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4. DIE SPIELE DER DEUTSCHEN JUGEND 1 Verlag, Herausgeber und Allgemeines zur Reihe

4.2 Zur Programmatik der Spiele der deutschen Jugend .1 Titel und Untertitel der Stücke

4.2.3 Die übrigen Vorworte

Neben den von Ohlendorf und Förster verfassten Vorworten und jenen ohne Namenskennzeichnung gibt es in mehreren Bänden auch Vorworte anderer Personen. Das Vorwort zum vierten Heft bzw. zu beiden Ausgaben des vierten Heftes, Zirkus Freimauritius, schrieb Siegfried Raeck, der auch als Verfasser der Neubearbeitung des Stücks genannt wird. Auch Trude Sand hat das Vorwort zu ihrem Stück Die Jungen vom Steilen Hang (Heft 5) selber verfasst, ebenso, wie bereits erwähnt, Franz Kröger und Günther Boehnert das Vorwort zu Peter Squenz.

Ein Rüpelspiel (Heft 7) und Hertha Kramer (gemeinsam mit Förster) das zu ihrem Stück Die Mutter (Heft 24). Viele der Vorworte sind keine solchen im Sinne Genettes, da sie lediglich Spielanweisungen zum Stück bieten, sich jedoch nicht an einem Diskurs gleichwelcher Art beteiligen. Sie weisen also nicht über das jeweils vorliegende Stück hinaus und enthalten keine grundsätzlichen Äußerungen über Ziele der Reihe, Meinungen zu den Aufgaben des Laienspiels oder Kommentare zu Entwicklungen in diesem Bereich.

In einigen Vorworten gibt es jedoch Äußerungen, die Stücke in den Gesamtzusammenhang der Reihe oder des Laienspiels überhaupt einordnen. Es wird bewertet, ob sie zum Beispiel einen Mangel beseitigen helfen, wie Das Hasenhüten von Georg Magiera (Heft 25). Im Vorwort dazu schreibt Förster:

Die vorliegende Spielbearbeitung des Bechsteinschen Märchens „Der Hasenhüter“ von Georg Magiera füllt eine empfindliche Lücke in unserer Spielliteratur. Während wir genügend gute Jugendspiele [=Spiele für Jungen, die in der Hitlerjugend sind? B.K.] haben, fehlt es uns an entsprechend brauchbarem Spielgut für die gleichen Mädeljahrgänge.38

Diese Formulierung suggeriert, dass es einen Plan hinter der Zusammenstellung der Stücke für die Reihe gebe und auch, dass es Bereiche gebe, die abgedeckt werden müssten. Dazu gehört, wie diesem Zitat zu entnehmen ist, auf jeden Fall das Spiel für Mädchen. Daran scheint es bisher zu mangeln. Außerdem wird deutlich, dass Förster der Meinung ist, für Mädchen und Jungen würden

38 Magiera, Georg Adalbert: Das Hasenhüten (1941), S. 3.

unterschiedliche Arten von Stücken benötigt, denn mit dem Begriff „Jugendspiel“, der in Opposition zum „Spielgut für die gleichen Mädeljahrgänge“ gesetzt wird, ist vermutlich Spielliteratur für die männliche Jugend gemeint. Das Jungenspiel als eigenen Bereich nennt Förster auch im Vorwort zu Colbergs Fahrt nach China (Heft 12): „Das vorliegende Spiel Erich Colbergs soll unseren Spielvorrat an geeigneten Jungenstücken erweitern.“39 Neben Jungen- und Mädchenspielen gibt es noch andere abzudeckende Bereiche: „Das Spiel vom Birkenzweig ist das erste Laienspiel, das Schicksal und Aufgabe des Grenzlandkampfes im deutschen Osten in gültiger Weise darstellt.“40 Hier wird der innovative Charakter des Stückes hervorgehoben, welches das Thema ‚Grenzlandkampf‘ das erste Mal „in gültiger Weise“ darstelle, also in einer Art und Weise, die dem Thema angemessen ist und die das Stück veröffentlichungswürdig sein lässt.

