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3. KINDER- UND JUGENDTHEATER IM ‚DRITTEN REICH‘

3.2 Laienspiel in der Hitlerjugend

Innerhalb der HJ existierten die Spielscharen, zu denen auch Laienspielgruppen gehören konnten.

In den Spielscharen kamen musisch talentierte Jugendliche zusammen bzw. sie wurden für eine gewisse Zeit (mindestens zwei Jahre) aus ihren Stammformationen in diese überwiesen. Mädchen und Jungen arbeiteten manchmal, aber nicht immer, gemeinsam an der Erarbeitung und Durchführung von Programmen. Nach ihrer Zeit in den Spielscharen kehrten die Jugendlichen in ihre ursprünglichen Formationen zurück, wo sie das Gelernte anwenden und als Sing- oder Spielleiter weitergeben sowie sich für die Feiergestaltung verantwortlich fühlen sollten. Die Spielscharen konnten einen Chor und ein Orchester, einen Spielmannszug oder Musikzug, Gruppen für Sprecher und Erzähler, eine Tanzgruppe sowie Spielgruppen für Laien-, Puppen- und Schattenspiel umfassen.28 Zunächst existierten Spielscharen freiwillig und relativ unreglementiert, auch wenn ihre Existenz und ihr Tätigkeitsfeld bereits 1933 an die RJF gemeldet werden mussten.29 1937 verfügte von Schirach dann, dass im gesamten Reich HJ-Spielscharen entstehen sollten.30 Diese wurden in die Reihe der Sonderformationen31 der HJ aufgenommen. In der Spielscharordnung aus dem Jahr 193732 waren Organisation, Größe, Stellung, Finanzierung

26 Josting, Petra: Der Jugendschrifttums-Kampf des (1995), S. 55.Hier besteht eine grundsätzlich andere Gewichtung der unterschiedlichen Gattungen der KJL als beim Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB), einem Konkurrenten der HJ um den Einfluss auf dem Gebiet der Literatur für Kinder und Jugendliche.

27 Ebd., S. 56.

28 Vgl.: Die Spielschar-Ordnung. Aufgestellt vom Kulturamt der Reichsjugendführung in Zusammenarbeit mit dem Organisationsdienst und dem Verwaltungsamt der Reichsjugendführung. In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 11 (1938) H. 11. S. 375–377. Und: Die Spielschar-Ordnung. Aufgestellt vom Kulturamt der Reichsjugendführung in Zusammenarbeit mit dem Organisationsdienst und dem Verwaltungsamt der Reichsjugendführung (Fortsetzung). In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 11 (1938). S.

429–430. Vgl. auch: Keller, Anne: Der ausgerichtete Zuschauer (2013), S. 183–184.

29 Siehe oben bzw. vgl. Stoverock, Karin: Musik in der (2013), S. 80–81.

30Vgl. dazu: Dannemann, [Kurt]: HJ-Spielscharen - die jüngste Sonderformation. In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 11 (1938) H. 10. S. 371–373. Und zusammenfassend: Wolfersdorf, Peter: Stilformen des Laienspiels (1962), S. 54–55.

31 Außer den gewöhnlichen Einheiten gab es in der HJ verschiedene Sondereinheiten. Ihre Schwerpunkte sind überwiegend dem Bereich der Wehrertüchtigung zuzurechnen. So existierten in der eigentlichen HJ als große Sonderformationen die Motor-, Flieger-, Marine- und Nachrichten-HJ. Außerdem gab es kleinere Sondereinheiten wie die Reiter-HJ und den Gesundheitsdienst. Im BDM gab es neben dem Gesundheitsdienst auch Formationen, die sich mit Luftschutz beschäftigten sowie den BDM-Unfall-Dienst. Im Jungvolk existierten außerdem noch Modellflugarbeitsgemeinschaften. Zu den Sondereinheiten siehe Klönne, Arno: Hitlerjugend (1955), S. 19. Vgl. auch Pahmeyer, Peter u. Lutz van Spankeren: Die Hitlerjugend in (1998), S. 194. Und: Stoverock, Karin: Musik in der (2013), S. 98.

