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Spielsituation 5 (idealisiert) Boss-Fight, beliebiges Spiel

4. Playing Research (next level)

Darauf zu achten, wie verschiedene Quellen in der Praxis der Forschung und deren Repräsentationen verwendet, wie sie für die Unterstützung und Erzeugung der eigenen Argumente eingesetzt werden, ist kein für die game studies exklusiv geltender Aufruf. In der Zusammenführung der Computerspiele als Forschungsgegenstand der Medienwissenschaft und Spielforschung zugleich ist es aber essentiell, die Instrumente der Forschung in der zuletzt vorgeführten Weise einer stets kritischen Prüfung zu unterziehen, da die symptomatische Fähigkeit zur Transformation der ‚Medienspiele‘ in beinahe beliebiger Art und Weise immer wieder neue Eigenschaften und damit neue Gegenstände erzeugen kann.

Aarseths Konzeption des ‚Playing Research‘ beachtet diese Voraussetzungen wenig beziehungsweise nicht ausreichend – das Konzept muss hier ergänzt und reformuliert werden. Die Frage, welche medialen Transfers und Transformationen in der Forschungs-praxis am Spiel eingesetzt werden, erscheint als wichtiger Teil der für die Medienwissen-schaft beispielsweise von Winkler geforderten Reflexionen in den jeweiligen Perspektivie-rungen. „Medienwissenschaft“, so hieß es bei Lorenz Engell, „kann sich anders als die

208 Der komplette ‚walkthrough‘ ist abrufbar unter:, URL

http://db.gamefaqs.com/console/gamecube/file/metroid_prime_e.txt (19.01.2012).

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anderen Disziplinen gar nicht erst vormachen, sie würde über ihre Objekte handeln, ohne gleichzeitig ihre eigenen Instrumente mit zu problematisieren“.209

a) Indikativ: Aarseths ‚Playing Research‘

Wie ist Aarseths Vorschlag einer Spielforschung als ‚playing research‘ zu ändern und zu ergänzen, damit dieser für ein tragfähiges Konzept einer Spielforschung innerhalb der Medienwissenschaft mehr ist als nur ein wertvoller Ausgangspunkt? Bevor diese Frage erörtert werden kann, soll der Beitrag dieses Modells, dessen Forderungen und Annahmen zunächst noch einmal in der gegebenen Form betrachtet werden.

Aarseth sagt zurecht, dass jegliche theoretische Annäherung an eine Spielästhetik eine

‚Methodologie von Spiel‘ impliziere, die falls nicht deklariert verdächtig werde.210 Darin rückt er den Zusammenhang – die Interaktion – zwischen spielendem Forscher und dem Gegenstand ‚Spiel‘ ins Blickfeld. Die geschilderten Abhängigkeiten spiegeln die Spielpraxis zu einem bemerkenswerten Grad in die Forschung. Dies betrifft die Quellen und vor allem die Wahl der Quellen, die Aarseth der ‚non-playing analysis‘ zuordnet.

Aarseth warnt in ‚Playing Research‘ vor einer voreiligen Applikation traditioneller Theoriemodelle ganz im Sinne der Grundsätze einer Ludology. Er respektiert jedoch auch die Ansprüche traditioneller Disziplinen an den ‚neuen‘ Gegenstand und votiert für eine, wie er sagt, „well-argued analysis that commands previous scholarship and breaks new analytical ground”.211 Er diagnostiziert eine verdächtige Abwesenheit behutsamer Suche nach geeigneter Methodologie, die wir von reflektierten ‚Fachleuten‘ in jedem Bereich zu erwarten hätten.212 Dies motiviert ihn zu seiner Proklamation des ‚playing research‘

Konzepts. Er glaubt zudem daran, dass nicht-theoretische, kritische Beobachtung dem Feld mehr beitragen könne als eine gelehrte aber ‚theoriezentrierte‘ Diskussion.213 All diese Punkte beinhalten entscheidende Richtungsweisungen für die game studies, denn in ihnen verbirgt sich insbesondere der Hinweis, dass oftmals zu wenig am Gegenstand selbst und vor allem mit ihm gearbeitet wird – mit allen Implikationen, die dies im bisher geschilderten Verständnis haben mag.