Gelegentlich werden besondere Aspekte eines Stücks hervorgehoben, die der Grund dafür seien, warum es in die Reihe aufgenommen wurde, z.B., weil daran etwas Konkretes gelernt werden könne41 oder weil es die Spiellust der Kinder bediene, die essentiell für die Etablierung des Laienspiels sei:

In unsere Reihe werden wir stets auch Spiele aufnehmen müssen, die die allgemeine Spiellust fördern. Denn soll das Laienspiel Gemeingut des ganzen Volkes werden, dann muß es der natürlichen Freude am Spielen entgegenkommen. In der Jugendspielarbeit sind wir diesen Weg gegangen. 42

In einem Nebensatz bringt Förster hier eine programmatische Botschaft unter. Offenbar soll das Laienspiel „Gemeingut des Volkes“ werden. Die Freude der Kinder und Jugendlichen am Spiel soll dazu beitragen. Auch andere programmatische Aussagen Försters (von Ohlendorf gibt es keine) stecken in Nebensätzen oder in scheinbar nebensächlichen Bemerkungen. Schreibt Förster im Vorwort zu Hagen (Heft 18) „Wenn wir im Grundspielplan des deutschen Volksspiels die Darstellung und Erneuerung alter Sagen und Mythenstoffe nicht missen wollen, dann müssen wir Erich Colberg für das vorliegende Spiel danken.“43, dann ist das zum einen ein Lob für Colberg.

Außerdem konstatiert Förster aber auch die Existenz eines „Grundspielplan[s] des deutschen

39 Colberg, Erich: Fahrt nach China. Ein lustiges Jungenspiel. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1937] (=Spiele der deutschen Jugend 12), S. 3.

40 Koll, Kilian: Der Birkenzweig. Lieder von Walter Gunia. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1939] (=Spiele der deutschen Jugend 21), S. 3.

41 „Für die praktische Arbeit am Spiel ist es auch dadurch lehrreich, daß es zeigt, wie man auf ganz natürliche Weise den gesamten Zuschauerraum mit ins Spiel einbeziehen kann.“ (Behrendt, Fritz: Das böse Gewissen. Ein Spiel für Jungen. Leipzig: Arwed Strauch o.J. [1937] (=Spiele der deutschen Jugend 11), S. 4.).

42 Scheu, Hans: Die Erfindung. Ein lustiges Spiel für große und kleine Jungs. Leipzig: Arwed Strauch o.J. [1939]

(=Spiele der deutschen Jugend 19), S. 3.

43 Colberg, Erich: Hagen (1938), S. 3.

Volksspiels“. Als wichtigen Punkt, um diesen zu komplettieren, nennt er die „Darstellung und Erneuerung alter Sagen und Mythenstoffe“. Diese sollen also nach seiner Vorstellung als Vorlage für Stücke dienen. Weitere grundsätzliche Aussagen zu dem, was mit der Reihe erreicht werden soll, gibt es in den Vorworten nicht. Es fällt jedoch auf, dass oft eine besondere Art des Spielens oder Erarbeitens der Stücke angesprochen wird: das Stegreifspiel. Um die zu diesem Punkt getroffenen Aussagen geht es im Folgenden.

4.2.3.1 Besondere Spielform: Stegreif

Als häufige Theaterform wird in den Spielen der deutschen Jugend das Spiel aus dem Stegreif genannt, nicht nur zur Erarbeitung, es soll auch so an den Stücken weitergearbeitet werden. In vielen Vorworten wird erwähnt, dass das Stück von der Gruppe verändert, ihren Erfordernissen und Möglichkeiten angepasst werden solle. Es sei nicht fertig, die gedruckte Fassung quasi nur ein Vorschlag. Das ist unterschiedlich explizit formuliert und unterschiedlich weit gefasst. Siegfried Raeck formuliert es im Vorwort zu Zirkus Freimauritius, Heft 4, Ausgabe von 1936, so: „Wenn Ihr neue Szenen erfindet, schickt sie uns sofort. Wir werden sie dann fortlaufend in der ‚Spielschar’ als Ergänzung veröffentlichen.“44 In ihrem Vorwort zu Peter Squenz (Heft 7) rufen die Autoren geradezu dazu auf, frei mit dem Text umzugehen und ihn als Spielgrundlage zu nutzen, die je nach Ideenreichtum und Fähigkeiten ausgestaltet werden könne:

Hier habt ihr nun mal ein „Werk“, das ausnahmsweise nicht die Anforderung an euch stellt, möglichst werkgetreu aufgeführt zu werden. Im Gegenteil! Ihr sollt daraus machen, zwar nicht, was ihr wollt, aber das, was ihr könnt. Vorliegendes Heftchen will nur Einfall und Anregung sein. Wo Spielscharleute oder Einheitsführer sind, die diese oder jene Stelle besser können, oder denen einiges zu lang und breit erscheint, da sollen sie es ruhig ändern, wir werden sie nicht urheberrechtlich verfolgen, sondern uns freuen, wenn alle mit Laune und Ausgelassenheit bei der Sache sind.45

Die Autoren distanzieren sich von der Bewertung ihres Stücks als Werk durch das Setzen von Anführungsstrichen. Dadurch wollen sie möglicherweise die Ehrfurcht vor dem Text nehmen und die Aufforderung, ihn in der praktischen Arbeit zu verändern und zu verbessern, unterstützen.

