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Problemstellung und Zielsetzung

Im Dokument Die Bauherren-Architekten-Beziehung (Seite 21-26)

„Unabhängigkeit schließt Treuhänderschaft für den Bauherrn ein. Freie Archi-tekten haben kein wirtschaftliches Interesse an der Herstellung von Produk-ten."1

Dieses Idealbild vom selbstlosen Architekten als Treuhänder des Bauherrn wird seit Jahren von den Interessenvertretungen der Architekten als ein grundlegen-des Charakteristikum der Beziehung zwischen Bauherr und Architekt prokla-miert. Es entspricht jedoch weder historischen Tatbeständen noch der aktuellen Situation im Baugeschehen. Vielmehr klafft in der bauwirtschaftlichen Praxis ein unübersehbarer Widerspruch zwischen dem Treuhänderanspruch der Archi-tekten und dem zunehmenden Vertrauensverlust ihrer Auftraggeber.2 Das ge-störte Vertrauensverhältnis zwischen Bauherr und Architekt wird anhand zahl-reicher Artikel in den jeweiligen Fachzeitschriften und der Tagespresse sicht-bar.3 Ein weiteres Indiz ist die Vielzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen, die zwischen ihnen während bzw. nach ihrer Zusammenarbeit angestrengt wer-d e n4

Der Ruf des Architekten hat insbesondere bei den gewerblichen Bauherren an Bedeutung verloren. Diese stehen dem Leistungsversprechen der Architekten zunehmend skeptisch gegenüber und weichen vermehrt auf andere Anbieter von Architektenleistungen wie z.B. Generalübernehmer aus. Neben dem man-gelnden Wissen der Architekten kritisieren sie vor allem deren fehlende Bereit-schaft, sich mit den Aspekten einer zuverlässigen Prozess-, Termin- und Kos-tenplanung auseinanderzusetzen.5 Verstärkt wird die skeptische Haltung der

1 Erklärung des Präsidiums des Bundes Deutscher Architekten (BDA) 1998. Vgl. o.V., Zu-kunft, S. 19. Ähnliche Formulierungen finden sich in den Berufsordnungen der Länder in den dort festgeschriebenen Berufsgrundsätzen für die freischaffenden Architekten. Vgl. Ar-chitektenkammer (Hessen), Recht, S. 36.

2 Käppiinger, Dirigenten, S. 109.

3 Knapp spricht sogar von „Rufmord auf Raten" zwischen Bauherr und Architekt. Vgl. Knapp, Rufmord, S. 3.

4 Neuschäffer, Architekten, S. 34; Arbeitsgruppe des Bund-Länder-Referentenkreises Freie Berufe, Bericht, S. 8.

5 Hommerich/Küthe, Image, S. 7f. und S. 18. Auch im Bauschadensbericht der Bundesregie-rung wird u.a. das Fehlen von grundlegenden Kenntnissen der Architekten über Baubetrieb und Bauvertragsrecht kritisiert. Vgl. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), Zweiter Bericht, S. 32; Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen

Bauherren durch die Reglementierungen, denen sie sich in der Zusammenar-beit mit den Architekten ausgesetzt sehen. Die Honorierung des Architekten wird ihnen bei anrechenbaren Baukosten bis zu 50 Millionen DM durch eine Honorarordnung vorgeschrieben, die das Honorar mit zunehmenden Baukosten steigen lässt. Indem der Architekt diese entscheidend beeinflussen kann, gerät er jedoch in einen Widerspruch zu seiner Treuhänderfunktion gegenüber dem Bauherrn.

Der Vertrauensverlust der Bauherren, und vor allem die damit einhergehenden negativen Auswirkungen für die Architekten, sind für diese zunehmend spür-bar.6 In Deutschland wird daher innerhalb der Architektenschaft seit Jahren über das Berufsbild des freiberuflichen Architekten und sein Selbstverständnis diskutiert, ohne jedoch wirkliche Veränderungen zu initiieren. Die Probleme werden von Seiten der Architekten vielmehr auf mangelndes Wissen und ren-diteorientiertes Handeln der Bauherren, auf die zunehmende Konkurrenz durch Generalübernehmer und Projektsteuerer sowie auf die europäischen Harmoni-sierungsbestrebungen zurückgeführt.7

An der unterschiedlichen Problemdeutung wird bereits eine starke Zieldivergenz zwischen Bauherr und Architekt sichtbar. Während die Bauherren die Probleme mit den Architekten überwiegend auf deren mangelndes Kostenbewusstsein zurückführen, sehen die Architekten den Ursprung der Konflikte gerade in der Renditeorientierung der Bauherren. Ihre Zusammenarbeit ist damit von vorn-herein durch starke Interessendivergenzen gekennzeichnet.

und Städtebau (Hrsg.), Dritter Bericht, S. 37. Selbst von Seiten der Architekten wurde fest-gestellt, dass die Interessen der Bauherren bisher vernachlässigt wurden. Vgl.

Steinhilber/Weis, Zukunft, S. 338.

