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8 Entwicklung von Messinstrumenten zu Inklusion 145

8.1.3 Situativer Kontext

NebendenAttributenderSensemakersowiedenrechtlichenVorgaben,prägtauchdersituative KontextdasSensemakinginBezugaufInklusion.Spillaneetal.(2002)lassenrelativoffen, welcheAspekteunterdensituativenKontextfallen,undnenneneineVielzahlvon unterschied-lichenRahmenbedingungen,dieeineRollespielenkönnen.InBezugaufdieDeutungvon Inklusionbzw.dieEntwicklungvonMessinstrumentenzuInklusionzeigtesichinden In-terviews, dass folgende Akteure von besonderer Relevanz sind: Kultusministerien, Schulen, Forscher_innen; Schulinspektionen aus anderen Ländern sowie die Schulaufsicht. Als relevante Kontextbedingungen sind unter anderem die öffentliche Debatte zu Inklusion, die Umsetzung von Inklusion im Bundesland sowie zeitliche und finanzielle Bedingungen zu nennen. Im Folgenden wird zunächst dargestellt werden, welche Akteure bei der Entwicklung von Instru-menten miteinbezogen bzw. welche Interessen berücksichtigt wurden. Im nächsten Schritt folgt eine Darstellung der Kontextbedingungen.

Kultusministerium als bildungspolitischer Akteur Das Kultusministerium des jeweili-gen Bundeslandes ist für die Schulinspektion die oberste Dienstbehörde. Die hierarchische Stellung impliziert nach dem Sensemaking-Ansatz (→ Kapitel 5) jedoch nicht automatisch, dass Vorgaben des Ministeriums von Seiten der Schulinspektion so umgesetzt werden, wie es

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vom Ministerium intendiert ist. So müssen formelle Hierarchieverhältnisse nicht unbedingt tatsächliche Machtverhältnisse widerspiegeln.

Generell zeigt sich, dass in allen Bundesländern ein inhaltlicher Austausch zwischen den Schul-inspektionen sowie einzelnen Abteilungen der Kultusministerien stattfindet (z. B. Ing. 12_13;

10_34; 18_25). So werden das Ministerium bzw. Vertreter_innen aus dem Ministerium als ein Akteur genannt, der die Auseinandersetzung mit Inklusion durch die Schulinspektionen initiiert hat (Int. 1_23; 2_3; 8_25; 12_27; 7_21; 13_2; 17_15) bzw. durch eigenes Verhalten initiierend wirkte (Int. 16_11). Des Weiteren tauschen sie sich über die konkreten Bewertungsinstrumente sowie über das tatsächliche Verfahren aus (Int. 9_11; 18_6; 7_17; 17_12; 16_14), z. B. über dieArtundWeise,wiedieErgebnissezurückgemeldetwerden.Zusätzlichzeigtsichinden Daten,dassesinBezugaufbestimmtePunktekonkreteVorgabenoderAnweisungenvon SeitendesMinisteriumsgab.InanderenFällengabeszwarkeinekonkretenVorgaben,aberdie interviewtenPersonenantizipierenbeiihremeigenenHandelndiePositionendesMinisteriums undbemühensichdarum,dassdaseigeneHandelnmitderLiniedesMinisteriumskonform ist.

Generell ist in Bezug auf das Kultusministerium zwischen der Entwicklung des gesamten Instru-mentensets sowie der Entwicklung von Instrumenten zu Inklusion zu unterscheiden: So gibt es beispielsweise den Fall, dass generell ein inhaltlicher Austausch zu Bewertungsinstrumenten stattfindet, aber es wenige Hinweise zu Inklusion gab, weil das Kultusministerium selbst noch in der Findungsphase war (z. B. Int. 2_25, siehe auch 10_33). Es wird in einem anderen Fall aber auch die Vermutung geäußert, dass es politische Gründe sind, warum es keine konkreten Hinweise zu Inklusion gibt: „Wenn die Voraussetzungen, also die rechtlichen Rahmenbedingungen, (.) äh, alle- alle Facetten offenlässt, dann erleben wir natürlich auch diese (.) Facetten. Also die Steuerung is wichtig (.) zu inklusiven- in diesem inklusiven Kontext. Und äh, da nehm ich (.) eher wahr,dassdiePolitiküberlegt,wiesewiedergewähltwerdenkann,alsdassjetztinhaltlichgesteuert wird.Weildassindandere- andereFaktorn.ImAugenblickisdiegroßeAngstvorderähm-äh-a-a AfDzuspürn.Unddiesindsovorsichtig,alsomitAllemwassietunundja.[…,ap].Danndie sprechendannimmer- dievomKultusministeriumvonLeitplanken(.),ja?AberdieLeitplanken sind(.)schonziemlichweitgefasst.Mankönnte,undmansollteund..“(Int.14_50).DesWeiteren ergänztsiespäter„Diehamdanngesagt,äh-ähh-ähhhmitdem- mitdemBegriffInklusionkann man keine Wahl gewinnen. Also die trennen dis sehr stark voneinander“ (Int. 14_50). Demnach hält das Kultusministerium in manchen Fällen konkrete Hinweise zurück, wie Inklusion opera-tionalisiert werden könnte. Den Schulinspektionen wird somit Handlungsspielraum gelassen.