32 Diese wurde 1938 in zwei Teilen in der Zeitschrift Die Spielschar abgedruckt: Die Spielschar-Ordnung (1) (1938).

Und: Die Spielschar-Ordnung (2) (1938). Im Jahr 1941 traten neue Regelungen in Kraft. (Siehe o. A.: Aufbau und

und die Aufgaben der Spielscharen festgelegt. Folgende hauptsächliche Forderungen wurden von der RJF an die Spielscharen gestellt:

Einwandfreie technische Durchführung und Gestaltung unserer nationalen Feiern, der Feiern des Jahreslaufes und der Feiern des persönlichen Lebenslaufes –

Schulung und Betreuung des Nachwuchses für die künstlerischen Berufe,

Aufnahme einer aktiven und systematischen Volkstumsarbeit an der Grenze und auf dem Dorf,

Schaffung eines Gegengewichtes gegen konfessionelle Jugendchöre

und nicht zuletzt die Verpflichtung, die Aufnahmebereitschaft der Jugend für die großen kulturellen Werte unseres Volkes zu stärken […].33

Durch die Ordnung waren die Spieleinheiten besser zu kontrollieren. Neu war auch, dass nun jeder Bann (bzw. Jungbann)34 verpflichtend eine Spielschar aufstellen musste. Angestrebt wurde die Schaffung eines Repertoires in den Bereichen Orchestermusik, Volkslied, Volkstanz, Erzählen und Laienspiel. Anfang der 1940er Jahre gab es etwa 500 Spielscharen mit insgesamt 30 000 Mitgliedern, darunter 18 000 Instrumentalisten.35 Die Mitglieder der Spielscharen waren trotz ihrer musischen Aufgaben angehalten, auch den allgemeinen HJ-Dienst mit Heimabenden etc. zu absolvieren. Häufig hielten sie sich jedoch nicht daran, so dass die RJF die Spielscharen wiederholt in Beiträgen in der Zeitschrift Die Spielschar ermahnte, weltanschauliche Schulung und körperliche Ertüchtigung nicht zu vernachlässigen.36 Unter den Spielscharen der HJ befanden sich auch berühmte Spitzenchöre wie der Leipziger Thomanerchor, die Regensburger Domspatzen und die Wiener Sängerknaben. Durch ihre Aufnahme in die HJ erhöhte sich deren kulturelles Niveau, der Ruf der kulturellen Leistungen der HJ in der Öffentlichkeit verbesserte sich.37

Die Einsatzgebiete der Spielscharen waren vielfältig. Sie konnten z.B. für Dorfgemeinschaftsabende, Elternabende und größere Parteiveranstaltungen eingesetzt werden, im

Gliederung der Spieleinheiten der Hitler-Jugend. In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 14 (1941) H. 9. S. 187–190).

33 Dannemann, [Kurt]: HJ-Spielscharen - die jüngste (1938), S. 372–373. Das Zitat folgt dem Druckbild des Originals.

34 Zum Aufbau der HJ und den Bezeichnungen der Formationen vgl. z.B. Buddrus, Michael: Totale Erziehung für (Teil 2) (2003), S. 1108. oder [Artikel] Jugend (1939), Sp.613–616.

35 Vgl. Stoverock, Karin: Musik in der (2013), S. 98.

36 Siehe ebd., S. 98–99.

37 Vgl. ebd., S. 96. Zu den angesprochenen Spitzenchören vgl. o. A.: Kulturelle Umschau. Aus der Arbeit unserer Jugendchöre und Spieleinheiten der Leistungsstufe 1 im Jahre 1943. In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 17 (1944) 1/3. S. 14–16 Hier: S. 15-16.