6 Siegele spricht davon, dass „das Vertrauen der Bauherren mit aller Energie zurückzugewinnen" sei. Vgl. Siegele, Kleinen, S. 3. Auch Erler konstatiert ein steigendes Misstrauen der Bauherren. Vgl. Erler, Berufsbild Teil 1, S. 40 und S. 43.

7 Vgl. Kuchenmüller, Bedarfsplanung, S. 1587f.; Roscher, Architektur, S. 1578f.; Sommer, Verlust, S. 1581; Sack, Utopie, S. 1569f. Siehe hierzu auch die Ausführungen zum Fremd-bild des Bauherren in Abschnitt 2.2.3.

Aus den bestehenden Konflikten können sowohl für die Bauherren als auch für die Architekten enorme Wohlfahrtsverluste resultieren. Für die Bauherren wer-den diese insbesondere an schwer zu kalkulierenwer-den Kostenerhöhungen deut-lich, die sich u.a. aus Bauzeitverzögerungen und gerichtlichen Auseinanderset-zungen ergeben. Die Kosten für Rechtsstreitigkeiten haben jedoch auch die Architekten mitzutragen. Diese müssen darüber hinaus, als Folge des fehlen-den Vertrauens der Bauherren in ihre Fähigkeiten, die Entwürfe berechenbar zu gestalten und umzusetzen, starke Honorareinbußen hinnehmen. Honorarzah-lungen weit unterhalb der Mindestsätze der HOAI sind heute die Regel und kein Einzelfall.8 Zudem weichen die Bauherren für die praktische Entwurfsumset-zung9 zunehmend auf andere Anbieter von Architektenleistungen aus. Die Honorierung der verbleibenden Leistungsphasen kann jedoch die Kosten eines Architekturbüros kaum decken.10 Die bestehenden Probleme der Zusammenar-beit mit dem Architekten senken zugleich die Bereitschaft der Bauherren zur Umsetzung innovativ gestalteter Architektur und verringern dadurch die Ges-taltungsvielfalt der von ihnen geschaffenen Immobilien. Die ständige Wieder-holung der gleichen Gestaltungsmuster und die mangelnde Nutzung des viel-fach vorhandenen kreativen Potentials stellt auch für die Gesellschaft nur eine unbefriedigende Situation dar.

Den existierenden Problemen zwischen Bauherren und Architekten kommt demnach eine über den Rahmen der Bau- und Immobilienwirtschaft hinausge-hende Relevanz zu. Dennoch wurde die Thematik ihrer Zusammenarbeit bisher kaum wissenschaftlich analysiert. An dem Lehrstuhl von Prof. Pfarr erschienen in den achtziger Jahren mehrere Arbeiten11, die vor allem die Anwendung der Systemtheorie auf die Bauwirtschaft verfolgten. Im Vordergrund der Untersu-chungen stand hier die Darstellung der unterschiedlichen Akteure des Pla-nungs- und Bauprozesses und ihre Einordnung in dessen Gesamtstruktur mit dem Ziel, Ansätze zur Optimierung des Prozessablaufes des Planungs- und

Vgl. dazu die Ausführungen zu Honorarvereinbarungen und Mindestsatzunterschreitungen in Abschnitt 3.2.3.3.2 und die dort zitierten Quellen.

9 Diese umfasst die Leistungsphasen 5-9 der HOAI. Vgl. § 15 Abs. 1 HOAI.

10 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 4.2.2.2.1.

11 Vgl. u.a. Schweizer, Planungs- und Bauprozeß; Pfarr, Bau Wirtschaft; Will, Bauherren;

Amelung, Gewerbeimmobilien.

Bauprozesses zu liefern.12 Eine explizite Untersuchung der Zusammenarbeit zwischen Bauherr und Architekt erfolgte jedoch nicht. Diese wurde bisher ledig-lich hinsichtledig-lich rechtledig-licher Fragestellungen durchgeführt, insbesondere in Be-zug auf die Haftung des Architekten.13 Daneben existieren soziologisch sowie kunstgeschichtlich orientierte Arbeiten, die sich jedoch überwiegend auf die Be-trachtung der Architekten und ihrer Architektur konzentrieren.14

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, durch eine umfassende Analyse der Bauherren-Architekten-Beziehung einen wissenschaftlichen Beitrag zur Schlie-ßung der vorhandenen Lücken in der bau- und immobilienwirtschaftlichen For-schung zu liefern. Neben der Einordnung der Akteure in den Planungs- und Bauprozess gewerblicher Immobilien und der Darstellung der herrschenden Rahmenbedingungen ist es notwendig, eine Analyse der Grundstruktur der Bauherren-Architekten-Beziehung vorzunehmen. Mit Hilfe der theoretischen Betrachtung sollen die Ursachen der bestehenden Probleme offengelegt und der Einfluss der institutionellen Rahmenbedingungen auf diese untersucht werden. Dadurch werden nicht nur neue Einsichten hinsichtlich der bestehenden Konflikte ermöglicht. Vielmehr sollen aus der Theorie Lösungsan-sätze erarbeitet werden, die den Interessen beider Parteien gleichermaßen gerecht werden und dazu beitragen, deren Wohlfahrtsverluste zu reduzieren.

