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Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 17. Juli 1688

Chronologisches Briefverzeichnis

Falknern 8 dienstlich zugrüßen ich recommendire meinen sohn zum besten undt ver- ver-bleibe unter Christi schutz

C. Thomasium 13

65 Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 17. Juli 1688

Berlin, 17. Juli 1688

seine. Aber der nahme Epicurus ist bey den idioten so verhaßet, daß man sich fürchten muß, Bileams pferd werde auf alle Cantzelen steigen, und predigen,

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wenn man was gutes von Epicuro sagte.

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Wir wollen sehen, was epistola Beckmanni wird für effect thun,

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ob sie werden stillschweigen, oder mehr dernach rasen. Die Michaelis Meße wird auch Schwartzens epistel vorm Tag bringen, (davon doch Mhh. sich gegen nie-mandt etwas wolle vermercken laßen.)

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die verhoffentlich ziemlich gepfeffert seyn wird. Und wenn sie denn damit nicht zufrieden wollen seyn, nach dem nichts von rea-liteten mehr ubrig; so wird wohl zuletzt M. Ortuinus Gratius

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mit seinem Latein und schönen versen das beste thun müßen. Die raison kan nicht alle narren auf einmahl klug machen. Doch kriegt sie etlicher beyfall, und diese denn wieder einige; so daß doch regnum tenebrarum geschwächet wird. Mhh. wird sich schon vorsehen, daß sie Ihn nicht fester kriegen, u. einen process an halß werffen, auch daß Er am hofe appuy behalte, so laßen sie Ihn wohl leben; es were denn, daß M. Friderici einmahl recht zor-nig würde.

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Von Beckmanni epistel möchte wohl etliche exemplaria haben, wenn es ohne Mhh. ungelegenheit geschehen könte. Sie werden wohl eine partie nach Ham-burg gesteuert haben,

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damit der H. Wildschyß

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auch einige davon zusehen bekom-me.

Verbleibe im übrigen iederzeit Meines hochgeehrten herrn

Dienstschuldigster diener Sam. v. Pufendorf.

1 Im Juniheft der „Monatsgespräche“ hatte Thomasius unautorisiert Ehrenfried Walther von Tschirn-haus’ Erwiderung auf seine weitgehend ablehnende Besprechung von dessen „Medicina Mentis, Sive Tentamen genuinae Logicae“ abgedruckt, S. 746–792. Der Angegriffene hatte seine Verteidi-gung („Eilfertiges Bedencken wieder die Objectiones, so im Mense Martio Schertz und Ernsthaff-ter Gedancken über den Tractat Medicinae Mentis enthalten“) eigentlich nur zum privaten Ge-brauch unter ihm persönlich bekannten Gelehrten zirkulieren lassen; das Manuskript war jedoch auch in Thomasius’ Hände gelangt. Den Abdruck ergänzte dieser um einen eigenen, nochmals ver-schärften Kommentar (S. 793–849); er sprach nun offen aus, was er in der Rezension nur angedeu-tet hatte, dass nämlich Tschirnhaus mit seinem Werk spinozistisches Gedankengut verbreiangedeu-tet habe;

Literatur zur Kontroverse s. in den Anmerkungen zum Schreiben von Thomasius an Pufendorf vom 8.6.1688. Es kam schließlich zu einer Versöhnung zwischen Thomasius und Tschirnhaus, an der auch Pufendorf mitwirkte, vgl. dazu den Brief Pufendorfs an Thomasius vom 1.12.1688.

2 Anspielung auf die figürliche Darstellung der Barbaries (Barbaria = Roheit, Unkultiviertheit) als Jungfrau.

3 Unsichere Lesart.

4 Zu Pufendorfs Haltung gegenüber Spinoza vgl. seinen Brief an Thomasius vom 19.6.1688.

5 „Deus est omnium rerum causa immanens; non verò transiens“, [Spinoza]: Ethica, Pars 1, Proposi-tio XVIII, 1677, S. 19.

6 Die genauen Belege für die einzelnen Textstellen s. bei Döring (Hg.): Samuel Pufendorf. Brief-wechsel, 1996, S. 197, Anm. 2–4. Pufendorfs Hinweis auf „Orpheus beym Aristotele“ bezieht sich auf die sogenannten orphischen Lehren, d. h. die dem mythischen Sänger Orpheus zugeschriebenen

Berlin, 17. Juli 1688

Gedichte z. T. kosmologischen und theogonischen Inhalts, die auch bei Platon und Aristoteles Erwähnung fanden, s. dazu u. a. Albert Schwegler: Die Metaphysik des Aristoteles, Bd. 3, 1847, S. 31f.; Brisson: Orphée, orphisme et littérature orphique, 2005. „De mundo“ war eine der philoso-phischen Schriften des römischen Dichters Apuleius, der in diesem vielgelesenen Werk über die Ursprünge der Welt aristotelisches und platonisches Gedankengut bearbeitet hatte, vgl. Regen:

Apuleius philosophus Platonicus, 1971. Im 6. Buch der „Aeneis“ Vergils trifft Aeneas bei einem Aufenthalt in der Unterwelt auf seinen Vater Anchises, der ihm eine kosmologische Zukunftsvision darlegt (Vers 724–727), vgl. Zwierlein: Mantik und Prognostik im Weltbild Vergils, 2005, S. 143–

145.