Programm des HJ-Veranstaltungsrings38, zur Urlauberbetreuung auf den KdF39-Schiffen, im Rundfunk (hierfür gab es eigene Rundfunkspielscharen40), später für die Soldatenbetreuung z.B. in Lazaretten. Häufig wurde ein Programm gestaltet, an dem die verschiedenen Gruppierungen einer Spielschar jeweils ihren Anteil hatten, also z.B. nicht nur ein Chor oder nur eine Theatergruppe.41 Während des Krieges wurde die Bedeutung der kulturellen Arbeit der HJ größer. Der mögliche Einsatz der HJ wurde bereits im September 1939 von der RJF angekündigt:

Die Formationen von HJ, DJ, BDM und JM werden als einzige in der Lage sein, in Sing- und Spielstunden mit Blasmusiken, Fanfarenmusiken, Laien- und Märchenspielen dafür zu sorgen, daß in den lebenswichtigen Betrieben, die mit drei und vier Schichten arbeiten, in den Werkpausen den Arbeitenden Entspannung und Freude gebracht wird. Im gleichen Umfang muß in den Flüchtlingslagern und Lagern der Evakuierten, in Verwundetenheimen, auf den Dörfern, in Straßen und auf Plätzen der Städte und überall dort, wo es not tut, ebenso für Entspannung und Aufheiterung gesorgt werden.42

Für das Jahr 1943 verkündete der Reichsjugendführer Axmann in seiner Neujahrsansprache die Parole „Kriegseinsatz der Hitlerjugend“. Es sei Aufgabe der Orchester, Laienspielgruppen etc., Freude in die Rüstungsbetriebe und Lazarette zu bringen.43

38 Der Veranstaltungsring der HJ war eine Besucherorganisation, über die Jugendliche zu günstigen Konditionen Theater- oder Filmvorführungen sowie Konzerte besuchen konnten. (vgl. Buddrus, Michael: Totale Erziehung für (Teil 1) (2003), S. 154–155.) Zum Veranstaltungsring der HJ siehe auch Bonn, Friedrich: Jugend und Theater (1939), S. 288–291. Zum Einsatz der Spielscharen im Veranstaltungsring siehe Deppe, Frithjof: Die Mitwirkung der Spielscharen im Veranstaltungsring. In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 14 (1941) H. 9.

S. 168–169. Der Veranstaltungsring der HJ war auch Thema in anderen Artikeln der Zeitschrift Die Spielschar, wie etwa Noack, Ludwig: Aufbau und Organisation des Veranstaltungsringes der HJ. In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 11 (1938). S. 319–323. Oder o. A.: Junge Dramatiker im Veranstaltungsring der HJ. In:

Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 11 (1938). S. 403.

39 „KdF“ steht für die nationalsozialistische Freizeitorganisation Kraft durch Freude. Bei dieser handelte es sich um eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Die DAF war nach der Zerschlagung der Gewerkschaften am 10. Mai 1933 als Einheitsgemeinschaft von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegründet worden. Die Nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude (NSGKdF) sollte alle Bevölkerungsschichten erreichen und in die

‚Volksgemeinschaft‘ integrieren. Zu diesem Zweck bot sie ein umfangreiches kulturelles und touristisches Freizeitprogramm. Dazu gehörten z.B. auch Schiffsreisen auf den KdF-Schiffen. Vgl. zur NSGKdF: Drewniak, Bogusław: Das Theater im (1983), S. 24–25.

40 Für die Rundfunkspielscharen gab es eigene Regelungen, die ebenfalls in der Spielschar veröffentlicht wurden: Vom Aufbau einer Rundfunkspielschar. Aufgezeigt am Beispiel der Rundfunkspielschar Stuttgart (RS/2 der RJF). In: Die Spielschar: Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 11 (1938). S. 382–385.

