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I . Ansichten und Beobachtungen über

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 47-51)

d e n V a d e o r t K e m m o r n vom Stadtarzt Nr. L i e v e n zu Haftnpoth.

Wie es mit außerordcn'tlichcn Menschen zu gehen Pflegt, daß sie nur den ersten Schritt zu machen haben, um sich auszuzeichnen und Ruf und Bedeutung zu erlangen, so ist es mit dem Badeorte Kemmcrn gegangen. Kaum aufge-treten und erst seit 6 Jahren eingeaufge-treten m die Reihe der Heilquellen hat es sich in dieser kurzen Zeit schnell die ge-bührende Anerkennung zu verschaffen gewußt, hat es eine Selbstständigkeit, Ruf und Bedeutung erlangt, die nicht mehr bezweifelt werden können. Nicht durch der Presse mächtige Posaune, wie es das glückliche Geschick von Deutschlands Heilquellen ist, ist Kemmern bekannt geworden in unserm Lande, nein, langsam nach der Sitte des Altcrthums, wurde fein Ruf durch die Erzählungen derjenigen verbreitet, die in ihm das verlorene und theucre (Hut des Lebens, die Ge-sundheit, ganz oder doch wenigstens zum Theil, wieder ge, fundcn haben. Diese Art des BckanntwcrdenS ist eine viel rühmlichere und zuverlässigere; man darf solchen Nachrichten, wenn sie auch langsam sich fortbewegen, mehr trauen, denn es schweigt hier die Parteilichkeit des öffentlichen Lobred-ners. Gern auch schwiege daher der Verfasser dieser Zeilen, und bescheiden legte er die Feder weg und ließe lieber die Kranken selbst sprechen, die Kcmmcrn besucht haben, wenn er nicht, wenn auch selbst Arzt, mehr noch aber als Kranker sich verpflichtet fühlte, das, was er zugleich mit andern beob-achtet hat und was er darüber denkt, auch so viel an ihm liegt dem Publikum mitzuth eilen. Ist es doch auch das Gefühl der Dankbarkeit, das ihn dazu auffordert, ein Ge-fühl, das sich nicht unterdrücken laßt und das um so

ge-waltiger sich öffentlich auszusprechen strebt, als der Ver-fasser vom Herzen wünscht, daß das Gute, das er in Kem-mern gefunden, auch anderen zu Thcil werden möge, da die liebe Najade ihre Gaben reich und gern Allen spendet, die

sich ihr mit Vertrauen und Gehorsam, aber auch mit Recht, d. h. mit solchen Leiden behaftet, die sie heilen kann, nähern.

Denn sie verspricht nicht mehr, als sie leisten kann. Leicht sonst wird der Wohlthäter verleumdet, wenn seine Gaben verkannt und gcmißbraucht nicht die Hoffnungen mehr er-füllen, die man von ihnen gehegt. Daß aber Kemmern nicht täuscht, daß es, eine hülfreiche Göttin, beglückt und wohl-thut, das mögen die Unzähligen bezeugen, die verkrüppelt, gelähmt, mit den schwersten und bösesten Krankheiten behaf-tet, hülfios, und in Verzweiflung über das vom Himmel geschenkte Leben dorthin kamen, und, entweder ganz geheilt, oder doch wenigstens so weit gebessert zurückkehrten, daß sie sich wieder ihres Lebens erfreuen konnten.

Die Vadesaison.4844 aber war für Kcmmern eine entscheidende und ernste Prüfungszeit. War es doch, als sollte für Kemmern dies Jahr es gerade sein, in welchem es, früher ein Canoidat, jetzt das schwere Eramcn, das Eramcn rigoro^um und öffentlich Vekenntniß ablege und sich bewähre i n seiner Heilkraft an den Aerzten selbst.

Kemmcrns Genius nämlich sorgte dafür, daß sich kranke, heilbedürftige Aerzte einfanden — es waren deren drei dort — um seine Heilkräfte an ihren eigenen Körpern zu erproben.

