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Hidden Characteristics

Im Dokument Die Bauherren-Architekten-Beziehung (Seite 142-147)

Kostenfeststellung nach DIN 276

4.2 Probleme der Informationsasymmetrie zwischen Bauherr und Architekt

4.2.1 Hidden Characteristics

4.2.1.1 Vertragsanbahnung unter Qualitätsunsicherheit

Mit dem Ziel, ein neues Bauwerk planen und errichten zu lassen, macht sich der Bauherr auf die Suche nach einem Architekten. Aufgrund der hohen Archi-tektendichte573 in Deutschland stellt sich dem Bauherrn dabei das Problem, den für die zu vergebende Aufgabe qualifiziertesten Anbieter von

Architektenleis-573 Deutschland verfügt schon heute über annähernd so viele Architekten wie alle übrigen EU-Länder zusammengerechnet. Werner, Titanic-Effekt, S. 18; Dechau, Architektur-Alltag, S.

20; Baumeister, Architektur, S. 7; Boltz, Architektinnen, S. B 2.

tungen herausfiltern.574 Er sucht einen Architekten, der seine Ideen und Vorstel-lungen zielgerichtet umzusetzen vermag, d.h. ein äußerlich ansprechendes Ge-bäude zu erstellen, welches im vorgesehenen Sinne nutzbar und fehlerfrei ist, und ihm somit die erwartete Rendite aus dem Verkauf bzw. der Vermietung er-möglicht. Das Produkt soll zudem innerhalb des veranschlagten Zeit-, Kosten-und Terminrahmens entstehen. Der gesuchte Architekt soll in der Lage sein, durch hohe Arbeitsbereitschaft, selbständiges und überlegtes Handeln sowie vielfältiges Wissen an dieser Zielerreichung aktiv mitzuwirken. Da der Bauherr ihm dafür weitreichende Vollmachten übertragen muss, soll er zudem vertrau-enswürdig und zuverlässig sein, und seine Risikobereitschaft der des Bauherrn entsprechen. Das Ziel des Architekten besteht unterdessen in der Erlangung eines Auftrages zur Erbringung von Architektenleistungen. Dieser sichert ihm materiell den Fortbestand als freiberuflicher Architekt und eröffnet ihm die Mög-lichkeit, sich künstlerisch zu verwirklichen.

Während der Architekt über sich selbst sehr gut informiert ist, besitzt der Bau-herr zum Zeitpunkt der Vertragsanbahnung nur wenig Informationen über die Qualifikation des Architekten bzw. kann die ihm zur Verfügung stehenden In-formationen nur bedingt werten. Verstärkt wird die vorliegende Informationsa-symmetrie durch die Heterogenität der angebotenen Architektenleistungen.

Sowohl die Aufgabenfelder von Architekten als auch ihre ganz spezifischen Fä-higkeiten sind sehr unterschiedlich. Dem Bauherrn ist es dadurch nicht möglich, von einem Architekten auf die Leistungsqualität eines anderen zu schließen. So sind die Leistungen eines Architekten, der mit der Entwurfsplanung eines The-aters beauftragt wurde, nur bedingt mit der Leistung eines bauleitenden Archi-tekten einer Fabrikhalle zu vergleichen. Auch über für ihn wesentliche Charak-tereigenschaften des Architekten wie z.B. Fleiß, Sorgfalt und Ehrlichkeit ist der Bauherr nicht informiert.

Der Bauherr hat jedoch die Möglichkeit, sich vor seiner Entscheidung genauer über die Qualifikation des Architekten zu informieren. Da dies für ihn nicht

kos-574 Spremann formuliert dies als Sortierungsproblem: Gute und Passende von Schlechten und Unpassenden zu trennen. Vgl. Spremann, Information, S. 567.

tenlos ist, hat er eine Vorentscheidung hinsichtlich der Informationsbeschaffung zu treffen. Der Bauherr muss dabei die Kosten der Informationsbeschaffung gegenüber den Nachteilen, die ihm aus einer Entscheidung unter unvollständi-ger Information erwachsen können, abwägen. Die Beschaffung der Information bedeutet für ihn sichere Kosten, während mögliche Nachteile nicht zwingend eintreffen müssen. Für seine Entscheidung ist daher wesentlich, wie er die Wahrscheinlichkeit und den Umfang eines möglichen Wohlfahrtsverlustes durch die Beauftragung eines unqualifizierten Architekten einschätzt.

Opportunistisches Verhalten des Architekten vorausgesetzt, wird dieser versu-chen, den ihm durch die Unwissenheit des Bauherrn zur Verfügung stehenden Verhaltensspielraum auszunutzen. Aus einem Vertrag erwächst ihm in dreierlei Hinsicht ein Nutzen: der Bauherr wird ihm gegenüber honorarpflichtig, er erhält eine Chance sich beruflich zu verwirklichen und er kann mit dem Ergebnis sei-ner Planungen auf Publizität und damit Folgeaufträge hoffen. Mit eisei-ner Offenle-gung persönlicher, fachlicher aber auch finanzieller Defizite seinerseits würde der Architekt das Zustandekommen des Vertrages gefährden.575 Er ist daher daran interessiert, den Bauherrn über seine Qualifikation im unklaren zu lassen bzw. ihn falsch zu informieren. Verstärkt wird diese Haltung durch die ange-spannte Konkurrenzsituation in der sich der Architekt befindet sowie durch die von der HOAI vorgegebene Honorarverteilung für die einzelnen Leistungspha-sen. Damit Architekten rentabel arbeiten können, müssen sie alle Leistungs-phasen anbieten, auch wenn sie dafür nicht qualifiziert genug sind.