41 Vgl. Keller, Anne: Der ausgerichtete Zuschauer (2013), S. 184. Und Schelling, Frauke: Vom Jugendspiel zum (Teil 2) (1997), S. 29. Vgl. auch Wilcke, Gudrun: Die Kinder- und Jugendliteratur (2005), S. 62. Wilcke beschreibt, dass sie als junges Mädchen Mitglied im Chor einer Spielschar gewesen sei, in der es auch eine Theatergruppe gegeben habe.

42 Kultureller Einsatz der HJ im Kriege, in: Reichsbefehl der Reichsjugendführung der NSDAP, 2/K, 22.9.1939. [Nicht eingesehen. Zitiert nach Stoverock, Karin: Musik in der (2013), S. 147.].

43 Der Text der Ansprache wurde in der Spielschar abgedruckt. (o. A.: Kulturarbeit im Kriegseinsatz. In: Die Spielschar:

Zeitschrift für Feier und Freizeitgestaltung 16 (1943) H. 2. S. 18).

Je nach Art und Zusammensetzung des Publikums, für das die Spielscharen auftraten, verfolgten diese unterschiedliche Zielsetzungen bzw. es wurden unterschiedliche Erwartungen an sie gestellt.

Keller fasst diese folgendermaßen zusammen:

Verwurzelung in Brauchtum und deutscher/germanischer Kultur stärken, Aufgeschlossenheit gegenüber dem Nationalsozialismus schaffen, kulturelle Versorgung der Landbevölkerung zur Landflucht-Prävention, ‚Volkstumskampf’, Multiplikatoren-Funktion, Selbstdarstellung und Werbung der Partei und ihrer Einrichtungen, Kennenlernen verschiedener Bevölkerungsgruppen fördern, Ablenkung und Stärkung der Motivation.44

Immer aber wurde an die Veranstaltungen der Spielscharen der Anspruch der Vorbildhaftigkeit und der Gemeinschaftsförderung gestellt, so Keller.45 Schelling erklärt, dass die Spielscharen zunächst nur interne Veranstaltungen der HJ und der NSDAP mit ihrer Arbeit hätten umrahmen sollen. Dann seien sie aber gezielt für die Verbreitung deutschen Brauchtums und nationalsozialistischer Ideale und Werte sowie später zur Unterhaltung und Zerstreuung der Bevölkerung wie auch der Soldaten eingesetzt worden. Bei den Zielen, die von der RJF mit dem Laienspiel verfolgt wurden, sieht Schelling die Beeinflussung der Zuschauer im Vordergrund, die Erziehung der Jugendlichen selbst zu ‚Volkstum’ und anderen nationalsozialistischen Idealen habe nicht im Zentrum gestanden.46 Keller hingegen betont, es sei offensichtlich, dass die Verantwortlichen sich eine starke propagandistische Wirkung nicht nur auf die Zuschauer, sondern auch auf die Darsteller erhofft hätten.47 Es ist anzunehmen, dass eine Beeinflussung von Spielern durch die von ihnen zur Aufführung gebrachten Stücke und die von ihnen gestalteten Feiern nicht ausgeblieben sein wird. Möglicherweise war das in den späteren Jahren nicht das Hauptziel des Einsatzes der Spielscharen, aber sicher ein gern gesehener Nebeneffekt. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung Hopsters von Interesse, in der er darauf hinweist, dass durch das Spielen der Texte bzw. die Teilnahme an nationalsozialistischen Festen und Feiern eine besondere Form der Wirklichkeitswahrnehmung und der Erfüllung der Sehnsucht nach Gemeinschaft ermöglicht worden sei:

44 Keller, Anne: Der ausgerichtete Zuschauer (2013), S. 212.

45 Ebd.

46 Vgl. Schelling, Frauke: Vom Jugendspiel zum (Teil 2) (1997), S. 29.

47 Keller, Anne: Der ausgerichtete Zuschauer (2013), S. 212.

Die Ingebrauchnahme der vielen Spieltexte im Rahmen von Veranstaltungen der Organisationen und Dienste diente – über ihre propagandistische Funktion hinaus – jener literaturpolitischen Tendenz, Literatur generell zum Medium der Erfahrung nationalsozialistischer Wirklichkeit – der sogenannten Lebensformen – und damit der Erfahrung der Bestätigung des Ichs als Teil dieser Wirklichkeit fungibel zu machen.

