• Keine Ergebnisse gefunden

I I . Ueber Umfang und Bedeutung des Unterrichtes in der Muttersprache,

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 197-200)

na-mentlich in Beziehung auf den

Elemen-tarunterricht.

- (Schluß.) Allein der deutsche Unterricht hat nicht bloß den Zweck, andere Lehrfächer vorzubereiten, er hat auch einen Selbst»

zweck. Der Schüler soll des Deutschen soweit mächtig werden, daß er nicht allein das in dcr Schule Gelesene und Gehörte nach seiner lerikalischen und grammatischen Seite versteht, er soll das Deutsche auch selbst gebrauchen leruen, und da tritt ein wesentlicher Moment hinzu, 5 ) die (3orrectheit des Deutschsprechcns. Auch hier können es sich die Wenigsten ohne bestimmte Erfahrung denken, aus welchem Wust und Schlamme dcr Nohheit der deutsche Lcbrer seine Schüler in V . herauszuarbeiten hat. Davon erfahren nicht einmal die übrigen Lehrer dieser Classe so viel (obgleich auch schon immer genug), denn ihnen brin-gen die Schüler mehr, nur immer das vor, was sie- schon in richtiger Form gehört und gelesen haben, während der deutsche Lehrer, um ihre Selbsttätigkeit anzuregen, sie ge-flissentlich auch über Dinge zu reden veranlassen muh, wo nichts dergleichen Normatives vorhergeht. Davon können auch Privatlebrcr und Lehrer von Prwatschulen keine so bestimmte Erfahrung haben, da sie in der Regel nur mit Kindern aus besseren Familien zu thun haben. W i r deut-schen Lehrer der öffentlichen Schulen bekommen unsre Schüler aber mebr aus dem niederen Gewcrbsstande, zum Theil Kinder von sogenannten Halbdeutschen oder von Russen, Schüler, die gewöhnlich keine andere Vorbereitung gehabt haben, als die unserer Elementar- d. b. dem gegenwärtigen Zustande nach Volksschulen oder doch nicht viel höher ste-hender Schulen. Wie abscheulich ist da gleich zuerst die Aussprache; e ä ö, i und ü , ai ei und eu, ebenso die weichen und die harten Consouanten werden, beständig verwechselt, weil die Kinder cs von ihren Eltern, ja auch wohl von ihren Lehrern nie anders gehört haben., N u n gar die eigentlichen S V r a c h f e h l er, die Unzahl von falschen Formbildungen, von fehlerhaften Ncctioncn, von niedrigen oder Provinziellen Ausdrücken. Wenn ich das seine Ohr meiner H H . Zuhörer beleidigen darf, so will ich für die-jenigen, die keine eigene Erfahrung von dcr Sache haben, ein Pröbchen von dem Deutsch geben, welches in V . unter den Schülern selbst (zum Theil als eine Art vertraulicher Umgangssprache) nicht selten gangbar ist. »Mein Vater, so ungefähr lautete die Erzählung eines Schülers, mein Vater hatte vor mir an die letzte Weihnacht eine kleine Peilchcn gcfchonken, äderst ich haute mich nachen Vaar Dage in Verstehen ein rackrichten Loch darten im Spitz von die Sticbel; da hätt' er ihn von mich wechgcnommen und schmeißte ihm weiß der Sch— wohin!" Alle in V. sprechen nun zwar nicht so klassisches Kaudcrwälsch,,aber doch nicht wenige, sicher über die Hälfte. Nicht wahr? diesen armen Jungen zu einem richtigen, ich möchte sagen menschlichen Deutsch zu verhelfen, ist des deutschen Lehrers dringende Pflicht, ja er muß es wiederum auch ebenso sehr um der übrigen Fächer willen chun, denn die also sprechenden

327

Schüler versteh» die richtig sprechenden Lehrer eben des-halb nicht gut, weil diese richtig sprechen. Es soll aber auf einer Gelehrtenschule das richtige Deutsch den Schülern nicht bloß mechanisch eingebaut werden, sie sollen in den sicheren Besitz der Correctheit soviel möglich zugleich mit dem B e w u ß t s e i n der G r ü n d e kommen, warum man gerade die Formen bilden, die Casus und Modi fügen, d i e Ausdrücke wählen müsse. O hätten diejenigen, welche eine so geringe Vorstellung von der Mühe des deutschen Lehrers in den unteren Claffcn haben, doch nur ein Se-mester lang mit dieser Augiasstallreinigung zu thun, sie würden sicherlich zu einer anderen, besseren Einsicht kommen.