Und es hat Kemmern seine Prüfung rühmlich bestanden, und das längst von unzählig dort Geheilten ihm erthcilte Zcugm'ß müssen Acrzte, die selbst den Quell besticht und mit Gewinn gebraucht, unterzeichnen. Und es ist sein D i -plom unzerstörbar und langer als ein pergamentenes wird es dauern in der Zeiten zerstörenden Gewalt. Ob der Verfasser durch sein Unheil dem heilenden Quell schade oder nütze — die Wahr'eit allem und kein Vorurtheil, trotz dem Dank, mit dem er dem Quell schuldet, und der leicht zur Parteilichkeit verführt, wird ihn leiten «»'ne ira et FraUa.

Als Schwefelquell reiht sich unser Kemmern mit Recht an die Quellen zu Eilsen, Bocktet, Scheiznach (Schinznach?), be-herrscht völlig unser Vaterland. Valdon und nvalisirt vorzüglich

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mit dem ausgezeichneten Nenndorff. E r ist nicht weniger keichhaltig als dieser, und hat mit ihm gleiche Kräfte. Er ist so reich an sprudelndem Wasser, daß es nicht wahrscheinlich, daß er je versiegen könnte, oder daß auch nur je Mangel an dem tresslichen Wasser eintreten werde. J a , im Gegen-theil, wenn der Himmel ihm günstig ist und er einst so be-sucht wird wie die kräftigen, ihm gleichen oder ähnlichen Quellen Deutschlands, hat er auch für solche Zukunft in sofern schon gesorgt, als in Kemmern noch zwei Quellen gleicher Natur sich befinden, die, wenn die Mittel einst aus-reichen, ebenfalls zu Bädern benutzt werden müssen, und die nicht mehr sehen dürfen, daß ihre Himmelsgaben, wie es bis jetzt leider der Fall ist, unbenutzt dahin fließen.

Da hier der Ort nicht ist, eine vollständige Mouogra-.

phie Kemmcrns zu geben, die jedenfalls wünschenswerth und hoffentlich auch einst von dem dortigen Badeärzte, dem Dr. Girgensohn, der in seinem Wirken noch durch ein

be-sonderes Committse unterstützt wird, dem Vaterlande ge-boten werden wird, so darf sich auch der Verfasser hier nicht darauf einlassen eine gelehrte medizinische Abhandlung, die dann mehr nur für Aerzte bestimmt wäre, zu schreiben.*) Dem Publiko soll vielmehr nur berichtet werden, was der Verfasser in der Zeit seiner dortigen Anwesenheit beobachtet, und ivas er über das Beobachtete denkt. Seine College«

werden hier auch in pharmakologischer Hinsicht nichts Neues erwarten. Bekannt mit dem, wornach man, wenn die Bc-standtheile eines Heilquells bekannt sind, und die schon mehrmal in diesen Blättern, und am vollständigsten in I . 4844 (Nr. 9 ) noch von dem Herrn Apotheker Seezen ge-geben worden sind, beurthcilt, werden sie sich die Heilwir-kungen nach den allgemeinen thcrapeutisch-pbarmakologischen Grundsätzen leicht erklären können, während es dem Ver-fasser nur nothwendig scheint, hier allgemein zu erklären,

daß Kemmern seine Heilkräfte in allen denjenigen

Krank-*) Die Redaction sieht sich veranlaßt auf folgende Schriften auf-merksam zu machen:

N Nachricht über das Kemmernsche Schwefelbad in Livland, in der Nahe von Riga und M'tau. Für Vatcrlandsfreunde und dort badende Kranke, verfaßt von Di-. G. I . B l o ö f e l d zu Riga (gegen-wärtig Professor zu Kasan), gebruckt beiW. F. Haeckerin Riga, 1636, 23 S . in 8.

2) Kurze Darstellung des Badeortes Kemmern in Livland. Ver-faßt von Dr. G. v. M a g n u s , d. z. functionirendem Badeärzte. M i t einer lithographirten Tafel. Riga, 1838, 35. S . in 8.

Beide Schriften sollen im Buchhandel vergriffen und die erste überhaupt gar nicht mehr zu haben sein.

