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Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 14. März 1688

Chronologisches Briefverzeichnis

Falknern 8 dienstlich zugrüßen ich recommendire meinen sohn zum besten undt ver- ver-bleibe unter Christi schutz

C. Thomasium 13

49 Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 14. März 1688

che“ näher vor, da er über Adam Rechenberg von Pufendorfs Skepsis über die Erfolgs-aussichten dieses Zeitschriftenprojekts erfahren hatte.

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Thomasius deutet an, offenbar wegen der – auch unter Freunden – nicht immer nur zustimmenden Resonanz, im März-heft Änderungen vornehmen zu wollen.

1 Seit Januar 1688 gab Thomasius mit den „Monatsgesprächen“ ein Periodikum heraus, das wegen seines satirischen Stils sogleich für Aufsehen sorgte. Der Titel der ersten Ausgabe lautete „Schertz- und Ernsthaffter/ Vernünfftiger und Einfältiger Gedancken/ über allerhand Lustige und nützliche Bücher und Fragen Erster Monat“, wechselte in der Folge aber mehrfach, vgl. die Anmerkungen zum Schreiben Thomasius’ an den Rat der Stadt Leipzig vom 23.1.1688.

49 Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 14. März 1688

Vorlage: Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sammlung Thott 1276, o. Pag. (eigenhändig)

Weitere Überlieferung: Gigas (Hg.): Briefe Pufendorfs an Thomasius, 1897, Nr. V, S. 14–17; Döring (Hg.): Samuel Pufendorf. Briefwechsel, 1996, Nr. 130, S. 184–185

Berlin den 14. Martij Ao. 1688.

Edler und hochgelahrter

Mein insonders hochgeehrter Herr und sehr werther Freund,

Deßen geehrtes von 4 huius habe wohl erhalten, und versichere nochmahls Mhh., daß es mit dem dissensu im geringsten nichts zubeteuten hat.

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Ich bekenne au contraire, daß mir einige passagen sehr wohl gefallen, und sonderlich daß Mhh. die fundamenta-len propositiones de socialitate so deutlich demonstriret, u. alles so wohl darauß dedu-ciret.

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In vielen, da Mhh. dissentiret, ist meine eigene meinung getroffen, die ich aber zu publiciren nicht hardiesse gnug gehabt habe, u. also lieber bei der communi blieben.

In ein und andern habe mein besonder absehen, davon vielleicht anderer zu discuriren

wird gelegenheit seyn. Uberschicke epistolam Beckmanni wieder, die überaus naif ist,

et lactuca pro istis labiis.

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Sehe aber gerne, daß man es so heimlich drucken könte, daß

der autor nicht erkand were. Denn ich meinen guten freund nicht will occasion geben

meinet wegen sich feindschaft aufn halß zuladen,

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etiam ab asinis, qui vel ruditu

mo-lesti esse possunt. Und habe ich 2. vettern in Hamburg,

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die gerne diese opinion solten

auf sich deriviren laßen, daß einer unter ihnen autor were. Solches aber wird schon

zuerhalten seyn, wo man es nicht zu Halle drucken laßet.

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Auf diese weise könten sie

sich wohl die Ostermeße behelffen, biß ich gegen herbst beliebts Gott mit epistola

Schwatij ad Wildschyssium vorm tag komme, die sanglant genug seyn soll. Mein

Bru-der ist vor 8 tagen von Hamburg aus nach Regensburg in seines neuen herrn

commis-sion als Envoyé Extraord. gegangen, u. also bereit mit solchen leuten versehen, die er

nöthig hat u. accommodiren kan;

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so uns von hertzen leyd ist, daß die aestime, so für

seinen h. bruder habe, deßen gute qualiteten mir sehr wohl anstehen, zuerweisen nicht

Berlin, 14. März 1688

occasion gehabt. Es war sonsten meine intention, wenn ich ein wenig in meine arbeit alhier avanciret were, zubegehren, mir einen geschickten Mann zu adjungiren, der mir acta hülffe im Archivo extrahiren. Worzu ich Mhh. h. Bruder hatte vorschlagen wol-len. Aber dieses ist auch zernichtet, in dem sie bereits einen Berolinensen, u. der hier begütert ist me inconsulto verordnet, daß er mir hierin soll an hand gehen, wo es nöthig ist, u. haben ihm den titel von geheimen Secretario gegeben.