Theoretische Grundlage der Analyse bildet die Prinzipal-Agenten-Theorie, die der Beziehungsstruktur zwischen Bauherr und Architekt Rechnung trägt. Der Bauherr ist bei der Umsetzung seiner Vorstellungen auf das Fachwissen des Architekten angewiesen und muss diesem zur Erstellung der gewünschten Leistung weitreichende Vollmachten übertragen. Die Qualität der Leistung des Architekten und seine Anstrengungen kann er dabei nicht vollständig kontrollie-ren und bewerten, zumal externe Einflussfaktokontrollie-ren15 einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis haben können. Unsicherheit entsteht für den

Einen ähnlichen Untersuchungsschwerpunkt setzt Matzke, der die Steuerung und Kontrolle von Leistungsbeziehungen in der Bauwirtschaft unter institutionalistischen Gesichtspunk-ten betrachtet. Vgl. Matzke, Leistungsbeziehungen. Gralla beschäftigt sich hingegen mit der Untersuchung neuer Wettbewerbs- und Vertragsformen für die deutsche Bauwirtschaft.

Vgl. Gralla, Bauwirtschaft.

Vgl. u.a. Budnick, Architektenhaftung; Wirth/Theis, Architekt.

Vgl. u.a. Feldhusen, Perspektiven; Rühl, Selbstbild; Reuter, Macht; Throll, Anspruch.

Vgl. die Ausführungen zu den Einflussfaktoren in Abschnitt 2.1.2.3.

Bauherrn aus dieser Konstellation jedoch vor allem aufgrund der unterschiedlichen Zielvorstellungen des Architekten. Der Bauherr nimmt dementsprechend die Rolle des Prinzipalen und der Architekt die des Agenten ein.

Als ein Bestandteil der Neuen Institutionenökonomik16 hat die Prinzipal-Agen-ten-Theorie seit Mitte der 70er Jahre in vielen Fächern der Betriebswirtschafts-lehre Einzug gehalten, insbesondere in grundlegenden Arbeiten der Organisa-tions- und Finanzierungstheorie.17 In der agenturtheoretischen Betrachtung wird von prohibitiv hohen Kosten der Informationsbeschaffung ausgegangen, die dazu führen, dass das Wissen der ökonomischen Akteure unvollständig und zudem ungleich verteilt ist. Den beteiligten Parteien eröffnen sich dadurch diskretionäre Verhaltensspielräume, die sie zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen können. Das Risiko des opportunistischen Verhaltens des Partners schafft Unsicherheit für die Entscheidungsträger. Diesem Problem begegnet die Prinzipal-Agenten-Theorie, indem sie die Wirkung von Verhaltensanreizen, die von institutionellen Regelungen einer Vertragsbeziehung auf die beteiligten Vertragspartner ausgehen, untersucht. Beobachtbare Phänomene können dadurch erklärt und Empfehlungen für die vertragliche und organisatorische Ausgestaltung von Kooperationsbeziehungen sowie darüber hinaus gehende institutionelle Reformen erarbeitet werden.18

Mit der Übertragung der Prinzipal-Agenten-Theorie auf die Bauherren-Archi-tekten-Beziehung können dort herrschende Informationsasymmetrien aufge-deckt, und die daraus resultierenden Probleme der Verhaltensunsicherheit als mögliche Konfliktherde zwischen Bauherr und Architekt herausgearbeitet wer-den.

16 Picot, Organisation, S. 143-170; Coase, Institutional Economics, S. 229-231; Richter, Unternehmung, S. 395-429. Vgl. auch die Ausführungen unter Punkt 1.2.1 sowie die dort aufgeführten Fußnoten. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung für diese neue Forschungsrichtung nicht einheitlich ist. Neben dem Begriff der „Neuen Institu-tionenökonomik" finden sich auch Begriffe wie z.B. „Neue mikroökonomische Theorie" oder

„Neue Institutionenlehre". Vgl. Windsberger, Unternehmenstheorie, S. 148f.; Hax, Unter-nehmung, S. 55; Weiber/Adler, Kaufprozessen, S. 43f.

17 Vgl. Ross, Agency; Holmstrom, Moral Hazard; Jensen/Meckling, Firm; Akerlof, Lemons.

Umfassende bibliographische Hinweise zu den Anfängen der Prinzipal-Agenten-Theorie finden sich u.a. bei Richter/Furubotn, Institutionenökonomik.

18 Terberger, Ansätze, S. 11; Rüdiger, FuE-Kooperationen, S. 33 sowie S. 38.

Darauf aufbauend sollen theoretische Lösungsansätze aufgezeigt und diskutiert werden. Durch die Einbeziehung institutioneller Rahmenbedingungen in die Analyse und die Betrachtungen der Lösungsansätze soll der Bezug zur Praxis hergestellt und somit konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis gegeben werden.

1.2 Theoretischer Bezugsrahmen

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