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3. KINDER- UND JUGENDTHEATER IM ‚DRITTEN REICH‘

3.5 Schulspiel im ‚Dritten Reich‘

Mit den weiter oben erwähnten Schülervorstellungen im Theater ist der Themenkomplex ‚Schule und Theater‘ nicht abschließend behandelt. Neben diesen gab es auch innerhalb der Schulen Theater oder Laienspiel, das auch als Schulspiel bezeichnet wurde.142 Davon zeugen zeitgenössische Ratgeber zum Bereich Schulspiel oder Laienspiel in der Schule, wie Fest und Feier

140 Das Programm der Theaterwoche ist einer Beilage zum Heft Dramatiker der HJ (Dramatiker der HJ. Sonderheft zur Theaterwoche der Hitler-Jugend verbunden mit einer Reichstheatertagung der Hitler-Jugend vom 11. - 18. April 1937. Hrsg. in Zusammenarbeit der Reichsjugendführung mit dem Stadttheater Bochum. Bochum: Schürmann u.

Klagges o. J. [1937].) zu entnehmen. Alle hier aufgeführten Informationen sind dieser Beilage entnommen. Die elf Seiten, auf den das Aufführungs- und das Tagungsprogramm aufgezählt werden sind ohne Seitenzählung. Die Veranstaltung wird auf der Titelseite des Heftes Dramatiker der HJ als „Theaterwoche der Hitler-Jugend verbunden mit einer Reichstheatertagung der Hitler-Jugend“ bezeichnet.

141 Vgl. Buddrus, Michael: Totale Erziehung für (Teil 1) (2003), S. 153–154.

142 Dieser Bereich des Theaters für Kinder und Jugendliche ist noch nicht ausgiebig erforscht. Nickel schreibt in seinem Artikel Schultheater im Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur: „Die Entwicklung des Sch[ultheater]s wurde wie die des Laienspiels von 1933 bis 1945 unterbrochen. Christliches wie sozialistisches Gedankengut wurde ausgeschieden.

Weiterhin gespielt wurden Klassiker und Märchen, auch eine ganze Reihe der neuen Texte; Völkisch-Nationales wurde verstärkt, nationalsozialistische Stücke entstanden jedoch kaum und wurden auch selten gespielt.“ (Nickel, Hans-Wolfgang: [Artikel] Schultheater. In: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur. Personen-, Länder- und Sachartikel zu Geschichte und Gegenwart der Kinder- und Jugendliteratur. In drei Bänden (A-Z) und einem Ergänzungs- und Registerband. Dritter Band: P - Z. Hrsg. von Klaus Doderer. Weinheim, Basel: Beltz 1979. S. 322–

323. Hier: S. 323).

in der Schule des Dritten Reiches.143Auch gibt es verschiedene in der Zeit des ‚Dritten Reiches‘

erschienene Reihen mit Texten für das Schulspiel. Dazu gehören die Thüringer Dorf- und Schulspiele, die im Verlag Danner in Mühlhausen erschienen, die Schul- und Jugendbühne des Quickborn-Verlags aus Hamburg oder die Spiele und Feste der deutschen Schule, die im Rahmen dieser Arbeit in einem eigenen Kapitel behandelt werden. Herausgegeben wurde die letztgenannte Reihe vom Nationalsozialistischen Lehrerbund, der im Folgenden kurz vorgestellt werden soll.

3.5.1 Der Nationalsozialistische Lehrerbund

Die Anfänge des Nationalsozialistischen Lehrerbunds (NSLB) reichen in die 1920er Jahre zurück.

Bei ihm handelte es sich, anders als bei der HJ, nicht um eine Gliederung der NSDAP, sondern um einen der Partei angeschlossenen Verband, der rechtlich und organisatorisch selbständig war und auch über eigenes Vermögen verfügte. Ab 1933 entwickelte sich der NSLB zur einzigen Lehrerorganisation im ‚Dritten Reich‘, alle übrigen Lehrerverbände wurden in den NSLB eingegliedert und später aufgelöst.144 Ende 1932 hatte der NSLB etwa 6000 Mitglieder, ein Jahr später stellte er mit 220.000 Mitgliedern schon eine Massenorganisation dar.145 1936 waren bereits 97% der deutschen Lehrer dem NSLB angeschlossen. Als Grund hierfür sieht Grüttner vor allem den Umstand, dass bereits bestehende Lehrerverbände korporativ – also in ihrer Gesamtheit – in den NSLB eingegliedert worden waren. Diese Zahlen besäßen also keine große Aussagekraft hinsichtlich der Regimetreue der Lehrer. Als interessanter bewertet er in dieser Hinsicht die Tatsache, dass Lehrer deutlich häufiger Mitglied der NSDAP waren als andere Beamte.

Signifikante Unterschiede zwischen Volksschullehrern und Studienräten seien dabei nicht festzustellen. Noch aufschlussreicher findet Grüttner, dass Lehrer in der Gruppe der Parteifunktionäre der NSDAP fünfmal so häufig vertreten waren wie andere Beamte. Er schlussfolgert daraus, dass Lehrer sich dem Nationalsozialismus nach 1933 häufiger und schneller zugewandt hätten als andere vergleichbare Berufsgruppen.146 Im Jahr 1938 hatte der NSLB dann 300.000 Mitglieder.147

1934 wurde der NSLB dem neu geschaffenen Hauptamt für Erzieher der NSDAP angeschlossen, das den entsprechenden Behörden gegenüber die Interessen der Partei im Bereich Schule vertrat.

143 Fest und Feier in der Schule des Dritten Reiches. Von einer Arbeitsgemeinschaft sächsischer Lehrer. Hrsg. von der Presseleitung im N.S.L.B. - Sachsen. Dresden: C.C. Meinhold & Söhne 1936.