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Ich kan sie nicht verdenken, daß sie hierzu lieber einen einheimischen, als einen frembden u. der meine creatur were genommen haben, wenn man betrachtet, von was für importantz es gehal-ten wird einen access ad Archivum Principis zu haben. U. kan ich kein wichtiger tes-timonium, daß man mich für einen redlichen Man helt, für der welt produciren, als daß man mich aus Schweden gelaßen, nach dem ich 10 jahr in ihrem archivo geseßen, u.

mich nun in das hiesige läßet. Ich versichere Mhh. nicht per modum complimenti, sondern in rechtem ehrlichen ernst, daß ich sorge tragen will, was müglich ist für sei-nen h. Bruder etwas aufzusuchen, nur daß man mir zeit laße, weil es sich so geschwin-de nicht thun läßet, zumahl von einem, geschwin-der selbst noch nicht warm worgeschwin-den. U. soll Mhh. schon avisiren, ob es will angehen, was ich seinet wegen hier zu proponiren ge-denke. Von Mhh. relationibus oder Actis Otiosorum erinnere mich nichts anders an h.

Lic. Rechenberg geschrieben zu haben,

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(denn ich pflege keine copien zubehalten) als daß ich fürchte, Mhh. würde sich damit viel feinde machen. Welches so es anders aus-gedeutet, u. zur unzeit ausgebracht worden mir leyd ist. Und weil ich hoffe, daß Mh.

mich für seinen guten freund helt, und nicht übel wird aufnehmen, wen ich meine mei-nung sincere sage, so muß ich von diesem instituto zwar bekennen, daß es sehr gut und nützlich sey, nicht allein daß man es in deutscher sprache publicire, sondern daß man auch die stultitias scriptorum ein wenig durchhächele. Wie ich mir denn einbilde, daß man die infinitam libidinem scribendi, die mit so unzehlich unnützen büchern Europa anfüllet auf keine weise beßer kan hemmen, als wenn man die nimium scripturientes leßet durch die spitzruthen lauffen. Allein es ist revera ein danaidarum werck

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, u.

darbey man sich wohl versehen muß, daß man nicht crabrones zu sehr irritire, und daß man aufn fall einen rückenhalt wiße.

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Darnach so ist wohl die schertzhafte art zu-schreiben dem leser sehr angenehm, aber beißet den, so getroffen wird, viel schärffer, als seria censura. So ist auch lange zu railliren sehr schwer, nicht anders als wie viel lachen entlich verdrießlich wird. So daß ich mir einbilde, ein solch werck were ange-nehmer, wenn es in universum mit ernst abgefaßet würde, u. doch hin undwieder schertz u. picquanterie condimenti instar angesprenget hette. Mir düncket auch, es sey eine große servitut sich alle monat zu einem solchen scripto zu obligiren, zumahl wo man keine Collegen hat.

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Welches Mh. bey sich selbst überlegen wird, u. in den fol-genden sein gutes absehen etwas deutlicher ausführen, welches so aus dem anfang nicht allen in die augen leuchten können. Maßen auch Mhh. bereits promittiret, solches in mense Martio zuthun, daß zu sehen verlange. Wegen meine überkunft habe an h. L.

Rechenberg geschrieben, u. werde es wohl müßen aufschieben, biß die lerchen reif

werden, da man ein paar tage mehr spendiren kan.

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Denn es will nicht stehen, strax im

anfang der neuen charge spatzier reysen vornehmen, weil die neuen beßen wohl

keh-ren sollen. Wollen unterdeßen uns bißweilen mit einem brieflein ergetzen. Bitte alle

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gute freunde, u. sonderlich Mh. h. Bruder meinet wegen frl. zu grüßen, u. ich verbleibe lebenslang

Meines hochgeehrten hn.

dienstwilligster diener Sam. v. Pufendorf. mp.

Beyschluß bitte h. Gleditschen oder seinen volmächtigen zuzustellen laßen.

Beilagen:

[1] Die von Thomasius übersandten ersten Manuskriptbogen der Satire „Nicolai Beck-manni ad V. C. Severin. Wildschütz Malmogiensem Scandum Epistola“

[2] Unterlagen, die zur Weiterleitung an Pufendorfs Leipziger Verleger Johann Friedrich Gleditsch bestimmt waren.

