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Inklusive Perspektive auf Menschenrechte

2 Schulische Inklusion – eine Begriffsklärung 1

2.2 Menschenrechtliches Verständnis

2.2.4 Inklusive Perspektive auf Menschenrechte

Bislang wurde dargestellt, was im Rahmen dieser Arbeit unter „Teilhabe“ und „Überwindung von Diskriminierung“ im schulischen Kontext verstanden wird: Qualifizierung, politische Partizipation sowie Erfahren von Anerkennung. Indem diese Konzepte im Rahmen dieser Arbeit Ziele von Inklusion darstellen, geht damit eine bestimmte Fokussierung einher: Die Situation von allen Schüler_innen wird in den Blick genommen.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es in der Literatur unterschiedliche Positionen gibt, wie die Gesamtgruppe an Schüler_innen klassifiziert wird, auf welcher Ebene dies passiert und inwiefernbestehendeZuschreibungenkritischhinterfragtwerden.Beispielsweisegibtes Inklu-sionsverständnisse,dieaufeinerdichotomenUnterscheidungzwischen„Behinderung“bzw.

„Nicht-Behinderung“basieren. AndereAutor_innenstreben eineÜberwindungder Zwei-Gruppen-Theoriean(vgl.BobanundHinz2003)(nähereAusführung → Abschnitt2.2.4).

ImRahmendieserArbeitliegtderFokusaufdenindividuellenSchüler_innen.Dieserlaubt eseineVielzahlvonDifferenzlinienindenBlickzunehmen,dieinBezugaufTeilhabeund Überwindung von Diskriminierung von Relevanz sind. Durch eine intersektionale Perspektive ist es darüber hinaus möglich nicht nur einzelne Differenzlinien in den Blick zu nehmen, sondern auch deren Verschränkung (vgl. Crenshaw 1989), z. B. Menschen, die den Rollstuhl zur Fortbewegung nutzen und sich zugleich als weiblich definieren. So ergeben sich aus der Verschränkung von Attributen andere Formen der Diskriminierung sowie andere Bedürfnisse in Bezug auf Teilhabe. Des Weiteren ist zwischen Fremd- und Selbstpositionierung zu unterschei-den (z. B. Emcke 2010): Es gibt kollektive Identitäten, die selbst gewählt sind, sowie solche, die durch Zuschreibungen von außen entstehen (vgl. ebd.). Beide sind im schulischen Kontext von Relevanz: So ist das Wahrnehmen und Wertschätzen von selbstgewählten Identitäten im Sinne

5 Die Informationen zu England basieren auf einem Artikel, den die Autorin dieser Arbeit für den Sammelband

„Inklusion und Schulentwicklung“ (hrsg. von Vera Moser und Marina Egger in 2017) geschrieben hat (Piezunka 2017).

6 Bei manchen Schülergruppen, z. B. Schüler_innen mit „special needs“ wird keine kriteriale, sondern eine soziale Bezugsnorm angewandt.

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von intersubjektiver Anerkennung in Bezug auf die Identitätsbildung von Relevanz. Beispiels-weise die Frage, wie sich einzelne Schüler_innen in Bezug auf Gender verorten und wie sie von anderen angesprochen werden möchten. Fremdzuschreibungen sind im schulischen Setting insbesondere von Relevanz, wenn diese mit stigmatisierenden Zuschreibungen einhergehen bzw. mit Selbsteinschätzungen nicht übereinstimmen. Im Rahmen dieser Arbeit wird darüber hinaus die Setzung vorgenommen, dass Differenzlinien sozial konstruiert sind: Sie entstehen in der Interaktion zwischen Individuum und gesellschaftlichen Strukturen (vgl. soziales Modell von Behinderung in der BRK).

Im Folgenden geht es nun darum, welche Implikationen eine inklusive Perspektive auf die oben genanntenZielevonInklusionhatundwasdasfürdieEinzelschulebenebedeutet.Abschließend wirdnäherdaraufeingegangen,waseineinklusivePerspektiveinBezugaufdieBeschreibung vonLerngruppenundBenennungvonSchülergruppenbeinhaltet.

