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Publikation von Spieltexten für das Laien- und Schulspiel

3. KINDER- UND JUGENDTHEATER IM ‚DRITTEN REICH‘

3.7 Publikation von Spieltexten für das Laien- und Schulspiel

Für den Bereich der Produktion und Distribution von Kinder- und Jugendliteratur, Laienspieltexten bzw. von Literatur überhaupt war im ‚Dritten Reich‘ die Reichsschrifttumskammer (RSK), eine Teilkammer der Reichskulturkammer (RKK) von entscheidender Bedeutung. Sie umfasste mehrere Abteilungen, die wiederum in Fachschaften aufgeteilt waren. Innerhalb der Fachschaft Verlag, die der Abteilung III Gruppe Buchhandel untergeordnet war, bestand auch eine Arbeitsgemeinschaft der Laienspielverleger.163 Erster Präsident der RSK war von 1933 bis 1935 der Jurist und Schriftsteller Hans Friedrich Blunck, ab 1935 bekleidete der Autor Hanns Johst dieses Amt.164 Wer im ‚Dritten Reich‘ regelmäßig schriftstellerisch tätig sein

159 Vgl. Wardetzky, Jutta: Theaterpolitik im faschistischen (1983), S. 44–45.Siehe auch die „Anweisung an die unteren Verwaltungsbehörden im Deutschen Reich über das Verfahren bei Entscheidung von Anträgen um Zulassung zu gelegentlichen Veranstaltungen von Theateraufführungen, die für den allgemeinen Besuch bestimmt sind“ des Reichspropagandaministers, abgedruckt bei Aßmann, Gustav (Hrsg.): Das Theatergesetz vom (1935), S. 124–126.

160 Wardetzky, Jutta: Theaterpolitik im faschistischen (1983), S. 45.

161 Aßmann, Gustav (Hrsg.): Das Theatergesetz vom (1935), S. 17–18. Zitiert wird aus §7 des Theatergesetzes.

162 Wardetzky, Jutta: Theaterpolitik im faschistischen (1983), S. 45.

163 Hinkel, Hans (Hrsg.): Handbuch der Reichskulturkammer (1937), S. 147.

164 Vgl. Dahm, Volker: Künstler als Funktionäre (2004), S. 87–95.

wollte, musste der RSK angehören. Anders sah es jedoch bei Gelegenheitsschriftstellern aus, von denen es gerade im Bereich der dramatischen Literatur für Kinder und Jugendliche einige gab, z.B.

Lehrer, die mit ihren Schülern ein Stück erarbeiteten und es dann in einem Verlag veröffentlichten.165 Diese mussten nicht zwangsläufig Mitglied in der RSK sein.166 Die Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der Reichskulturkammer bzw. einer ihrer Einzelkammern galt ebenfalls für denjenigen, der lediglich „bei der Erzeugung, der Wiedergabe, der geistigen oder technischen Verarbeitung, der Verbreitung, der Erhaltung, dem Absatz oder der Vermittlung des Absatzes von Kulturgut mitwirkt[e]“, er musste der seiner Tätigkeit entsprechenden Einzelkammer der RKK angehören.167

Der Markt für Kinder- und Jugendliteratur zwischen 1933 und 1945 sei laut Hopster/Josting/Neuhaus einerseits privatwirtschaftlich organisiert gewesen, andererseits hätten unterschiedliche staatliche und parteiamtliche Lenkungsinstanzen mit Erlassen, Anordnungen, Empfehlungs- und Ablehnungslisten sowie einer institutionalisierten, offiziellen Kritik versucht, in die Produktion, Distribution und Rezeption der Kinder- und Jugendliteratur einzugreifen.168 Trotz aller Einmischung von Staat und Partei habe der KJL-Markt aber in hohem Maße seine Eigendynamik und Eigenständigkeit behalten. Ein großer Teil der KJL sei traditionell

„kindertümelnd“ oder „trivialästhetisch“ gewesen. Konventionelles aus der Zeit der Weimarer Republik sei auf dem Markt geblieben und neu aufgelegt worden. Anders als man annehmen möchte, sei es auch nicht zu eindeutigen Verboten von Werken der KJL gekommen. Sogar die von der RSK verantworteten Listen des schädlichen und unerwünschten Schrifttums seien nur für den internen Gebrauch bestimmt gewesen und der Öffentlichkeit somit unbekannt geblieben. Andere Listen, Verzeichnisse und Kataloge hätten lediglich empfehlenden Charakter gehabt.169