Dabeisein im Spiel, im Theater sollte zum Darinsein in der gespielten, der inszenierten Wirklichkeit werden. [Hervorhebungen im Original, B.K.]48

In der inszenierten Welt, in der Welt der Aufführung also, konnte der Einzelne Erfahrungen machen, die denen gleichkamen, die in der ‚Wirklichkeit‘ gemacht werden konnten. Oder, noch präziser: Die inszenierte Wirklichkeit mag nur gespielt und nicht ‚echt‘ sein, die durch das Dabeisein im Spiel gemachten Erfahrungen sind es aber. Das Gefühl, das vermittelt oder erlebt wird, ist real. Hopster betont auch in einem weiteren Beitrag, dass die Nationalsozialisten das Laienspiel zur Vermittlung nationalsozialistischer Haltungen und Einstellungen hätten nutzen wollen. Im Laienspiel sollte sich eine Feiergemeinschaft konstituieren. Es sollte im Rahmen von Festen und Feiern eine spezielle Funktion haben, nämlich über das ästhetische Erlebnis politische Haltungen zu vermitteln.49

In der Forschung wird die Übernahme des Laienspiels in die Hitlerjugend als (vorläufiges) Ende seiner Entwicklung gesehen. Besonders drastische Worte wählt Alwin Müller, der erklärt, die Übernahme in die HJ habe für das Laienspiel „den Tod“ bedeutet.50 Damit meint er nicht, dass gar kein Spiel mehr stattgefunden habe, sondern dass es kein ‚echtes Laienspiel‘ mehr gegeben habe. Da dem Laienspiel durch Persönlichkeiten wie Gottfried Haas-Berkow, Ignaz Gentges, Rudolf Mirbt und andere eine „breite volkspädagogische, heilerzieherische, gemeinschaftsbildende Strahlung und Wirkung zugewachsen“51 sei, hätten es nationalsozialistische Organisationen – Müller nennt an erster Stelle die HJ und den BDM – gerne übernommen. Das habe dazu geführt, dass „seine Inhalts- und seine Formenwelt alsobald verschlissen wurde und der raschen Inflation der Werte ebenso anheimfiel wie die großen Werte von Volk und Vaterland, von Führer und Gefolgschaft...“52. Eine Vereinnahmung des Laienspiels für nationalsozialistische Ziele wurde auch von Zeitgenossen registriert. Sofern sie der NSDAP angehörten oder nahestanden, bewerteten sie

48 Hopster, Norbert: Literatur der Organisationen und Dienste. In: Kinder- und Jugendliteratur 1933 - 1945. Ein Handbuch. Band 2: Darstellender Teil. Hrsg. von Norbert Hopster, Petra Josting u. Joachim Neuhaus. Stuttgart, Weimar: J.B. Metzler 2005. Sp.121–186. Hier: Sp.140–141.

49 Ders.: Fest und Feier (2005), Sp. 662-663.

50 Müller, Alwin: Laienspiel - Spiel der Gemeinschaft. In: Die Jugendbewegung. Welt und Wirkung. Zur 50. Wiederkehr des freideutschen Jugendtages auf dem Hohen Meißner. Hrsg. von Elisabeth Korn, Otto Suppert u. Karl Vogt.

Düsseldorf, Köln: Eugen Diederichs Verlag 1963. S. 67–84. Hier: S. 77.

