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Fabrikanten Adolf Wilkening und Fritz Hahne I. Gemeinsame Firmenleitung der Gründersöhne

2 Der Möbelproduzent Wilkhahn in Bad Münder

2.1 Aspekte der Unternehmensgeschichte

2.2.1 Fabrikanten Adolf Wilkening und Fritz Hahne I. Gemeinsame Firmenleitung der Gründersöhne

nicht für sich und ist nicht als solche direkt wahrnehmbar. Sie ist ein Konstrukt der Interpretationen der sie vorstellenden Personen oder Gruppen. Im Unterschied dazu wird die Unternehmenskultur hier verstanden als »Summe der Überzeugun-gen, Regeln und Werte, die das Typische und Einmalige eines Unternehmens aus-machen.«261 Zur Unternehmenskultur im weiten Sinn zählt auch die Praxis des Um-gangs der Menschen miteinander innerhalb des Unternehmens sowie der Firma mit ihren Handelspartnern und der Öffentlichkeit. Eine scharfe Abgrenzung zwischen den manifestierten Dingen der Unternehmensidentität und der Kultur ist hier ver-zichtbar.

Die Firmenphilosophie wird von den Mitgliedern des Unternehmens und im Be-sonderen von seinen Führungskräften geprägt. Sie sind autorisiert zur Etablierung von Unternehmenswerten, Leitsätzen oder Zielen. Explizit thematisiert wurden die verschiedenen Komponenten der die Identität prägenden Unternehmensphiloso-phie bei Wilkhahn erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die maßgebli-chen Führungskräfte in dieser Epoche waren die Fabrikanten Adolf Wilkening und Fritz Hahne.262

2.2.1 Fabrikanten Adolf Wilkening und Fritz Hahne

Über die gemeinsame Leitung der Firma hat sich Fritz Hahne später positiv ge-äußert. Beide hätten die Abneigung zwischen ihren Vätern nicht fortgesetzt.

Wilkening habe ausgleichend gewirkt, was Hahne auf seine Erfahrungen in den USA zurückführte.264 Adolf Wilkening ist 1971 altersbedingt aus der Geschäftsleitung ausgeschieden. Sein seit 1964 der Firma angehörender Sohn Adolf Wilkening jun.

wurde als Prokurist und Mitglied des Verwaltungsrates in die erweiterte Geschäfts-leitung aufgenommen, ohne jemals die Führungsfunktion seines Vaters einzuneh-men.

II. Adolf Wilkening

Adolf Wilkening wurde 1905, zwei Jahre vor der Firmengründung geboren. Mit elf Jahren musste er erleben, dass sein Vater Christian zum Kriegsdienst verpflichtet wurde. Er absolvierte nach dem Krieg eine Handwerksausbildung als Tischler und besuchte anschließend für einige Monate die Kunstgewerbeschule in Hannover.265 1923 machte er sich mit seinem Cousin Rudolf Wilkening auf die Reise in die USA in den Bundesstaat Pennsylvania, wo sein Onkel August lebte, der um 1900 mit sei-nem Bruder Christian die USA bereiste und anders als sein Bruder dort blieb. Adolf Wilkening arbeitete in den Vereinigten Staaten zunächst als Zimmermann für die American Bridge Company und wohnte in der von dieser Gesellschaft gegründeten Fabrikgemeinde Ambridge, 25 Kilometer nördlich von Pittsburgh. Der Ort wuchs in den 1920er-Jahren auf 20.000 Einwohner an, was zum größten Teil auf die europä-ischen Immigranten zurückzuführen war, die in der Stahlindustrie und im Brücken-bau ihren Traum von Arbeit und Wohlstand in Amerika erfüllen wollten. Nach eini-gen Monaten gründete Adolf Wilkening zusammen mit zwei Partnern eine eieini-gene Firma für den Bau von Holzhäusern. Innerhalb von drei Jahren hat die Firma mehr als 50 Häuser in der amerikanischen two-by-four-Bauweise errichtet. 1929 kehrte Adolf Wilkening nach Eimbeckhausen zurück und begann als Werkmeister für Wilkening & Hahne zu arbeiten.