Endlich darf hier nicht vergessen werden, die älteste Darstellung der Vorthcile des Kemmernschen Quells anzuführen; sie hat den Titel: Bemerkungen über das Kemmernsche Schwefelbad und die da»

selbst befindliche Bade-Anstalt Formicahiwa, von einem im Sommer 1829 bort qewesenen Badegaste, und ist, mit dem Imprimatur der Dörptschen Cenfur-Comität und der Curländischen Medicinal-Aerwal-tung versehen,'zu Mitau in der Anstalt von F. Krause 1830, l l G, 4 lithogravhirt, erschienen. Außerdem gehören hierher mehre Aufsätze in dem früheren Provincial'Vlatte für Cur:, Liv» und Esthland, so wie in dem Inlande, z- B. 1836 Nr. 30 Sp. 505 ss. vom Professor Staatirath Nr. Goebel, 1838 Nr. 28 vom Generalsuperintendenten v . K l o t , 1829 Nr. 31 vom Landrath v. Hagemeister, 1843 Nr. 4 l u. 42 von — n.

heiten äußert, in denen durch vermehrte Ab- und Ausschei-dungen, durch gesteigerte Nesorbtion, besonders in den drü-sigen Gebilden und den lymphatischen Drüsen, durch Ver-besserung der Säftemischung, durch Freimachung gehemmter Circulation des Blutes und der Säfte, und Vethätigung der Hauptfunktionen gewirkt werden kann, im Allgemeinen, um mit C. H. Schultz zu sprechen, wo durch Erregung und Steigerung der Mauser l>io.) der Lebensverjüngungsproceß gehoben werden kann. Es eigenen sich daher für Kcmmern und es werden sicher Änderung, Besserung und völlige Hei-lung finden: alle Formen von Krankheiten gichtischer und rheumatischer Natur, ja selbst Contrakturcn und Lähmungen, wenn Gicht ober Meuma die Ursache sind; alle Krankhei-ten, die von langsamer Metallvergiftung herrühren, beson»

bers von Quecksilber, Blei und Arsenik. Ganz besonders wichtig ist Kemmern für Krankheiten, die aus den ver-schiedenartigsten Stockungen im Unterleibc herrühren, aus gehemmter Tätigkeit drüsiger Gebilde, der Leber, Milz, aus unvollkommener Bewegung in den lymphatischen Drüsen und geschwächtem Leben der Schleimhäute. Daher passen für diesen Quell alle Formen der Hämorrhoiden und Skro-feln, asthenische Catarrhe und Schleimstüsse, der <luor Illiu», manche Arten vor Amenorrhöen und Mcnostasien, vielerlei andere weibliche Krankheiten, wenn Uterinleiden, besonders varicöser Art zu Grunde liegt, ja selbst Krämpfe, wenn sie ähnlichen Grund haben. Indem Kcmmern die Säfte ver-bessert und die Rcsorbtion steigert, passen dahin mancherlei Blasen- und Nierenleiden, Griesablagerung und selbst die Steinpassion, mancherlei Kacheneen und Vetentionen. Ganz vorzüglich heilend wird Kemmcrn, indem es die Vegetation der Haut steigert und bessert, für die meisten chronischen Eranthcme und Hautkrankheiten, für Flechtcn, Krätze, Pso-riasis u. dgl., für veraltete Hautgeschwüre besonders, wenn letztere gichtischer, herpatischer, varicöser oder lepröser Na-tursind. Auch mancherlei Nervenleiden, wenn sie nicht rein dynamisch, sondern abhängig sind von materiellen Grund-lagen und entmischten Säften, werden hier Heil finden, wie mancher nervöse Gesichtsschmerz, die Migräne und selbst Gehörlciden.

Hat hier der Verfasser diejenigen Krankheiten, für dic in Kemmcrns Quell Hcil zu suchen ist, im Allgemeinen und mehr gcnerisch genannt, so würde sich die Anzahl cehr steigern, wenn er svccicll sie nennen wollte; Hypo-chondrie, Hysterie, Melancholie, Iochias, Gelbsucht ,c. :c. lc.

könnten angegeben werden. Aber der fpecielle Name der Krankheit entscheidet noch nicht für die Wahl der zu er-greifenden Mittel. Der Grund, aus welchem ein Ucbel entspringt, muß gekannt sein, und ist er in jenen Zuständen zu finden, die eben beschrieben worden sind, so wird man in Kemmern auch das rechte Mittel finden. Daher ist es

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des Verfassers innigster Wunsch, daß der Kranke nie, wenn ihm auch der Name seiner Krankheit bekannt ist, nach welchem vielleicht der Quell zu passen scheint, schon dahin ziehe. Immer sei ein Arzt sein Rathgeder, sonst könnte er leicht die gehabten Kosten bereuen, und die verlorne Zeit beklagen, während der in seinen Wirkungen jetzt unbe-zwcifelt dastehende Hcilquell verleumdet, und seinem Rufe geschadet, ja mancher Kranke von der Wanderschaft dahin abgeschreckt wird.