51 Ebd.

52 Ebd.

dies als positiv und wünschenswert, so wie Hermann Schultze 1941 in seinem Werk Das deutsche Jugendtheater:

Konnten wir aber noch in der Jugendbewegung das Spiel um seiner selbst willen antreffen, so kann dieser Standpunkt und ein aus ihm resultierendes Spiel nunmehr in der gesamten spielschöpferischen Betätigung der jungen Einheiten grundlegend als überwunden angesehen werden. Denn jetzt dient das Spiel nunmehr in der Hand der mannschaftlichen Spielscharen endlich in voller Reinheit und Kompromißlosigkeit den Aufgaben, denen im Grunde jede tiefe und echte Kultur dient: den Aufgaben des Volkstums, des Volksaufbaus, der Volksordnung und der Volkssicherung. Das Spiel der Spielscharen ist im höchsten Sinne also politisch. Es steht in einem kämpferischen und wehrhaften Einsatz um die Ewigkeit und den Bestand von Art und Volk mitten drin.53

Schultze erkennt eine Entwicklung, in der „das Spiel um seiner selbst willen“ überwunden sei (was er offenkundig begrüßt) und es nun als politisches Spiel zielgerichtet für Aufgaben wie

‚Volksaufbau‘, ‚Volksordnung‘ und ‚Volkssicherung‘ eingesetzt werde. Dass eine politische Vereinnahmung des Laienspiels keine neue Idee oder Entwicklung war – erinnert sei nur an die linken Agitprop-Gruppen aus der Weimarer Zeit –, erwähnt Schultze hier nicht. Ebenso wenig scheinen ihm andere Aspekte des Laienspiels wie das Zusammenwachsen der Gruppe, die Entwicklung einer eigenen Ausdrucksform oder so etwas wie Spielfreude am Herzen zu liegen.

Mit der Etablierung des nationalistisch-völkischen politischen Spiels ist für ihn die höchste Stufe erreicht. Das Spiel der Spielscharen ist für ihn gleichbedeutend mit „tiefe[r] und echte[r] Kultur“.

Einen Überblick über verschiedene Formen von Laienspieltexten für Kinder und Jugendliche im

‚Dritten Reich‘ gibt Norbert Hopster in seinem Sammelbandbeitrag Fest und Feier aus dem Jahr 2005.54 Er nennt verschiedene Genres: HJ-Spiele, in denen die HJ sich selber spiele, Märchenspiele, politische Agitationsspiele, Sagen- und Historienspiele, Spiele zum Jahreslauf (also z.B. zur Sonnenwende, Weihnachten, Ostern etc.), Rüpel- und Schwankspiele. Thematisch hätten „die ns-spezifischen Spiele […] einen erheblichen Teil der Gesamtproduktion aus[gemacht]“55. Als ns-spezifische Spiele bewertet Hopster Stücke, welche die HJ, politische Themen oder NS-Einrichtungen thematisieren oder beinhalten. Weitere häufig auftauchende Themen seien Arbeit, Ernte und Bauerntum sowie Deutsche im Ausland bzw. Grenzland. Chorische Spiele und ausdrücklich als Festspiele deklarierte Spiele bezeichnet Hopster als „Sonderfälle der für Laien, näherhin der für Kinder und Jugendliche geschriebenen bzw. von der Kritik für Kinder und

53 Schultze, Hermann: Das deutsche Jugendtheater (1941), S. 141.

54 Hopster, Norbert: Fest und Feier (2005).

55 Ebd., Sp.657–658.

Jugendliche rezipierbar gehaltenen Spiele“56. Eine weitere Besonderheit im Spektrum der Spielliteratur für Kinder und Jugendliche seien religiöse bzw. konfessionell geprägte Stücke gewesen, die nicht prinzipiell abgelehnt worden seien. Viele Spiele zum Themenbereich Weihnachten hätten jedoch keinen religiösen oder konfessionellen Charakter, sondern seien dem Komplex der Deutschen Weihnacht zuzurechnen.57 Eine große Menge an Spielen sei als lustig, fröhlich oder heiter bzw. als Komödie oder Schwank etikettiert. Hierin sieht Hopster ein Weiterbestehen der traditionellen Vorstellung, dass Stücke für Kinder entweder märchenhaft oder lustig zu sein hätten.