Die Frage, ob die Rückkehr nach Eimbeckhausen im Zusammenhang mit dem Börsensturz am 24. Oktober 1929 stand oder ob er bereits vorher entschieden hatte, einer Bitte oder einem Angebot des Vaters nachzukommen und in den expandieren-den Familienbetrieb einzusteigen, muss offen bleiben. Bis zum Tod seines Vaters Christian war Adolf Wilkening zehn Jahre in der Firma, in denen er das Geschäft,

264 Hahne 1990a, S. 14.

265 Die Angaben über die Ausbildung von Adolf Wilkening und seine Tätigkeiten in den USA basie-ren auf einer Auskunft von Günter Wilkening, dem jüngebasie-ren Sohn von Adolf, in einem Telefonge-spräch am 13.1.2020 und in E-Mails v. 15.1.2020, 16.1.2020 u. 24.4.2020, in: Privatsammlung des Verfassers.

die Handwerkstechniken und den Maschineneinsatz in einer Stuhlfabrik kennen-lernen konnte, bevor er vorzeitig an die Stelle seines Vaters in der Firma treten musste. Die in der Literatur zu findende Angabe, er habe in den USA neue Ferti-gungstechniken im Möbelbau studiert, stimmt nicht mit den vorstehenden Infor-mationen über seine tatsächliche Tätigkeit überein. Denkbar ist, dass Christian Wilkening die Hoffnung hatte, sein Sohn würde Erkenntnisse aus der amerikani-schen Möbelindustrie mitbringen, was aber nicht der Fall war. Es kann angenom-men werden, dass seine in den USA erworbenen Kenntnisse als Zimmermann und Bauleiter nach seiner Rückkehr in den 1930er-Jahren bei der Erweiterung und dem Umbau der Fabrik nützlich waren. Seine Erfahrungen und die erworbene Einstel-lung gegenüber neuen Techniken haben in Eimbeckhausen die UmstelEinstel-lung von den Transmissionen auf den Elektroantrieb der Holzbearbeitungsmaschinen beschleu-nigt.266

Während des Zweiten Weltkrieges verhalfen ihm die freundschaftlichen Bezie-hungen zum Eimbeckhäuser Fabrikanten Wilhelm Benze jun. zu einer vorzeitigen Rückkehr nach Eimbeckhausen. Adolf Wilkening wurde 1943 von der Front in Russland zurückbeordert, um in der Fabrik Benze eine Funktion im Interesse der Produktion kriegswichtiger Güter für die Wehrmacht und die Luftwaffe zu überneh-men.

Als Technischer Leiter war Wilkening fachlich zuständig für die Festlegung der Anforderungen an die Planung der Produktionsgebäude. Es kann davon ausgegan-gen werden, dass in erster Linie er die Bauherrenfunktion geausgegan-genüber Leowald und Hirche sowie anderen Architekten ausgeübt hat.267 Geht man davon aus, dass die Unterzeichnung der Bauanträge nicht dem Zufall überlassen blieb, dann entspricht sie dieser Zuständigkeit.268 Für die Begleitung der Architekten und Baufirmen dürf-ten Wilkening die mehrjährigen Erfahrungen beim Bau von Holzhäusern als Zim-mermann und Unternehmer in den USA zugute gekommen sein. Beide Architekten waren auch mit dem Entwurf von Möbeln beschäftigt. Für die Gestaltung der Pro-dukte und die Möbelprogramme war in erster Linie Fritz Hahne maßgeblich. Die technische Umsetzung der Gestaltung lag jedoch in den Händen von Adolf Wilkening. Fotos in den Publikationen der Firma stützen die Annahme. Ein Beispiel ist das offizielle Foto zum 50-jährigen Betriebsjubiläum, das Adolf Wilkening nach

266 Biester/Vohn-Fortagne 2000, S. 126.

267 Das bis dahin größte Bauvorhaben, das Adolf Wilkening zu verantworten hatte, waren die vier in drei Abschnitten zwischen 1968 und 1971 gebauten Fertigungshallen mit den Planern Heinz Meyer, Wolfgang Knospe und Reinhard Kraft.