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1 Pufendorf bezieht sich auf Thomasius’ „Institutiones Jurisprudentiae Divinae“. Zu Thomasius’ Be-denken wegen seiner Abweichungen von Pufendorfs Naturrechtslehre vgl. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 25.2.1688.

2 Dieses Anliegen wurde auch von Thomasius selbst hervorgehoben: „Alle Scripta Anti-Puffen-dorffiana zielen dahin/ daß die Socialität kein Principium cognoscendi des Rechts der Natur seyn könne. Derowegen habe ich dieselbe wider alle Objectiones durch klare und deutliche Definitiones und Axiomate befestiget.“, s. Christian Thomas eröffnet der Studierenden Jugend in Halle/ Ein Collegium Privatum Uber seine Institutiones Jurisprudentiae Divinae, 1691, wieder abgedruckt in der 2. Auflage der „Institutiones“, 1694, S. 73–84. Gemeint war die von Thomasius vorgenommene Verschränkung von Vernunft, Sprache und Geselligkeit: Geselligkeit ist die Voraussetzung für Sprache, diese wiederum ist (als innere Rede) Grundbedingung der Vernunft, Vernünftigkeit bedarf der Geselligkeit. Das Gebot des natürlichen Gesetzes, nämlich das zu thun „was mit der vernünffti-gen Natur des Menschen überein kömt“, und das zu unterlassen, „was aber derselben zu wider ist“

(Thomasius: Göttliche Rechtsgelahrheit, 1709, S. 73), läuft darauf hinaus, den Frieden und die öf-fentliche Ruhe zu befördern, d. h. gesellig zu sein. Vgl. Schneiders: Naturrecht und Liebesethik, 1971, bes. S. 106–113; Grunert: Normbegründung, 2000, S. 195ff.; Kühnel: Das politische Denken von Christian Thomasius, 2001, bes. S. 28–36.

3 Nach dem römischen Sprichwort „Similes habent labra lactucas, (asino carduos comedente)“. Vgl.

Otto: Die Sprichwörter der Römer, 1890, S. 182f. Im Sinne von: Dem Esel ist es gleich, ob er Salat oder Disteln frisst.

4 Gemeint ist höchstwahrscheinlich Gottfried Thomasius als Verfasser der Satire „Nicolai Beckman-ni ad Severin. Wildschütz Epistola“, vgl. Christian Thomasius’ Brief an Pufendorf vom 18.2.1688.

5 Pufendorf hatte Verwandtschaft in Hamburg; Döring nennt einen Neffen namens Emanuel Zeuner, der Adam Rechenberg in einem Schreiben vom 8.9.1688 über die Wirkung der „Epistola Beck-manni“ in Hamburg unterrichtete, s. Döring (Hg.): Samuel Pufendorf. Briefwechsel, 1996, S. 114, Anm. 5; S. 185, Anm. 1; S. 203, Anm. 2.

6 Das Buch erschien dann tatsächlich mit der Angabe des Verlags bzw. Verkaufsortes Hamburg, s.

Pufendorfs Brief an Thomasius vom 17.7.1688.

7 Pufendorfs älterer Bruder Esaias war bis Juli 1687 Kanzler der unter schwedischer Herrschaft ste-henden Herzogtümer Bremen und Verden gewesen und Ende Januar 1688 als Geheimer

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rungsrat in dänische Dienste getreten. Wenige Wochen später wurde er als außerordentlicher Ge-sandter des vom dänischen König Christian V. regierten Herzogtums Holstein an den Immer-währenden Reichstag nach Regensburg abgeordnet.