ZielvonInklusion:IndividuellbestmöglicheQualifizierungaller: Eineinklusive Perspek-tiveaufdasKonzeptderQualifizierungwürdeimplizieren,dassalleSchüler_innenindividuell bestmöglichqualifiziertwerden.WielässtsichdiesesZielindenInstrumentender Schulinspek-tionen operationalisieren? Nach Black-Hawkins ist es notwendig sich hierfür von folgendem Leistungsverständnis zu distanzieren:

„Standards in education are often considered to be a set of minimum performance criteria, usually in basic areas of the curriculum (...) that specify what all children should know, understand and be able to do by certain ages“ (Black-Hawkins et al. 2007, S. 21).

VondiesemLeistungsverständnisausgehendhatSchuledieAufgabe,dassmöglichstalle Schü-ler_innenzueinembestimmtenZeitpunkteingewissesLeistungsniveauerreichen(hierzu kritischebd.,S.21).JenesVerständnisspiegeltsichimBildungsmonitoringbeispielsweisein Lernstandserhebungen wie den IQB-Vergleichsarbeiten wider. Die Ergebnisse von Schulleis-tungstests lassen Aussagen darüber zu, inwiefern Schüler_innen über diejenigen Kompetenzen verfügen, die für notwendig erachtet werden, um im weiteren Lebensverlauf am gesellschaftli-chen Leben teilhaben zu können. Darüber hinaus sind Querschnittsmessungen der Leistungen auch im Hinblick auf die Allokationsfunktion von Schule aussagekräftig.

Um den Aspekt der individuell bestmöglichen Qualifizierung zu berücksichtigen, misst die englische Schulinspektion (OFSTED)5, welche Fortschritte die einzelnen Schüler_innen im Laufe ihrer Schulzeit machen (vgl. Piezunka 2017). Dabei beziehen sie ein, über welche Kenntnisse Schüler_innen zu Beginn ihrer Schulzeit verfügen. Bei der Bewertung des Fortschritts orientieren sie sich an einem vorformulierten Soll-Wert6. Demnach gehen sie davon aus, dass Aussagen darübermöglichsind,obderbeobachteteLernfortschritt vonSchüler_innen„normal“sei (hierzukritischBradburyundRoberts-Holmes2017).Dieswidersprichtallerdingsdemhier verwendetenVerständnisvonInklusion,weildiesesaufderAnnahmebasiert,dassesindividuell variierenkann,wasalsbestmöglicherFortschrittgesehenwird.

DurchLernstandserhebungenwiedenVergleichsarbeitensinddemnachkeineAussagendarüber möglich, inwiefern die Schüler_innen eine individuell bestmögliche Entwicklung vollzogen haben. Darüber hinaus kann die Orientierung an Schulleistungstests zu nicht intendierten

Wirkungen führen, die dem Inklusionsgedanken widersprechen: Mit Verweis auf die USA argumentiert Biewer, dass die „öffentliche Zurschaustellung ungünstiger Schülerleistungen einer Schule“ (Biewer 2012, S. 14) zur Folge haben kann, dass Eltern versuchen Schulen zu meiden, die in solchen Vergleichsarbeiten schlecht abschneiden. Dies führt dazu, dass bereits bestehende sozialräumliche Disparitäten wachsen (vgl. ebd., S. 14). Darüber hinaus kann es sein, dass manche Schulen als Reaktion auf die Lernstandserhebungen nur noch Schüler_innen aufnehmen, die für leistungsstark gehalten werden (vgl. Disability News 2017). Dahinter steht der Gedanke, dass diese im Vergleich zu anderen Schüler_innen leichter bestimmte Bildungs-standards erreichen. Des Weiteren beschreiben Jarke und Breiter (2016), dass sich Lehrkräfte im US-amerikanischenBildungssystemdarumbemühen,innerhalbeinerLerngruppeinsbesondere diejenigenSchüler_innenzufördern,diesichzwischenzweiKompetenzstufenbefinden.In Be-zugaufdasErreicheneinerhöherenKompetenzstufeistbeidiesenSchüler_innenimVergleich zuihrenMitschüler_innenwenigerAufwandnotwendig.AuchdiesstellteineReaktionaufdie dortdominierendenLernstandserhebungendar.Abschließendlässtsichfesthalten,dass Lern-standserhebungenimQuerschnittmitdemhierverwendetenInklusionsverständniskompatibel sind, aber sie können (nicht-)intendierte Wirkungen haben, die diesem widersprechen.