Wir haben bisher nur vom corrccten Deutschsprcchen geredet, es ist aber noch ein auch nicht Geringes, 4) das correcte oder orthographische Deutsch fch r e i b e n übrig.

Hier dieselbe Noth durch unvollkommen ausgebildetes Ge-hör, durch gedankenlosen Gebrauch der Formen und Wörter, ohne sich ihres Ursprunges und ihrer Abstammung bewußt zu sein; hier dieselbe Notwendigkeit, nicht bloß mechanisch abzurichten, sondern den richtigen Schreibgebrauch soviel möglich auf theoretisches Bewußtsein, auf Gründe, nament-lich auf jenes Ursprungsgesetz zu basiren. Und sollte man etwa, um diese Mühe und Zeit zu sparen, bei der Auf-nahme in die Schule uuerbittlich streng alle diejenigen zu-rückweisen, die nicht schon ziemlich orthographisch zu schrei-ben versteh«, nun da würden sie vielleicht außer der Schule ihre orthographischen Abrichter finden, wenn anders diese selbst ganz fest sind in der Orthographie, aber immer müßte doch noch dcr deuische Lehrer dcr V. diesen Abschnitt der Grammatik mit den Schülern selbst durchgchn, durchgehn gemäß dem Ziel und Wesen einer Gelehrtenschule und ge-mäß dcr wissenschaftlichen Begründung, welche die deutsche Orthographie der neueren deutschen Sprachforschung in ei«

nem großen Theile zu verdanken hat,, durchgehn schon allein deshalb, um die Schüler in Beziehung auf die orthogra-phischen Schwankungen auf eine gleiche Grundlage zu stel-len. Was soll ich nun noch von der gewöhnlich sonder-barer Weise zur Orthographie hinzugerechneten Interplmk-tionslehre sagen? Auch diese thut Noth, aber sie seht eben schon irgend einen Cursus der Satzlehre voraus, und da vermag der gewöhnliche Elementarprivatunterricht nun gar nicht recht auszuhelfen, indem die Eltern natürlich den bil, ligsten Unterricht suchen und so an Lehrer gerathen, die eben nur deutsch zu sprechen versteh«, aber gerade keine Helden in der Satzlehre sind.

So haben wir also schon vier wesentlich verschiedene Theile des deutschen Sprachunterrichtes für V., den lm'kali-schen, den analptisch,grammatifchen, den correctionell-gram-matischen und den corrcctionell-orthographischcn Theil. Aber noch nicht sind damit die Forderungen, die man an die Lei-stungen des deutschen Unterrichtes in V. stellt und stellen kann, etwa schon erschöpft- Es gibt noch eine wesentliche Seite der Iugendbildung, die der deutsche Unterricht in V.

allein zu vertreten hat, ich meine 3) die ästhetische B i l -d u n g , un-d -das Mittel, wo-durch er es vertritt: -d i e L e e t ü r e . Diese, unter Leitung des Lehrers vorgenonunen, bittet, was kein anderer Unterricht in dieser Classe, Gedanken nicht allein, eine Mannigfaltigkeit von Gedanken nicht, allein, wie kein andres Fach, nicht die Religion, nicht die Geschichte oder die Naturbeschreibung, geschweige das Rechnen sie zu bieten vermag, fondern diesen mannigfaltigen Stoff der G edan«

ken auch schon i n e i n e r e d l e n F o r m . Welcher Lehrer könnte sich dessen rühmen, daß er alle Mitteilungen an die Schüler in so edler Form, in so gewählten Ausdrücken, m so besonnenem Maßhalten vor dieselben brächte? Jeden - Augenblick muß er seinen Unterricht unterbrechen, von einem harmonisch gegliederten Ganzen stellt sich dem Schüler nir-gends etwas dar. Der deutsche Lehrer allein kann ihm derglei-chen m einem zweckmäßigen Lesebuche vorführen, er kann da-durch seinen Sinn für dasSchönestufcnmäßig in der Weise her

323 Auffassung, der Neproduction und endlich dcr eigenen Pro-duction wecken. Erstlich die A u f f a s s u u g . Hier handelt es sich nicht mehr um das bloße Vcrständm'ß dcr Wörter und Redensarten, welches ein anderer Theil des deutschen Unterrichtes, der lerikalische vorbereitet, der Schüler wird zum ästhetischen Verständniß des Kunstwerkes der Rede im Ganzen angeleitet, sei es auch noch so klein und zur Fas-Mgskraft des Kindes sich herablassend, wie etwa eine Fabel.

