• Keine Ergebnisse gefunden

Das Hässliche und das Umgehen mit den guten Dingen

Im Dokument Lob und Tadel bei Aristoteles (Seite 143-146)

III. Was ist tadelnswert?

2. Das Hässliche (to\ ai)sxro/n)

2.2. Das Hässliche und das Umgehen mit den guten Dingen

Wie wir in den ersten beiden Kapiteln sahen, bilden das Schöne, das Nützliche und das Angenehme bzw. das Lustvolle die drei wählenswerten Ziele, die die Menschen durch ihre Handlungen verfolgen295. Zum guten Menschen (a)gaqo/j) gehört, im Hinblick auf diese drei wählenswerten Objekte und ihre Gegensätze — das Hässliche, das Schädliche und das Schmerzhafte —, richtig zu urteilen (katorqei=n). Dagegen ist es bezeichnend für den schlechten Menschen (kako/j), dass er bezüglich dieser Objekte falsch beurteilt (a(marthtei=n). Der gute Mensch bevorzugt immer das Schöne vor dem Nützliche und dem Angenehmen und er ist in der Lage, richtig mit Lust und Schmerz — den zwei schwerwiegenden Störungsfaktoren beim Wählen — umzugehen.

Dagegen beurteilt der schlechte Mensch im Hinblick auf die drei wählenswerten und die drei vermeidenswerten Objekte meistens aufgrund der Lust falsch.

Beim Umgang mit dem Geld können wir leicht sehen, wie der schlechte Mensch entweder das Angenehme oder das Nützliche dem Schönen vorzieht und dadurch hässlich handelt. Während der gute Mensch das Geld um des Schönen willen und richtig ausgibt ― da er nämlich freigiebig ist ―, sind die schlechten Menschen entweder verschwenderisch oder geizig296.

Die Verwenderischen kümmern sich nicht um das Schöne, vielmehr lassen sie sich beim Geldausgeben und Geldeinnehmen von der Lust 295 Siehe für die folgende Überlegung EN 1104b30-34.

296 Vgl. EN 1120a24-25.

führen und werden dadurch unmäßig (a)ko/lastoi), d.h. Menschen, die bei den körperlichen Lüsten immer ein Übermaß anstreben297. Ihrerseits leiden die Geizigen (a)neleu/qeroi) Gewinnsucht, die Aristoteles

„ai)sxroke/rdeia“ nennt: eine hässliche oder schändliche Liebe zum wirtschaftlichen Gewinn. Aufgrund dieser Gewinnsucht gehen sie den hässlichsten Tätigkeiten nach, sie werden z.B. Zuhälter (pornoboskoi/) oder Geldverleiher, die hohe Zinsen für kleine Summen fordern und keine Hemmungen haben, Geld aus hilflosen Personen, wie Armen oder Verstorbenen, zu pressen298. Derartige Leute schreckt es nicht, aufgrund ihrer hässlichen Tätigkeiten getadelt oder beschimpft zu werden. Solange sie Geld verdienen können, nehmen sie den Tadel gerne in Kauf (pa/ntej ga\r e(/neka ke/rdouj, kai\

tou/tou mikrou=, o)nei/dh u(pome/nousin.)299.

Die in Rhet. II 13 erwähnten Greise exemplifizieren diese geizigen Menschen. Sie leben mit Blick auf das Nützliche und nicht auf das Schöne und legen wenig Wert auf ihre öffentliche Erscheinung, d.h. es ist ihnen gleichgültig, dass ihre Handlungen sie in einem schlechten Licht erscheinen lassen, denn sie kümmern sich ausschließlich um das Nützliche, nicht um das Schöne300. Diese Greise handeln nicht gemäß körperlichen Begierden, da diese Begierden bei ihnen schwach geworden 297 Vgl. EN 1121b1-10.

298 Vgl. EN 1121b31-1122a2. In Rhet. II 6. rechnet Aristoteles die Gewinnsucht und den Geiz zu den Sachen, die hässlich sind: „Auch einen Gewinn von kleinen oder hässlichen Dingen zu erstreben oder ihn von hilflosen Personen, wie zum Beispiel von Armen oder von Verstorbenen, (zu erstreben ist hässlich), woher auch das Sprichwort kommt: „es sogar von einem Toter nehmen“; denn das rührt von schändlicher Gewinnsucht und Geiz her.“ Rhet. 1383b22-25.