165 Siehe die Analysen zu den Spielreihen in den Kapiteln 4, 5 und 6 dieser Arbeit.

166 Nach § 9 der ersten Durchführungsverordnung zum Reichskulturkammergesetz konnte der Kammerpräsident bestimmen, dass bei nur geringfügiger oder gelegentlicher Ausübung einer bestimmten Tätigkeit keine Kammermitgliedschaft nötig war. Vgl. Erste Verordnung zur (1933). Siehe auch Schrieber, Karl-Friedrich; Metten, Alfred u. Herbert Collatz (Hrsg.): Das Recht der Reichskulturkammer. Sammlung der für den Kulturstand geltenden Gesetze und Verordnungen, der amtlichen Anordnungen und Bekanntmachungen der Reichskulturkammer und ihrer Einzelkammern. Band I. Berlin: De Gruyter 1943 (=Guttentagsche Sammlung Deutscher Reichsgesetze.

Kommentare und erläuterte Textausgaben 225). RKK I, 5, S. 11.

167 Siehe Erste Verordnung zur (1933). § 4. Abgedruckt auch bei Schrieber, Karl-Friedrich; Metten, Alfred u. Herbert Collatz (Hrsg.): Das Recht der (Band I) (1943). RKK I, 5, S.9-15. Hier: S.10. Vgl. auch Wardetzky, Jutta:

Theaterpolitik im faschistischen (1983), S. 37.

168 Vgl. Hopster, Norbert; Josting, Petra u. Joachim Neuhaus (Hrsg.): Kinder- und Jugendliteratur Bd. 1 (2001), Sp.

XIX.

169 Vgl. ebd., Sp. XX.

Als wirksames Lenkungsinstrument im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur stand der Ausschluss von Personen aus der RSK oder der RTK (im Falle der Bühnenverleger) zur Verfügung. Ein derartiger Ausschluss, der einem Berufsverbot gleichkam, bedeutete für Autoren ein Publikationsverbot im Deutschen Reich, für Verleger und Buchhändler die Schließung ihrer Betriebe oder einzelner, möglicherweise essentieller Sparten ihres Verlags.170 Rischbieter schreibt, dass bis 1938 offiziell die Namen von 500 Personen erfasst worden seien, die aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen wurden. Die tatsächliche Zahl derer, die ein Berufsverbot auferlegt bekommen hätten, gehe aber in die Tausende.171 Neben dieser radikalen Methode der Einflussnahme blieb noch die Vorgehensweise, die konforme und genehme Literatur besonders zu fördern oder zu empfehlen. Im Bereich der dramatischen Kinder- und Jugendliteratur waren besonders die HJ bzw. die RJF sowie der Nationalsozialistische Lehrerbund (NSLB) aktiv.172Im Fokus der Arbeit des NSLB standen, anders als bei der RJF, stets erzählende Texte, gefolgt von Lyrik. Beschäftigung mit Theaterstücken bzw. Texten für das Laienspiel oder das Puppenspiel gab es allerdings auch.173 Von Bedeutung für den Bereich der Kinder- und Jugendtheaterstücke war zum einen die Zeitschrift Jugendschriften-Warte, in welcher gelegentlich einzelne Stücke (im Karteiteil) oder Publikationen von Spieltexten zu einem bestimmten Anlass vorgestellt und bewertet wurden. Auf Seiten des NSLB gab es außerdem die Zeitschrift Die deutsche Schulfeier, die in zwangloser Folge herausgegebenen Mitteilungsblätter Fest-, Feier- und Freizeitgestaltung im NS.

Lehrerbund 174 sowie die Zeitschrift Hilf mit. Letztere, die zwischen 1933 und 1940 monatlich erschien und 12-17jährige Schüler erreichen sollte, beschäftigte sich nicht mit den Themen Theater oder Laienspiel. In die ebenfalls vom NSLB herausgegebenen Zeitschrift Deutsche Jugendburg, die sich an 8-11jährige Schüler richtete, wurden dagegen zumindest Kasperlespiele aufgenommen.175 Die Jugendpressearbeit der HJ wurde zentral durch das Presse- und Propagandaamt der

