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Für wen, wie und wo sollen die Stücke aufgeführt werden?

4. DIE SPIELE DER DEUTSCHEN JUGEND 1 Verlag, Herausgeber und Allgemeines zur Reihe

4.3 Formale Aspekte

4.3.4 Für wen, wie und wo sollen die Stücke aufgeführt werden?

Nicht alle, aber viele Vorworte geben Hinweise auf die Anlässe, zu denen ein Stück aufgeführt werden könnte. Die meisten dieser Stücke sind laut ihrer Vorworte für verschiedene gesellige Gelegenheiten geeignet, so zum Beispiel Fiedel und Galgen (Heft 26): „Das Spiel, das ihr an Eltern- oder Dorfgemeinschaftsabenden oder bei einer sonstigen geselligen Veranstaltung spielen könnt – auch für die Schule ist es gut geeignet –, ist leicht aufführbar.“128 Über das Stück Laterna magica oder Die zaubernde Laterne von Oskar Seidat (Heft 13) heißt es, es weise

125 Vgl. Magiera, Georg Adalbert: Das Hasenhüten (1941), S. 3.

126 Vgl. Olfers, Hedwig von: Goldmarie und Pechmarie (1936), S. 3.

127 Vgl. Kramer, Hertha: Die Mutter. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1940] (=Spiele der deutschen Jugend 24), S. 3.

128 Seidat, Oskar: Fiedel und Galgen (1941), S. 5.

einen besonderen Weg, den wir zuweilen in der Spielarbeit gehen müssen, nämlich den, einen ganzen geselligen Abend mit den Mitteln des Spiels zu gestalten. Die Handlung des Spiels ist der Rahmen, der alles fröhliche Geschehen umspannt. Das vorliegende Spiel ist daher für die längeren Abende bei allen heiter-festlichen Gelegenheiten in der Öffentlichkeit oder im Heim bestimmt.129

Nicht immer ist ein Spiel aber als abendfüllende Veranstaltung gedacht, gelegentlich wird daher im Vorwort darauf hingewiesen, dass es Bestandteil eines Gesamtprogramms sein sollte. Zur Leierkastenkomödie (Heft 16) schreibt Förster:

Die Leierkastenkomödie ist ein anspruchsloses, geselliges Spiel. Da es nicht abendfüllend ist, stellen wir es in die Mitte eines lustigen Eltern-, Heim- oder Dorfabends, der außerdem noch von Singen, Erzählen und Tanzen erfüllt sein kann. – Auch als Schattenspiel sollte es von guter Wirkung sein.130

Wie im vorhergehenden Beispiel werden auch an anderer Stelle Hinweise gegeben, wie der restliche Abend ausgestaltet werden könnte, so schreibt Trude Sand im Vorwort zu Die Jungen vom Steilen Hang (Heft 5):

Als zweiter Teil Eurer Veranstaltung kann ein großes Landjahrfest gefeiert werden. In einem offenen Singen können dabei Landjahrlieder und bäuerliche Weisen gesungen werden, auch ein Lagerzirkus und sonstiges Allotrix können in das Landjahrfest eingebaut werden.131

Noch expliziter und detaillierter wird Wolfgang Förster, für Das Spiel vom klugen Bauersmann (Heft 14) schlägt er vor:

Das Spiel […] ist ganz natürlich in den Ablauf eines geselligen Abends, besonders eines Dorfgemeinschaftsabends, zu stellen. […] An dem Beispiel dieses Spiels ist zu lernen, wie alle Ausdrucksmittel, mit denen wir an einem Dorfabend wirken, natürlich ineinander übergehen können. Nach einem lustigen Musizieren und offenem Singen leitet ein Geschichtenerzähler zum Spiel über, indem er als letzte seiner Geschichten den Vorspruch zum k l u g e n B a u e r s m a n n [Hervorhebung im Original, B.K.] spricht, während das Spiel seinerseits das offene Tanzen einleitet, da es selbst mit einem fröhlichen Tanz schließt. Wir haben somit den natürlichen Aufbau — Singen — Erzählen — Spielen

— Tanzen gewonnen.132

129 Ders.: Laterna magica oder (1937), S. 3.

130 Grahl, Heinrich: Leierkastenkomödie. Ein lustiges Spiel. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1939] (=Spiele der deutschen Jugend 16), S. 3.