299 Vgl. EN 1122a1-13.

300 „Auch sind sie in höherem Maße selbstliebend, als man es sein sollte; auch diese nämlich ist eine Art von Kleingesinntheit. Auch leben sie mit Blick auf das Nützliche und nicht auf das Schöne, und das mehr als man sollte, weil sie selbstliebend sind. Das Nützliche nämlich ist für einen selbst ein Gut, das Schöne ist ein Gut allein genommen. Auch sind sie eher schamlos als dass sie zur Scham geneigt wären; weil sie sich nämlich nicht in gleicher Weise um das Schöne und um das Nützliche Kümmern, schätzen sie das gute Ansehen gering.“

Rhet. 1389b35-1390a3. Übers.: Aristoteles/Rapp (2002) B1, S. 100.

sind, sondern interessieren sie sich lediglich für den wirtschaftlichen Gewinn, daher sagt Aristoteles, dass sie „Sklaven des wirtschaftlichen Gewinnes“ sind (douleu/ousi tw=| ke/rdei)301.

Schlechte Menschen ähnlich vernachlässigen auch viele von uns oft das Schöne aufgrund der Lust:

„Denn aufgrund der Lust tun wir das Schlechte, aufgrund des Schmerzes aber unterlassen wir das Schöne.“302.

Wie wir im zweiten Kapitel sahen, ist das Schöne etwas Gutes sowohl für sich allein genommen als auch für jeden von uns. Die meisten Menschen streben jedoch ausschließlich nach Dingen, die für sich allein genommen gut sind, wie z.B. die körperlichen Lüste, die aber nicht ohne Maß oder unabhängig von der Situation gut für uns sind. Menschen, die die für sich allein genommene gute Dinge ohne Maß verfolgen, werden zurecht getadelt. Dagegen strebt der ausgewogene Mensch (o( e)pieikh\j) nach dem Schönen, indem er eher gemäß der Vernunft als gemäß dem Affekt lebt303, und bereitwillig ist, alle äußerlichen Güter, wie Reichtum, Ehre und Macht um des Schönen willen aufzuopfern:

„Auf den Guten (peri\ tou= spoudai/ou) trifft es auch zu, dass er vieles um der Freunde und um seines Landes willen tut und, wenn nötig, sogar für sie stirbt. Er wird sowohl Geld als auch Ehren preisgeben und überhaupt die umkämpften Güter (ta\

perima/xhta a)gaqa/), indem er für sich selbst das Schöne ( to\

kalo/n ) erwirbt.“304. 301 Vgl. Rhet. 1390a11-17.

302 dia\ me\n ga\r th\n h(donh\n ta\ fau=la pra/ttomen, dia\ de\ th\n lu/phn tw=n kalw=n a)pexo/meqa. EN 1104b9-11.

303 Vgl. EN. 1168b34-1169a6.

304 EN 1169a18-11. Die umkämpften Güter (ta\ perima/xhta a)gaqa/) wurden bereits in EN 1168b15-22 genannt. Sie sind diejenigen Güter, die die meisten verfolgen. Sie sind umkämpft einerseits, weil sie nur begrenzt zur Verfügung stehen und andererseits, weil die Menschen sich solche Güter ohne jegliches Maß wünschen. Knappe Ressourcen und unersättlicher Appetit machen

Wer aufgrund der Lust das Nützliche oder das Angenehme dem Schönen vorzieht, handelt also hässlich. Und wer ständig schlecht (kakw=j) mit der Lust und dem Schmerz umgeht, wird ein schlechter Mensch werden (kako/j), was als solches hässlich ist. Wer im Gegenteil mit Lust und Schmerz richtig umgeht (eu)= tou/toij xrw/menoj), wird ein guter Mensch werden (a)gaqo\j e)/stai), was als solches schön und lobenswert ist305.

Es fehlt noch die Erörterung des Hässlichen aufgefasst als die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schöne, also die letzte Perspektive über das Hässliche.

2.3. Das Hässliche als Gleichgültigkeit gegenüber dem

Im Dokument Lob und Tadel bei Aristoteles (Seite 143-146)