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Qualitative Inhaltsanalyse der Bewertungsinstrumente

6 Empirisches Design 87

6.1.3 Qualitative Inhaltsanalyse der Bewertungsinstrumente

Die Datenauswertung der Dokumente sowie der Experteninterviews orientiert sich am Verfah-ren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel (2009). Im Vergleich zu andeVerfah-ren qualitativen Methoden weist das Verfahren aufgrund des regelgeleiteten Verfahrens Anknüp-fungspunktezuquantitativenDesignsaufundermöglichtesdarüberhinausvielTextmaterial zubewältigen(vgl.MayringundFenzl2014,S.543).Wiebereitsobendargestellt,legtdie FragestellungderArbeiteinqualitativesDesignnahe.DieEntscheidungfürdieInhaltsanalyse– imVergleichzuanderenqualitativenAuswertungsverfahren–ergibtsichausdertheoretischen HerangehensweisesowiederDatenerhebung:DiequalitativeInhaltsanalysekennzeichnetsich nachMayringundFenzldurchihre„Kategoriengeleitetheit“(ebd.,S.544).Demnachwerden vor der Analyse der Texte bereits Kategorien („Codes“) entwickelt und die Analyse der Texte dient der Überprüfung, inwiefern die Kategorien im Material auftauchen, welche Ausprägun-gen der Kategorien vorhanden sind und welche Zusammenhänge sich herstellen lassen. Die Orientierung an bestehenden Kategorien bietet sich in Bezug auf die Fragestellungen der Arbeit an, da sich bei beiden empirischen Teilen, den Instrumenten sowie den Interviews, bereits vorab bestimmte Kategorien aus den theoretischen Vorüberlegungen ergeben. Ein weiterer Aspekt, der in Bezug auf die Auswahl der Auswertungsmethode von Relevanz ist, ist die Un-terscheidung zwischen manifesten und latenten Sinnstrukturen: Als manifeste Sinnstrukturen werden Kommunikationsinhalte gesehen, die im Material explizit artikuliert werden. Dage-generfordertdasHerausarbeitenvonlatentenSinnstruktureneineFormderInterpretation, dieüberdastatsächlichGesagtehinausgeht.DiequalitativeInhaltsanalyseerhebtzwarnach MayringdenAnspruchlatenteSinnstrukturenherausarbeitenzukönnen(ebd.,S.543).Nach LamnekistesjedochvondertheoretischenAusrichtungabhängig,obmithilfederqualitativen InhaltsanalyselatentesodermanifestesWissenherausgearbeitetwerdenkann(Lamnek1995, S. 202). Auch wenn die qualitative Inhaltsanalyse den Zugriff auf latente Sinnstrukturen zulässt, ermöglichen es andere Auswertungsverfahren durch die intensive Auseinandersetzung mit einzelnen Textbausteinen stärker in die Tiefe zu gehen. Um Teilaspekte der Fragestellung dieser Arbeit näher zu betrachten, würde es sich bei zukünftigen Forschungsprojekten anbieten auf Auswertungsmethoden zurückzugreifen, die stärker latente Sinnstrukturen fokussieren, z. B. die objektive Hermeneutik. In Bezug auf den Gegenstand der Arbeit lässt sich jedoch festhalten, dass es kaum Forschung zur Entwicklung von Bewertungsinstrumenten gibt. Aufgrund eines

explorativen Designs spricht daher insbesondere für die qualitative Inhaltsanalyse, dass das gesamte Material berücksichtigt werden kann und somit auch Vergleiche zwischen einzelnen Bundesländern möglich sind.

Unter dem Begriff „qualitative Inhaltsanalyse“ gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Ver-fahren. Im Folgenden wird dargestellt, warum sich das dargestellte Vorgehen an dem Verfahren nach Gläser und Laudel (2009) orientiert. Gläser und Laudel knüpfen bei ihrem Verfahren an dem Ansatz von Mayring (2010) an. Sie grenzen sich jedoch insofern davon ab, als dass sie während der gesamten Analyse und nicht nur nach der Betrachtung eines Teils des Materials die Möglichkeit zulassen Kategorien zu ergänzen (Gläser und Laudel 2009, S. 193). Nach Gläser undLaudeldürfenjedochwährendderAnalysekeineKategorienausdemex-ante feststehen-denKategoriensystementferntwerden(ebd.,S.193).DurchdiesesVorgehenistdaherein induktiv-deduktivesVorgehenmöglich.DiesesermöglichteswährenddergesamtenAnalyse Kategorienzuergänzenundretrospektivkritischzudiskutieren,welcheKategorieninder AnalysekeineRollegespielthaben.AufgrunddieserOffenheitundderstarkenOrientierungan dentheoretischenVorüberlegungenorientiertsichdieArbeitimFolgendenandemVerfahren der qualitativen Inhaltsanalyse nach Gläser und Laudel (2009), welches auf den folgenden Verfahrensschritten basiert:

• Theoretische Vorüberlegungen;

• Vorbereitungen der Extraktion;

• Extraktion;

• Aufbereitung und

• Auswertung (vgl. ebd., S. 203).