131 Sand, Trude: Die Jungen vom (1936), S. 4.

132 Simon, Martin: Gericht des Volkes (1939), S. 3.

Auch darüber, ob das Stück besser auf dem Land oder in der Stadt zur Aufführung gebracht werden solle, geben die Vorworte mitunter Auskunft. So heißt es im Vorwort des Autors zu Hans mit der Flöte (Heft 8): „Das Spiel ist für die junge Mannschaft im Dorfe und auf dem Lande gedacht.“133, während das namentlich nicht gekennzeichnete Vorwort zu Laterna magica oder Die zaubernde Laterne (Heft 13) empfiehlt: „Das Spiel ist mehr für die Stadt als für das Dorf geeignet.“134 Häufig ist den Vorworten zu entnehmen, dass das vorliegende Stück ganz frisch und unverbraucht gespielt werden solle, nicht theatralisch oder aufgesetzt, nicht übertrieben, Natürlichkeit wird gefordert. Meist ist das bei lustigen Stücken der Fall, z.B. bei Die Jungen vom Steilen Hang (Heft 5) oder Betrogene Betrüger (Heft 10):

Die Gestalten des Spiels dürfen nicht in übertriebener Weise dargestellt werden. Das gilt insbesondere für die beiden Landstreicher. Lediglich bei der Darstellung der Geisterszene dürfen alle Register gezogen und der gestaltenden Phantasie keine engen Grenzen gesetzt werden. […] Die Art der Darstellung sei frisch, natürlich und ungezwungen.135

Neben der üblichen Forderung nach Frische, Natürlichkeit und Ungezwungenheit ist im gewählten Beispiel aber auch die Erlaubnis enthalten, in einer Szene des Stückes ‚alle Register zu ziehen‘, nämlich in der Geisterszene. In dieser wird, gleichsam als eine Art Spiel im Spiel, von einer Gruppe von Kranken, einem Arzt und einem Wirt eine Gerichtsverhandlung in einer vermeintlichen Geisterwelt inszeniert. Angeklagt sind zwei betrügerische Landstreicher, die sich als Ärzte ausgegeben und den Kranken viel Geld für falsche Heilmittel abgenommen hatten.136 Da diese Gerichtsverhandlung im Stück selber nicht ‚echt‘ ist, gilt hier die Natürlichkeitsforderung nicht, alle möglichen theatralen Mittel können eingesetzt werden. Es darf dabei übertrieben werden, ja muss es geradezu, denn die Landstreicher müssen den Spuk zwar für real halten, das Publikum sich aber stets der Inszeniertheit der Gerichtsverhandlung und der Geisterwelt bewusst sein.

133 Seidat, Oskar: Hans mit der Flöte. Ein Spiel. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1937] (=Spiele der deutschen Jugend 8), S. 3.

134 Ders.: Laterna magica oder (1937), S. 3. Ähnliche Äußerungen zur Eignung des jeweiligen Stücks für die Stadt oder ländliche Regionen finden sich in den Vorworten zu Peter Squenz („Denkt nur immer ein wenig daran, vor wem ihr gerade spielt. Manche Scherze, die in der Stadt sehr belacht werden, sind dem Lebenskreis eines Dorfes fremd – und umgekehrt.“, S.5) und Hans mit der Flöte („Das Spiel ist für die junge Mannschaft im Dorfe und auf dem Lande gedacht.“, S.3)

135 Seidat, Oskar: Betrogene Betrüger. Ein heiteres Schelmenspiel in 2 Bildern. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1937]

(=Spiele der deutschen Jugend 10), S. 3.