268 Siehe Abschnitt 3.2 dieser Arbeit.

seiner Rede an die Beschäftigten zeigt (Abb. 10).269 Wenn auch die Zuständigkeiten und die Kenntnisse beider Persönlichkeiten sich unterschieden, so kann man gleich-wohl von einer gemeinschaftlichen und einvernehmlichen Zusammenarbeit auch bei der Ausübung der Bauherrenfunktion ausgehen. Hahne hatte nach eigenem Be-kunden in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre mit Depressionen und Angst um die Existenz des Unternehmens zu kämpfen. Sein Vetter Adolf Wilkening habe ihm in diesen Phasen als ein stabilisierender Faktor für die Firmenleitung geholfen.270

III. Fritz Hahne

Fritz Hahne wurde 1920 geboren und wuchs im Wohnhaus in direkter Nachbar-schaft zur Fabrik seines Vaters auf. Mit siebzehn Jahren hat er die Schule verlassen und danach ein fünfmonatiges kaufmännisches Volontariat bei den Möbelwerkstät-ten Otto Reitemeier in Göttingen absolviert.271 Mit neunzehn Jahren wollte er eine Fachschule besuchen, was durch die Verpflichtung zum Kriegsdienst verhindert wurde.

Nach dem Ende der Kriegsgefangenschaft in Chartres kehrte Fritz Hahne 1946 nach Eimbeckhausen zurück. Sein Vater und dessen Mitgesellschafter Adolf Wilkening hatten den Betrieb Wilkening & Hahne Stuhlfabrik nach dem Kriegsende wieder in Gang gebracht. Fritz Hahne trat als Unternehmersohn und Mitarbeiter der Geschäftsführung in die Firma ein und absolvierte eine zweijährige Phase des Kennenlernens und des Entwickelns von Ideen in der Absicht, Wege zu suchen, sich zu profilieren und später in andere Märkte als den der üblichen Sitzmöbel vorzu-dringen.272 Nach eigenen Angaben hatte er die Überlegung, Sitzmöbel für höhere Ansprüche herzustellen, bereits vor der Zusammenarbeit mit der DeWeF.273 Im Jahr 1948 nahm er ein Studium an der Universität Göttingen in Betriebswirtschafts-lehre und Psychologie auf, ohne den Betrieb in Eimbeckhausen ganz zu verlassen.

Drei Tage die Woche widmete er sich dem Studium, an den restlichen Tagen der Woche arbeitete er im Betrieb, nach eigenen Worten sehr erfolgreich mit seinem

269 Ein anderes Foto zeigt Wilkening zusammen mit Herbert Hirche, der einen Zollstock entfaltet.

Warum kein gemeinsames Jubiläumsfoto der Fabrikanten veröffentlicht worden ist, lässt sich nicht sagen. Die NDZ berichtete über die Jubiläumsfeier und nannte als Redner für die Geschäftsleitung Adolf Wilkening (Anonym 1957a: 50 Jahre »Wilkhahn« Eimbeckhausen, in: NDZ 83 (1957), Nr. 136 v. 31.8.1957, S. 4).

270 Hahne 1990a, S. 108f.

271 Otto Reitemeier Möbelwerkstätten und Einrichtungshaus: Arbeitsbescheinigung für Fritz Hahne v. 15.3.1938, in: Schautafel 1 1907–1949, in: Schautafeln 2000, in: Wilkhahn Einrichtungs-gesellschaft.

272 Hahne 1990a, S. 18.

273 Hahne 1990a, S. 17f.; Anonym 1957c. Hier ist der Eintritt von Fritz Hahne in die Geschäftslei-tung für das Jahr 1946 vermerkt.