Aber selbst wenn der Quell als Heilmittel gewählt und alle Rücksichten auf Entstehung, Ursache, Alter, Ge-schlecht, Constitlttion, Temperament, Dauer der Krankheit genommen sind, kommt es doch noch sehr darauf an, unter welchen Umständen und wie Kemmcrn gebraucht wird.

Die verschiedenen Modifikationen des Gebrauchs sind sehr wichtig und geben nicht selten erst den rechten Ausschlag.

Kcmmerns Heilwirkungen sind nicht 2 priori konstruirt worden. Die einfachsten Menschen, ohne über die Vestand-theile des Wassers nachzudenken, haben zuerst den Hcil-quell benutzt, und berichteten von gelungener Gesundhcite-errettung. Also durch die Erfahrung, ganz empirisch hat man Kemmerns Heilwirkungen kennen gelernt, die Art des Ge-brauchs muß also durch die Erfahrung begründet werden.

Und hier ist's wo die Ansichten oft gar zu stark divergircn, während es nicht schwer werden kann einig zu werden, sobald nur mit Ruhe die Sache behandelt wird. Hört man die Sprache älterer Kranken, die vor mehreren Jahren die Quelle besucht haben, so erzählen sie, das Wasser sei sehr erhitzend, man müsse eben deswegen mit dem Gebrauch sehr vorsichtig sein, der Gebrauch sei sehr gefährlich. Vor-sicht, nicht Acngstlichkeit, thut immer gut; ob abcr das Wasser sehr erhitze, ist eine andere, Frage. Wenn man Bäder von einer Temperatur, die 30 und 32 Grad N". übersteigt, nimmt, wird auch reines Brunnenwasser erhitzend wirken, während die Beobachtungen in tiefem Jahre es reichlich bestätigt haben, daß Kcmmern bei einer Temperatur von 26 bis 29 Grad kaum erhitzend, ja vielmehr beruhigend wirke. Kaum stieg der Puls bei jener Wärme um einige Schläge, und geschah dies, so war es doch nicht nachhaltig, von Dauer, und mitunter nahmen die Pulsschläge ab. Selbst nicht einmal die Zeit, die man in der Wanne zubringt, bedingt immer die erhitzende Wirkung. Es waren Kranke dort, die eine ganze Stunde, und mitunter noch länger, im Bade zugebracht haben ohne über Erhitzung zu klagen. Deswegen ist dennoch nicht allen Kranken hober Tempcramrgrad zu empfehlen, noch gleiche Zcitlänge des Vades. Kemmcrn muß als Bade- und Trinkqucll eben so modisizirt werden i n der Art seines Gebrauchs, wie die Krankheiten, für die es empfohlen wird, nach der Natur, dem Geschlecht, Tem-rament u. s. w. derjenigen individualisirt werden müssen,