170 Siehe ebd.

171 Siehe Eicher, Thomas; Panse, Barbara u. Henning Rischbieter: Theater im „Dritten (2000), S. 28.

172 Stückeverzeichnisse mit empfehlendem Charakter gaben jedoch auch andere Stellen heraus, beispielsweise die NSGKdF, für die Paul Leonhardt im Jahr 1939 das Verzeichnis Das Laienspiel. Erfahrungen, Grundsätze, Aufgaben zusammenstellte. (Leonhardt, Paul: Das Laienspiel. Erfahrungen, Grundsätze, Aufgaben. Arbeitsmaterial der Abteilung Volkstum/Brauchtum des Amtes "Feierabend" der Nationalsozialistischen-Gemeinschaft "Kraft durch Freude". Gestaltung Paul Leonhardt. Herausgegeben in Gemeinschaft mit dem Hauptschulungsamt der NSDAP, der Reichsjugendführung, dem Amt Werkschar und Schulung und der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde. Berlin: Verlag der Deutschen Arbeitsfront o.J. [1939].).

173Diese ist teilweise dokumentiert im Bundesarchiv unter den Signaturen NS 12/1280 und NS 12/85.

174 Bonn, Friedrich: Jugend und Theater (1939), S. 288.

175 Vgl. Kaminski, Winfred: [Artikel] Hilf mit. In: Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur. Personen-, Länder- und Sachartikel zu Geschichte und Gegenwart der Kinder- und Jugendliteratur. In drei Bänden (A-Z) und einem Ergänzungs- und Registerband. Ergänzungs- und Registerband. Hrsg. von Klaus Doderer. Weinheim, Basel: Beltz 1982. S. 279–281. Die Zeitschrift Hilf mit! wurde durch die Schulen vertrieben. Ihre Auflagenhöhe betrug bis zu 3 Millionen.

Reichsjugendführung gelenkt. Für die Feier- und Freizeitgestaltung in der Hitlerjugend wurde die seit 1927 bestehende Zeitschrift Die Spielgemeinde inhaltlich umgestaltet und ab 1936 unter dem Titel Die Spielschar von der Reichsjugendführung im Verlag Arwed Strauch herausgegeben. Die Spielschar bestand bis 1944, im Jahr 1938 lag ihre Auflage bei knapp 14.000 Exemplaren.176 Die Zeitschrift enthielt zum Teil Beiträge, in denen Aspekte der neuen kulturellen Zielsetzungen erläutert wurden, um den Jugendlichen auf diesem Gebiet die entsprechenden theoretischen Grundlagen zu vermitteln. Daneben gab es aber auch Anleitungen für die praktische Umsetzung, z.B. für die Gestaltung von großen Kundgebungen, Feiern und Versammlungen. In den Ausgaben wurden, vollständig oder in Auszügen, Sprechtexte, Lieder und Noten für Brauchtumsspiele, Märchenspiele, Sprechchöre oder Puppenspiele abgedruckt sowie Anregungen für Volkstänze, Stegreifspiele usw. gegeben.177 Die Reichsjugendführung publizierte außerdem die Bausteine für Fest und Feier der deutschen Jugend, kleine Hefte zu bestimmten Themen wie Sonnenwende, Volksgemeinschaft oder Deutsches Bauernspiel. Auch die offiziellen Organe der Hitlerjugend beschäftigten sich gelegentlich mit kulturellen Themen, so z.B. die Zeitschriften Wille und Macht, Die HJ, Das deutsche Mädel oder Der Pimpf.178 Und auch in den Heimabendmappen, die alle 14 Tage erschienen und Anregungen für die wöchentlich stattfindenden Heimabende der Hitlerjugend-Gruppierungen enthielten, ging es unter anderem um kulturelle Themen. Sowohl der NSLB als auch die RJF gaben zudem eigene Reihen mit Laienspielen für Kinder bzw. Jugendliche heraus.

Der NSLB veröffentlichte ab 1937 unter dem Reihentitel Spiele und Feste der deutschen Schule einige Theaterstücke, das Lektorat hatte Karl Seibold. Das Kulturamt der Reichsjugendführung gab zwei von der Konzeption her unterschiedliche Reihen heraus, Spiele der deutschen Jugend und Das Kurzspiel.179

In den Kriegsjahren gab es Beschränkungen, welche Bücher überhaupt gedruckt werden konnten, denn Papier wurde kontingentiert. Seit Januar 1940 galt eine Anordnung über die Papierverbrauchsstatistik, die Verlage mussten für jede Neuauflage oder Neuerscheinung die Auflagenhöhe und die Art und Verwendung des benutzten Papiers notieren, und die Angaben mit dem Pflichtablieferungsexemplar an die Deutsche Bücherei (heute: Deutsche Nationalbibliothek) schicken. Schriften aus dem Gebiet des Wehrschrifttums oder solche, die Interessen der Wehrmacht berührten oder in Beziehung zum aktuellen Krieg standen, wurden anmeldepflichtig