Vetter Adolf Wilkening, der die Produktion organisierte und leitete.274 Über das Da-tum der Übernahme der Leitungsfunktion von seinem Vater Friedrich gibt es unter-schiedliche Angaben in der Literatur.275 Ab wann Fritz Hahne die Unternehmer-funktion formal zugesprochen werden kann, hängt in erster Linie von seiner Betei-ligung am Kapital der Firma und damit vom Eingehen unternehmerischen Risikos ab. Nach der geprüften Bilanz zum 31. Dezember 1950 ist Fritz Hahne im Laufe des Jahres, wirtschaftlich betrachtet, mit einem Anteil von rund 7,5 Prozent oder 22.000 DM dritter Gesellschafter geworden.276 Ab 1950 ist nachweislich die kauf-männische Leitung der Firma auf Fritz Hahne übergegangen. Die zwischen 1950 und 1956 aufgestellten Bilanzen, in denen sein Vater noch als Gesellschafter aufge-führt ist, tragen seine Unterschrift.

Hahne war nach eigener Darstellung der Initiator der Änderung des Firmenna-mens. 1949 erteilte er dem Bezirksvertreter Heinz Bree schriftlich eine Inkasso-Voll-macht. Der Briefkopf enthält das siegelförmige Logo mit der neuen Inschrift

»WILK« in der ersten Zeile und »HAHN« in der zweiten Zeile.277 Das zwischen 1952 und 1954 verwendete Logo mit der über dem geschwungenen Schriftzug

»WILKHAHN« schwebenden Figur – von Spöttern schwebende Jungfrau genannt – ist von einem Studenten des Grafikers Professor Hans Leistikow entworfen wor-den (Abb. 8). Georg Leowald hatte Leistikow empfohlen.278

Nach dem Ausscheiden von Adolf Wilkening führte Hahne das Unternehmen als alleiniger Geschäftsführer der 1971 neu gegründeten Wilkhahn Einrichtungsgesell-schaft mit beschränkter Haftung, die als persönlich haftende GesellEinrichtungsgesell-schafterin der Kommanditgesellschaft Wilkhahn Wilkening & Hahne fungiert. Ein etablierter Ver-waltungsrat diente der regelmäßigen Abstimmung zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführung, der Beratung durch firmen-fremde Sachverständige, der Entscheidung in bestimmten Angelegenheiten und der Beteiligung des Betriebsrates an Unternehmerentscheidungen.279 Im selben Jahr

274 Ebd., S. 19.

275 Sie schwanken zwischen 1946 und 1950.

276 Bilanzen 1946 bis 1956, in: Ordner 2 Wilkhahn, in: Archiv des Stadtmuseums Bad Münder.

277 Biester/Vohn-Fortagne 2000, S. 130. Der Brief ist auf Schautafel 1 1907–1949 abgebildet (Schautafeln 2000, in: Wilkhahn Einrichtungsgesellschaft).

278 Hahne 1990a, S. 62. Leistikow war Mitbegründer der Kasseler Schule der Plakatkunst, Buch- und Zeitschriftengrafik, einer Gruppe von Grafikern an der Staatlichen Werkakademie Kassel, die in den 1950er-Jahren eine eigenständige Stilrichtung vertraten. Er war der Pflegevater von Leo-walds Tochter Cordula (*1944 in Berlin). Leowald und der Schwager von Hans Leistikow, Werner Hedebrand, arbeiteten bis 1945 für Herbert Rimpl (siehe Unterabschnitt 3.2.2 dieser Arbeit).

279 Gesellschaftsvertrag für die Wilkhahn Einrichtungsgesellschaft v. 9.12.1971, Kopie aus dem Re-gister beim Amtsgericht Hannover, in: Privatsammlung des Verfassers.

schloss Hahne mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über die Einführung der pa-ritätischen Mitarbeiterbeteiligung am Nettogewinn.