Zusammengefasst bedeutet Qualitätsunsicherheit für den Bauherrn, dass er vor Vertragsschluss hinsichtlich der Qualifikation des einzelnen Architekten nur un-vollständig informiert ist. Es ist ihm zudem nicht möglich, die Verhaltensmerk-male des Architekten zu beeinflussen, vielmehr muss er diese als unveränder-bar hinnehmen. Kreativität, technisches Wissen, Produktivität und Risikobereit-schaft des Architekten stellen für den Bauherrn vor Vertragsschluss ein Datum

„Man will keinen schlechten Eindruck gegenüber dem Bauherren hinterlassen. Dazu ge-hört mitunter ein gewisses Talent als Schauspieler." Rudolf Reitermann, Büroinhaber und Universitätsdozent, in einem Gespräch mit dem Deutschen Architektenblatt zur Situation junger Architekturbüros in Berlin. Vgl. Liebs/Meyer, Architekten, S. 631.

dar. Er muss daher seine Entscheidung unter unvollständiger Information tref-fen. Erst nach Vertragsschluss werden wesentliche Verhaltensmerkmale für den Bauherrn sichtbar.

4.2.1.2 Leistungsversprechen des Architekten unter dem Aspekt von Hid-den Characteristics

Die vorangegangenen theoretischen Überlegungen müssen jedoch im Hinblick auf die Praxis differenziert werden. So wird die Gefahr der Qualitätsunsicherheit für unerfahrene Bauherren viel größer sein als für Bauherren mit langjähriger Erfahrung. Letztere sichern sich zumeist dadurch ab, dass sie über Jahre hin-weg ihre Projekte mit nur einem bzw. wenigen Architekten realisieren, denen sie vertrauen und deren Leistungen ihren Erwartungen entsprechen. Diese Auswahl mussten sie jedoch erst treffen und standen dabei ebenso vor dem oben beschriebenen Problem. Darüber hinaus sind auch erfahrene Bauherren nicht in der Lage, die Leistung ihrer „Stammarchitekten" mit den Leistungen an-derer, evt. jüngerer Architekten in Relation zu setzen. Relativ bessere Archi-tektenleistungen können ihnen so entgehen.

Ist der Bauherr unerfahren und nicht bereit, Kosten für die Beseitigung seiner Informationsdefizite aufzuwenden, ist er auf die Aussagen des Architekten zu dessen Leistungsqualität angewiesen. Gestärkt wird die Position des Architek-ten dabei durch das in der HOAI dargestellte Leistungsbild576, dass sich noch immer an den generalistischen Anspruch von Vitruv577 anlehnt. Der Architekt kann damit gegenüber dem Bauherrn glaubhaft argumentieren, dass er für alle Phasen ausreichend qualifiziert ist. In den Ausführungen zur Architektenausbil-dung wurde jedoch deutlich, dass sich die AusbilArchitektenausbil-dung nicht nur an Kunsthoch-schulen auf die ersten drei Leistungsphasen, genauer auf die Entwurfsfindung und die entsprechende Planerstellung, reduziert.578 Den Architekten wird

dem-576 Vgl. § 15 Abs. 2 HOAI.

577 Vitruv gilt als der einzige aus der Antike überlieferte Architekturtheoretiker. Sein Werk

„Zehn Bücher über Architektur" (De Architectura) gibt eine Gesamtdarstellung des Wissensstandes jener Zeit zu theoretischen und praktischen Fragen der Baukunst. Vgl. die historische Betrachtung der Bauherren-Architekten-Beziehung in Abschnitt 2.3.1.

578 Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 2.3.2.3.

nach nicht beigebracht, wie ein Entwurf praktisch umzusetzen ist, obwohl dies zwei Drittel seines Leistungsbildes ausmacht.579

Der Anreiz trotz mangelnden Wissens und Interesses diese Leistungen zu übernehmen, bildet deren überdurchschnittliche Honorierung. So erhält der Ar-chitekt allein für die Ausführungsplanung 25% des Gesamthonorars.580 Das sind 4 % mehr als für die ersten drei Leistungsphasen zusammen. Für den Architekten ist der Anreiz daher größer, ein Leistungsversprechen abzugeben, das er nur bedingt einhalten kann und darüber auch informiert ist, als die Gefahr durch mangelndes Wissen verursachte Planungsfehler verantworten zu müssen. Diese werden zumeist erst nach Jahren sichtbar581 und können zudem auch anderen an der Planung Beteiligten oder externen Einflüssen zugeschoben werden.582

Abbildung 10: Quellen der Schadensursachen entsprechend dem 3. Bauscha-densbericht der Bundesregierung583

579 Gerkan, Zwang, S. 22.

580 Vgl. § 15 Abs. 1 HOAI.

581 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), Dritter Bericht, S.

30f.

582 Vgl. Oswald, Deckendurchbiegung, S. 138.

583 In Anlehnung an Popp, Bauen, S. 1.

Für den unerfahrenen Bauherrn kann dies bedeuten, dass sich ein „Dilettant"584

an die Ausführung und die Auseinandersetzung mit diversen Bauunternehmen macht. Die Vielzahl der Prozesse, die Haftungsansprüche für Bauschäden auf-grund von Planungsfehlern zu klären haben, sind ein Beleg dafür. Planungs-fehler verursachen immer wieder Kostenerhöhungen und Terminverzögerungen für den Bauherrn. Abbildung 10 zeigt deren enormen Anteil als Ursache für Bauschäden. Häufige Fälle technischer Fehlplanungen sind u.a. Wassereinbrü-che während der Erstellung bzw. nach Fertigstellung des Gebäudes585 aufgrund fehlerhaft geplanter und erstellter Gründungen und Dächer.586

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