Anstatt aber das Spiel als ‚Medium des Denkens‘214 im weiteren Verlauf des Beitrags auf dieser sinnvollen Basis für die game studies weiter zu erschließen, verfolgt Aarseth danach deutlicher den Auf- und Ausbau einer Typologie, die berücksichtigen soll, wie der Forscher zum ‚spielenden Forscher‘ wird. Der Gedanke ist, dass sich der Forscher selbst in verschiedene ‚Spielstile‘ involviert, indem er grundsätzlich verschiedene Spielertypen nachahmt, um auf verschiedene Betrachtungsebenen Zugriff zu bekommen. Diese Imitation (von Objektivität) bleibt jedoch reine Simulation wahrer Spielpraxis. Es wird darin übersehen oder verschwiegen, in welch hohem Maße sich der Spielforscher selbst in

209 Engell: „Nach der Zeit“.

210 „Any theoretical approach to game aesthetics implies a methodology of play, which, if not declared, becomes suspect.“, aus: Aarseth: „Playing Research“, S. 1.

211 Ebd., S. 7.

212 „[...] cautious search for a methodology, which we should have reason to expect of reflective practitioners in any new field”, aus: ebd., S. 1.

213 „often non-theoretical, critical observations can contribute more to the field than a learned but theory-centered discussion“, aus: ebd., S. 7.

214 Was dies in unserem Kontext und in der Perspektive einer eigenen Tradition bedeutet, wird in Kapitel VI.2 noch einmal als Thema aufgegriffen.

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den nur vermeintlich ‚objektiven‘ Gegenstandsbezug einschreibt und ihn dadurch im Prozess verändert. Die Annahmen setzen eine jederzeit mögliche Kontrolle des Spielforschers über den Gegenstand voraus, ohne in Betracht zu ziehen, wie sehr der Weg des Forschers vom Gegenstand und den Methoden und Werkzeugen der Untersuchung selbst im beschriebenen Sinne diktiert wird.

Insgesamt fokussiert Aarseth konsequent auf den Spieler und dessen Beziehung zu den

‚reinen Spielformen‘ als Grundlage der Forschung. Diese Strategie wurde im Zusammen-hang mit meiner kurzen Einführung der Ludology schon als legitime methodologische Praxis der Reduktion besprochen. Dennoch müsste in einem als allgemein und übergeord-net gültig angelegten Methodenbeitrag im Konzept des ‚playing research‘ das Grundver-ständnis genau hier am deutlichsten einer Revision zugeführt werden.215

Betrachtet man Aarseths Beitrag zum ‚playing reseach‘ über die Einzelleistung hinaus im Kontext seiner Cybertext-Theorie, in der auch der zentrale Begriff der ‚ergodic literature‘

begründet wurde, so bleibt die Konsequenz enttäuschend, die er aus einem Anschluss an dieses, für die game studies nicht nur theoriegeschichtlich wichtigen Modells zieht. Es heißt in ‚Playing Research‘ im Rückgriff auf dieses Modell: „Like ergodic works216 in general, there are variations in the realization of the games which means that a collective pool of experience will always bring new aspects forward”.217 Hier entwickelt Aarseths Beitrag sein wahrhaft bahnbrechendes Potenzial für die game studies, wenn die Aussage, ein Pool an Erfahrungen bringe stets neue Aspekte hervor, auch auf die Theorieleistung einer Community bezogen wird. Diese kurze Anmerkung ist dementsprechend der Wichtigkeit von Winklers Beitrag für die Medienwissenschaft vergleichbar.218 Aarseth nutzt dieses Potenzial nicht, und die Möglichkeit bleibt ungenutzt, in völligem Einklang zu den eigenen Grundannahmen die Theorie zum Spiel als emergentes Phänomen einzustufen.219

b) Konjunktiv: Aarseths ‚Playing Research‘

Aarseths Ansatz wird im folgenden Kapitel mit der Frage, was ‚Playing Reseach‘ hätte sein können, vom Indikativ in den Konjunktiv gestellt. Demnach wird also ein Schritt vollzogen, der auf besondere Weise im Geiste des Spiels steht und zu einem ‚playing research‘ passend erscheint: Es wird nicht der zurückgelegte Weg eines anderen bis zum geglaubten Scheitern gegangen und dort beendet, sondern bisherige Erfahrung genutzt, um auf einem anderen möglichen Weg (dem eigenen) bessere Strategien für den Erfolg