Fritz Hahne leitete 1977 seinen Rückzug aus der Geschäftsleitung mit der Bestel-lung mehrerer Prokuristen ein, von denen zwei nach einigen Monaten zu Geschäfts-führern bestellt wurden. Ein Jahr später wurde ein weiterer Geschäftsführer be-stellt, sodass insgesamt vier Geschäftsführer die Firma leiteten. Hahnes Erwartun-gen wurden allerdings nicht erfüllt. In einem Vermerk aus dem Jahr 1979 übte er Kritik an der Geschäftsleitung, auch seiner eigenen. Seine Feststellung war u. a., dass es in den letzten Jahren versäumt wurde, »die Philosophie für die 1970er-Jahre« und ein Konzept für die Produktentwicklung und das künftige Marketing zu erarbeiten. Wilkhahn habe von seiner Vergangenheit gezehrt und brauche eine Mar-ketingkonzeption »auf der Basis des noch bestehenden erfreulichen Images«.280 Drei Jahre vor seinem Rückzug aus der Geschäftsleitung wollte er die Weichen mit Hilfe externer Beratung stellen. Für die längerfristige Planung wollte er einen Bera-ter für die WeiBera-terentwicklung der UnBera-ternehmensphilosophie finden, »der universell und philosophisch zu denken fähig ist, der die Welt von morgen spürt, der einen Nerv für Trends und Kenntnis vom Produkt-Design, Architektur und Publizität auf hohem Niveau hat.«281 Dabei dachte er nicht an Wirtschaftsberater, sondern explizit an Persönlichkeiten wie Philip Rosenthal, Wolfgang Schmittel, Herbert Ohl, Herbert Lindinger und weitere andere.

Seinen Rückzug aus dem Tagesgeschäft konnte Hahne erst im Sommer 1982 mit der Bestellung von Theodor Diener zum alleinigen Geschäftsführer und der Über-nahme des Vorsitzes des Verwaltungsrates realisieren. In seinem Rückblick auf das Jahr 1981 erklärte Fritz Hahne, dass er zwei seiner Kernanliegen unter Kontrolle halten wolle, wenn ein neuer Geschäftsführer seine Aufgaben übernehme: die Pro-duktgestaltung und die Aufrechterhaltung der Maxime der Fairness gegenüber den Mitarbeitern und Markpartnern.282 In Fragen des Designs der Produkte blieb das Recht der Letztentscheidung bei ihm, als Theodor Diener 1982 die Geschäftsleitung übernahm.283

280 Fritz Hahne: Vermerk an seine Kollegen der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates v. 5.3.1979, in: Ordner SO2153 Dokumente 1979–1995, a. a. O. Dem Vermerk beigefügt waren Passagen über die Designauffassung und die Werksarchitektur von Hermann Miller aus dem 1975 veröffentlichten Buch: Wolfgang Schmittel: Design, Concept, Realisation: Braun, Citroen, Miller, Olivetti, Sony, Swissair, Zürich 1975.

281 Fritz Hahne: Vermerk an seine Kollegen der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates v. 5.3.1979, a. a. O.

282 Hahne 1990a, S. 108.

283 Die Geschäftsführung wurde zum 1.7.1982 dem Diplomingenieur der Elektrotechnik und bishe-rigen Manager im Kruppkonzern Theodor Diener übertragen.

