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Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 18. September 1688

Chronologisches Briefverzeichnis

Falknern 8 dienstlich zugrüßen ich recommendire meinen sohn zum besten undt ver- ver-bleibe unter Christi schutz

T. Nobilissimae Excellentiae deditissimum Clientem

76 Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 18. September 1688

Beilagen:

[1] Die ersten Druckbogen von Thomasius’ jüngster Publikation: Introductio Ad Philoso-phiam Aulicam, Seu Lineae Primae Libri De Prudentia Cogitandi Et Ratiocinandi, Ubi ostenditur media inter praejudicia Cartesianorum, & ineptias Peripateticorum, veritatem inveniendi via. Addita est Ulrici Huberi JCti Franequerani Oratio De Paedantismo, 1688 [2] Augustheft der „Monatsgespräche“ 1688

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1 Ob Thomasius das Heft tatsächlich mitschickte, ist nicht eindeutig zu sagen, lässt sich aber aus dem Umstand schließen, dass Pufendorf ohne Umschweife und detailliert auf den Inhalt des Hefts ein-ging.

76 Samuel von Pufendorf an Thomasius Berlin, 18. September 1688

Vorlage: Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sammlung Thott 1276, o. Pag. (eigenhändig)

Weitere Überlieferung: Gigas (Hg.): Briefe Pufendorfs an Thomasius, 1897, Nr. XII, Nr. 9, S. 27–30;

Döring (Hg.): Samuel Pufendorf. Briefwechsel, 1996, Nr. 144, S. 203–205

Berlin den 18. Septembr. Ao. 1688.

WohlEdler und hochgelahrter

Sonders hochgeehrter herr und werther Freund,

Deßen sehr angenehmes von 12. dito zusamt dem beygeschloßenen

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habe wohl

erhal-ten, u. bedanke mich zum schönsten für dero communication noch mehr aber für die

beharliche gute affection, so Mhh. uberall gegen mir verspüren laßet, bey welcher

zwar viel sich findet, so meine modestie zu agnosciren nicht zulaßet, will es aber nur

einzig in dem regard nicht verhindern, weil meinen feinden dardurch verdrieß

ge-schicht. h. Fridrich Carpzov

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that mir die ehre u. besuchte mich hier, u. wiewohl er

sonsten ziemlich der andern partey in faveur reden wolte muste er doch bekennen, daß

die letzten 2. bogen von Alberto so viel gift, malice, u. hochmuth in sich hetten, daß

man nichts theologisches denn spüren könte.

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Ich bleibe noch bey meiner resolution,

daß ich ihn nicht mehr würdig achten will selbst zubeantworten. Allein wenn der

epis-toliographus will seinen esprit exerciren, so bekomt er stadtliche materie; zumahl

wenn diese Meße von den andern sich noch einiger am tag giebet. Es wird die

Comoe-die am besten mit einer farce geendiget. Er muß sich nur hüten, daß er nicht bekandt

werde, und sich viel feindschafft erwerbe.

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U. soll ich auf selbigen fall die sachen

ve-lut meo nomine zum druck in Frankfurt an der Oder befördern.

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Der anfang von der

prudentia cogitandi et ratiocinandi gefallet mir sans flatterie sehr wohl, u. verlange das

gantze werk zusehen.

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Es wird keyn vernunftiger so unbillig seyn, der nicht erkennen

u. bekennen wird, daß man hierdurch mehr in solida sapientia perficiren kan, als aus

alle dem gemeinen zeuge, damit man sich bißhero geplaget. Nur bin ich bange, daß

unser guter Alberti entlich gar mit Niobe in einen stein verwandelt werden wird, wenn

Berlin, 18. September 1688

er seine liebe philosophiam Christianam, nebenst der Logica u. Metaphysica so für seinen augen massacriren siehet,

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worüber er manches theologische säufötzerlein her-ausstoßen wird. H. Wildschüß were wohl werth, daß meine landsleute ihn auf den kel-ler führeten, und ein klein reuschlein mit ihm drinken, daß er an Leipzig gedenken könte.