Nichtsdestotrotz haben die Instrumenteentwickler_innen vor Augen, welche Erwartungen von Seiten der Kultusministerien formuliert werden: „Das andere Problem, was wir, glaub ich, ham, is dass wir mit unseren Berichten natürlich nich nur Jubelbotschaften produziern und insofern auch politisch nich unbedingt vermarktbar sind. Das heißt also wir liefern im Grunde genommen (.) Erkenntnisse, die nich unbedingt gewollt sind. Und das heißt, (.) ähm, wir setzen uns an der Stelle also mehr oder weniger selber den Auftrag “ (Int. 13_13).

DesWeiterengibtesauchdenFall,dassdasMinisteriumeigentlichkeineinhaltlichenVorgaben beiderEntwicklungvonInstrumentenmacht,aberinBezugaufInklusionaktivwurde(z.B.

Int.17;9_16;12_3):„WasdieinhaltlicheSeiteanbelangt,alsowarumisteinKriteriumineinem TableauunddassdieSchulendanachbemessenwerden,dagabeseigentlichkeinepolitischenVorgaben.

Erstnachfünf-sechsJahrenmitderInklusionkameineVorgabe“(Int.17).Beispielsweiseorientieren sichdieInstrumenteentwickler_inneninihremHandelndaran,wieInklusionoffiziellauf ministerialer Ebene definiert wird (z. B. Int. 3_17; 9_36; 14_33; 7_21; 17_39): „einfach mal

schaue, wie wird Inklusion hier im Land kommuniziert. Was ist das? dann muss ich sagen. leider sind wir inzwischen an dem Punkt in [Bundesland], wo Inklusion gleich gesetzt wird mit gemeinsamen Unterricht und Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Es wird zwar immer davon geredet, dass es den Index für Inklusion gibt, dass wir die Menschenrechtskonvention unterzeichnet haben, dass wir Schritte unternehmen müssen, um moderne Schulen zu entwickeln und und und. Aber der Begriff Inklusion wird explizit benutzt, um die GU-Kinder oder die I-Kinder oder wie auch immer. Also den Umgang mit diesen Kindern zu beschreiben. Ja. Und zu sagen: wie müsste der Unterricht aussehen, um sozusagen erfolgreich auf diese GU-Kinder beschulen zu können“

(Int. 9_37). Demnach wird in diesem Bundesland – wie in den meisten Fällen – von Seiten desMinisteriumseinengerInklusionsbegriffvertreten.Dagegenzeichnetsich–wiebereitsin Kapitel7.3dargestellt- aufIndividualebenebeideninterviewtenInstrumenteentwickler_innen einheterogenesBildab.

IndiesemZusammenhangzeigensichAnknüpfungspunktezudemPhänomendes„streetlevel bureaucrat“vonLipsky(2010):DiesesbasiertaufdemAnsatz,dassAkteure,dieeineVorgabe inderPraxisumsetzensollen,vorderHerausforderungstehen,abstrakteVorgabenzu konkreti-sieren und in ihre bisherigen Routinen zu integrieren. Hierbei verfügen sie über einen gewissen Handlungsspielraum. Dies ermöglicht es ihnen beispielsweise auch eigene Überzeugungen ein-zubringen. So beschreiben Wong und Anagnostopoulos (1998), wie Lehrkräfte mit rechtlichen Vorgaben umgehen, die eine stärkere Orientierung an Schulleistungsstests implizieren. Dabei können sie nachweisen, dass die Lehrkräfte verschiedene Coping-Strategien entwickeln, um mit den Vorgaben der Bildungsadministration umzugehen. Beispielsweise implementieren viele Lehrkräfte die Vorgaben nur oberflächlich oder berücksichtigen die Vorgaben nur in einem Teil ihrer Unterrichtsstunden. Demnach wirken Vorgaben „von oben“ nur begrenzt.