Am besten wirkt auf dieses Verständniß ein kurzes Durch' sprechen des Inhaltes des im Lesebuche Vorliegenden woran sich em Vorlesen des Stuckes von Seiten des Lehrers schließt. Zu dieser ersten Tätigkeit des Aussassens tritt aber gleich die zweite, die des N e v r o d u c i r e n ö . Das erste Rcproduciren des Schülers besteht im ausdruclvollcn Vor-lesen des Stückes, durch welches er zeige?, muß, daß er in den Inhalt desselben eingedrungen ist. M i t wclchcn Schwie-rigkeiten hat aber hier der deutsche Lehrer zu kämpfen. Ge-setzt auch, es ,el ihm gelungen, den rohen Haufen der Schülerin etwas die geistige Schönheit des Lesestückcs ahnen

°u l " ^ " ' so haben sie doch aus dem ersten Unterricht qe-wohnllch cmc so abscheuliche Art des Lesens mitgebracht, daß >ch wünschte, sie verstünden das Lesen lieber noch aar nicht. Nicht allein die das feine Ohr aufs gröbste belHi-gendc Ausbräche (davon habe ich schon gesprochen), son-dern auch das emtömge Lesen, wo alle Sätze oder bei

^ ^ 5 n ! ^ ^ ^ Verszeilen nach einem regelmäßig wie.

verkehrenden, dem Gettapper einer Mühle ähnlichen Ton-falle gelesen werden. Aber nicht das Gutlcscn ist das ein-zige Reproduciren, das zweite noch wichtigere ist das freie mündliche oder »christliche Wiedergeben des Gelesenen. Auch hier, welche S c h w i m M t e n ! Von dem Grobcorrcctioncllen das dem Lehrer hier in Rede und Schrift beständig in den Weg ttttt, wlll ,ch noch gar nicht einmal reden, dergleichen muß der Lehrer bei diesen Uebungen bei Seite lassen, wo es sich darum handelt den Schüler im raschen zusammen, Hangenden Flusse des Redens und Schreibens zu üben; er muß dem Schüler Gelegenheit geben, in einem Zuqe swie er's nun kann, gut oder schlecht) zu reden, und der Feind, den er hier zu bekämpfen hat, ist nicht die Unrichtigkeit des Sprechens und Schreibens, sondern das Stocken desselben, weil der bewegende Gedanke selbst m seiner Bewegung stockt; was er zu üben hat, ist gleichsam das Laufen des Gedankens, gleichviel wie cr fürs erste die Füße setzt, wenn er nur vorwärts kommt. Ich habe damit zugleich ange-deutet, wie falsch die Methode ist, die in Einer deutschen Unterrichtsstunde ganz verschiedene und zum Theil einander entgegentretende Rücksichten verbinden will, wie z. V . hier die ins Einzelc gehende eorrectionclle Uebung und die aufs Ganze, auf rasche Auffassung und Wiedergabe gehende Uebung an dcrLectüre, Dinge, die sich so einander gegen-überstehen, wie synthetisch und analytisch. Doch man darf die armen deutschen Lehrer nicht so hart ank^gcn, wenn sie mit Verbindung der entgegengesetztesten Dinge ,;u Einer Lchrstundc so arge logische und pädagogische Sünden trei-ben, man zwingt sie fa selbst dazu dadurch, daß man von il'ncn so verschiedenerlei fordert und zu den Leistungen doch so wenig Zeit einräumt. D a geschieht es denn, daß an einem und demselben Lesestücke die Keuutniß des Wortschatzes etymologisch erweitert, die allen Grammatiken gemeinsamen und dem Deutschen eigenthümlichen Grundbegriffe erläutert, die Warnung vor Sprach» und Schreibfehlern angeknüpft, und nachdem so spmnenartig dem hin- und hcrgedrehten Stoffe aller Saft ausgesogen worden ist, an dem Skelett noch die Jugend fürs Schöne begeistert werden soll. Diese Methode, weit entfernt, den Schüler durch ihr buntes Aller-lei zu ergötzen, verwirrt ihn nur aufs äußerste; weil von keinem System getragen, merkt cr auch nirgends einen Fortschritt, eine in Aussicht stehende Sicherheit des Wissens, er sieht vor sich nur ein unendliches Chaos von Zufällig, leiten, in das ihn der Lehrer immer wieder von neuem,