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die von ihnen heimgesucht werden. Man kann viel wirken mit 30 Minuten Badezeit, man muß aber sehr oft eine Stunde, wenn nicht gar mehr empfehlen- Dem Einen wird ein einmal tägliches Bad gut thun, dem Andern muß ein zweimaliges gerathen werden; dem Einen wird das ein-fache Vad, dem Andern das jetzt eingeführte und bereits durch außerordentliche Wirkungen bewährte Schlemmbad wohlthätig werden. Es hat Mancher überhaupt an 30 Bädern genug, und an einem vicrwöchcntlichen Aufenthalte in Kcmmern, aber im Allgemeinen sündigt man gegen die Heilwirkungen Kemmerns und erwartet in zu kurzer Zeit Voll-kommenes. Es ist dies einsehr zu rügender Fehler der Bade-gäste, daß die meisten in 30 Tagen geheilt sein wollen, und viele, ja sehr viele verlieren durch diese Eile Alles. O b man 26, 28 oder 50 Grad Temperatur gebrauche, ob man viel oder wenig von dem Wasser, oder ob man statt Kcm-imrn ein anderes Mineralwasser, oder überhaupt gar keins trinke, ob man nüchtern, oder ob es nicht besser wäre, daß mancher empfindliche Magen besser früher eine Tasse Thee und nachher dcn^Quell trinke, während er nüchtern viel-leicht gar nicht das kalte Wasser verträgt, ob man Kem-mern rein, oder mit Beimischung von Molke, Milch oder eines andern Mineralwassers trinke, ob man nur bade, gar nichts trinke, oder gar, wie es der Verfasser mit dem besten Erfolg versucht hat, im Bade sitzend ein oder zwei Glas Wasser trinke, wo denn nach seiner Beobachtung die diu-Mische und diaphoretische Wirkung noch mehr sich entwickelt;

ob mau, weil es bei manchen Individuen, doch gewiß nur selten, obstruire, etwas Eröffnendes wähle; ob eine Vorkur, etwa ein Aderlaß, oder sonst was nöthig ist — alle diese Modifikationen beim Gebrauch muß der Arzt nach den be-sonderen Umständen, und besonders der Badearzt, der die Heilwirkungen Kemmerns am sichersten kennt, näher bestim-men, so wie es eben so wichtig ist, nicht ganz aufzugeben jede Nachkur nach dem Gebrauche Kcmmerns. Bei allen diesen Rücksichten — man sieht es ein — wie unentbehrlich der Badearzt ist, und wir danken sehr, daß wir einen tüch-tigen in Kemmeru haben; aber auch die Erfahrungen ande-rer müssen nicht verschmäht werden. M a n thut daher sehr Unrecht, wenn man mit Vorurtheil die Methoden anderer Aerzte, die den Gebrauch des Bades häusig zweimal täg-lich und eine höhere Temperatur, namenttäg-lich häusig 30 und auch wohl 32 Grad empfohlen haben, und nicht zu ängstlich waren im Trinken des Wassers, ganz verwirft, oder stark tadelt, ohne zu bedenken, daß Kcmmern seinen Ruf doch nur durch die bereits im Gange gewesenen Arten des Gebrauchs begründet hat, und ohne daß bestritten wer-den soll, daß eine strengere Modisication des Gebrauchs nach den Individuen und den Krankheiten, wie dies sich auch in der letzten Saison bewährt hat, wohlthätig und

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notwendig sei. Aber, ums Himmelswillen, werfet die Er-fahrungen von sechs Jahren nicht über den Hausen und besonders nicht persönlicher Rücksichten wegen; es könnte sonst mancher Kranke ungeheilt in seine Heimath traurig zurückkehren, der, hätte er zweimal täglich und in einer höheren Temperatur das Vad gebraucht, Kcmmern vielleicht seine Gesundheit verdankt hätte. Es giebt keinen Absolu-tismus in der Medizin. Der Arzt, der seine Mittel nach der Verschiedenheit des Kranken und der Krankheit am ver-schiedenartigsten zu gebrauchen versteht, hat auch die größte Gewalt in Händen. M i t der alten Methode — ich lobe auch die neuere und die Erweiterung der Erfahrung — hat man genützt, warum ihr auf einmal das Vertrauen versagen ? O , nur ohne Vorurthcil gehe man zu Werke, und