Nach gut einem Jahr seit seinem Ausscheiden als Geschäftsführer stellte Fritz Hahne in einer Rede anlässlich des Betriebsfestes am 7. Oktober 1983 zufrieden fest:

»Ich wirke weiter im Geschehen ohne im Stress sein zu müssen.«284 Diese neue Si-tuation gab Hahne auch die Gelegenheit, sich stärker mit strategischen und grund-sätzlichen Fragen, z. B. mit der Analyse des designorientierten Möbelmarktes und der Entwicklung des Designs zu beschäftigen und seinen Standpunkt in zahlreichen Vorträgen und Interviews aus unterschiedlichen Anlässen deutlich zu machen. In einem Vortrag an der Southern Illinois University in Edwarsville im Juni 1987 hat er sich zu den Einflüssen bekannt, die für ihn als Unternehmer von besonderer Be-deutung waren: die Entwicklung der Theorie des Sozialismus von Karl Marx und die Gründung des Bauhauses. »Das Unternehmen ist von einer in dreißig Jahren ge-wachsenen Firmenphilosophie geprägt. Ihr Dachbegriff ›Wahrhaftigkeit‹ wird von zwei Säulen getragen: von der Produktphilosophie und von der Sozialphiloso-phie.«285 In seinem Essay »Gedanken über Eigentum und Entwicklung der Gesell-schaft« bekannte er, die Ergebnisbeteiligung der Mitarbeiterschaft bei Wilkhahn sei ein notwendiger Schritt gewesen, allerdings sei die Suche nach einer im sozialen Sinn »moralischen und zugleich wirtschaftlich funktionierenden« Lösung der Frage der Eigentumskonzentration ohne überzeugendes Resultat geblieben.286

Die im Nachlass von Fritz Hahne aufbewahrten Typoskripte sind zum Teil in nem 1990 erschienenen Buch Zwischen den Stühlen veröffentlicht worden. In sei-nen Aufzeichnungen finden sich ab 1984 wiederholt auch Ausführungen zum Thema Kreislauf der Natur und über seine Einsicht, dass sich zunehmend die öko-logischen Erkenntnisse »als Dach« ins Bild schieben.287 Der Grundsatzbeschluss des Verwaltungsrates zur Einbeziehung der Ökologie in die Entscheidungen des Un-ternehmens aus dem Jahr 1989 gründet auf einer mehrjährigen Vorbereitung.

Fortan galt es, ökologische Anliegen ernst zu nehmen und sie im Zweifel höher zu bewerten als schnellen Gewinn.288

Der Deutsche Werkbund Nord verlieh Fritz Hahne 2006 die Ehrenmitgliedschaft und würdigte damit sein Lebenswerk, das in beispielgebender Weise für klares De-sign, soziale Verantwortung und ökologisches Engagement steht. Seinem Wirken sei es zu danken, dass sich seine Gestaltungsideen nicht nur auf die äußere Form,

284 Fritz Hahne: Rede zum Wilkhahn Betriebsfest am 7.10.1983, Typoskript v. 6.10.1983, in: Ord-ner SO2153 Dokumente 1979–1995, a. a. O.

285 Hahne 1990a, S. 190–198 (191).

286 Hahne 1990a, S. 201.

287 Fritz Hahne: Design – zum Kotzen?, Typoskript v. 14.11.1984, in: Ordner SO2153 Doku-mente 1979–1995, a. a. O.

288 Fritz Hahne: Wilkhahn und die Ökologie, Grundsatzpapier zur Unternehmensstrategie v. 22.8.1989, S. 1, in: Ordner SO2153 Dokumente 1979–1995, a. a. O.; vgl. Schwarz 2000, S. 154.

sondern auch auf den Produktionsprozess, die Betriebsverfassung und die Architek-tur des Unternehmens beziehen. In der Würdigung heißt es weiter:

»Seine Handlungsmaximen ›Wahrhaftigkeit in der Produktgestaltung‹, ›Fairness in der Zusammenarbeit‹ und ›ökologische Verantwortung‹ verbanden die Traditi-onen des 1907 gegründeten Deutschen Werkbundes mit den großen gestalteri-schen, sozialen und ökologischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.«289

Fritz Hahne ist als Unternehmer, als Geschäftsführer und Vorsitzender des Verwal-tungsrates der Vordenker und Entscheider der wichtigsten Angelegenheiten von Wilkhahn gewesen. Er ist nach eigenem Bekunden ein »Suchender« und daher of-fen für ideelle Einflüsse geblieben.