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3 Die Bauten des Wilkhahn-Werkes

3.2 Erste Neubauten südlich und westlich der Fabrik

3.2.3 Bauten verschiedener Architekten 1965 bis 1984

verbauten Wellstegträger lieferte die Firma Weser-Wellsteg Wilhelm Poppensieker aus Gohfeld. Georg Leowalds Entwurf erinnert an das einige Jahre zuvor für Profes-sor Koch gebaute Haus in Wuppertal. Es wurde in der Zeitschrift baukunst und werkform 1957 als ein »großräumiges und breitgelagertes« Einfamilienhaus vorge-stellt.491 Als charakteristisch werden das Kontinuum von Außen- und Innenraum, die großen Glasflächen, die ausgesprochene Großzügigkeit und der Blick in die weite Landschaft herausgestellt.492 Der Grundriss des teilunterkellerten Hauses ist einer U-Form angenähert, deren Schenkel stumpfe Winkel bilden. Dieses raumbildende Grundrissprinzip hat Leowald auch in Eimbeckhausen verwirklicht (Abb. 62–64).

Wohn- und Schlaftrakte sind im rechten Winkel zueinander angeordnet, während die Schwimmhalle im stumpfen Winkel angesetzt ist. Der Außenraum der aufge-schütteten Terrasse ist nach Westen geöffnet. Die Flachdächer nehmen die Formen des Grundrisses auf und lassen die unterschiedlichen Raumhöhen erkennen. Das Haus ist, wie das Haus Koch, ein qualitätsvolles Beispiel deutscher Nachkriegsar-chitektur, bei dem großzügige Grundrissgestaltung und formale Bescheidenheit Ausschlag gebende Momente des Entwurfs bilden.

Stahlrahmen erhalten. Die Baugenehmigung vom 3. Oktober 1966 enthielt die Auf-lage, die Außenflächen des Erweiterungsbaus denen des Bürogebäudes anzupassen, was keineswegs den Intentionen der Stahlbaufirma entsprach. Die Planung, die im Bauantrag mit der Unterschrift von Fritz Hahne sanktioniert wurde, kam nicht zur Ausführung. Die Gründe für den Verzicht sind den Bauakten nicht zu entnehmen.

Eine Ausstellungshalle wurde 1969 an anderer Stelle errichtet. Die Planung des Architekten Wolfgang Knospe aus Leonberg sah eine Bebauung des nördlich des Bürogebäudes gelegenen, vom Eimbeckhäuser Bach begrenzten Geländes in zwei Bauabschnitten vor. Neben Ausstellungsflächen sollten auch Räume für Seminare und Konferenzen entstehen. Ausstellungshalle und Bürogebäude wurden mit einer kleinen Eingangshalle verbunden (Abb. 65). Der erste Bauabschnitt des Gebäudes sollte zur Hannoverschen Frühjahrsmesse 1968 betriebsfertig sein.494 Allerdings war der Rohbau erst Ende April abnahmefähig, so dass die geplanten Veranstaltun-gen während der Messe an einem anderen Ort stattfinden mussten. Ausführende Firmen waren Heinrich Meyer & Sohn und Firma Hoffmann Stahlbau. Die Fassaden erhielten eine äußere Schale mit Elementen aus glasfaserverstärktem Kunststoff aus eigener Produktion. Als Partner vor Ort für das Büro Knospe fungierte der Architekt Werner Kozak aus Springe.

Knospe war auch beratend an der Planung der ersten Halle der großen, ab-schnittsweisen Werkserweiterung mit insgesamt vier Hallenabschnitten zwischen 1968 und 1972 beteiligt. Sie wurde vom Bauingenieur Heinz Meyer geplant und von seiner Firma Meyer & Sohn als Generalunternehmer realisiert. Heinz Meyer plante auch den zweiten Bauabschnitt mit zwei übereinander angeordneten Hallenab-schnitten, den Höhenunterschied des Geländes ausnutzend.495 Den dritten Bauab-schnitt, ebenfalls mit der Ausdehnung von 100 mal 30 Metern, plante der hanno-versche Architekt Reinhard Kraft, der seinen Abschnitt gestalterisch und konstruk-tiv an die Bestandshallen anzupassen hatte, »um einen einheitlichen Gebäudekom-plex zu erhalten« (Abb. 66).496 Das Tragwerk der Hallen besteht aus Holzleimstüt-zen und -bindern, auf denen in leichter Neigung Trapezbleche mit einem Warm-dachaufbau liegen (Abb. 67). Den Hallen zwei bis vier ist ein zweigeschossiger, ein-bündiger Bürotrakt vorgelagert, in dem Räume für die technische Verwaltung und den Betriebsrat sowie Sozialräume angeordnet sind. »Als Besonderheit ist eine

494 Bauantrag und Bauschein Nr. 17/6/13 v. 27.2.1968, Schreiben Wilkhahn v. 21.11.1967, in: Bauakten Bad Münder, a. a. O. Der Bauantrag wurde von Adolf Wilkening unterschrieben.

Auf der für den 2. Bauabschnitt vorgesehenen Fläche stand bis 1973 eine als Lager genutzte Holz-baracke.

495 Die Topografie bedingte die Aufteilung und Gliederung der Fertigungsflächen in zwei Ebenen.

496 Bauantrag und Bauschein Nr. 878/71-17/6/13 v. 9.3.1972, Schreiben des Architekten Kraft v. 18.5.1971, in: Bauakten Bad Münder, a. a. O.