215 Bemerkenswert in Aarseths Beitrag bleibt auch der Vorschlag, den Begriff ‚Computerspiel‘ (‚computer games‘) zu überdenken und gegebenenfalls aufzugeben. Anstatt dies jedoch symbolisch für die Öffnung der game studies in verschiedenste Richtungen zu setzen, schlägt Aarseth anhand des Begriffs ‚games in virtual environments‘ lediglich eine erweiterte Ortsbetrachtung vor, die auch nicht-elektronische Spiele einschließen kann. Durch Entscheidungen dieser Art nimmt er den eigenen Anspruch zurück, eine umsichtige und behutsame Suche nach geeigneter Methodologie verfolgen zu wollen.

216 Das ‚ergodische Werk‘ bzw. ‚ergodic work‘ können wir an dieser Stelle mit ‚Computerspiel‘ weitgehend verlustfrei ersetzen, was den Ausflug in die Theoriegeschichte der game studies allerdings nur aufschiebt. Eine ausführliche Diskussion dessen, was ‚ergodic work‘ oder ‚ergodic art‘ etc. bedeutet und bedeuten mag, schließt sich in Kapitel VII an.

217 Aarseth: „Playing Research“, S. 6.

218 Vgl. hierzu Kapitel I.2 ‚Über die Ausgangslage medienwissenschaftlicher Projekte‘.

219 Einen Grund dafür sehen wir sicherlich darin, dass Aarseth strikt die Existenz der ‚non-playing analysis‘

einfordert, in der der Spielforscher sich zum Beispiel auf die Spielerfahrungen anderer Spieler beruft und bezieht, also ausdrücklich nicht spielender Forscher zu sein scheint.

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einzusetzen – auch wenn der Blick auf das, was sich als Erfolg einstellen wird, gegebenen-falls subjektiv bleiben wird.

Mit dieser Entscheidung setzt die erste von insgesamt zwei expliziten

‚Umperspektivierungen‘ als Gedankenexperiment ein, die im Rahmen meiner eigenen Arbeit eine wichtige Rolle spielen. In beiden Fällen wird ein bestehender Theorieansatz eines anderen als fruchtbare Perspektivierung für die game studies wahrgenommen, die weitere Verfolgung dieser Perspektivierung durch den eigentlichen Urheber allerdings nicht vollkommen geteilt. Beide Fälle beziehen sich scheinbar zufällig auf Theoriebeiträge Aarseths, was zunächst nur auf die Wichtigkeit und Präsenz seiner Beiträge verweisen mag.

Bemerkenswert bleibt dabei jedoch, dass dieses Vorgehen eine von Aarseths eigenen Intention verfolgt und damit methodisch dann doch einer Fundierung Aarseths gefolgt wird, die die Kritik an seinem Konzept des ‚Playing Research‘ relativieren mag: Im Schlusswort seiner zentralen Arbeit zum Konzept des ‚Cybertexts‘ hatte er Jahre zuvor die fruchtbare Wandlung seiner eigenen Perspektivierungen durch andere in einem recht undogmatischen Forschungsverständnis als primäres Interesse formuliert. Es heißt im Schlusskapitel ‚Towards Theories of Ergodic Literature‘ im Zeichen der Theorien im Plural:

I have not suffixed this text with a standard self-paraphrasing summary because I want the various chapters to speak (and conclude) for themselves. To repeat and synthesize their points in a concluding, organic summary seems to impose a finality on them that I do not believe they have. Their goals, if they may be generalized at all, have been to get out from underneath a position even more than to reach one. This dystopia is of course the omnipresent influence of narrative, both as hegemonic theories of discourse and as a socially dominating aesthetic mode.

At the same time, like any revolutionary bricoleur, I employ the tools and weapons of the tyrant, with the usual risks of backfiring and of ending up as a mirror image of the previous regime.

As for the new terms, concepts, and models that I introduce, I can only hope they are useful enough to be rejected audibly (and offer some resistance in the process), rather than silently.