Nach Black-Hawkins et al. ist es daher notwendig in Bezug auf Inklusion von einem anderen Leistungsverständnis auszugehen (2007). So geht es darum, dass sich alle in Abhängigkeit von ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen bestmöglich entwickeln (vgl. ebd., S. 21). Dies kann im Einzelfall bedeuten, dass einzelne Schüler_innen große Lernfortschritte machen, aber trotzdem die Bildungsstandards nicht erreichen, und dass andere Schüler_innen weitaus mehr lernen als in den Bildungsstandards vorgesehen. Aus der Inklusionsperspektive wäre demnach eine gute Leistungsentwicklung nicht gegeben, wenn im Durchschnitt möglichst viele Schüler_innen bestimmte Bildungsstandards erreichen, sondern wenn alle Schüler_innen sich bestmöglich entwickeln.InBezugaufdieOutputebenestelltsichjedochdieFrage,wiedasZiel„individuell bestmöglicheQualifizierung“operationalisiertwerdenkann.Solässtsichnichtvorhersagen,was derbestmöglicheLernfortschrittfürdieeinzelnenSchüler_innenwäre.Sokönnen Schulinspek-tionenlediglichaufderProzessebeneüberprüfen,inwiefern„dieGelingensbedingungenfüreine bestmöglicheQualifizierungallergegebensind,z.B.durchindividuelleLernentwicklungspläne imUnterricht“(Piezunka2017).DabeischließenFormenderinnerenDifferenzierungnicht aus, dass kooperative Lernformen möglich sind, z. B. durch das Arbeiten an einem gemeinsamen Gegenstand (vgl. Feuser 1999). Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, welche Qualifikatio-nen Kinder und Jugendliche in der Schule erwerben sollen. Im Hinblick auf die Fragestellung dieser Arbeit ist hier keine Festlegung notwendig. So wurde bereits durch gesetzliche Vorgaben auf Bundeslandebene entschieden, welche Kompetenzen die Schüler_innen erwerben sollen.

Demnach haben Schulinspektionen hierbei keinen Handlungsspielraum.

Das Ziel „individuell bestmögliche Qualifizierung“ wird berücksichtigt, wenn in Bezug auf Lernprozesse die Entwicklung des Individuums im Vordergrund steht. Dagegen ermöglichen Lernstandserhebungen keine Aussagen über individuell bestmögliche Qualifizierung bzw. solche Messungenkönnennicht-intendierteWirkungenhaben,diedemhierverwendeten Inklusions-verständniswidersprechen.

Ziel von Inklusion: Politische Partizipation aller Schüler_innen: Als weiteres Ziel von Inklusion wird im Rahmen dieser Arbeit die Möglichkeit der Mitbestimmung gesehen (sie-heDeutscheUNESCO-Kommission2014;vgl.BobanundHinz2003;J.SimonundT.Simon 2013;Platte2014,S.80;Black-Hawkinsetal.2007,48f.).DurchdieinklusivePerspektive

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liegt der Fokus auf der Frage, wer an partizipativen Prozessen beteiligt ist (vgl. Reitz 2015). In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte von Relevanz: Alle Schüler_innen verfügen über das gleiche Stimmrecht. Dies birgt im konkreten Handeln die Gefahr, dass die Bedürfnisse von Minderheiten, die nicht nur aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung, sondern auch quantitativ eine Minderheit darstellen, zu wenig gehört werden. Politische Partizipation aus Inklusionsper-spektive impliziert daher auch, dass die Heterogenität der Schülerschaft in indirekten Verfahren repräsentiert ist und dass die Situation von Minderheiten besonders berücksichtigt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in Abhängigkeit davon, worüber eine Entscheidung getroffen wird, variiert, welche kollektive Identität für relevant erachtet wird. Des Weiteren stellt sich auf derProzessebenedieFrage,inwiefernesfüralleSchüler_innendieMöglichkeitgibt,ihrRecht aufPartizipationauszuüben(vgl.ebd.,S.7).Diesistunabhängigdavon,obsiediestatsächlich wahrnehmen.Abschließendistnochzuerwähnen,dassdiezweiteAnerkennungssphärenach Honneth,dierechtlicheAnerkennung,beidemAspektpolitischerPartizipation,insofern mit-gedachtwird,alsdassPartizipationauchdieAnerkennungalsautonomesundselbstbestimmtes Individuumimpliziert(vgl.Moldenhauer2015,S.37).