Ähnlich, aber knapper, ist dies auch im Vorwort zu Die Erfindung (Heft 19) formuliert: „Auch das vorliegende Spiel des Kameraden Hans Scheu ist nicht so abgerundet und fertig, daß ihr darin nicht selber weitergestalten und improvisieren könntet. Es fordert euch gerade dazu auf.“46 Zu

44 o.A.: Zirkus Freimauritius. Ein politisches Spiel. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1936] (=Spiele der deutschen Jugend 4), S. 7.

45 Kröger, Franz u. Günther Boehnert: Peter Squenz (1936), S. 4.

46 Scheu, Hans: Die Erfindung (1939), S. 3.

einem freien Umgang mit der Textvorlage und zur Anpassung an die aktuellen Gegebenheiten wird auch im Vorwort zu Laterna magica (Heft 13) deutlich aufgerufen:

Die Laterna magica besteht aus 13 Einzelteilen, die zum Teil lose aneinandergesetzt sind, sich insgesamt aber wiederum in einen einheitlichen Gesamtrahmen fügen. Einige dieser Einzelteile können jeweils nach den bestehenden Umständen und Verhältnissen herausgelassen, abgeändert oder durch andere ersetzt werden, ermöglichen also in bescheidenen Grenzen eine gewisse Auswahl. Innerhalb dieser Einzelteile ist für ihre stegreifmäßige Ausgestaltung viel Raum gelassen, und es liegt gerade im Sinne dieses Spiels, wenn davon frischweg Gebrauch gemacht wird.47

Der gedruckte Text des Stückes ist also durchaus als eine Art ‚Modulbaukasten‘ zu betrachten, aus dem einzelne Module entfernt, ersetzt oder geändert werden können, ohne das Gesamtbauwerk zu gefährden, solange der Rahmen, der alles zusammenhält, erkennbar bleibt. Innerhalb dieser Module ist die Gestaltungsfreiheit höher, hier darf und soll improvisiert werden. In Frau Rumpentrumpen (Heft 30) geben die „Anweisungen zur Aufführung“ des Autors Hermann Schultze eine generelle Einschätzung zum Wert des Stegreifspiels:

Das Spiel „Frau Rumpentrumpen“ bestätigt als Ganzes außerdem immer wieder die Möglichkeit, in die Stegreifform zurückversetzt und völlig frei im Text wiedergegeben zu werden. Das ist der Vorzug dieser über Scharade und Stegreif als Bauelement gefertigten Stücke. Hat man nicht die Zeit zu ihrer Einstudierung in der endgültigen Form, legt man ihren szenischen Aufbau zugrunde und mimt alles frei herunter. Im Notfall sogar kann man solch ein geselliges Spiel vom Nachmittag bis zum Abend, in Scharaden- und Stegreiftechnik natürlich, mit geschickten Leuten „zusammen haben“ und eine Stunde geselliger Gemeinschaft damit aufs glücklichste ausfüllen. Auf solche Weise aber erst gelangen wir dazu, unser dramatisches Bühnenspiel wieder zum wirklichen Volksbrauch und zu einer allen zu ermöglichenden schönen Übung werden zu lassen!48

Ein Stegreifspiel bzw. eines, das als solches aufgeführt werden kann, bietet also einen zeitlichen Vorteil, es sei schneller, notfalls auch an einem Tag, einzustudieren, so Schultze. Damit bezieht er sich sicher auf bestimmte Aufgaben, die in diesem Fall nicht anfallen: die Darsteller müssen keinen Text oder nur kürzere Passagen (z. B. Stichworte für Auf- und Abgänge) auswendig lernen.

Lediglich die Abfolge der Handlung inklusive der entscheidenden Wendungen muss memoriert werden. Dies ist natürlich nur möglich, wenn der Verfasser eines solchen Stückes nicht auf der exakten Wiedergabe einzelner (von ihm erdachter) Formulierungen oder ganzer Textpassagen besteht und wenn sprachliche Gestaltung und Bedeutung eines Textes nicht untrennbar miteinander verbunden sind. Beide Bedingungen sind in Schultzes Fall in Bezug auf Frau

47 Seidat, Oskar: Laterna magica oder Die zaubernde Laterne. Ein heitres Spiel um Licht und Schatten. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1937] (=Spiele der deutschen Jugend 13), S. 3.