Im Folgenden wird die konkrete Anwendung der Verfahrensschritte zunächst für die Analyse derInstrumenteunddanninAbschnitt 6.2inBezugaufdieInterviewsnäherbeschrieben.In diesemZusammenhangwirdaucherläutert,inwieferndashierdargestellteVorgehenvondem VerfahrennachGläserundLaudel(2009)inBezugaufTeilaspekteabweicht.

Vorbereitung der Extraktion bei der Analyse der Bewertungsinstrumente: Für die Ex-traktionistdieEntwicklungeinesKategoriensystemsnotwendig.Diesesstelltdas„Herzstück“

(Schreier2014)derAnalysedarundbasiertaufdentheoretischenVorüberlegungen,dieim theoretischenTeildieserArbeitausführlichdargestelltwurden.NachGläserundLaudeldient dieEntwicklungdesKategoriensystemsdazu,„nocheinmaldasgesamteWissenzumobilisieren, umdieExtraktionsogutwiemöglichvorzubereiten“(GläserundLaudel2009,S.202).

In Bezug auf die Analyse der Instrumente geht es im Rahmen dieser Arbeit nicht darum eine Theorie zu überprüfen bzw. eine Theorie zu entwickeln. Somit weicht das Verfahren von der primären Zielsetzung nach Gläser und Laudel (2009) ab. Der Fokus liegt in diesem Auswer-tungsteil stattdessen auf der Frage, wie Inklusion in den Bewertungsinstrumenten verhandelt wird. Die Auseinandersetzung damit, wie Inklusion gedeutet wird, dient im weiteren Verlauf der Arbeit als Grundlage, um die Aussagen aus den Interviews zur Entwicklung der Instrumente einordnen zu können. Bei der Entwicklung des Kategoriensystems wird zwischen zwei Teilen unterschieden, da durch die Analyse der Instrumente zwei Fragestellungen beantwortet werden sollen.

1. BerücksichtigungvonInklusionalsnormativeForderung:ImerstenSchrittgehtesum dieFrage,obbestimmteKonzepte,dieaufeinemmenschenrechtlichenInklusionsverständnis

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basieren, in den Instrumenten sichtbar werden und wie diese operationalisiert werden.

So lässt diese Analyse Aussagen darüber zu, inwiefern Inklusion als politische Vorgabe – unabhängig von der expliziten Nennung des Begriffs – in den Instrumenten berücksichtigt wurde. Als Dimensionen dienen hierfür die Konzepte, die im theoretischen Teil formuliert wurden → Tab. 6.3).

• FehlenvonAnerkennung,z.B.Exklusion, Diskriminierung

Berücksichtigungvonsozial konstruiertenDifferenzlinien

• RelevanteDifferenzlinien

• OperationalisierungvonDifferenzlinien

2. Verwendung des Inklusionsbegriffs in den Instrumenten: Nun geht es um die Frage, welche Verständnisse von Inklusion sich in denjenigen Instrumenten widerspiegeln, die von Seiten der Schulinspektionen als „inklusionsorientiert“ gekennzeichnet wurden? Dabei wurden einzelne Definitionen des Inklusionsbegriffs extrahiert. Des Weiteren wurden in-duktivKategorienentwickelt,umzwischeneinzelnenInstrumententypenunterscheidenzu können:

IntegrationderInstrumenteindasbestehendeInstrumentenset,z.B.Add-Onoder Querschnitt

InhaltederInstrumentezuInklusion

Verständnis von Inklusion bei der expliziten Verwendung des Inklusionsbegriffs ExtraktionundAufbereitungbeiderAnalysederMessinstrumente: DasZieldes nächs-tenVerfahrensschritts, derExtraktion, istes,ausdenDokumentendieInformationen zu entnehmen,dieinBezugaufdieFragestellungvonRelevanzsind(vgl. ebd.,S.194).Bei der Entscheidung darüber, ob eine Textstelle codiert wird, dient als primäre Grundlage das Kategoriensystem. Darüber hinaus ist es jedoch stets möglich weitere Kategorien induktiv zu ergänzen. Zu Beginn wurde die Extraktion bei den Instrumenten mithilfe einer Software für qualitative Textanalyse durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass bei der Analyse mehrere Aspekte zeitgleich berücksichtigt werden mussten: Erstens, sollten Unterschiede zwischen den Bundes-ländern sichtbar werden. Zweitens sollten – unabhängig vom Bundesland – unterschiedliche Formen der Operationalisierung bei den einzelnen Kategorien herausgearbeitet werden. Drit-tens sollten auch unterschiedliche Formen der Operationalisierung in Bezug auf die einzelnen