3 2 9

wie der Knabe den «asscn Pudel ins Wasser, hineintreibt, und das Resultat ist — ein entsetzliches Gähnen. — Doch wir haben nur erst zwei Thätigkeiten des Schülers betrach-tet, die in der Stunde für Lcctürc vom Lehrer angeregt und entwickelt werden sollen: die aufnehmende und die re-producirende; letztere führt uns in leisen Übergängen zu der ebenso wichtigen eigenen P r o d u c t i o n des Schü-lers. Nachdem er sich nämlich mit einem Stoffe nach sei-nem geistigen und ästhetischen Gehalte vollkommen vertraut gemacht hat, leitet man ihn auch allmählich zum Seldst-schaffen über; dieses wird in V. ein ganz freies natürlich noch nicht sein können, sondern immer noch gebunden durch die Analogie des Aufgenommenen, alxr in dieser Analogie selbst ist ja schon ein Fortschritt ;u größerer Freiheit ersichtlich, der Uebergang von der Mimesis zur Antithcsis, vom Sei-tenstück zum Gegenstück. Dieser Anfang der freien Schl-übungen muß sich in V. nothwcndig an die Lccmre und deren Nachahmung schließen, und Sie schcn darcuis, welch' ein reicher Stoff den Thcil des deutschen Unterrichtes aus-macht, den ich mit dem Namen Lectüre bezeichnet habe.

Jetzt, meinen S i e , wäre es denn aber doch zu Ende mit dem, was der deutsche Lehrer zu leisten vermag, und was man von ihm in V. fordert. Noch nicht. Noch sind mänlich 6) die D e n k ü b u n g e n übrig. Den Eintritt derselben in den niederen Schulkrcis haben wir Pestalozzi zu verdan-ken, sie sind auf der untersten Stufe wesentlich Anschauungs-übungen. D a weist der Lehrer auf irgend einen gegenwärtigen Gegenstand, und nun muß beschrieben, verglichen, unter«

schieden, classisicirt werden. Allerdings schärft das die Sinne, das Aufmerken, die Beobachtungsgabe, die Beweg-lichkeit und Umsicht des Geistes. Aber das ist nicht gerade Sache des deutschen Lehrers allein, in jedem Fache, in der Geographie, der Naturbeschreibung, der Mathematik muß, ja selbst in der Geschichte und der Religion kann von der Anschauung des Sinnlichen, Gegenwärtigen ausgegangen werden. Einen solchen c i g e n t h ü m l i c h e n Stoff für die Anschauungslehre hat nun aber auch das deutsche Unter-richtsfach innerhalb der Granzen seines spccifischcn Seins.

Es ist das Beobachten des eigenthümlichen sinnlichen We-sens und der Entstehung der Sprache überhaupt und der deutschen Sprache insbesondere. Diesen wichtigen Stoff hat man so lange ganz übersehn, als der deutsche Sprachunterricht der verachtetste, als überflüssig gleichsam nur in einem Winkel der Schule geduldete, daher auch immer nur den unbedeutendsten Lehrern anvertraute war, Lehrern, die von Uebersicht des Ganzen des deutschen Sprachunterrichtes keine Idee hatten, sondern am grammatischen Leitfaden sich müh-sam immer erst selbst in dem vorauspräparirten, was sie gleich hinterher mit strenger Präceptormiene als ihre hohe Weisheit den Schülern weiterzugeben beflissen waren. Sol-chen Lehrern mußte die natürliche Fragelust der Schüler allerdings sehr unwillkommen sein, denn auf ertemporirte Fragen waren sie nicht vorbereitet. Solche Lehrer waren es, die sich aus allen Kräften beflissen, die leidigen kreuz und quer springenden Fragen der Schüler über das Warum der Spracherfcheinungen als unbescheidenen Vorwitz, als ein Eraminirenwollen des Lehrers aufs härteste auszutrei-ben, oder mit dem grammatischen Policcireglement-. Es ist nun einmal so der Sprachgebrauch! büttelmäßig nieder-zuschlagen. Trotz dieser Sfterrigkeit deutscher Lohndiener auf den Schulkathedcrn hat das Bestreben der psycholo-gischen Schule der deutschen Grammatiker, welche Un-wissende jeden Augenblick mit der logischen Schule Beckers verwechseln, die das Verdienst hat, die allgemeinen Sprach, crschcinungen nach logischen Kategorien geordnet zu haben, ohne daß sie auf die eigenthümlich deutschen Spracherschei-nungen als solche und auf ihre psychologische Grundlage wesentlich eingeht — der psychologischen Schule, welche den von Will), v. Humboldt eingeschlagenen Weg der Sprach-forschung überhaupt verfolgt und zu ihren Vertretern einen