Any value they may have is probably going to be transitional and will recede as the discourse on (and of) „electronic writing“ continues to establish itself among the various „area studies“ of cultural critical theory. My extensive construction and use of neologisms, such as cybertext, ergodic, and intriguee is a sure sign of the tentative, rapidly changing phase we are going through at the moment. The idea of the new is always ambiguous, and if the use of these neologisms seems contradictory and self-defeating in a study that seeks to demonstrate the ideological forces behind similar neologisms (interactive fiction, hypertext, etc.), my only defense is that I try to make my concepts less dichotomic and more analytic than their alternatives.220

Wir entdecken in diesem ‚Schlusswort‘ viele Parallelen zum eigenen Programm, wie es hier aufgebaut wurde und wird: Schlussfolgerungen können nicht organisch aus einem Guss sein – Generalisierungen sind hochproblematisch – die stetige Gefahr, dass die ‚benutzten Waffen‘ zurückfeuern – Widerspruch und Widerstand fördert sinnvolle Prozesse in der Wissenschaftskultur – globale Ambiguität von Begriffen und Konzepten – und noch einiges mehr.

Für die meinerseits anvisierte Umperspektivierung wende ich mich zunächst Aarseths Annahmen über das ‚neue‘ Medium zu, die er noch deutlicher im Umfeld der Literaturwis-senschaften formulierte. Was wäre gewesen, wenn Aarseth den Voraussetzungen seines eigenen, ursprünglichen Modells aus der Literaturwissenschaft stärkere Beachtung geschenkt hätte?

220 Aarseth: Cybertext, S. 182.

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In den späten 1990er Jahren widmete sich Aarseth dem Verhältnis von Leser und Text im traditionellen literarischen Text in einer Passage seines Aufsatzes ‚Aporia and Epiphany in Doom and the Speaking Clock: The Temporality of Ergodic Art‘, der grundsätzlich auf seinem zwei Jahre zuvor (1997) erschienenen Cybertext-Modell aufbaut. In diesem Aufsatz erweitert Aarseth sein Konzept der ‚ergodic literature‘ erstmals in aller Deutlichkeit in Richtung Computerspiele. Er sagt dort, dass in den „non-ergodic works“ – so vereinfacht gesprochen die Bezeichnung für Medien im traditionellen, nicht-interaktiven Sinne – nur eine einzelne Erfahrung möglich ist, wenn man als Betrachtungsebene die Basis ihrer materiellen Zeichenproduktion veranschlagt („material sign production“). Er identifiziert dies mit ihrer ‚Narrativität‘, einer Eigenschaft, die eine, wie er sagt, „sequential, closed form“ markiert. Dies markiert wiederum in gewisser Weise den Ausgangspunkt der Ludology und die Differenz, die sie zwischen alten und neuen Medien für die eigenen Betrachtungen ansetzt. Aarseth fährt fort, indem er die radikalen Veränderungen beschreibt, die im Zusammenhang mit dem digitalen Texten entstehen:

Not so with the ergodic work of art, such as a hypertext novel, or a three-dimensional computer game. Here, the experienced sequence of signs does not emerge in a fixed, predetermined order decided by the instigator of the work, but is instead one actualization among many potential routes within what we may call the event space of semio-logical possibility. This event space is determined by the content and the infrastructure of the ergodic system, which means that, for every individual system, we have, to some degree, an individual medium, and not just an individual message. To complicate matters, in its potential for reproducing itself differently every time, the ergodic work is individualized or quasi-individualized on the audience level, in that different audiences at different times may have experienced very few (if any) of the same sign vehicles.

This raises an ontological question: Can we then still talk about the same work?221

Die ‚ontologische Frage‘ in Bezug auf Spiel und Medium zu stellen, ist im Sinne meiner Argumentation immer schon fragwürdig. Will man die von Aarseth in dieser Weise formulierte ontologische Frage dennoch beantworten, so muss die Antwort lauten: Ja, wir können nicht mehr über das gleiche Werk sprechen. Auch eine andere lässt sich beantworten: „Does the theory tell us something new about games, or is it discussed merely to be self-confirmed?”222 – ja, sie kann uns etwas Neues sagen, aber nur wenn die Theorie nicht im Sinne einer Selbstbestätigung scheindiskutiert wird.223