Der Bereich der Spielliteratur sei geschlechtsspezifisch aufgeteilt gewesen, wenn auch eine Trennung in Mädchenspiele und Jungenspiele in empfehlenden Listen oder Verzeichnissen zur Laienspielliteratur nicht üblich gewesen sei. Hopster äußert sich auch über die Verteilung von jungen- bzw. mädchenspezifischen Texten:

Zwar weist die Mehrzahl der Spiele nicht explizit eine geschlechtsspezifische Adressierung auf, wenn man von den Jungvolk- und HJ-Spielen einmal absieht, aber es gibt – neben einer kleineren Zahl ausdrücklich an Jungen gerichteter Texte […] und der großen Zahl der implizit vor allem auf Jungen zielenden Texte – doch eine erhebliche Anzahl von Spielen, die an Mädchen adressiert sind […]. [Hervorhebungen im Original, B.K.]58

Es bleiben einige Fragen offen: Ist die „erhebliche Anzahl von Spielen, die an Mädchen adressiert sind“ kleiner oder größer als die der explizit an Jungen gerichteten Spiele? Und bedeutet

„adressiert“ hier (nur) eine explizite Adressierung oder (auch) eine implizite? Es scheint so, als sei die Zahl der an Jungen gerichteten Stücke größer, die Zahl der Mädchenstücke aber immerhin nicht marginal, doch Zahlen- oder Mengenangaben fehlen. Konkreter nennt Hopster jedoch, in welchem Bereich er einen deutlichen Geschlechterunterschied sieht. Es habe für Mädchen „keine spezifischen politisch-agitatorischen Spiele gegeben“, diese seien „implizit oder explizit immer an Jungen oder an Jungen und Mädchen gerichtet gewesen.“ 59 So scheine es keine Jungmädel- oder BDM-Spiele, gleichsam als Entsprechung zu den von ihm zuvor genannten Jungvolk- und HJ-Spielen, gegeben zu haben. Im Überblick macht Hopster drei Schwerpunkte im Bereich des Laienspiels bzw. der Laienspieltexte aus. Als ersten nennt er den Bereich der unmittelbar funktionalen Spiele: „[…] politisch-agitatorische, Jungvolk- und HJ-Spiele, Spiele für NS-Inszenierungen“.60 Der zweite Schwerpunkt seien Märchenspiele, die Hopster teilweise in der Tradition des Weihnachtsmärchens sieht. Als dritten Schwerpunkt bezeichnet er die

56 Ebd., Sp.658.

57 Vgl. ebd., Sp.659–660.

58 Ebd., Sp.659.

59 Ebd.

60 Ebd., Sp.660.

unterhaltsamen Spiele, die von der Tradition der kindertümelnden Kinder- und Jugendliteratur beeinflusst seien.61