330 Mager, Hieckc, Götzingcr, Kellner, den gekrönten Curt, mann, Otto Schulz, Vormann, Schröder, Viehoff, We, der, Meyer, unseren Hauptsynonymiler Weigand und An-dere zählt — trotz der Sperrigkeit jener Lohndiencr, sage ich, hat das Bestreben dieser psychologischen Schule der deutschen Grammatik sich auch siegreich Bahn in die höhe-ren und niedehöhe-ren Lehranstalten zu brechen gewußt, und diese Schule fordert, daß man die Frage- und Veobach-ttmgslust der Schüler nicht allein nicht zurückweise, sondere am Stoffe der Muttersprache gradezu erwecke und fördere.

Diese Seite der grammatischen Thätigkeit ist auch nichts Neues, Unerhörtes, sie ist in den Grammatiken der alten Sprachen zum Theil längst geübt worden, aber — an ei-ner todtcn Sprache übt man sie, indem man sich künstlich und mühsam in sie hineinzuversetzen sucht, als lebe sie, und in der lcbcns, und geistvollen Muttersprache hat man sie.

vernachlässigt, gescheut, geflohen! Heißt das nicht, die Heil-kräfte der Natur am Leichnam erproben wollen, statt am Leben, heißt das nicht, wie Saul Gespenster aus dem Reiche der Todten heraufbeschwören, wo noch Propheten im Lande der Lebendigen wcilcn? Wenn ich Ihnen nur das wahrhaft komische Erstaunen schildern könnte, in das ein junger Mensch von etwa 16 Jahren gericth, als ich ihn bei Beginn des deutschen Privatunterrichtes über Wc>-scn und Zweck des deutschen Sprachstudiums belehrte und dabei durch Beispiele darauf aufmerksam machte, über wie hervorstechende Eigenthümlichkeitcn und welch' eine Menge für den ersten Augenblick unerklärlicher und daher, doch ge-wiß bcmerkcnswcrfher Erscheinungen (z. B . baß gewisse Sätze das Verb auf der ersten, andere auf der zweiten, andere endlich auf der letzten Stelle im Satze haben u. s. w.

u. s. w.) die Deutschen im Gebrauch der Muttersprache hinglitten, ohne darauf zu achten, ohne nach dem Wie u.

Warum zu fragen, wie dcr rohe Naturmensch nut plum-pem Fuße die herrlichsten und seltensten Blumen zertritt, nach denen der Naturforscher weite kostbare Reisen anstellt.

Es ist dies eben eine wesentlich andere Seite des deutschen Unterrichtes, als wir schon irgend besprochen, die zur Noch wegbleiben kann, wenn es beim Schüler nur darauf an-kommen soll, soviel Deutsch zu lernen, um den Lehrer, um das Lehrbuch zu versteh» und sich selbst verständlich aus-zudrücken, die aber zur Ehre der Gelehrtenschulcn in sol, chen nicht unberücksichtigt bleiben darf, zumal da dieselbe überdies auch einen allgemeinen Nutzen gewährt, zur Be-lebung aller Sprachstudien wesentlich beiträgt.