Im Fall der Instrumenteentwickler_innen zeigt sich in Bezug auf den engen und weiten Inklusi-onsbegriffeinähnlichesMuster:SowerdenvereinzeltCoping-Strategiengewählt,umeinweites InklusionsverständnisindenInstrumentenzuverankern:SoargumentierteineInterviewperson, dasseinweitesVerständniszwarnichtexplizitmitdemInklusionsbegriffindenInstrumenten verknüpftwird,aberbeidemAspekt„UmgangmitHeterogenität“mitgedachtwurde(z.B.Int.

3;9):„schonElementeauchdesIndexodereinesbreiterenDenkensvonInklusion.Aberwiegesagt nichtexplizitausgewiesen.Ja.AufgrunddiesessehrengenVerständnissesvonInklusionvomLand“ (Int. 9). Demnach haben diese Instrumenteentwickler_innen den Eindruck, dass ihr eigenes Verständnis von Inklusion in den Instrumenten repräsentiert ist, nur nicht explizit mit dem Inklusionsbegriff verknüpft wird. Des Weiteren berichtet eine Interviewperson, dass sich die Schulinspektion als Ganzes zu einem weiten Inklusionsverständnis positioniert hätte: „ich-ich frag mich grad, ob das jetzige Kul-Kultusministerium irgenwo mal ne- (.) ähm-äh Definition hin-terlegt hatte. Dis gibt einen sogenannten Aktionsplan zur Umsetzung. Bezieht sich aber auch immer nur auf die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Also, die-die Definition is so, ja? Hier für Bundesland X [anonymisiert, ap]. Und wir ham son bisschen weiteren geschafft. Bisschen Freiheit genomm.“ (Int. 15, siehe auch 9_44). Demnach zeigt sich hier, dass der vom Kultusministerium gesetzteInklusionsbegriffignoriertwirdbzw.dieeigenenVorstellungenvonInklusionindie InstrumenteEingangfinden.UmKonfliktezuvermeiden,werdendieInstrumenteindiesem Fallnichtalsinklusionsorientiertgekennzeichnet.

Schulische Vertreter Unter dem Begriff „schulische Vertreter“ werden im Folgenden unter-schiedlichePersonengruppengefasst,diedieInteressenderPraxiseinbringen:Schulartvertreter, VertretungenvonEinzelschulensowieLobbyverbände,z.B.vonLehrer_innenwieder

Philolo-1 Aus Datenschutzgründen keine genauere Angaben zum Interviewpartner.

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genverband (z. B. Int. 10_5). Viele dieser Akteure waren bei der Entwicklung der Instrumente repräsentiert. Des Weiteren wurden die Positionen und Sorgen der schulischen Vertreter bei der Entwicklung der Instrumente von Seiten der Inspektion, aber auch durch das Kultusministerium antizipiert,auch wenn diese nicht durch konkrete Personen vertreten waren.

Das Verhältnis zwischen Schulinspektionen und schulischen Vertretern ist maßgeblich davon geprägt, welche Funktionen die Inspektionen innehaben (nähere Ausführung zu den Funktionen von Schulinspektionen → Kapitel 8.1.3). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die Schulinspektionen in der formellen Hierarchie über den Schulen bzw. den schulischen Vertretern anzusiedeln sind. Demnach wäre zu erwarten, dass die schulischen Vertreter bei der Entwicklung vonMessinstrumentenkeineallzugroßeRollespielen,weilesdarumgehtdiesezukontrollieren.

ZurIllustration:WenndieKompetenzenvonSchüler_innen imRahmenvon Klausuren abgefragtwerden,sinddiesebeiderEntwicklungderKlausurfragenmeistensnichtinvolviert.

DieseAnnahmezeigtsichjedochnurbegrenztindenDaten:„AlleSchulenmüssenvorbereitet seinunddieFrage,obhiereinbehindertesKindistodernicht,spielthierauchüberhauptkeine Rolle.UndhierwärenauchdieFörder- undRealschulen[anonymisiert]wärendaauchmitgegangen.