8 Hauptaufgabe Pufendorfs am brandenburgischen Hof war die Darstellung der Regierungszeit des Großen Kurfürsten, wofür er Zugang zu den hochgeheimen politischen Akten im Geheimen Archiv benötigte. In seiner Bestallungsurkunde vom 16.3.1688 ist vermerkt, dass Pufendorf als „Historio-graphus primarius“ bei seiner Arbeit zu unterstützen sei, explizit wird der Name des Archivars Ma-girus genannt, der Pufendorf einen Platz im Archiv anweisen und ihm die erforderlichen Dokumen-te „suppeditiren“ solle, s. GStA PK, Berlin, I. HA GR, Rep. 9, Fasz. 14, Bl. 3rv u. Bl. 7. Johann Magirus (1655–1697) war jedoch schon im April 1678 zum kurfürstlich-brandenburgischen Ge-heimen Sekretär (in der GeGe-heimen Kanzlei und im Geheimarchiv) ernannt worden. Sollte Pufen-dorfs Bemerkung zum Ernennungszeitpunkt stimmen, wäre auch an den im „Cabinet der geheim-sten Staatsacten“ tätigen Johann Schütte (ca. 1650–1696) zu denken; er wurde am 21.3.1688 offiziell zum „Geheimen Sekretär“ bestallt, vgl. Cosmar: Geschichte des Königlich-Preußischen Geheimen Staats- und Kabinettsarchivs, 1993, S. 71f., 88f.; Bahl: Hof des Großen Kurfürsten, 2001, S. 534f., 581.

9 Mit den „Acta Otiosorum“ sind die „Monatsgespräche“ gemeint. In den ersten beiden Heften hatte Thomasius eine fiktive „Gesellschaft der Müßigen“ als Herausgebergremium auftreten lassen. Pu-fendorfs Brief an Rechenberg scheint nicht erhalten geblieben zu sein.

10 Sinnbildlich für eine vergebliche, nie endende Arbeit. Nach der griechischen Sage waren die Töch-ter des Danaos – wegen des Mordes an ihren Ehemännern – im Hades zum Wassertragen mit zer-brochenen Scherben bzw. zum Wasserschöpfen aus einem durchlöcherten Fass verurteilt worden.

11 Von Anfang an handelte sich Thomasius mit den „Monatsgesprächen“ insbesondere bei Zensurbe-hörden und den orthodox-lutherischen Theologen Leipzigs Schwierigkeiten ein (vgl. Thomasius’

Schreiben an den Rat der Stadt Leipzig vom 23.1.1688); sie sollten bis zur Einstellung der Zeit-schrift nicht abreißen. Ob auf Pufendorfs Rat oder eine anderweitige Empfehlung hin, Thomasius bemühte sich jedenfalls im April 1688 erfolgreich, den kursächsischen Oberhofmarschall Friedrich Adolph von Haugwitz als mächtigen Gönner für sich zu gewinnen. Von Haugwitz unterstützte Thomasius tatsächlich in den folgenden beiden Jahren immer wieder, wenn dieser wegen der „Mo-natsgespräche“ in Bedrängnis geriet, s. das Schreiben von Thomasius an von Haugwitz vom 1.4.

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12 Thomasius war alleiniger Herausgeber und Verfasser der „Monatsgespräche“, machte jedoch durchaus gerne von Informationen und ganzen Briefpartien Gebrauch, die er von Korrespondenz-partnern, nicht zuletzt auch von Pufendorf, erhielt, vgl. den Brief von Pufendorf an Thomasius vom 18.9.1688.

13 Die Bemerkung deutet auf Pufendorfs Absicht hin, zur Michaelismesse nach Leipzig zu kommen.

Das Vorhaben scheint sich jedoch – wie schon im Jahr zuvor – zerschlagen zu haben, vgl. den Brief von Pufendorf an Thomasius vom 9.4.1687.

14 1688 erschienen mehrere Veröffentlichungen Pufendorfs beim Leipziger Verleger Johann Friedrich Gleditsch: die deutsche Übersetzung seiner „Schwedischen Geschichte“ (Sechs und Zwantzig Bü-cher Der Schwedisch- und Deutschen Kriegs-Geschichte), die von Immanuel Weber besorgte deut-sche Übersetzung von „De Habitu Religionis Christianae Ad Vitam Civilem“ (Von Natur und Ei-genschafft Der Christl. Religion und Kirche in Ansehen des Bürgerlichen Lebens und Staats) sowie zwei Briefe an Adam Rechenberg „Epistolae Duae, Super Censura in Ephemeridibus Eruditorum Parisiensibus“. Ebenfalls bei Gleditsch kam Pufendorfs „Schwartzii Dissertatio Epistolica Ad [...]

Severinum Wildschyssium“ heraus, allerdings mit fingiertem Verlegervermerk, vgl. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 11.8.1688 sowie das Schreiben von Thomasius an Pufendorf vom 24.11.

1688.