man wird bald erfahren, wie Manches noch in Kcmmcrn benutzt werden kann, was man aus eingebildeter Furcht und Vorurthcile unterläßt. S o hat der Verfasser noch nicht genügende Gründe auffinden können, das kalte Wasser als Nachkur Kcmmerns zu verwerfen, und hat er dasselbe i n der letzten Zeit noch an sich selbst,, wie er früher es schon an andern Kranken beobachtet, mit dem besten Erfolg gebraucht. Freilich ist ln'er große Vorsicht nöthig, so wie sehr darauf zu achten ist, daß man erst nach gehö-riger Zwischenzeit zu dem Gebrauch der Kälte übergehe, und auch hier unterscheide man, ob ein kaltes Sturzbad, das schwer wohl eine Erkältung erzeugt, sondern wo die Kälte nur als Nciz benutzt wird für die Haut und Ncrven und von der Reaktion die Wirkung abhängt, oder ob das viele Minuten lang dauernde Seebad gebraucht werden sott, das deswegen ebenfalls anzuwenden ist, wenn freilich mit mehr Ängstlichkeit. Scheint auch der Gebrauch kalter Bäder ein heroisches Mittel zu sein — Priesnitz hat freilich den Heroismus etwas alltäglich gemacht — nach dem war-men Kemmcrn, so bedenke man doch, daß heroische Mittel verständig und vorsichtig, nie ohne Nath des Arztes gebraucht gerade auch häusig die besten, ja Radikalmittel werden. D a s kalte Wasser aber dürfte — sind erst Kacheriren und kachek-tifche Zustände, so wie besonders chronisch-rheumatische und skrofulöse Grundleiden beseitigt durch die spezifischen Wirkun-gen Kemmcrns — am meisten geeignet sein durch seine eiWirkun-gen- eigen-tümlichen Kräfte und besonders durch den auf Haut und Ner-ven Rezidive zu verhüten und den Wohlthateu Kemmerns erst recht die Krone aufzusetzen. — Es ist hier der O r t nicht, in dieö Thema tiefer einzugehen; es wäre zu wünschen, daß eine

Monographie Kcmmcrns den Gegenstand näher untersuche.

Wie aber Kemmern allen andern Anforderungen, die überhaupt an einen Nadeort in geselliger, in diätetischer Hinsicht, so wie in seinen Einrichtungen, die zum Wohle der Kranken verlangt werden dürfen, entspricht, wie es seine Aufgabe in dem, was noch zu wünschen übrig bleibt, lösen

könnte, und in dem, was es bereits geleistet hat, erfüll^ das erlaubt sich der Verfasser hier noch näher zu berühren.

Begünstigt von der Huld unseres Monarchen, die aus einem Sumpf in kurzer Zeit einen O r t schuf von Name, Ruf und Bedeutung, hat Kemmern auch im Äußern ein so

er-freuliches und freundliches Aussehen bekommen, daß jeder, der von der nächsten öden und unwirchbaren Wald- und Sandgegend, so wie von dem melancholischen Meeresstrand wandernd den Badeort betritt, auf eine angenehme Weise überrascht wird. Es strebten alle diejenigen, denen der Auf-trag geworden, Kemmern seinem Zwecke gemäß einzurichten, mit allen ihren Kräften das Nützliche mit dem Angenehmen zu vereinigen. W i r werden uns ewig zum Danke ver-pflichtet fühlen gegen unfern geliebten Generalgouverneur, dessen Bemühungen der O r t seine Entstehung und bis jetzt immer fortschreitende Ausbildung verdankt, und w i r dürfen hoffen, daß der Schöpfer dieser heilbringenden, der Provinz mehr noch dem ganzen Vaterlande Ehre machenden Anstalt nicht aufhören wird, derselben seine fernere Aufmerk-samkeit zu schenken. Es ist nicht zu erwarten, daß ein eigentlich erst begonnenes, keineswegs beendetes Werk

er-freuliches und freundliches Aussehen bekommen, daß jeder, der von der nächsten öden und unwirchbaren Wald- und Sandgegend, so wie von dem melancholischen Meeresstrand wandernd den Badeort betritt, auf eine angenehme Weise überrascht wird. Es strebten alle diejenigen, denen der Auf-trag geworden, Kemmern seinem Zwecke gemäß einzurichten, mit allen ihren Kräften das Nützliche mit dem Angenehmen zu vereinigen. W i r werden uns ewig zum Danke ver-pflichtet fühlen gegen unfern geliebten Generalgouverneur, dessen Bemühungen der O r t seine Entstehung und bis jetzt immer fortschreitende Ausbildung verdankt, und w i r dürfen hoffen, daß der Schöpfer dieser heilbringenden, der Provinz mehr noch dem ganzen Vaterlande Ehre machenden Anstalt nicht aufhören wird, derselben seine fernere Aufmerk-samkeit zu schenken. Es ist nicht zu erwarten, daß ein eigentlich erst begonnenes, keineswegs beendetes Werk

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 47-51)

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