ZielvonInklusion:ErfahrenvonintersubjektiverAnerkennung: ImFolgendenstehtdie sozialeAnerkennung,d.h.einewertschätzendeHaltunggegenüberdenSchüler_innen,im Mittelpunkt.DabeibedeutetdiesfürdenschulischenKontext,dassdieseunabhängigdavonist, welcheLeistungenerbrachtwerden.InBezugaufAnerkennungbestehtallerdingsdieGefahr, dasseinepositivintendierteHaltunggegenüberbestimmtenMerkmalenvonSchüler_innen auchzurReproduktionvonMachtverhältnissenführenkann,z.B.stereotypeZuschreibungen (→ Abschnitt 2.2.4).

InklusivePerspektiveaufSchüler_innenalsQuerschnittsdimension: Ausdemhier ver-wendetenVerständnisvonInklusionergibtsich–wiebereitsdargestellt–einebestimmte PerspektiveaufdieGruppeanSchüler_innen:SoistdieSituationallerSchüler_innenvon Relevanz.UmdiverseDifferenzliniensowiederenVerschränkungindenBlicknehmenzu können,werdendieSchüler_inneninihrerIndividualitätgesehen.JenePerspektivepositioniert sich kritisch gegenüber der linearen Aufzählung von einzelnen Differenzlinien, da dadurch die Verschränkung von Differenzlinien bei einzelnen Personen nicht in den Blick genommen wer-den kann und zum anderen werwer-den bestimmte Etikettierungen aufgrund der stigmatisierenwer-den Wirkung kritisch gesehen (vgl. Boban et al. 2014; siehe auch Moser 2012a; Prengel 2003).

In Bezug auf die Operationalisierung von Inklusion in den Instrumenten der Schulinspektio-nen würde diese Perspektive implizieren, dass die Situation aller Schüler_inSchulinspektio-nen in den Blick genommen wird und Gruppenzugehörigkeiten nicht mehr explizit benannt werden. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass Differenzlinien, die in Bezug auf Teilhabe und Überwindung von Diskriminierung von Relevanz sind, unsichtbar werden. Dies hat Butler (2015) in Bezug auf dieVerwendungderpolitischen Forderung„alllivesmatter“(anstatt„blacklivesmatter“) näherausgeführt.Soargumentiertsie,dassdieAussage„alllivesmatter“nichtdiebestehende Problematikerfassenwürde:

„It is true that all lives matter, but it is equally true that not all lives are understood to matter which is precisely why it is most important to name the lives that have not mattered, and are struggling to matter in the way they deserve“ (ebd.).

Auf den schulischen Inklusionsbegriff übertragen, bedeutet dies, dass das Erreichen der Ziele von Inklusion für alle Schüler_innen angestrebt wird, jedoch gibt es bestimmte Personengruppen

bei denen das Erreichen dieser Ziele besonders in Gefahr ist. Demnach ist es notwendig diese Differenzlinien explizit zu benennen. So gelten für sie andere Bedingungen:

„But to make that universal formulation concrete, to make that into a living formulation, one that truly extends to all people, we have to foreground those lives that are not mattering now, to mark that exclusion, and militate against it“ (Yancy und Butler 2015).

DemnachistesnotwendigGruppenzugehörigkeitenexplizitzubenennen,umihre Vulnerabili-tät sichtbar zu machen. Aus dieser Argumentation heraus liegt es nahe Differenzlinien explizit zu benennen. Darüber hinaus gibt es zwei weitere Aspekte, die für die explizite Benennung von Gruppenzugehörigkeiten sprechen: Wie bereits oben angedeutet, können Gruppenzuge-hörigkeiten im positiven Sinne identitätsstiftend sein. Beispielsweise gibt es Menschen, die zur Kommunikation primär die Deutsche Gebärdensprache verwenden und sich als Angehö-rige dieser Kultur verstehen. Die Zugehörigkeit zu dieser Gruppe ist in Bezug auf die eigene Identitätsbildung positiv besetzt und selbst gewählt. In diesem Fall impliziert die explizite Nen-nung von Differenzlinien keine Stigmatisierung, sondern macht Kulturen sichtbar. Darüber hinaus ermöglicht die explizite Verwendung von Differenzlinien bestehende Wissensbestände zu nutzen (vgl. Prengel 2003, S. 43). Beispielsweise kann auf bestehendes Wissen über die jeweiligeDifferenzliniezurückgegriffenwerden,umeinePersonbestmöglichzuunterstützen.