Durch das Cybertext-Modell brachte Aarseth die Materialität des Mediums wirksam und sinnvoll in die Diskussion um Computerspiele ein.224 Seine Behauptung war, es läge für jedes individuelle System auch ein jeweils individuelles Werk, wenn nicht gar ein individuelles Medium vor. Unterschiedliches Publikum – und dies schließt eben auch die spielenden Forscher mit ein – erfährt zu unterschiedlichen Zeitpunkten sehr wenige (wenn überhaupt) derselben Zeichenträger; „at different times may have experienced very few (if any) of the same sign vehicles”, wie es heißt.225 Dies entzieht ontologischen Fragestellungen die Basis und macht die Folgen der darin liegenden ontologischen ‚Krise‘ aufschlussreicher.

221 Aarseth: „Aporia and Epiphany”, S. 32

222 Ebd., S. 7.

223 Wir erinnern uns hier an Isers Beobachtung zur Theoriepraxis der Literaturwissenschaft in den 1980er Jahren, vgl. die Kapitel I.2 ‚Über die Ausgangslage medienwissenschaftlicher Projekte‘ und IV.1

‚Heuristischer Möglichkeitsraum‘.

224 Negative und positive Effekte daraus werden in Kapitel VII eingehend untersucht.

225 Aarseth: „Aporia and Epiphany“, S. 7.

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Über Einzelbetrachtungen der jeweiligen Beiträge hinaus kennzeichnet Aarseths gesamtes Modell eine Unentschiedenheit der Annahmen und Perspektiven: Auf der einen Seite steht die Materialität des Mediums, dominant in seinem Cybertext-Modell vertreten, und damit auch ein gewisses Interesse an ontologischen Festschreibungen und Bestimmungen. Auf der anderen Seite steht die Rhetorik der Unbestimmtheit und Ambiguität auf Seiten des Spiels und auch die Unbestimmtheit jeglichen anthropologisch ausgerichteten Medientheo-riemodells, das in Aarseths Arbeit ebenfalls beansprucht wird. Erkennbar werden typische Probleme der Medientheorie: Während einige Positionen und Perspektivierungen präzise Definitionen entwickeln – beispielsweise auf Basis der Medienmaterialität –, plagen sich andere mit der Unbestimmtheit und Unbestimmbarkeit, bevorzugen es von ‚Medialität‘ zu sprechen, weil sie das Medium nicht erkennen, oder eben nur über die Formen, die es hervorbringt und so weiter und so fort, demnach einer ‚negativen Medientheorie‘ folgen, wie sie Dieter Merschs grundlegend erfasste.226

c) Vielfalt und Inkonsistenzbedingungen

Die in den letzten Kapiteln dargelegten Probleme sind symptomatisch für die Forschung am und mit dem Medium und Spiel. Die grundlegenden Lösungsvorschläge formulieren dabei eher Orientierungen. Handlungsvorschlag ist, das Spiel mitzuspielen und die Konsequenzen radikal auszutragen, die der Gegenstand auch seiner Forschung einschreibt.

Forschung zu spielen (to play research) bedeutet zu akzeptieren, dass das Material, der Gegenstand durch die Form seiner medialen Disposition einen beachtlichen Teil der Forschung bereits vorweg produziert hat, bevor ein Forscher überhaupt auf die Idee gekommen ist, sich mit diesem Gegenstand auseinanderzusetzen.

Um ‚playing research‘ als sinnvolles und produktives Forschungskonzept zu verankern, hat man die Diversität und Heterogenität (sogar im Werk eines einzelnen Autors) zu akzeptieren. Die Widersprüche in Aarseths Werk sind demnach nur bedingt Gegenstand von Kritik. Jeder einzelne kann auch in Bezug auf sein eigenes Werk ‚kontrainduktiv‘

vorgehen. Die sogenannte ‚Konsistenzbedingung‘, gegen die sich Paul Feyerabend in den Naturwissenschaften und der Wissenschaftsphilosophie immer gewehrt hatte, ist kritisch für den Fortschritt zu betrachten und lähmt den Geist bisweilen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine in sich geschlossene Betrachtung etwa inkonsistent sein dürfe. Dies wäre eine Fehlinterpretation. Es muss stets klar sein, dass Konsistenz in Argumentationen selbst den inneren Zusammenhang eines in sich geschlossenen Beitrags definiert. Sie bindet einen Autor jedoch nicht daran, stets den Anschluss an das zu garantieren, was zuvor gesagt und geschrieben wurde. Im Sinne Feyerabends würde die Konsistenzbedingung auch im Werk eines Einzelnen den Fortschritt behindern.