Also die Hälfte der Schulen, wenn man soll. Aber die andere Hälfte nicht. Die einfach Angst gehabt haben - es würde jetzt ein Kriterium in dem Profil der Schule erscheinen, wo sie alle schlecht abschneiden, weil sie das alle gar nicht haben“ (Int. 17_18). Andere Interviewpartner wollen die Schulen zwar fordern – insbesondere, wenn diese noch nicht aktiv geworden sind (3_22), aber nicht überfordern (7_28; 12_31; 3_22; 8_16): „Also zum einen, dass ähm dass die Schulen im Moment damit überfordert sind und dass es von daher unangemessen ist das überhaupt in den Blick zu nehmen. Also dass man sozusagen das trennen soll von der Schulinspektion [anonymisiert], dass es von daher sozusagen moralisch ist unsern Prüfauftrag ähm da in dieser Richtung zu sehen, dass ist die eine Begründung “ (7_28). Die Ängste werden nicht nur registriert, sondern auch beiderEntwicklung derInstrumenteberücksichtigt.SogabesnurwenigeBundesländer, diedenschulischenVertreternbeiderBeschreibungdesEntwicklungsprozesseskeinegroße Rollebeigemessenhabenundeszeigtesichdarüberhinaus,dasseinzelneInspektionendafür bestraftwurden,wennsiediePositionenderschulischenVertreterzuweniginihremHandeln berücksichtigthaben:„Gutund(.).Ichdenkemir,wirwarnaucheinigeJahrelangähm,(.) hamwiraufnziemlichhohenRossgesessen,sonachdemMotto:Wirsinddiejenigen,diewissen, was gute Schule ist. <lachen> Und jetzt dreht es sich eben und dann sagen die, die da bescheinigt bekommen haben: <Ihr macht keine gute Schule.> Die haben jetz ma grade wieder mehr Macht und sagen: <So, jetz zeigen wa den mal, was ne Harke is und legen die [die Schulinspektionen, ap]

erstmal still.> (lachen) Das is einfach so.“1 So zeigt sich in einer Vielzahl von Interviews, dass die (antizipierten) Positionen und Interessen von schulischen Vertretern auf unterschiedliche Art und Weise die Entwicklung von Instrumenten entscheidend mitprägen. Dies spiegelt sich beispielsweise darin wider, dass die Notwendigkeit formuliert wird, dass das Verfahren der Inspektion und die Instrumente bei den Schulen Akzeptanz erfahren müssten (Int. 2_9;

8_36; 18_15; 5_38; 11_17). So hatte beispielsweise ein Bundesland zu Beginn nach eigener Einschätzungein„sanftesInspektionsverfahren“:„Dassmansehrvorsichtigauf dieSchulen zugehenwollteundsehroffenundsehrwertschätzendIchdenke,dasssichdieserehersanfteEinstieg, denwirhierin[NamedesBundeslandes,ap]gewählthaben,durchausbewährthat.Alsowirhatten jajetztkeinegroßenAufundAbs- alsodasThema[dieInspektionvonSchulen,ap]istjetztquasi stabilseit[anonymisiert,ap]Jahren“(Int.2_9).DemnachwerdendiePositionenvonSeitender

schulischen Vertreter berücksichtigt, um zu erreichen, dass das Inspektionsverfahren als solches von ihnen Akzeptanz erfährt (nähere Ausführung siehe Piezunka 2019).

Des Weiteren wird die Nicht-Einführung der Schulrankings damit begründet: „und das war auch von Anfang an klar. Es gibt kein Ranking. Das war eine Zusage von Ministeriumsseite her, weil die - die ganzen Verbände interveniert haben, dass sie so etwas nicht haben wollen. das ist das eine und auch die Schulen haben gesagt - sie wollen so etwas eigentlich garnicht gern. Alle haben die Befürchtung gehabt - das führt dann zu einem Schulranking und drum haben wir das von Anfang an garnicht vorgehabt “ (Int. 17_12). Dennoch erhalten die Mitarbeiter_innen von Schulinspektionen von einzelnen Schulen die Rückmeldung, dass diese sich gerne im Vergleich zuanderenSchulenverortenwürden(Int.12_12)bzw.inderVergangenheitversuchthaben, diesmitdenvorhandenenDatenzutun(Int.5_24).GenerellwerdendieschulischenVertreter jedochalseinAkteurwahrgenommen,dersichgegenSchulrankingspositioniert.

AmBeispielderRankingswirddieMachtpositionderschulischenVertretersichtbar,wenn derFallderdeutschenSchulinspektionenmitanderenFällenverglichenwird,z.B.mitden HochschulrankingsimUS-amerikanischenBildungssystem.SoweisenEspelandundSauer (2016) darauf hin, dass die Hochschulrankings in den USA von dem Magazin „US News

& World Report“ eingeführt wurden. Einige Hochschulen versuchten sich dem Ranking zu entziehen. Dies führte dazu, dass die Daten dieser Hochschulen von dem Magazin einfach geschätzt wurden und hierfür auf Schätzwerte zurückgegriffen wurde, die von Seiten der betroffenen Hochschulen als schädigend empfunden wurden (vgl. Sauder und Espeland 2009, S. 76). Dies hatte zur Folge, dass diese Hochschulen an weiteren Erhebungen aktiv teilnahmen, um Einfluss auf die Daten nehmen zu können. Demnach stellte sich hier gar nicht die Frage, inwiefern es ein Ranking geben würde, und die Verhandlungsposition der Hochschulen war schlecht, da sie sich aufgrund der breiten öffentlichen Rezeption der Rankings diesen nicht entziehenkonnten.IndiesemZusammenhangstelltsichdieFrage,wieessicherklärenlässt, dasssichRankingsbeiderdeutschenBildungsadministrationnichtdurchsetzenkonnten.Wie bereitsobenerwähnt,könnteeinAspektsein,dassdieschulischenVertreterimdeutschen BildungssystemeinemächtigerePositioninnehaben.DesWeiterenzeigtsich,dassRankingsim deutschenBildungssystem–imVergleichzumUS-amerikanischenSystem,welchesimBuchvon EspelandundSauderbeschriebenwird–imAllgemeineneinegeringereRollespielen.Mögliche Ursachen können nach einer These von Espeland sein, dass es im Vergleich zwischen USA und Deutschland weniger Wettbewerb zwischen Schulen gibt und dass der Besuch von bestimmten Schulen bzw. bestimmten Hochschulen in Deutschland für den weiteren Bildungsverlauf weniger entscheidend ist als in den USA. Da die Schul- bzw. Hochschulwahl in den USA für den weiteren Lebensverlauf von hoher Relevanz ist, ist auch die Auswahl der „richtigen“

Hochschule von größerer Bedeutung. Um diese Entscheidung treffen zu können, greifen Eltern und Schüler_innen in den USA aufgrund von Unsicherheit auf Rankings zurück. Demnach gibt es in Deutschland von Seiten der Eltern und Schüler_innen einen geringeren Bedarf an Rankings.

DieRelevanzvonschulischenVertreterzeigtsichauchimHinblickaufdieinklusionsorientierten Instrumente,z.B. alsesdarum gingzuentscheiden,welche Anforderungenfür machbar gehaltenwerden(Int.1_41;15_23)undinwieferndieDatengenerellfürdieSchulenvon Relevanzsind(Int.9_17;16_9).DarüberhinausorientierensichdieSchulinspektionenan schulischenVertretern,daesihneneinAnliegenwar,durchihreBewertungsinstrumenteThemen abzudecken,diefürdieSchulenaktuellvonRelevanzsind(Int.2_10;10_18).Demnachsind die Schulinspektionen zwar in der Hierarchie formell über den Schulen gestellt. Dennoch

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zeigt sich in den Daten, dass die Positionen der schulischen Vertreter bei der Entwicklung von Bewertungsinstrumenten eine maßgebliche Rolle gespielt haben. So werden von einzelnen Instrumenteentwickler_innen Zusammenhänge zwischen der Akzeptanz durch schulische Vertreter und dem Existenzstatus von Schulinspektionen gesehen.

Schulaufsicht Im Kapitel zu Schulinspektionen (→ Kapitel 3) wurde das Verhältnis zwi-schen Schulinspektionen und Schulaufsicht näher beschrieben: So ist eine Zusammenarbeit notwendig, da in fast allen Bundesländern die Schulaufsicht dafür verantwortlich ist, zu über-prüfen, inwiefern die Schulen nach dem Besuch der Schulinspektion aktiv werden (z. B. Int.

10_9), z. B. indem Zielvereinbarungen zwischen Schulaufsicht und Schulinspektion getroffen werden. In einem Interview gibt es jedoch die Andeutung, dass dies nicht immer funktioniert:

„Die ursprüngliche Idee war ja ähm wir machen die Rechenschaftslegung und dann arbeitet die Schulaufsicht mit ihrem Beratungs- Unterstützungssystem weiter - dabei die Schule zu beraten.

Ähm das funktioniert nicht so gut, wie man sich das vorstellt. Also in der Theorie geht das, in derPraxisfunktioniertseinfachsonicht,weildieDezernentenauswelchenGründenauchimmer, Arbeitsbelastung,zuvieleSchulen,nichtinausreichenderWeisedazukommen,sichmitdenSchulen nachderInspektionsoauseinanderzusetzen,dasssiediedaabholen,wosiegeradesindunddann entsprechendweiterbegleiten“(Int.10_9).

HierbeizeigtsicheinPhänomen,welchesHeinrich(2015)bereitsherausgearbeitethat:Die SchulinspektionwirdvonSeitenderSchulaufsichtalseinAkteurwahrgenommen,derden eigenen Kompetenzbereich bedrängt. Daher ist es den Interviewpersonen ein Anliegen, den eigenen Kompetenzbereich deutlich von dem der Schulaufsicht abzugrenzen: „Auch in der Findung der Rolle, die ja ganz neu war, und gerade so in der Platzierung zwischen Schulaufsicht und Landesinstitut für Beratung, mussten wir unsere Nische suchen, ohne den anderen Beteiligten zu vermitteln, wir kommen in euren Bereich“ (Int. 16_19, siehe auch 12_18). In diesem Zusam-menhang spielt auch eine Rolle, was als primäre Funktion von Schulinspektionen angesehen wird. So sagt eine Interviewperson bei der Beschreibung der Schulinspektion als Impulsgeber für Schulen: „Ich sage jetzt mal böse: wir sind ja eigentlich die Guten, die versuchen mit den Schulen inhaltlich zu arbeiten und ähm ja im Sinne von Kommunikation die Handlungsfelder zuentwickeln“(Int.9).DagegenwirddieRollederSchulaufsichtvondieserInterviewperson stärkerinderKontrollfunktiongesehen(Int.9).

ImHinblickaufdieInstrumentespieltdieSchulaufsichteineRolle,dasiebeider Entwick-lungmiteinbezogenwurde(z.B.Int.10_6;16_17;18_5;17_57),z.B.alsMitgliederinden Arbeitsgruppen.DieAnerkennungdesschulaufsichtlichenKompetenzbereichszeigtsichin vielenFällenauchdarin,dasskeineAspekteabgefragtwerden,mitdenennichtnurdieSchule, sondern auch die Schulaufsicht evaluiert werden würden, z. B. Rahmenbedingungen an der Schule (Int. 17_9; 10_37) oder auch die Frage, woran die Schule seit der letzten Schulinspek-tion gearbeitet hat: „Wir wollten nämlich bei der Revision gerne ein Kriterium aufnehmen äh und zwar in der Gestalt und zu prüfen, was ist aus der Schulinspektion [anonymisiert, ap] gewor-den, was hat die Schule gemacht und das wurde abgelehnt und zwar deshalb, weil es eine Aktion ist, die in Kooperation mit der Schulaufsicht ist und es uns nicht zusteht auch die Schulaufsicht zu evaluieren. Also da war der Punkt. Das ist eigentlich eine Bewertung der Schulaufsicht - das machen wir nicht. Letztlich geht es aber garnicht, weil die Schulen natürlich bei dem Kriterium [anonymyisert, ap] Qualitätsentwicklung Dinge einbringen, die sie zusammen mit der Schulaufsicht machen.Alsoletztendlichkannmandasgarnichtverhindern“(17_58;sieheauch1_39).Aus RücksichtsnahmegegenüberderSchulaufsichtistesindiesemFallfürdieSchulinspektion

schwierig zu überprüfen, inwiefern ihre letzte Inspektion Wirkung gezeigt hat. Ein weiterer Aspekt wird von Botz et al. angesprochen, nämlich die Frage, „wer evaluiert, ob die vom Land gebotenen Mittel ausreichend sind“ (Botz et al. 2011, S. 31). Indem die Schulinspektionen sich darum bemühen, nicht in den Kompetenzbereich anderer Akteure einzudringen, gibt es keine

schwierig zu überprüfen, inwiefern ihre letzte Inspektion Wirkung gezeigt hat. Ein weiterer Aspekt wird von Botz et al. angesprochen, nämlich die Frage, „wer evaluiert, ob die vom Land gebotenen Mittel ausreichend sind“ (Botz et al. 2011, S. 31). Indem die Schulinspektionen sich darum bemühen, nicht in den Kompetenzbereich anderer Akteure einzudringen, gibt es keine