IndiesemZusammenhangargumentiertPrengeljedoch,dassderRückgriffaufDifferenzlinien lediglicheineersteOrientierungdarstellensollte(vgl.ebd.,S.34).Darauslassensichfürden individuellenEinzelfallkeinedirektenHandlungsschritteableiten(vgl.ebd.,S.34).

DieKritikpunkteanderexplizitenVerwendungvonDifferenzlinienbleibenausder Inklu-sionsperspektive heraus bestehen: So ist stets kritisch zu hinterfragen, wann die jeweiligen Gruppenzugehörigkeiten von Relevanz sind. Daran anknüpfend stellt sich auch die Frage, wel-che Gruppenzugehörigkeiten im schuliswel-chen Kontext eine Rolle spielen und inwiefern damit pauschale Zuschreibungen einhergehen. Die Entscheidung darüber, welche Differenzlinien in Bezug auf Teilhabe und Diskriminierung zu berücksichtigen sind, kann temporal (z. B. Rudolf 2017, S. 31) und lokal variieren. In Bezug auf Deutschland zeigt sich beispielsweise, dass manche Differenzlinien im Laufe der Zeit aufgrund von soziodemographischen Veränderungen an Bedeutung gewonnen haben, z. B. Deutsch als Zweitsprache. Des Weiteren kann es auch variieren, wer benachteiligt wird: So wurde in den 60er Jahren im Kontext von Benachteiligung im Bildungssystem u. a. von Picht (1964) noch vom katholischen Arbeitermädchen vom Lande gesprochen,währendheutederArbeitersohnmitMigrationshintergrundausderGroßstadt (vgl.Klemm2014)alsBildungsverliererdeklariertwird.DesWeiterenistesunteranderemvon ForschungundPolitikabhängig,welcheDifferenzlinienbzw.AusprägungenAufmerksamkeit erfahren.BeispielsweisegibtesinDeutschlandimVergleichzumangloamerikanischenBereich wenigForschungzurDiskriminierungvonSchüler_innenmithohemKörpergewicht,d.h.

nicht, dass es im Fall von Deutschland keine Diskriminierung gibt, sondern erstmal nur, dass wenig Wissen darüber vorhanden ist.

In Anlehnung an die Ziele von Inklusion sowie die gesellschaftlichen Funktionen von Schule bieten sich folgende Kriterien an, um herauszuarbeiten, ob Differenzlinien bzw. ein einzelnes Attribut von Schüler_innen in Bezug auf Inklusion relevant sind:

Kriterium 1: Haben die Attribute der Schüler_innen Einfluss auf den Lernprozess, z. B. Vor-kenntnisse? (vgl. Piezunka 2015)

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Kriterium 2: Gibt es stereotype Vorstellungen darüber, dass diese Einfluss auf den Lernprozess haben, z. B. Schüler_innen die nach der Definition des Statistischen Bundesamts „Migrati-onshintergrund“ aufweisen? (vgl. ebd.)

Kriterium 3: Gibt es stereotype Zuschreibungen, die die betroffenen Personen als verletzend empfinden, z. B. sexistische Äußerungen?

Kriterium 4: Gibt es Attribute, die nach der Meinung von vielen Menschen als von der gesellschaftlichen Norm abweichend angesehen werden bzw. sich dies in den bestehenden Strukturen widerspiegelt, z. B. Homosexualität (vgl. ebd.; in Bezug auf heteronormative StrukturensieheHartmann2012).

GenerellhabenMessinstrumentedasPotenzialunterschiedlicheFormenvonDiskriminierung, dieaufsozialkonstruiertenGruppenzugehörigkeitenbasieren,sichtbarzumachen.Aufder anderenSeitebestehtdieGefahr,dassdurchMessinstrumente,dieaufGruppenzugehörigkeiten basieren,diskriminierendeKlassifikationenreproduziertwerden(vgl.Supik2017).