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H. Beßer

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hat mir gelegenheit gemacht mit h. Burgermeister Steger

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zu con-versiren, in dem er mich zum abendeßen bey ihm geladen, wiewohl ich sonsten kein coenator bin, Ist ein galanter Mann, u. habe ich wohl ihn für 30 und mehr jahren ge-kannt, aber Er mich nicht. Er wird wohl von hiesigen exsequien zureferiren wißen, quae verè Regiae erant.

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Soll en passant melden, daß sonsten h. Kulpis sich für mei-nen freund ausgegeben, auch etliche mahl vor diesem an mich geschrieben.

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Aber eine zeit her komt er mir vor, als hette er einige grillen in kopfe. Ich kan ihn nicht helf-fen. Der Autor Templi pacis heißet Jacob Otto Com. Pal. Caes. und Syndicus der Stadt Ulm.

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Hat solches buch an den Sehl. verstorbenen Churfürsten wollen dediciren, aber aus mangel von adresse es bleiben laßen müßen. Wormit dieses herrn reputation gar kein abbruch geschehen. Es ist ihm sonsten recht eingeschenket worden. Mh. wün-schet nicht unbillig, daß die negotiation zwischen den keyserlichen und Frantzosen zu Münster were ausführlich beschrieben worden, weil es viel dienen wurde zu den con-troversien die das Reich itzo mit den Frantzosen hat.

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Allein, daß ich es in historia Svecica

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nicht thun können, ist die ursach, weil sie intervenientibus mediatoribus trac-tiret, davon aber Chisius den Schwedischen resident Rosenhahn, der sonst vermöge des preliminar schlußes

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bey den tractaten hette seyn sollen, durchaus nicht leyden wolte;

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deswegen so wohl dieser Rosenhahn zu Munster, als der frantzosische Resi-dent zu Osnabrug von den tractaten weg bleiben musten.

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Et consequenter ist in dem Schwedischen archivo von selbigen tractatibus inter Caesareos et Gallos nichts als was ich en gros eingefuhret – aber keine exacte relation, oder protocollen. U. ist also hier-von nirgend anders noch nicht zu finden, als zu Paris, Wien, Venedig u. Rom. Wie-denn zu Rom im Vaticano eine descriptio tractatuum Monasteriensium zufinden, so ein Münch aus Fabij Chisij rapporten componiret, deßen abschrift ich durch königin Christina

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zubekommen verhoffete, aber vergeblich. Bitte schließlich Seinen hn. Bru-der meinet wegen dienstl. zu grüßen, und ich bin lebenslang

Mhh.

Dienstschuldigster diener Sam. von Pufendorf.

1 Siehe das Schreiben Pufendorfs an Thomasius vom 18.9.1688 sowie die Beilagen.

2 Der Jurist Friedrich Benedict Carpzov (1649–1699) war Ratsherr zu Leipzig, Mitherausgeber der

„Acta Eruditorum“ und ein Bruder des streitbaren Theologen Johann Benedict (II) Carpzov. Zu dieser Begegnung s. auch das Schreiben von Pufendorf an Thomasius vom 16.10.1688.

3 Alberti: Judicium de Nupero Scripto Pufendorfiano, 1688. Siehe dazu die Briefe von Thomasius an Pufendorf vom 22.8.1688 und von Pufendorf an Thomasius vom 28.8.1688.

4 Pufendorf rechnete anscheinend weiterhin fest damit, Gottfried Thomasius, den Verfasser der

„Epistola Beckmanni“, als Autor neuer Streitepisteln gegen seine, Pufendorfs, Gegner, gewinnen zu können, vgl. Pufendorfs Brief an Christian Thomasius vom 11.8.1688.

Berlin, 18. September 1688

5 Der Druck in Frankfurt/O. war deswegen attraktiv, weil der Text damit außerhalb des sächsischen Zensurbereichs erscheinen konnte.

6 Die ersten Druckbogen von Thomasius’ „Introductio Ad Philosophiam Aulicam“ waren soeben erschienen; der Untertitel („De Prudentia Cogitandi Et Ratiocinandi“) hatte schon jener Privatvor-lesung ihren Namen gegeben, die Thomasius im vorangegangenen Sommersemester gehalten hatte und aus der das Buch hervorgegangen war. Pufendorf hatte bereits das Programm zu dieser Vorle-sung gelobt, vgl. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 24.3.1688.