136 Vgl. ebd.

Bei Feierspielen wird im Vergleich zu den heiteren, unterhaltenden Spielen eher daran erinnert, nicht pathetisch zu sprechen oder zu spielen und Pausen zuzulassen, um Spannung aufrecht zu erhalten bzw. entstehen zu lassen, so z.B. im Vorwort zu Der Kommandant (Heft 15):

Für die Haltung der Spieler gilt die Forderung, männlich zu spielen und ohne jedes Pathos zu wirken. Auch die reinen Bekenntnisworte am Schluß sind still und verhalten zu sprechen. Gebärden und Bewegungen sind sparsam und gemessen.137

Wie genau man „männlich“ spielt, wird nicht angegeben, typische Konnotationen zu diesem Adjektiv dürften ‚stark‘ und ‚tapfer‘ gewesen sein, aber auch, da Jungen und nicht Männer als Darsteller zu erwarten sind, ‚erwachsen‘, ‚reif‘ und ‚ernsthaft‘. Das Stück, in dem eine Gruppe von Soldaten eine Festung bis aufs letzte verteidigt, auch wenn das Ende des Krieges für den nächsten Tag erwartet wird und ein Aufgaben vermutlich keine praktischen Konsequenzen hätte, soll nicht laut oder gar euphorisch gespielt werden, die Männer sind keine strahlenden Helden. Stattdessen wird eine Darstellung ohne Pathos erwartet, „still und verhalten“ soll gesprochen werden, auch die Gestik und die Bewegungsabläufe sollen sich dem anpassen. Diese Art der Darstellung soll einen ernsthaften und feierlichen Ausdruck erzeugen. Schlichtheit und Einfachheit der Darstellung sind eine verbreitete Forderung, hinter der neben künstlerisch-ästhetischen auch pädagogische Zielsetzungen stecken. Im Vorwort zu Landgraf werde hart (Heft 22) heißt es:

Die Sprache des Spieles ist knapp. Wort und Handlung stehen in unmittelbarer Beziehung.

Die Spieler werden dadurch von vornherein zur Wahrheit im Ausdruck erzogen und davor bewahrt, ins Deklamieren zu fallen. Spielt daher einfach!138

Durch die knappe Sprache des Textes sollen die Spieler davon abgehalten werden, sich eine deklamierende Sprechweise anzugewöhnen, die sie im schlimmsten Fall von der Bühne in ihr alltägliches Leben übertragen würden, oder natürlich bei weiteren Bühnenauftritten verwenden würden. Kitsch, Dilettanten und Vereinsbühnen werden verurteilt, z.B. im Vorwort zu Hans mit der Flöte (Heft 8):

Es kann daher nur von unverdorbenen Volksspielern dargestellt werden und verbietet sich für dilettantierende Wirtshausbühnenhelden, die zu verkitscht sind, um klare Typen verkörpern zu können. Die Darstellung von fein geprägten und schwierigen Charakteren müssen wir dem Berufstheater und seinen umfangreicheren Mitteln überlassen.139

137 Colberg, Erich: Der Kommandant. Ein heldisches Spiel. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1938] (=Spiele der deutschen Jugend 15), S. 3.

138 Lorenz, Franz: Landgraf werde hart (1939), S. 3–4.

139 Seidat, Oskar: Hans mit der (1937), S. 3.

Auch im Bereich Bühnenbild und Kostüm wird bei der Mehrzahl der Stücke darauf hingewiesen, dass beides eher einfach zu halten sei, es solle nicht nach ‚Theater’ aussehen. Über Colbergs Spiel Hagen heißt es dazu: „Seine [des Stückes, B.K.] Wirkung kann daher nicht mit bühnenmäßigen Mitteln angestrebt werden. Jede theatermäßige Verkleidung wäre abwegig und unangebracht. Das Spielkleid sei streng stilisiert.“140 Kostüme im Sinne von detailreichen Verkleidungen sind also nicht gewünscht, da so die Aussage des Stücks nicht sinnvoll unterstützt werden würde.