144Josting, Petra: Der Jugendschrifttums-Kampf des (1995), S. 15–17. Alle Ausführungen im Folgenden stützen sich, wo nicht anders oder genauer gekennzeichnet, auf ebd., S. 15–37.

145 Grüttner, Michael: Das Dritte Reich (2014), S. 462.

146 Vgl. ebd., S. 462–463.

147 Ebd., S. 109.

Der Sitz der Reichswaltung des NSLB und damit seine Zentrale befand sich in Bayreuth.

Mitbegründer und erster Reichswalter des NSLB war Hans Schemm, der in Personalunion auch Leiter des Hauptamtes für Erzieher wurde. Schemm und weitere NSLB-Funktionäre besetzten zudem Schlüsselstellen in Ministerien (Schemm z.B. wurde bayerischer Kultusminister, der NSLB-Gauwalter in Sachsen wurde sächsischer Kultusminister) oder in verschiedenen Landes- und Bezirksschulverwaltungen.148 Ziel des NSLB war es, zur Einheitsorganisation nicht nur für Lehrerinnen und Lehrer der unterschiedlichen Schulformen, sondern für alle Erzieher, von der Kindergärtnerin bis zum Hochschullehrer, zu werden und für die Ausrichtung der Erziehung und des Unterrichts im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu sorgen. Um dies zu erreichen besaß die weltanschauliche Schulung sowohl der Erzieher als auch der Schüler einen hohen Stellenwert. Notwendig war hierfür die Kontrolle der gesamten Literatur, die im Bereich Erziehung relevant war. Dazu gehörten Lehr- und Lernmittel für die verschiedenen Fächer in den verschiedenen Bildungseinrichtungen, Weiterbildungsliteratur für Erzieher und auch pädagogische Zeitschriftenartikel. Doch schon früh hatte der NSLB auch den gesamten Bereich der Kinder- und Jugendliteratur zu seinem Aufgabengebiet erkoren.149 Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Vereinigten Deutschen Prüfungsausschüsse (VDP) die gesamte KJL gesichtet und geprüft und daraufhin Empfehlungen ausgesprochen. Presseorgan der VDP war die Jugendschriften-Warte (JSW).150 Die Aufgaben der VDP wollte der NSLB übernehmen, im Juni 1933 wurden sie in den NSLB eingegliedert.151 Die Arbeit an der JSW wurde weitergeführt. Die Dezember-Ausgabe des Jahres 1934 war die letzte Ausgabe, die im Namen der Vereinigten Deutschen Prüfungsausschüsse für Jugendschrifttum herausgegeben wurde. Ab April 1935 wurde die Jugendschriften-Warte dann direkt vom NSLB in Bayreuth herausgegeben.152

Von 1933-1935 war die gesamte Jugendschrifttumsarbeit des NSLB der von Georg Roder geleiteten Abteilung Erziehung und Unterricht unterstellt, die noch weitere Aufgaben hatte. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Bücherei (DB) in Leipzig errichteten im Herbst 1933 die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums (RFS) und die RJF eine gemeinsame

148 Josting, Petra: Der Jugendschrifttums-Kampf des (1995), S. 17. Siehe auch Feiten, Willi: Der Nationalsozialistische Lehrerbund: Entwicklung und Organisation. Ein Beitrag zum Aufbau und zur Organisationsstruktur des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. Weinheim [u.a.]: Beltz 1981 (=Studien und Dokumentationen zur deutschen Bildungsgeschichte 19), S. 68–69.

149 Vgl. zur Arbeit des NSLB auf dem Bereich der KJL bzw. allgemein zur NS-Kulturpolitik in diesem Bereich Josting, Petra: Kinder- und Jugendliteratur (1997). Und: Dies.: Kinder- und Jugendliteraturpolitik im (2005). In beiden Aufsätzen wird nicht-dramatische KJL bzw. werden die auf sie zielenden kulturpolitischen Maßnahmen untersucht.

150 Vgl. zur Jugendschriften-Warte Azegami, Taiji: Die Jugendschriften-Warte (1996).

151 Ebd., S. 215–216.

152 Ebd., S. 217.

Jugendschrifttumsstelle, das Referat für Jugendschrifttum. Der NSLB wurde erst nachträglich zur Zusammenarbeit eingeladen. In den folgenden Jahren kam es zu Auseinandersetzungen um die Vormachtstellung im Bereich des Jugendschrifttums, vordergründig zwischen NSLB und RFS. Da innerhalb der RFS das Hauptlektorat Jugendschrifttum allerdings mit einem Mitarbeiter aus den Reihen der HJ besetzt war, handelte es sich in Wirklichkeit um einen Kampf um die Vorherrschaft zwischen NSLB und RJF.153 Dennoch kam es auch zu produktiver Zusammenarbeit zwischen NSLB und RFS, beispielsweise bei der Erstellung von Empfehlungsverzeichnissen.154 Erst im Dezember 1935 wurde dem NSLB von der NSDAP gestattet, innerhalb der Reichswaltung eine eigene Abteilung Schrifttum einzurichten.155 1936 wurde die Hauptabteilung Schrifttum mit den Unterabteilungen Bücherei, Jugendschrifttum, Zeitschriften und Begutachtungswesen eingerichtet. Allerdings dauerte es bis zum Ende des Jahres 1937, bis der NSLB über ein wirklich funktionierendes Instrumentarium zur Bewältigung aller anfallenden Schrifttumsarbeit verfügte.156 Im Jahr 1943 musste der NSLB seine Arbeit einstellen, schon in den Jahren davor hatte er seine Aktivitäten zunehmend eingeschränkt.