48 Schultze, Hermann: Frau Rumpentrumpen (1943), S. 6.

Rumpentrumpen ganz offensichtlich erfüllt. Er sieht beide Möglichkeiten der Inszenierung – textgetreue Einstudierung und Aufführung sowie Stegreifspiel – als denkbare und legitime Varianten für sein Stück an.

Das Vorwort zu Die vergessene Braut (Heft 37) weist ebenfalls auf die Möglichkeit hin, das Spiel mit den Mitteln des Stegreiftheaters auf die Bühne zu bringen, je nach den Fähigkeiten der aufführenden Gruppe. Das Spiel könne so gespielt werden, wie es vorliege, das sei aber nicht die einzige Aufführungsmöglichkeit. Es könne auch als vollständiges Stegreifspiel erstellt werden oder zu einem Teil mit Stegreifszenen, während man sich in den Schlüsselszenen an das Vorgegebene halte: „So steht also jeder Gruppe nach Können und Mut die Eroberung solcher Spiele offen.“49 Das Bemühen darum, die Fähigkeiten der Spielerinnen und Spieler vom Stegreifspiel hin zum

‚fertig inszenierten’ Spiel durch geeignete Spielvorlagen zu erweitern, artikuliert sich in Försters Vorwort zu Der Prinz im blauen Mantel (Heft 28): „Das Spiel eignet sich […] besonders für alle Gruppen, die den Weg vom Stegreifspiel zur gestalteten Spielform gehen wollen. Es lässt den weitesten Raum zur Improvisation des einzelnen, wie es andrerseits zum Spielen in der Gruppe erzieht.“50 Das Stegreifspiel ist in diesem Sinne als Annäherung an das gestaltete Spiel zu sehen, als eine Art Übung. Der Autor, Erich Colberg, sieht das ähnlich, er schlägt in seinen Hinweisen zum Spiel vor, die Erarbeitung des Stückes mit stummem Spiel, also über die Bewegung, zu beginnen.

Besonders weist er darauf hin, dass das Spiel mit dem Ball niemals wie einstudiert aussehen dürfe.51 Anstelle einer festgelegten Ballspiel-Choreographie ist also ein eher improvisiertes, natürlich wirkendes Spiel vorzuziehen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem improvisierten Spielen, dem Stegreif, von vielen Autoren und auch von Wolfgang Förster große Sympathie entgegengebracht wurde. Das Stegreifspiel wurde als gutes Training und Vorarbeit für gestaltetes Spiel oder zur Annäherung an einen Text betrachtet, aber durchaus auch als mögliche Ausdrucksform für Aufführungen vor Publikum. Insgesamt ist zur Programmatik der Reihe festzuhalten, dass sie Spiele für Jungen wie für Mädchen bieten möchte. Über die Förderung der Spiellust soll das Laienspiel als Gemeingut in der Jugend bzw. im Volk verankert werden. Es gilt, einen „Grundspielplan des deutschen Volksspiels“ zu entwickeln oder aufzustellen. Wie dieser aber aussehen soll, wird nur in Ansätzen deutlich, beispielsweise, wenn auf die Wichtigkeit der Behandlung von Mythen- und Sagenstoffen

49 Ders.: Die vergessene Braut. Ein grosses dramatisches Spiel. Leipzig: Arwed Strauch o. J. [1945] (=Spiele der deutschen Jugend 37), S. 5.

50 Colberg, Erich: Der Prinz im blauen Mantel. Ein fröhliches Mädchenspiel mit einem blauen Ball. Leipzig: Arwed Strauch o.J. [1942] (=Spiele der deutschen Jugend 28), S. 4.

51 Vgl. ebd., S. 5–6.

hingewiesen wird. Einzelne Stücke sollen außerdem verschiedene Aspekte der Darstellung erfordern und dadurch bestimmte Lernmöglichkeiten bieten. Die Arbeit mit bzw. an den Stücken der Reihe soll also auch der Einübung und Weiterentwicklung der darstellerischen und gestalterischen Fähigkeiten dienen. Ein klares, durchdachtes Konzept ist nicht zu erkennen bzw.

ein solches wird nicht deutlich genug formuliert.