Sauna im Zeichen der ›Trimm-Dich‹-Bewegung vorgesehen.«497 Die NDZ berich-tete von einer betriebsinternen Einweihungsfeier mit Orchester und Tanz in der fer-tiggestellten Halle anlässlich ihrer Einweihung.498

Der seit 1971 bei Wilkhahn angestellte Architekt und Designer Klaus Franck konnte noch vor der Fertigstellung der Halle 4 Einfluss auf die farbliche Gestaltung der Ostfassade des Gebäudekomplexes nehmen. Die Kalksandsteinflächen wurden weiß gestrichen, die Fenster wurden in ihrer Erscheinung zu Bändern zusammen-gefasst, indem die Wandflächen in ihrer Flucht ebenso wie der Betonsockel der Hal-len dunkelbraun von den weißen Wandflächen abgesetzt wurden.499 Die drei ande-ren Fassaden haben bis auf die notwendigen Fluchttüande-ren keine gestalterisch wirk-samen Elemente. Über die Architektur der Hallen hat sich Fritz Hahne später selbst-kritisch geäußert. Er hat sie als »harmlos, relativ primitiv und unterhalb des Wilkhahn-Anspruchs« bewertet.500 Das gilt allerdings nicht für ihre Bauausführung und Funktionalität. Die Hallen werden nach fünfzig Jahren Standzeit unverändert genutzt.

Adolf Wilkening kann als maßgeblicher Akteur der Bauherrin Wilkhahn bis zu seinem Ausscheiden 1971 bezeichnet werden. Zum einen war er aufgrund seiner un-ternehmerischen Tätigkeit als Zimmermann in den USA mit Bauplanungen ver-traut, zum anderen war er der Technische Leiter und damit der für die Produktions-abläufe Verantwortliche der Geschäftsleitung. Fritz Hahne war seit den 1950er-Jah-ren der für das Produktdesign und das Marketing verantwortliche Akteur. Er hatte Ende der 1960er-Jahre noch nicht den Anspruch entwickelt, die Werksarchitektur als Mittel der Imagebildung501 einzusetzen, und war überzeugt von der Richtigkeit der Maxime »Form folgt der Funktion« im Sinne der Hochschule für Gestaltung in Ulm, die sich in der Architektur der vier Hallen widerspiegelt.

497 Rudolf Schwarz: Neubau-Programm: Stein auf Stein, in: Die Wilkhahn Zeitung 1 (1971), Nr. 2, S. 3.

498 Achim Linck: Sommerfest in der Halle IV bei Wilkhahn, in: NDZ 98 (1972), Nr. 170 v. 25.7.1972, S. 3.

499 Mündliche Information von Kerstan von Pentz. Franck wählte einen speziellen Braunton.

500 Fritz Hahne: Argumente für den Pavillonbau, Typoskript Wilkhahn Intern v. 5.12.1985, in: Wilkhahn-Bauakte Nr. 51, a. a. O.

501 Zur Thematik des Firmen- und Markenimages ist in den 1950er- u. 1960er-Jahren eine umfang-reiche Fachliteratur entstanden (vgl. Uwe Johannsen: Das Marken- und Firmen-Image: Theorie, Methodik, Praxis (= Diss. Univ. Braunschweig 1968), Berlin 1971), S. 26–34. Harriett Moore hat 1957 folgende Definition formuliert: »Ein Marken-Image ist eine Konstellation von Bildern und Ideen in der Vorstellung von Menschen, die die Kenntnis der Marke und die Haupteinstellungen ihr gegenüber umfaßt und die es ihnen ermöglicht, sich mit ihr auseinanderzusetzen, ohne zu sehr in Einzelheiten und zu langwierig über sie nachzudenken« (Harriett Moore: What is a Brand Im-age?, in: Art Direction 10 (1957), S. 5–11, zit. n. Johannsen 1971, S. 27, in der Übersetzung von Gerhard Kleining).

Die ersten Bauprojekte unter der Mitwirkung von Klaus Franck in einer Bauher-renfunktion waren der Umbau und die Nutzungsänderung des zweiten Oberge-schosses des alten Fabrikgebäudes für eine Büronutzung und der Bau einer einge-hausten Brücke über den Eimbeckhäuser Bach zur Verbindung von Altbau und Aus-stellungsgebäude. Mit den Architektenleistungen wurde Bernd Makulik aus dem be-nachbarten Rohrsen beauftragt.502 Beide Bauvorhaben wurden 1974 durchgeführt.

Nach einer rund fünfjährigen Zeitspanne, in der Wilkhahn keine Bauprojekte auf dem Werksgelände in Eimbeckhausen realisierte, begann 1980 eine weitere Phase ausgedehnter Neubautätigkeit, die 1992 mit der Fertigstellung der Hallen von Thomas Herzog endete. Auf dem Gelände westlich des alten Fabrikgebäudes, direkt am Bach gelegen, standen seit den 1930er-Jahren Holzschuppen zur Aufbewahrung von Schnittholz. Dieser Standort verlor Ende der 1950er-Jahre mit der Verlagerung der Sägerei und dem Bau der Halle für die Kantellagerung an Bedeutung, so dass dem Abbruch der Holzschuppen nichts im Wege stand. Auf dieser Fläche plante der hannoversche Architekt Friedhelm Scholz 1980 eine Stahlhalle mit einem Sheddach aus zwei »aneinandergestellten Pultdächern« mit senkrechten Oberlichtbändern und einer Fassade aus Gasbetonplatten. Sie hatte eine Nutzfläche von knapp 600 Quadratmetern und wurde 1984 um zwei weitere Pultdachfelder auf 1.000 Quad-ratmeter erweitert.503 Die Betriebsstelle Tischplattenfertigung wurde darin unter-gebracht. Nur ein Jahr später initiierte Fritz Hahne als Verwaltungsratsvorsitzender einen Neubau, der in seinem architektonischen Anspruch eine neue Ära bei Wilkhahn einleitete.