Konzept und Durchführung des Studierendensurveys
2 Studienentscheidung, Fachwahl und Studienmotive
2.2 Motive der Fachwahl
Von besonderem Interesse ist die Frage, warum sich Studierende für ein bestimmtes Studienfach entscheiden. Hier können einerseits die ideellen Motive wie das Fachinte-resse oder die eigene Begabung, andererseits die materiellen Motive von Einkommen oder Arbeitsplatzsicherheit eine Rolle spielen. Außerdem können die späteren berufli-chen Möglichkeiten oder ein fester Berufswunsch die Fachwahl bestimmen.
Fachinteresse als Hauptgrund für Studienwahl
Als Hauptgrund für die Wahl ihres Faches geben die Studierenden an, dass sie an die-sem Fach besonders interessiert sind. Für 74% an Universitäten und 72% an Fachhoch-schulen war das spezielle Fachinteresse besonders wichtig bei der Entscheidung für ihre Studienrichtung. Auf Platz zwei der Fachwahlmotive rangiert für die
Studieren-den an Fachhochschulen die Möglichkeit der beruflichen Entfaltung (für 60%). Erst danach kommt für sie die eigene Begabung (vgl. Abbildung 7).
Abbildung 7
Fachwahlmotive an Universitäten und Fachhochschulen (WS 2012/13)
(Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig; Angaben in Prozent für Kategorien: 5-6 = sehr wichtig)
7274
Universitäten
5960
spezielles Fachinteresse eigene Begabung, Fähigkeiten
gute Aussichten auf sicheren Arbeitsplatz
Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten
fester Berufswunsch
Einkommenschancen im späteren Beruf
gute Aussichten, später in Führungsposition zu kommen
48 66
43 54 2934 2837 16 30
Fachhochschulen Quelle: Studierendensurvey 1983 - 2013, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.
Für die Studierenden an Universitäten sind die persönlichen Fähigkeiten wichtiger als die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten, womit sie auf die berufliche Vielfalt weit weniger Wert legen als ihre Kommilitonen an Fachhochschulen. Auf dem vierten Platz steht für die Studierenden beider Hochschularten die Aussicht auf einen siche-ren Arbeitsplatz. Allerdings war dies nur für 43% der Studiesiche-renden an Universitäten sehr wichtig, für Studierende an Fachhochschulen immerhin für 54%. Danach folgen der feste Berufswunsch und die Einkommensaussichten im späteren Beruf sowie die Aussicht, später eine Führungsposition zu erreichen.
Die Möglichkeit, später in eine Führungsposition zu kommen, ist für viele Studie-rende an Universitäten und Fachhochschulen weniger bedeutend. An den
Fachhoch-STUDIENENTSCHEIDUNG, FACHWAHL UND STUDIENMOTIVE 89
schulen geben 30% der Studierenden an, dass die Chance, durch das Studium später eine Leitungsfunktion zu erlangen, für sie sehr wichtig sei. An den Universitäten sind es nur 16% der Studierenden, für die die Karriereperspektive eine sehr wichtige Rolle spielt.
Steigende Wichtigkeit von Einkommen und Arbeitsplatzsicherheit
Im Laufe der vergangenen Jahre hat das Motiv des Fachinteresses für die Fachwahl nicht an Bedeutung verloren, es hat sich sogar leicht verstärkt. Drei Motive sind deut-lich stärker angewachsen. Zum einen ist den Studierenden das sichere Einkommen erstrebenswerter geworden, mit einer Zunahme um acht Prozentpunkte an Universi-täten und sogar um elf Prozentpunkte an den Fachhochschulen (zwischen 2001 und 2013). Ebenso spielt die eigene Begabung eine zunehmend größere Rolle für die Ent-scheidung für ein bestimmtes Studienfach.
Vor allem das defensive Motiv der Arbeitsplatzsicherheit hat als Kriterium für die Fachwahl zwischen 2001 und 2013 stark zugenommen: an den Fachhochschulen von 35% auf 54% (sehr wichtig) ebenso wie an den Universitäten von 24% auf 43% (sehr wichtig). Darin drückt sich eine erhebliche Zunahme an Verunsicherung unter den Studierenden im Hinblick auf die Zukunft aus. Es liegt nahe, dass dann Arbeitsmarkt-daten viel wichtiger genommen werden und „Employability“ als Studienziel eine hö-here Wertschätzung erfährt (vgl. Tabelle 9).
Grundsätzlich hohe Bedeutung der Fachwahlmotive
Insgesamt sind alle erfassten Fachwahlmotive von großer, im Laufe der Jahre meist wachsender Bedeutung für die Studierenden. Daran wird deutlich, dass intrinsisch-ideelle Motive und extrinsisch-materielle Motive von den Studierenden weniger als Gegensatz angesehen werden, sondern für sie öfters durchaus miteinander vereinbar sind und sich ergänzen können.
Allerdings lassen sich Unterschiede in Bezug auf die Hochschularten feststellen.
Während den Studierenden das Fachinteresse und ihre eigene Begabung an Universi-täten wie an Fachhochschulen beinahe gleich wichtig sind, haben andere Fachwahl-motive für Studierende an den eher anwendungsorientierten Fachhochschulen eine größere Bedeutung. Insbesondere die erwartete Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten mit einem Hochschulabschluss hat dort deutlich mehr Gewicht, ebenso die Aussicht
auf einen sicheren Arbeitsplatz. Und fast doppelt so viele Studierende an Fachhoch-schulen wie an Universitäten haben sich in ihrem Studienfach eingeschrieben, da für sie die Aussicht, später in eine Führungsposition zu kommen, sehr wichtig ist. Für sie stellt somit das Studium eher eine Möglichkeit des sozialen Aufstiegs dar.