176 Schruttke, Tatjana: Die Jugendpresse im (1997), S. 78.

177 Siehe auch ebd., S. 79.

178 Pahmeyer, Peter u. Lutz van Spankeren: Die Hitlerjugend in (1998), S. 186.

179 Die Spiele der deutschen Jugend werden in Kapitel 4 dieser Arbeit besprochen. Das Kurzspiel umfasst nur 5 Bände von kurzen propagandistisch einzusetzenden Stücken.

bei der Schrifttumsabteilung im RMVP. Dabei waren möglichst genaue Angaben zum Verfasser, dem vorläufigen Titel, Inhalt, Aufbau, Umfang, Auflage und geplantem Ladenpreis zu machen.

Gewünscht war weiterhin, dass die Verlage begründeten, warum sie dieses Buch herausbringen wollten. Die Prüfungspflicht galt auch für Neuauflagen und Nachdrucke. Angenommene oder als Druckfahnen vorliegende Manuskripte mussten der Schrifttumsabteilung zur Prüfung vorgelegt werden. Aber auch die nicht anmeldepflichtigen Werke wurden kontrolliert. Die Verlage mussten bei der Wirtschaftsstelle des deutschen Buchhandels für jeden Buchtitel einen Antrag auf Zuteilung von Papier und Einbandmaterial stellen. Die Begutachtung der Anträge führten Mitarbeiter der Wirtschaftsstelle in Abstimmung mit der Schrifttumsstelle im RMVP durch.180 Mit dem Überfall des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 verschärfte sich die Situation, da Rohstoffe nun allgemein rationiert wurden. Eine Kommission wurde eingesetzt, die über jeden Antrag auf Papierzuteilung einzeln entschied.181 Später wurde über alle Anträge eines Verlags gebündelt entschieden.182 Die Möglichkeit zur politischen Einflussnahme und zur Behinderung zum Beispiel konfessionell geprägter Verlagsarbeit war also gegeben. Um die Verteilungskämpfe um das Papier zu steuern, wurden kriegswichtige Literaturgebiete benannt. Zu diesen zählte auch das ‚Kinder- und Jugendschrifttum‘.183 Von der Genehmigung einer bestimmten Papiermenge bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Verlag dieses Papier auch tatsächlich erhielt, konnten jedoch mehrere Monate vergehen.184 Ab dem Frühjahr 1944 mussten die Verlage dann nicht mehr Anträge für einzelne Titel stellen, sondern für ihr zu druckendes Programm, für welches sie, nach erfolgreicher Prüfung durch das RMVP, gegebenenfalls Papierzuteilungen erhielten.185 Von den wechselnden Regelungen und Vorschriften war selbstverständlich auch die Veröffentlichung von Laienspieltexten für Kinder und Jugendliche betroffen. Später im selben Jahr kam es zur zwangsweisen Schließung tausender Verlage und Buchhandlungen. Weniger als 300 Verlage blieben davon verschont. Darunter waren nur sehr wenige, in denen (auch) Texte für das Laienspiel erschienen, darunter Ludwig Voggenreiter aus Potsdam, Langen/Müller aus Berlin und Arwed Strauch aus Leipzig.186

180 Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im „Dritten (1995), S. 553–555.

181 Ebd., S. 555. Vgl. auch Van Iinthout, Ine: Das Buch in der nationalsozialistischen Propagandapolitik. Berlin u.a.:

De Gruyter 2012, S. 227.

182 Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im „Dritten (1995), S. 555–556.

183 Ebd., S. 557.

184 Vgl. Bühler, Hans-Eugen u. Edelgard Bühler: Der Frontbuchhandel 1939-1945. Organisationen, Kompetenzen, Verlage, Bücher. Eine Dokumentation. Frankfurt a. M.: Buchhändler-Vereinigung 2002 (=Archiv für Geschichte des Buchwesens 3), S. 10.

185 Barbian, Jan-Pieter: Literaturpolitik im „Dritten (1995), S. 559.

186 Bühler, Hans-Eugen u. Edelgard Bühler: Der Frontbuchhandel 1939-1945 (2002), S. 70–80.

4. DIE SPIELE DER DEUTSCHEN JUGEND