. 342f. der Neuedition in: Palladini (Hg.):

Samuel Pufendorf. Eris Scandica) war Pufendorf auch mit Pfanner wenig zimperlich umgegangen und hatte u. a. dessen Namen – worauf Pfanner in seinem Brief explizit eingeht – in einem ana-grammatischen Wortspiel zu „Sybota Napfernus“ verballhornt („sybotes“/„sybota“ griechisch-lateinisch für „Schweinehirte“).

27 Für Thomasius waren die Anzeichen von Pfanners Friedenswilligkeit ausreichend genug, um end-lich dessen Schreiben an Pufendorf weiterzuleiten, s. Thomasius’ Brief an Pufendorf vom 8.12.

1688.