Dokumententypen,z.B.BeobachtungsbögenoderFragebögen,abgebildetwerden.Umdie Komplexitätabbildenzukönnen,wurdeimweiterenVerlaufaufein Textverarbeitungspro-grammzurückgegriffen.Dortwurdenauf110SeiteneinzelneTabellen(sieheAbb.6.2)erstellt, diejeweilsnurdieInformationübereineDimensiondesbetrachtetenKonzeptsvonInklusion, z.B.„IndividuellbestmöglicheQualifizierung“(siehe„B“inAbb.6.2)enthieltenundwiediese ineinemInstrumententyp,z.B.imLehrerfragebogen(siehe„A“inAbb.6.2),auf Bundeslande-bene operationalisiert wurde. Demnach stellten die Spalten einer Tabelle die unterschiedlichen Formen der Operationalisierung dar (siehe „C“ in Abb. 6.2), z. B. unterschiedliche Formen der Differenzierung in Bezug auf das Ziel „individuell bestmögliche Qualifizierung“. Jedes Bundesland (siehe „D“ in Abb. 6.2) verfügte über eine Zeile und in den jeweiligen Zellen befand sich das Originalzitat bzw. eine Paraphrasierung.

Abb. 6.2: Screenshot der Auswertung

Bei der Extraktion galten folgende Regeln:

• Bei der Durchführung war die Orientierung an den oben beschriebenen Dimensionen entscheidend. Es wurde vorab nicht festgelegt, welche Ausprägungen (siehe „C“ in Abb. 6.2) inBezugaufdieeinzelnenKategorienzuerwartensind.

• BestimmteAspekte,z.B.IndikatorenzumGanztagesbetriebsowieKriterienfür Förder-schulen,wurdeninderAnalysenichtberücksichtigt.DieNicht-Berücksichtigungvon För-derschulenhatinhaltlicheGründe,dadiesenichtTeileinesinklusivenSchulsystemssind.

IndikatorenzumGanztagsbetriebwurdenausmethodischenGründennichteinbezogen,um eineVergleichbarkeitzwischendenBundesländernzugewährleisten.

• In Bezug auf das Ziel „individuell bestmögliche Qualifizierung“ waren nur die Indikatoren zu Lernprozessen relevant, die irgendeine Form von Differenzierung enthielten. Beispielsweise wurde das Item „Schüler sind weder unterfordert noch überfordert“ (UBB_ST) nicht aufge-nommen, weil nicht zwischen einzelnen Schüler_innen bzw. Schülergruppen differenziert wurde.

• In Bezug auf den Unterrichtsbeobachtungsbogen (UBB) wurde in der Extraktion nicht die Erfassung von beobachteten Sozialformen zu Beginn des Unterrichtsbeobachtungsbogens,

3 In diesem Zusammenhang herzlichen Dank an Vera Klar-Winter für ihre Unterstützung bei der empirischen Analyse und ihre konstruktiven Rückmeldungen.

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z. B. Stattfinden von Gruppenarbeit, berücksichtigt. So war nicht ersichtlich, was von Seiten der Inspektor_innen als „gut“ oder „schlecht“ bewertet wird.

AuswertungbeiderAnalysederMesssinstrumente: InBezugaufdenvierten Verfahrens-schritt,derAuswertung,machenGläserundLaudel(2009)keinegenauerenAngaben,dadas Vorgehen abhängig von der jeweiligen Fragestellung ist. Die Auswertung der Bewertungsin-strumente zielt im ersten Schritt der Analyse darauf ab, zu untersuchen, ob die in Abschnitt 2 dargestellten Konzepte von Inklusion in den bundesländerspezifischen Instrumenten der Schul-inspektionen eine Rolle spielen und welche Formen der Operationalisierung gewählt wurden.

Dabei soll das Spektrum an unterschiedlichen Formen der Operationalisierung abgebildet werden. In Bezug auf Teilaspekte lassen sich zusätzlich Aussagen darüber treffen, inwiefern sich die Bundesländer voneinander unterscheiden. Demnach wird in Abschnitt 7.1 dargestellt, ob und wie die jeweiligen Konzepte in den einzelnen Bundesländern operationalisiert wurden.

Im zweiten Schritt geht es darum zu beantworten, was unter Inklusion in den bundeslän-derspezifischenInstrumentenderSchulinspektionenverstandenwirdundinwieferneshier AbweichungenzudeninAbschnitt2.2beschriebenenKonzeptezuInklusiongibt.Hierfürwird inAbschnitt7.2zunächstdargestellt,welcheVerständnissevonInklusionsichinden Instrumen-tenwiderspiegelnundimnächstenSchrittwirddiskutiert,inwieferndieseGemeinsamkeiten oderUnterschiedezudeminAbschnitt2.2beschriebenenKonzeptenaufweisen.

DieAuswertungwurdevonderAutorinderArbeitalleinedurchgeführt.Jedochwurdendie Ergebnisse der Analyse durch eine studentische Hilfskraft überprüft und verifiziert.3 Aufgrund der Rückmeldungen wurden einzelne Punkte noch ergänzt bzw. angepasst.