7 Alberti war seit 1663 ordentlicher Professor für Logik, Dialektik und Metaphysik an der Universi-tät Leipzig und Verfasser einer orthodox-lutherischen Naturrechtslehre, „Compendium Juris Na-turae, Orthodoxae Theologiae Conformatum“ (1676/1678), vgl. Thomasius’ Brief an Pufendorf vom 11.4.1685. Auch wenn Thomasius den Namen seines Widersachers in der „Introductio“ nicht nannte, waren Albertis Auffassungen vom christlichen Naturrecht und seine aristotelisch-scho-lastische Methodik als Negativfolie zu der von Thomasius propagierten modernen „prudentia cogi-tandi et ratiocinandi“ so präsent, dass sich Alberti bemüßigt sah, die Philosophische Fakultät um-gehend zu einer Klage gegen Thomasius beim Dresdner Oberkonsistorium zu bewegen, s. das Schreiben von Thomasius an das Oberkonsistorium Dresden vom 24.1.1689; ferner das Schreiben vom Concilium perpetuum der Universität Leipzig an Thomasius vom 14.1.1689 und die zugehöri-ge Beilazugehöri-ge.

8 Möglicherweise hatte Thomasius berichtet, dass sich Severin Wildschütz, der fiktive Empfänger der „Epistola Beckmanni“ sowie der „Schwartzii Dissertatio Epistolica“, in Leipzig aufhalte. Tat-sächlich sollte Wildschütz kurz darauf, im Oktober 1688, mit Hilfe der Leipziger Bücherkommis-sion gegen die beiden Spottepisteln vorgehen, s. dazu die Briefe von Thomasius an Pufendorf vom 24.11.1688 und von Pufendorf an Thomasius vom 1.12.1688.

9 Der brandenburgische Legationsrat Johann Besser, vgl. Pufendorfs Brief an Thomasius vom 24.3.1688.

10 Adrian Steger (1623–1700), Jurist, Leipziger Ratsherr und mehrfach Bürgermeister der Stadt.

Thomasius zählte ihn unter seine Leipziger Vertrauten und widmete ihm 1691 die „Einleitung zur Vernunfft-Lehre“.

11 Gemeint ist das feierliche Leichenbegängnis des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. am 12./

22.9.1688.

12 Johann Georg Kulpis (1652–1698), von 1683 bis 1686 Professor der Institutionen und des öffentli-chen Rechts in Straßburg, seither in herzoglich württembergisöffentli-chen Diensten. Im Rahmen einer ausgiebigen Erörterung reichsrechtlicher Literatur hatte Thomasius im Augustheft der „Monatsge-spräche“ 1688 (S. 203f., 207, 217–219) verschiedene Werke von Kulpis erwähnt und als Zeugnisse eines „warhafftigen Jure-Consultus“ gewürdigt, darunter auch dessen kritischen Kommentar zu Pufendorfs 1667 unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano erschienener Reichsverfas-sungsgeschichte „De Statu Imperii Germanici“. Eine Kritik an Thomasius’ positiver Einschätzung von Kulpis findet sich in dem Schreiben des Juristen Johann Christian Lange an Thomasius vom 28.12.1688.

13 Ebenfalls im Augustheft der „Monatsgespräche“ (S. 226–234) war Thomasius ausgesprochen ab-lehnend auf das Werk „Templum Pacis & Paciscentium“ (1688) eines anonymen Autors eingegan-gen; das Buch behandelte drei der wichtigsten Friedensschlüsse des 17. Jahrhunderts: den Westfäli-schen Frieden von 1648, den NimwegiWestfäli-schen Frieden von 1678/1679 und den Waffenstillstand von Regensburg 1684. Thomasius hatte in seiner Besprechung eine Vermutung über den möglichen Verfasser angestellt, allerdings nur die Namensinitialen „D. H. G.“ angegeben (ebd., S. 228). Rich-tig war dagegen Pufendorfs Hinweis auf Jacob Otto (1633/1635–1703), einen Juristen und früheren Gymnasialprofessor für Geschichte zu Ulm, der 1674 zum Ratskonsulenten der Stadt ernannt wor-den war. Vgl. auch Pufendorfs Brief an Thomasius vom 16.10.1688.