Die größte Herausforderung, die die game studies disziplinär demnach zu bewältigen haben, ist eine konstruktive, operative Vermittlung verschiedenster Ansätze, Zugänge und Perspektivierungen – nicht die explizite Erzeugung von Einheit, die der Ernte gerade in der ersten Saison (und in dieser befinden sich die jungen game studies nach wie vor) empfindli-che Ertragseinbußen einhandeln würde. Es geht um Mediation und ganz entschieden gegen

226 Hier sei beispielsweise auf Dieter Merschs Beitrag „Tertium Datur (Einführung in eine negative

Medientheorie)“ zur bereits in Fußnote 19 im Zusammenhang mit Hartmut Winkler erwähnten Tagung Was ist ein Medium? 2005 verwiesen, abrufbar unter URL: http://www.formatlabor.net/Mediendiskurs/

(19.01.2012). Zu Merschs Position vgl. auch Kapitel VI.

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eine ‚Vernichtung der Vielfalt‘, um den Titel einer Aufsatzsammlung von Feyerabend anklingen zu lassen.227

‚Intermedialität‘ kann ein zentrales, fast schöpferisches Konzept sein, das die game studies aus den Medienwissenschaften auch für die Suche nach geeigneten Methoden gewinnen können. Die medialen Transformationen, die für die Betrachtungen insbesondere dieses Kapitels wichtig waren, erschließen die Frage nach Intermedialität in diesem Bereich als Frage nach den Mitteln, mit denen wir bestimmte Eigenschaften und Formen des neuen Mediums zum Erscheinen bringen. Bedeutend ist, dass es sich dabei um Eigenschaften und Formen handelt, die nicht von vornherein bestimmt sind, außer vielleicht im Medium selbst, das sich immer wieder in der Forschungspraxis genauso bemerkbar macht, wie es sich dem Blick entzieht. Intermediale Transformationen werten wir als wertvolle Indikatoren für die Eigenschaften von Computerspielen, die eben oft nur in diesen sichtbar und erkennbar werden, auch und gerade wenn diese Transformationen aus Betrachtungen heraus entstehen, die den Gegenstand explizit in seiner Komplexität reduzieren und ihn eben perspektivieren – auch durch die bewusste Wahl einer spezifischen Repräsentation im Sinne meiner Werkzeuguntersuchung, des ‚Spielzeugs‘ in diesem Kapitel.

Die Repräsentation kann ein Film im zuvor beschriebenen Sinne als ‚Abfilmen‘ eines Spiels sein. Sie kann aber auf einer übergeordneten, von spezifischen Computerspieltiteln unabhängigen Ebene auch ein Spielfilm wie Cronenbergs ‚eXistenZ‘ (Cronenberg 1999) sein, in dem immer wieder Eigenschaften von Computerspielen in den strukturell linearen Teilen der filmischen Erzählung zum Erscheinen gebracht werden und genau in diesem Kontext besonders auffallen. Die Übertragung der Funktionsweisen eines Spiels in den statischen ‚Text‘ eines Films ist notwendigerweise eine Komplexitätsreduktion vom Spiel

Die Repräsentation kann ein Film im zuvor beschriebenen Sinne als ‚Abfilmen‘ eines Spiels sein. Sie kann aber auf einer übergeordneten, von spezifischen Computerspieltiteln unabhängigen Ebene auch ein Spielfilm wie Cronenbergs ‚eXistenZ‘ (Cronenberg 1999) sein, in dem immer wieder Eigenschaften von Computerspielen in den strukturell linearen Teilen der filmischen Erzählung zum Erscheinen gebracht werden und genau in diesem Kontext besonders auffallen. Die Übertragung der Funktionsweisen eines Spiels in den statischen ‚Text‘ eines Films ist notwendigerweise eine Komplexitätsreduktion vom Spiel