Wolfgang Förster, Mitarbeiter im Kulturamt der RJF und verantwortlich für die von diesem herausgegebene Reihe Spiele der deutschen Jugend, teilt das in der HJ gepflegte Laienspiel in zwei Bereiche ein, in das Feierspiel auf der einen und das gesellige Spiel oder Volksspiel auf der anderen Seite. Diese Sicht legt er in zwei Beiträgen in der Spielschar in den Jahren 1937 und 1942 dar, die in ihrem Wortlaut beinahe identisch sind. Als Beispiele für gesellige Spiele nennt Förster Märchenbearbeitungen wie Die natürliche Nachtigall von Margarethe Cordes (Heft 45 der Münchener Laienspiele)62 oder den Schwank Iha der Esel von Heinz Steguweit (Band 2 der Reihe Wir Rüpelspieler im Verlag Langen/Müller).63 Als Feierspiele erwähnt er Trutz Teufel und Tod von Werner Altendorf (Münchener Laienspiele 97) und Erich Colbergs Der Kommandant (Spiele der deutschen Jugend 5). Beide Formen des Spiels unterschieden sich in der Art, wie sie in der Gruppe erarbeitet würden, so Förster. Beim geselligen Spiel ginge es darum, die geeignete Rolle für jeden Spieler zu finden, ihn dazu zu bringen, seine individuellen Spielmöglichkeiten zu entfalten, und alle Spieler zum Zusammenspiel zu führen. Dabei solle auch Raum für das Stegreifspiel gewährt werden. Diese Form des Spiels ziele auf Geselligkeit ab, solle aber auch Zusammenhänge und Hintergründe des Lebens aufzeigen und enthüllen. Die Erarbeitung eines Feierspiels dagegen müsse auf einen gemessenen sprachlichen Ausdruck zielen, auf sparsame Gestik und die Einhaltung von bewusst gesetzten Pausen. Improvisation sei hier völlig zu vermeiden. Bei dieser Art des Spieles ginge es, so Förster, um die Verkündung von Ideen, um Bekenntnis und Feier.64 Als Aufgabe der HJ und ihrer Spielscharen sieht Förster beide Spielformen. Das gesellige Spiel sei – auch außerhalb der HJ-Spielscharen – als Volksspiel zu pflegen, das Feierspiel solle dagegen im Aufgabenbereich der HJ liegen, denn: „Das Feierspiel liegt im Aufbau unserer Spielarbeit einfach eine Stufe höher als das

Wolfgang Förster, Mitarbeiter im Kulturamt der RJF und verantwortlich für die von diesem herausgegebene Reihe Spiele der deutschen Jugend, teilt das in der HJ gepflegte Laienspiel in zwei Bereiche ein, in das Feierspiel auf der einen und das gesellige Spiel oder Volksspiel auf der anderen Seite. Diese Sicht legt er in zwei Beiträgen in der Spielschar in den Jahren 1937 und 1942 dar, die in ihrem Wortlaut beinahe identisch sind. Als Beispiele für gesellige Spiele nennt Förster Märchenbearbeitungen wie Die natürliche Nachtigall von Margarethe Cordes (Heft 45 der Münchener Laienspiele)62 oder den Schwank Iha der Esel von Heinz Steguweit (Band 2 der Reihe Wir Rüpelspieler im Verlag Langen/Müller).63 Als Feierspiele erwähnt er Trutz Teufel und Tod von Werner Altendorf (Münchener Laienspiele 97) und Erich Colbergs Der Kommandant (Spiele der deutschen Jugend 5). Beide Formen des Spiels unterschieden sich in der Art, wie sie in der Gruppe erarbeitet würden, so Förster. Beim geselligen Spiel ginge es darum, die geeignete Rolle für jeden Spieler zu finden, ihn dazu zu bringen, seine individuellen Spielmöglichkeiten zu entfalten, und alle Spieler zum Zusammenspiel zu führen. Dabei solle auch Raum für das Stegreifspiel gewährt werden. Diese Form des Spiels ziele auf Geselligkeit ab, solle aber auch Zusammenhänge und Hintergründe des Lebens aufzeigen und enthüllen. Die Erarbeitung eines Feierspiels dagegen müsse auf einen gemessenen sprachlichen Ausdruck zielen, auf sparsame Gestik und die Einhaltung von bewusst gesetzten Pausen. Improvisation sei hier völlig zu vermeiden. Bei dieser Art des Spieles ginge es, so Förster, um die Verkündung von Ideen, um Bekenntnis und Feier.64 Als Aufgabe der HJ und ihrer Spielscharen sieht Förster beide Spielformen. Das gesellige Spiel sei – auch außerhalb der HJ-Spielscharen – als Volksspiel zu pflegen, das Feierspiel solle dagegen im Aufgabenbereich der HJ liegen, denn: „Das Feierspiel liegt im Aufbau unserer Spielarbeit einfach eine Stufe höher als das