Tabelle 9
Motive der Studienfachwahl an Universitäten und Fachhochschulen
(Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig; Angaben in Prozent für Kategorien 5-6 = sehr wichtig) (2001 - 2013) Universitäten
Quelle: Studierendensurvey 1983 - 2013, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.
Studentinnen legen etwas mehr Wert auf Interesse und Begabung
Bei ihrer Entscheidung für ein Studienfach lassen sich Studentinnen eher von Fachin-teresse und eigener Begabung leiten als Studenten. Auch der feste Berufswunsch spielt für sie eine etwas größere Rolle bei der Entscheidung für ihr Studienfach. Studentin-nen lassen sich demnach eher von ideellen Motiven bei der Fachwahl leiten.
Dagegen legen Studenten etwas mehr Gewicht auf materielle Kriterien wie Ein-kommenschancen. Einen sicheren Arbeitsplatz zu erhalten spielt für 51% der Studen-ten eine große Rolle, aber nur für 42% der Studentinnen. Und die Aussicht, später in eine Führungsposition zu gelangen, war für 24% der Studenten bei der Studienent-scheidung sehr wichtig, im Vergleich zu 16% der Studentinnen.
STUDIENENTSCHEIDUNG, FACHWAHL UND STUDIENMOTIVE 91
Unterschiedliche Fachwahlmotive in den Fächergruppen
Von Studierenden aller Fächergruppen wird das spezielle Fachinteresse als Haupt-grund für die Studienentscheidung angegeben. Auch die eigene Begabung spielt durchweg eine wichtige Rolle für die Wahl des Studienfachs.
Die anderen Fachwahlmotive variieren durchaus. Für die Studierenden der Rechts- und der Wirtschaftswissenschaften sind die Einkommenschancen für die Wahl des Studienfaches besonders wichtig gewesen. Angehende Mediziner hatten dafür den festen Berufswunsch im Blick: 57% geben an, dass dies bei ihrer Entschei-dung sehr wichtig war (vgl. Tabelle 10).
Tabelle 10
Motive der Fachwahl nach Fächergruppen (WS 2012/13)
(Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig; Angaben in Prozent für Kategorien: 5-6 = sehr wichtig)
Universitäten Fachhochschulen
Motive der Kult. Soz. Rechts- Wirt.- Medi- Nat.- Ing.- Soz. Wirt.- Ing.- Fachwahl wiss. wiss. wiss. wiss. zin wiss. wiss. wiss. wiss. wiss.
Fachinteresse 84 71 57 59 84 83 63 76 62 69
eigene Begabung 74 58 52 43 55 64 54 74 49 53
berufliche Vielfalt 29 42 67 68 62 40 56 77 70 61
fester Berufswunsch 28 28 37 24 57 23 21 44 23 34
sicherer Arbeitsplatz 25 29 42 58 63 44 59 41 55 68
Einkommenschancen 14 17 53 55 24 27 37 13 53 43
Führungsposition 6 8 30 45 13 12 22 18 45 29
Quelle: Studierendensurvey 1983 - 2013, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.
Die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten spielt für die Studierenden der Wirt-schafts- (68%) und Rechtswissenschaften (67%) sowie der Medizin (62%) eine sehr wichtige Rolle für ihre Studienentscheidung. Noch etwas wichtiger war für die ange-henden Mediziner jedoch die Arbeitsplatzsicherheit. Doch auch für die Studierenden der Ingenieur- (59% an Universitäten und 68% an Fachhochschulen) und der Wirt-schaftswissenschaften (58% an Universitäten und 55% an Fachhochschulen) spielte der sichere Arbeitsplatz eine sehr wichtige Rolle. Deutliche Unterschiede finden sich ebenfalls bei der Wichtigkeit, später in eine Führungsposition zu gelangen. 45% der angehenden Wirtschaftswissenschaftler an Universitäten und Fachhochschulen geben an, dass ihnen diese Aussicht für die Wahl des Studienfachs besonders wichtig war. Bei den Juristen sind es immerhin noch 30%, die diese Möglichkeit vor Augen haben.
In den Fachrichtungen sind einzelne Differenzen nach dem Geschlecht bei den Fachwahlmotiven erkennbar. In der Medizin und in den Naturwissenschaften ist die eigene Begabung den Studentinnen deutlich wichtiger als den Studenten. In den Sozi-al- und Wirtschaftswissenschaften sowie der Medizin haben Studentinnen weit häufi-ger einen festen Berufswunsch. Allerdings schätzen Studentinnen der Medizin die Vielfalt der beruflichen Möglichkeiten weniger als Studenten. Andererseits erhoffen sich Studenten der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften deutlich häufiger, durch ihr Fachstudium in eine Führungsposition zu kommen (vgl. Abbildung 8).
Abbildung 8
Fächergruppen: unterschiedliche Fachwahlmotive nach dem Geschlecht (WS 2012/13)
(Skala von 0 = unwichtig bis 6 = sehr wichtig; Angaben in Prozent für Kategorien: 5-6 = sehr wichtig; nur Differenzen ≥ 10) eigene Begabung, Fähigkeiten 48
Medizin 58
Naturwissenschaften 69
fester Berufswunsch 59
Sozialwissenschaften 19
31
Wirtschaftswissenschaften 16 30
Medizin 47
61
berufliche Möglichkeiten
29 45
Sozialwissenschaften
Medizin 72
59
gute Aufstiegsmöglichkeiten
23 47
Rechtswissenschaften
Wirtschaftswissenschaften 52
39
Studenten Studentinnen Quelle: Studierendensurvey 1983 - 2013, AG Hochschulforschung, Universität Konstanz.