Neben den verschiedenartigen Verboten gibt es auch positiv formulierte Vorschläge, wie die Stücke umzusetzen sind. So heißt es am Ende des Vorwortes zu Das große Zeittheater (Heft 1):

Nötig ist nur dies: wer auch spielen will, Jungvolkführer, HJ-Einheiten, Lagermannschaften, sie müssen mit heißem Herzen künden und bekennen wollen vom Hansel, der aus Not und Schmach erwachte, der sich auf seine Kraft und sein Können besann.141

Diese Anweisung bezieht sich nicht auf Äußerlichkeiten, sondern auf die richtige innere Einstellung der Spieler zu Stück und Stoff. Diese sei, so ist das Zitat zu verstehen, wichtiger als Kostüme, Bühnenbild oder auch eine besondere schauspielerische Erfahrung.

Nicht alle Stücke sind für herkömmliche Bühnen bzw. Aufführungen in Innenräumen ausgelegt bzw. dies wird nicht in jedem Fall als optimaler Aufführungsort angegeben. In den Vorworten einiger Stücke wird eine Aufführung im Freien für das jeweilige Stück besonders empfohlen, so z.B. für Der Kommandant (Heft 15):

Das Spiel geschieht am besten auf einem erhöhten Podium an der Stirnwand unseres Feierraums oder im geschlossenen Kreise im Freien. Eine Freitreppe oder eine Anhöhe am Waldrand wird der Art des Spieles daher besonders gerecht werden. Dem Charakter der Spielhandlung entsprechend spielen wir es am späten Abend oder in der Nacht bei Fackelschein.142

Durch das Spielen bei Fackelschein im Dunkeln wird eine besondere Stimmung erzeugt, nur die von den Zuschauern umringte Spielfläche ist erleuchtet, so dass einerseits die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf diese Fläche und das dort Gesagte erleichtert wird. Außerdem erzeugen Fackeln kein gleißendes, sondern ein flackerndes Licht, das die Spielfläche nicht gleichmäßig ausleuchtet und sich bewegende Schatten wirft, was durchaus auch unheimlich oder bedrohlich

140 Colberg, Erich: Hagen (1938), S. 3–4.

141 Ders.: Das große Zeittheater (1936), S. 4.

142 Ders.: Der Kommandant (1938), S. 3.

wirken kann. Ein Spiel bei derartiger Beleuchtung zu sehen ist eine andere Erfahrung, als dasselbe in einem für Theaterzwecke ausgestatteten Raum zu tun. Auch Aspekte wie Lagerfeuerromantik und Nähe zur Natur spielen hier mit hinein. Für ein Stück, in dem es darum geht, dass eine kleine Gruppe von Soldaten alleine eine Festung verteidigt, ist eine Abgrenzung der Spielfläche gegen das Dunkel der Nacht durch Fackelschein sicher eine eindrucksvolle Variante. Zum einen im Sinne einer realitätsnahen Inszenierung, die Figuren des Stücks haben in ihrer Festung eben kein elektrisches Licht. Zum anderen kann durch den Kontrast zwischen Hell und Dunkel die Spielfläche selber wie eine Festung empfunden werden, aus der die Dunkelheit ausgeschlossen wird. Die Wahl einer Anhöhe oder einer Freitreppe als Spielort, die im Vorwort vorgeschlagen wird, ergibt zunächst aus rein praktischen Erwägungen Sinn. Wenn die Spieler im Vergleich zu den Zuschauern erhöht agieren, sind sie und ihr Spiel besser zu sehen. Außerdem würde auch das Bild, sie befänden sich in einer Festung, ohne die Zuhilfenahme von Requisiten oder ähnlichem allein durch die Ausnutzung der örtlichen Gegebenheiten unterstützt. Die Hinweise auf den möglichen Aufführungsort im Freien und die Fackelbeleuchtung bieten also Anregungen für eine wirkungsvolle Inszenierung des Stücks.

Über die besondere Bedeutung und Rolle des Stegreifspiels für viele Stücke der Reihe wurde im vorherigen Kapitel unter der Überschrift Besondere Spielform: Das Stegreifspiel bereits ausführlich eingegangen.