7 Unterstreichung in der Vorlage mit anderer Tinte, am Rand ergänzt um ein „NB.“

8 Eine Kritik der Ethik des Aristoteles und der von diesem beschriebenen 11 Tugenden unternahm Thomasius in seiner Sommersemestervorlesung über die christliche Sittenlehre, vgl. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 19.6.1688.

9 Zu Pufendorfs Kritik an der partikularen, weil nur auf die griechische Polis bezogenen Moral in den Schriften des Aristoteles und Platons s. sein Schreiben an Thomasius vom 19.6.1688.

10 „s.“ = „sed“.

11 Anspielung auf die im 4. Buch Mose, Kap. 22–24, erzählte Geschichte vom unbotmäßigen Prophe-ten Bileam und dessen Esel, der – mit Sprache begabt – gegen die Absicht seines Besitzers wie auch des moabitischen Königs das Volk Israel segnet, statt es zu verfluchen. Die Begriffsvariante

„Bileams Pferd“ wurde zu Pufendorfs Zeit auf Personen angewandt, die zu eigenmächtiger, ge-schwätziger Einmischung in die Angelegenheiten anderer neigten. Zur rechtsphilosophischen Be-deutung Epikurs für Pufendorf vgl. auch Klenner: Bileams Pferd auf die Kanzeln!, 1996, S. 202f.

12 Das Juliheft der „Monatsgespräche“, über dessen Inhalt Thomasius anscheinend Pufendorf bereits informiert hatte, enthielt eine ausgiebige Verteidigung der epikureischen Ethik (auch in ihrem Ver-hältnis zu den Auffassungen Platons und Aristoteles’), s. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 28.8.1688. Zu Thomasius’ Epikur-Rezeption vgl. Kimmich: Lob der „ruhigen Belustigung“, 1997.

13 Die sehr wahrscheinlich von Thomasius’ Bruder Gottfried verfasste Satire „Nicolai Beckmanni ad V. C. Severin. Wildschütz Malmogiensem Scandum Epistola“ war im Juni, spätestens Anfang Juli erschienen.

14 Pufendorfs Satire „Schwartzii Dissertatio Epistolica“ kam wenige Wochen später im August her-aus, vgl. den Brief von Pufendorf an Thomasius vom 11.8.1688.

15 Der Kölner Theologe und Dozent an der Artistenfakultät Ortwin Gratius (1491–1542) war wegen seiner Verstrickung in den sogenannten Reuchlin-Pfefferkorn-Streit um das nachbiblische hebräi-sche Schrifttum ins Visier der Humanisten geraten. Er wurde zum literarihebräi-schen Spottobjekt, als Crotus Rubeanus und Ulrich von Hutten ihn 1515/1517 in den „Epistolae Obscurorum Virorum“

zum Hauptadressaten einer Reihe von fingierten Briefen scholastischer Gelehrter machten. Wie in Gottfried Thomasius’ „Epistola Beckmanni“ waren auch für Pufendorfs „Schwartzii Dissertatio Epistolica“ die in schlechtem Latein gehaltenen „Dunkelmännerbriefe“ ein Vorbild, wobei er die Rollenrede und auch die küchenlateinische Sprache weniger konsequent durchhielt, als es Gottfried Thomasius in seiner Satire tat; vgl. auch den ähnlichen Befund für die „Eris Scandica“ bei Palladini (Hg.): Samuel Pufendorf. Eris Scandica, 2002, S. VIII.

16 Valentin Friderici (1630–1702) war lange Jahre in Leipzig Assessor an der Philosophischen Fakul-tät mit dem Grad eines Magisters und lehrte zu philosophischen, philologischen und theologischen Themen. Erst im fortgeschrittenen Alter erhielt er 1692 – nach vier vergeblichen Bewerbungen zwischen 1658 und 1689 – eine Professur (für Hebräisch), s. Gößner: Personelle Struktur und Nachwuchsrekrutierung, 2005, S. 81 und Döring: Samuel Pufendorf als Student in Leipzig, 2012, S. 36f. Vgl. auch Pufendorfs Brief an Thomasius vom 25.7.1688.

17 Die „Epistola Beckmanni“ trug auf dem Titelblatt den Vermerk „Hamburgi. Prostat apud Petrum Grooten“. Die Formulierung „prostat apud“ konnte einen Verlag bezeichnen, aber ebenso einen