Und was ist denn die Tendenz, die Summe und das Resultat dessen, was ich bisher entwickelt habe? Ich will es nochmals kurz und klar zusammenfassen. Es enthält der deutsche Sprachunterricht ungleich mehr Vildungsstoff und Bildungskt-aft, ungleich mehr felbstständige und daher selbst-ständig zu behandelnde Thc.le und Leistungen, ungleich mehr wie Radien auslaufende Beziehungen zu allen übri-acn Lehrfächern und Lehrstoffen, als man gewöhnlich zu denken weiß und zu wissen denkt. I n dieser Bedeutsam-keit soll nun aber auch dcr deutsche Sprachunterricht aner-kannt werden, im Geiste dieser Anerkennung, und nicht bloß, weil in deutscher Sprache alles gelehrt wird, sollen unsere Schulen deutsche Schulen heißen, sie sollen diesen Ehrennamen erst verdienen. Fürs deutsche Fach sollen mit die t ü c h t i g s t e n L e h r e r angestellt werden, die sich auch wirklich schon vorher mit Liebe und Gründlichkeit mit dem, selben beschäftigt haben; es sollen die wirklichen Kenner des Faches nicht bloß in den oberen, sondern gerade auch schon in den unteren Elassen fimgiren; es sollen dicjeni-acn Lehrer, die in den oberen Classen Erfahrung gesam-melt, sich nicht scheuen und schämen, nun gerade auch bis zur niedrigsten Stufe, bis zur Grundlegung hinabzusteigen, weil eben nur ein fester Grund ein stolzes Gebäude trägt, und keine Sache weniger fremdartiges Handlangerflickwerk verträgt, als die Sache eines grammatischen Spstemcs, und

331 322 zu keiner Zeit Einheit mehr festgehalten werden muß, als in

dieser.Zeit der Gäbrung der Untcrrichtsprincipien und des Durchcinanderschreiens von Kennern und Laien, Gelehrten und Ungelehrtcn. Für das deutsche Fach sollen mit der 'größten Sorgfalt die L e h r h ü l f s m i t t e l ausgewählt wer-den, solche, die zum Fortschritte der Zeit stimmen, nicht ver-altete, zum Theil schon vergessene Lehrhülfsmittel, wenn sic auch noch ihre Vertreter bei Männern finden sollten, die sich mit Schulunterricht gar nicht oder doch vielleicht schon längst nicht mehr beschäftigt haben; nicht zu der so wich-tigen und einflußreichen Lectüre schlechte Lesebücher, Bücher, die vielleicht zu ganz anderen Zwecken, z. B . zum Ueln'r-setzen in andere Sprachen abgefaßt sind. Für das deutsche Fach soll endlich, und dabei wollen wir zum Schlüsse noch etwas verweilen, d i e h i n l ä n g l i c h e Z e i t eingeräumt wcr-den, um nicht die Lehrer zu solchen ungereimten Verbin-'düngen von Verschiedenartigem in Einer Stunde zn zwingen, wie ich früher eine angedeutet habe. Ob ihm wohl bisher die hinlängliche Zeit eingeräumt, ob sie ihm wenigstens re-lativ, d. h. nach seinem Umfange und seiner Wichtigkeit im Vergleiche zu anderen Lehrfächern eingeräumt worden

dieser.Zeit der Gäbrung der Untcrrichtsprincipien und des Durchcinanderschreiens von Kennern und Laien, Gelehrten und Ungelehrtcn. Für das deutsche Fach sollen mit der 'größten Sorgfalt die L e h r h ü l f s m i t t e l ausgewählt wer-den, solche, die zum Fortschritte der Zeit stimmen, nicht ver-altete, zum Theil schon vergessene Lehrhülfsmittel, wenn sic auch noch ihre Vertreter bei Männern finden sollten, die sich mit Schulunterricht gar nicht oder doch vielleicht schon längst nicht mehr beschäftigt haben; nicht zu der so wich-tigen und einflußreichen Lectüre schlechte Lesebücher, Bücher, die vielleicht zu ganz anderen Zwecken, z. B . zum Ueln'r-setzen in andere Sprachen abgefaßt sind. Für das deutsche Fach soll endlich, und dabei wollen wir zum Schlüsse noch etwas verweilen, d i e h i n l ä n g l i c h e Z e i t eingeräumt wcr-den, um nicht die Lehrer zu solchen ungereimten Verbin-'düngen von Verschiedenartigem in Einer Stunde zn zwingen, wie ich früher eine angedeutet habe. Ob ihm wohl bisher die hinlängliche Zeit eingeräumt, ob sie ihm wenigstens re-lativ, d. h. nach seinem Umfange und seiner Wichtigkeit im Vergleiche zu anderen Lehrfächern eingeräumt worden

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 197-200)

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE