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Instrumente in Bezug auf Inklusion

7 Deutungen von Inklusion 109

7.2 Verwendung des Inklusionsbegriffs

7.2.2 Instrumente in Bezug auf Inklusion

Im Folgenden geht es nun darum, wie Inklusion im Rahmen der Instrumente operationalisiert wurde. Hierbei geht es nur um diejenigen Bundesländer, in denen Instrumente zu Inklusion identifizierbar sind.

IntegrationderInstrumenteindasbestehendeInstrumentenset: Obwohlinvier Bundes-ländern(BB;HE;SL;ST)keineinklusionsorientiertenInstrumenteinderAnalyseidentifiziert wurden, kann es sein, dass Inklusion als normative Forderung in den Instrumenten der jeweili-gen Bundesländer berücksichtigt wird. So zeigte sich in Abschnitt 7.1 auch in diesen vier Fällen, dass Aspekte von Inklusion in den Instrumenten thematisiert werden. Dennoch fielen einige der oben aufgeführten Bundesländer bei einzelnen Aspekten auf: So zeigte sich, dass „Behinderung“

bzw. „sonderpädagogischer Förderbedarf“ als Differenzlinie im Fall von Brandenburg, Hessen und des Saarlands (sonst nur in Hamburg) nicht explizit genannt wurden.

Im Hinblick auf die Integration der Instrumente zu Inklusion in das bestehende Instrumentenset lässt sich zwischen drei Formen unterscheiden (für einen Überblick → Tab. 7.3):

1. IndikatorenzuInklusionbzw.ErläuterungenstelleneineErgänzungzumbestehenden InstrumentensetdarundfindennurinbestimmtenSituationenAnwendung;

2. IndikatorenzuInklusionsindindasbestehendeInstrumentensetintegriertundfindensich alsQuerschnittinverschiedenenQualitätsbereichenwieder;

3. IndikatorenzuInklusionstellenimbestehendenInstrumentenseteineneigenständigen Qualitätsbereichdar.EsvariiertzwischendenBundesländern,wanndieserQualitätsbereich Anwendung findet.

1 Auch diese Instrumente zum gemeinsamen Unterricht werden als Instrumente zu Inklusion gezählt, weil in der expliziten Definition der Bundesländer unter Inklusion das Konzept „gemeinsamer Unterricht“ verstanden wird.

3 „Sonderpädagogisches Bildungsangebot“ ist im Fall von Baden-Württemberg die bundeslandspezifische Bezeichnung von sonderpädagogischem Förderbedarf, d. h. die Indikatoren zählen nur für diese Gruppe und andere Schüler_innen, die auch unter den Schutz der BRK fallen, werden nicht explizit berücksichtigt (vgl. Piezunka et al. 2016).

4 Der I-Schalter wurde beim nächsten Zyklus wieder abgeschafft, weil er in der Praxis aufgrund unterschiedlicher Anwendungen von Seiten der Inspektor_innen nicht funktioniert hat

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Tab. 7.3: Integration der Instrumente im Instrumentenset

Art der Instrumente Bundesländer

Bei der Beschreibung der Instrumente in Bezug auf Inklusion sind zwei Merkmale von Relevanz:

AnwendungderInstrumentesowieGradderVerpflichtung.

• AlseinMerkmalistzunennen,fürwelcheSchulendieInstrumentezuInklusiongelten.

ImFallvonBayern,HamburgundSchleswig-HolsteinkönnenalleSchulen–unabhängig vonihrerSchülerschaft–zurUmsetzungvonInklusionevaluiertwerden.Esgibtjedoch auchBundesländer,indenendieInstrumentenurfürdiejenigenSchulenvonRelevanzsind, die auch Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung unterrichten (BW, BE, NRW, NI,

BLI). Beispielsweise gibt es im Fall von Baden-Württemberg zusätzliche Indikatoren, die nur an denjenigen Schulen angewandt werden, wo Schüler_innen mit sonderpädagogischem Bildungsangebot unterrichtet werden.3 Eine ähnliches Vorgehen zeigt sich im Fall von Nordrhein-Westfalen mit dem so genannten „I-Schalter“4: Nur diejenigen Schulen, wo „Ge-meinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Unterstützungsbedarf“ stattfindet, erhalten die jeweiligen Indikatoren aus dem Unterrichtsbe-obachtungsbogen (siehe UBB_NRW). Im Fall von Niedersachsen gibt es zwar keine zusätzlichen Indikatoren bei der Umsetzung von gemeinsamem Unterricht, jedoch Erläuterungen bei be-stehendenIndikatoren,z.B.beidemIndikator„DieSchülerinnenundSchülerorganisieren denArbeitsprozesseigenverantwortlich“(UBB_NI)gibtesfolgendeErgänzung:

„Inklusi-5 Die INKA-Schulen sind Schulen mit besonderer Ressourcenausstattung, wo Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in den Bereichen „Lernen“ und „Emotional-Soziale Entwicklung“ unterrichtet werden – ohne im klassischen Sinne diagnostiziert zu werden.

on/FÖS GE und KME: Das Maß der erforderlichen Unterstützung ist abhängig vom Grad der Beeinträchtigung“ (UBB_NI).

Im Fall von Berlin zielen die Instrumente primär auf die „entsprechenden bezirklichen Schwerpunktschulen“ (Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft 2012, S. 7) – die so genannten INKA-Schulen5 – ab, wo Schüler_innen mit sonderpäd-agogischem Förderbedarf unterrichtet werden. Die Instrumente waren für diese Schulen verpflichtend und für andere Schulen frei wählbar. Demnach zielen auch im Fall von Berlin die Instrumente primär auf Schulen ab, wo Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung unterrichtet werden. Dies steht insofern im Widerspruch zu der von Berlin verwendeten DefinitionvonInklusion(sieheoben),wonachunterInklusiondasErmöglichenvonTeilhabe füralleSchüler_innenverstandenwird.AusgehendvonihrereigenenDefinitiondürften InstrumentezuInklusionnichtnuranbestimmtenSchulenAnwendungfinden.ImFallder Bund-Länder-Inspektionfehltes–wiebereitsobendargestellt–aneinerklarenDefinition vonInklusionindenInstrumenten.

InklusionistfürdieSchulenfreiwilligoderverpflichtend:InBezugaufdiesesMerkmal muss prinzipiell zwischen den Schulinspektionen unterschieden werden, die Schulen einen Wahlbereich anbieten, und solchen Inspektionen, wo alle Instrumente verpflichtend sind.

Auch wenn es Wahlbereiche gibt, bedeutet dies nicht automatisch, dass die Instrumente zu Inklusion in den jeweiligen Bundesländern frei wählbar sind. Im Fall von Schleswig-Holstein sind die Instrumente zu Inklusion Teil des Pflichtbereichs. Im Fall von Berlin sind die Instrumente zu Inklusion aus dem „Qualitätsbereich E6“ für die so genannten INKA-Schulen verpflichtend und für andere INKA-Schulen frei wählbar. Dagegen werden im Fall der Bund-Länder-Inspektion nur diejenigen Schulen zu Inklusion evaluiert, die „auf dem Feld der Inklusion [das, ap] bereits Erreichte [...] gerne präsentieren möchte[n, ap]. Dies soll ein AnreizfürSchulensein,sichindiesemBereichweiterzuentwickeln“(Bundesverwaltungsamt 2014,15f.).

In den anderen Fällen, die über eindeutig identifizierbare Instrumente zu Inklusion verfügen (BW, HH, NRW), sind alle Instrumente für die Schulen verpflichtend. Hierbei ist jedoch zu be-rücksichtigen, dass im Fall von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Instrumente zu Inklusion trotzdem nur bei denjenigen Schulen Anwendung finden, wo Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung unterrichtet werden.

InhaltederInstrumentezuInklusion: DieBundesländerunterscheidensichnichtnurin derIntegrationderInstrumentezuInklusionindasbestehendeInstrumentenset,sondernauch indenInhalten.GenerellzeigtesichbeiderExtraktion,dassdieInhaltederInstrumentegrob folgendenThemenbereichezugeordnetwerdenkönnen:

• Situation von Schüler_innen mit Behinderung: In vielen Bundesländern gelten diejenigen Instrumente als inklusionsorientiert, die die Situation von Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf in den Blick nehmen (ÜI_BLI; ÜI_BW;

EFB_BE;UBB_NRW;UBB_NI).Hierbeizeigtsich,dasseineVielzahlvonunterschiedlichen AspektenindeneinzelnenBundesländernerfasstwird,z.B.obSchüler_innenmit Behinde-runganderSchuleaufgenommenwerden(ÜI_BLI).Eswirdauchüberprüft,obsiediefürsie

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notwendigen Kommunikationsmittel erhalten oder inwiefern eine Lernatmosphäre geschaf-fen wird, die auch Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung integriert (UBB_NRW;

ÜI_BW). Durch die große Varianz an Indikatoren wird deutlich, dass es an einem einheitlichen Set an Indikatoren mangelt.

• Umgang mit heterogenen Gruppen: Wie bereits oben erwähnt, verstehen einige Bundes-länder unter Inklusion nicht (nur) die Integration von Schüler_innen mit Behinderung, sondern den Umgang mit heterogenen Lerngruppen (BE, HH, SH, BLI). In diesem Fall gelten als explizit gekennzeichnete Indikatoren zu Inklusion, inwiefern z. B. auf sprachliche oder kulturelle Unterschiede eingegangen (EFB_HH) oder ob im Rahmen der Unterrichtsgestaltung differenziertwird(ÜI_BE;ÜI_SH;ÜI_BLI).

AuseinandersetzungimRahmenvonSchulentwicklungsprozessen:Hierbeigehtesum Indikatoren,dieSchulentwicklungsprozessebzw.OrganisationsprozesseanSchulen themati-sieren,z.B.Lehrerkonferenzen,Schulprogrammusw.InBezugaufdiesenThemenbereich lassensichzweiArtenvonIndikatorenunterscheiden:

a. ImFallvonBayernthematisierendieIndikatoren,obeineAuseinandersetzungzuInklusion stattgefunden hat. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass die theoretische Auseinanderset-zung und weniger die konkrete Implementation in der Praxis eine Rolle spielt, z. B. „Die Schule setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Teilhabe von Schülern mit besonderen physischen und/oder psychischen Voraussetzungen ermöglicht werden kann“ (ÜI_BY; siehe auch LFB_BY).

b. Dagegen gibt es in anderen Bundesländern Indikatoren, die in Bezug auf Schulent-wicklungsprozesse überprüfen, inwiefern die Umsetzung von Inklusion in der Praxis bereits implementiert ist, z. B. „Die inklusive Pädagogik ist ein Schwerpunkt im Schul-programm“ (ÜI_BE; siehe auch ÜI_SH; LFB_HH; ÜI_BLI). Demnach geht es in diesen FällenwenigerumdieVorbereitunginHinblickaufInklusion,sondernumdiebereits stattgefundeneUmsetzung.

VorhandenseinvonRessourcen/UnterstützungdurchKooperationen:Hierbeigehtes umdieFrage,obdieSchulebzw.einzelneLehrkräftedurchandereAkteureUnterstützung erhaltenbzw.auf bestehendeRessourcenzurückgreifenkönnen,z.B.„DieSchulleitung unterstützt im Zusammenhang mit der inklusiven Schulentwicklung eine weitreichende Zusammenarbeit mit verschiedenen Ressourcen“ (LFB_HH; siehe auch ÜI_NI; LFB_BY).

• Qualifikation des Personals: Im Fall von Bayern (LFB_BY) und der Bund-Länder-Inspektion (ÜI_BLI) gibt es Indikatoren zur Qualifikation von Lehrkräften, z. B. „Ich habe schon Fortbil-dungen besucht, die mir dabei helfen, Schüler mit Behinderungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf zu unterrichten“ (LFB_BY).

• Einstellung zu Inklusion bzw. zum gemeinsamen Unterricht von Schüler_innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf: Wie bereits in Abschnitt 7.1.4 themati-siert, stellt das Bundesland Bayern eine Ausnahme dar, da Einstellungen zum gemeinsamen Unterricht erfasst werden. Beispielsweise gibt es im Lehrerfragebogen Indikatoren zur Selbst-wirksamkeit:„Esgelingtmir,SchülermitBehinderungenbzw.mitsonderpädagogischem FörderbedarfindieKlassengemeinschafteinzubinden“(LFB_BY)oder„Ichweiß,wieich mei-nenUnterrichtanpassenmuss,umSchülermitBehinderungenbzw.sonderpädagogischem Förderbedarfunterrichtenzukönnen“(LFB_BY).

Zusammenfassend lässt sich beobachten, dass die Bundesländer sich darin unterscheiden, welche Themenbereiche angesprochen werden. Auch innerhalb der Themenbereiche werden

unterschiedliche Indikatoren in Bezug auf den Grad der Anforderungen gewählt. Folgende Tendenzen lassen sich herausarbeiten:

• Einige Bundesländer verstehen (fast überwiegend) unter Instrumenten zu Inklusion solche, die die Situation von Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung in den Blick nehmen:

Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Dabei sind die Instrumente zu Inklusion Zusatzindikatoren im UBB, die Anwendung finden, wenn sich im Klassenraum Schüler_innen mit diagnostizierter Behinderung befinden.

• Folgende Bundesländer nehmen noch weitere Aspekte in den Blick, wie Umgang mit he-terogenenLerngruppensowieSchulentwicklung:Hamburg,Schleswig-Holstein,Berlinund Bund-Länder-Inspektion.ImFallvonBerlinistjedochzuberücksichtigen,dassdieInstrumente zuInklusionsichinhaltlichnichtnuraufdieSituationvonSchüler_innenmitdiagnostizierter Behinderungbeziehen,aberdassdieInstrumentefürInklusionnurfürdiejenigenSchulen verpflichtendsind,diesolcheSchüler_innenunterrichten.

BayernweichtvondenanderenBundesländernab,dadieIndikatorenprimärdaraufabzielen, inwiefern sich die Schulen bzw. die Lehrkräfte vorbereitet fühlen und wie sich einzelne Akteure zum gemeinsamen Unterricht positionieren.