• Keine Ergebnisse gefunden

Beatrix Marl MASTERARBEIT. zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts. Studium: Masterstudium Sozial- und Integrationspädagogik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Beatrix Marl MASTERARBEIT. zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts. Studium: Masterstudium Sozial- und Integrationspädagogik"

Copied!
132
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Beatrix Marl

Schulische Inklusion an Pflichtschulen aus der Sicht von Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen und

Sonderschullehrern/Sonderschullehrerinnen

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

Studium: Masterstudium „Sozial- und Integrationspädagogik“

Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr. Vladimir Wakounig Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Institut: Erziehungswissenschaft und Bildungsforschung

Klagenfurt, Mai 2017

(2)

2

Ich widme die vorliegende Arbeit meiner

einzigartigen Familie, welche mich immer und in allen Lebenslagen liebevoll unterstützt.

Danke!

(3)

3

A

BSTRACT

(

DEUTSCH

)

Unser Bildungssystem befindet sich im Wandel. Sämtliche Sonderschulen werden geschlossen, weil eine inklusive Schule angestrebt wird. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, herauszufinden, was unter Schulischer Inklusion verstanden wird - und zwar von jenen, die tagtäglich an den Schulen und mit Schülern/Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten arbeiten. Dieses Verständnis könnte in weiterer Folge dazu verwendet werden, um über das Gelingen von Schulischer Inklusion zu diskutieren.

Einleitend werden gebräuchliche Begriffe, die mit der Umsetzung einer inklusiven Schule in Verbindung gebracht werden, erklärt. Es folgt eine kurze Beschreibung von dem Weg der Exklusion bis hin zur Inklusion. Im darauffolgenden Kapitel werden aktuelle Forschungen, praktische Beispiele und Diskussionen dargestellt. Der empirische Teil der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit den Meinungen und Erfahrungen von Sonderschullehrkräften und Sozialpädagogen/-pädagoginnen. Aus den mit diesen geführten Interviews geht hervor, wie unausgereift die Umsetzung der Schulischen Inklusion aktuell ist und dass große Bedenken bezüglich einer Inklusion aller Kinder vorliegen. In der abschließenden Diskussion erfolgt noch einmal die intensive Beschäftigung mit der Realisierung einer inklusiven Schule, welche nach wie vor auf viele offene Fragen stößt.

(4)

4

A

BSTRACT

Our education system is changing. Many special needs schools are going to be closed down, because of striving for an inclusive school. This master thesis was written to find out, what kind of idea people have concerning inclusive schooling. Special education teachers and social education workers have been asked, because they are working with kids with special needs every day at school. These ideas can be useful for a discussion about the successful realisation of inclusive schooling.

Terms and definitions are described in the first part. A short chapter pictures the development of excursion to inclusion. Current research, practical examples and discussions are informing about the topic inclusive schooling. Personal opinions and experiences of special education teachers and social education workers picture the feelings, fears but also hopes they have about the present realisation of inclusive schools. The main result of the interviews is that the current realisation of inclusive schooling is not fully developed. The interview partners have concerns about the full inclusion of all children. The last part of this master thesis deals with an intense reflection of the realisation of an inclusive school which raises many questions.

(5)

5

E

IDESSTATTLICHE

E

RKLÄRUNG

Ich versichere an Eides statt, dass ich

 die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und andere als die angegebenen Hilfsmittel nicht benutzt habe,

 die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, ein-schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe,

 die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinn-gemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe,

 die Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und

 zur Plagiatskontrolle eine digitale Version der Arbeit eingereicht habe, die mit der gedruckten Version übereinstimmt.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

(Unterschrift) (Ort, Datum)

(6)

6

A

FFIDAVIT

I hereby declare in lieu of an oath that

 the submitted academic paper is entirely my own work and that no auxiliary materials have been used other than those indicated,

 I have fully disclosed all assistance received from third parties during the process of writing the paper, including any significant advice from supervisors,

 any contents taken from the works of third parties or my own works that have been included either literally or in spirit have been appropriately marked and the respective source of the information has been clearly identified with precise bibliographical references (e.g. in footnotes),

 to date, I have not submitted this paper to an examining authority either in Austria or abroad and that

 the digital version of the paper submitted for the purpose of plagiarism assessment is fully consistent with the printed version.

I am aware that a declaration contrary to the facts will have legal consequences.

(Signature) (Place, date)

(7)

7

I

NHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ... 9

2. BEGRIFFSDEFINITIONEN ... 11

2.1. LERNSCHWIERIGKEIT,LERNSCHWÄCHE,BEHINDERUNG,BEEINTRÄCHTIGUNG,STÖRUNG… ... 11

2.2. INKLUSION... 11

2.2.1. GEMÄßIGTES VS. RADIKALES INKLUSIONSVERSTÄNDNIS ... 15

2.3. DIVERSITÄT... 16

2.3.1. INTERSEKTIONALITÄT ... 18

2.3.2. HETEROGENITÄT VS.HOMOGENITÄT ... 21

2.4. BILDUNGSGERECHTIGKEIT ... 22

2.5. BILDUNGSSTANDARDS ... 24

2.6. SPFSOZIALPÄDAGOGISCHER FÖRDERBEDARF ... 25

2.7. UNIVERSAL DESIGN BARRIEREFREIES BAUEN ... 26

3. DER WEG VON DER EXKLUSION ZUR INKLUSION ... 33

3.1. VON DER HOMOGENITÄT ZUR DIVERSITÄT ... 35

3.2. DIE STELLUNG DER SONDERPÄDAGOGIK IN DER INKLUSIONSTHEMATIK ... 36

4. AKTUELLE FORSCHUNGEN ZUM THEMA SCHULISCHE INKLUSION ... 38

4.1. DIE UN-BEHINDERTENRECHTSKONVENTION GIBT DEN ANSTOß ... 38

4.2. SONDERSCHULEN IN ÖSTERREICH ... 40

4.2.1. ABSCHAFFUNG DER SONDERSCHULEN AUFGRUND DER UN-BRK ... 41

4.2.2. PHÄNOMEN:TROTZ DER RATIFIZIERUNG DER UN-BRK NIMMT DIE ZAHL DER SONDERSCHÜLER/- SCHÜLERINNEN ZU WER SIND DIE SCHÜLER/SCHÜLERINNEN? ... 41

4.3. POSITIVE PÄDAGOGIK ... 42

4.4. INKLUSIVE SCHULE EINE SCHULE FÜR WIRKLICHALLE ... 44

4.4.1. SCHÜLER/SCHÜLERINNEN MIT „KOMPLEXER BEHINDERUNG“ ... 44

4.4.2. KONSTANTE PROFESSIONELLE BEGLEITUNG ... 46

4.4.3. MATERIELLE UND SACHLICHE ANFORDERUNG ... 47

(8)

8

4.4.4. SCHULORGANISATION ... 47

4.4.5. METHODISCH-DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN ... 48

4.5. DIE MATHETIK NEBEN DER DIDAKTIK BEDEUTSAME METHODE DER INKLUSION ... 49

4.6. TECHNISCHE HILFSMITTEL IM INKLUSIVEN UNTERRICHT ... 51

4.7. BILANZIERUNG DER AKTUELLEN FORSCHUNGEN ... 52

4.8. SCHULISCHE INKLUSION IM INTERNATIONALEN VERGLEICH ... 52

4.8.1. FINNLAND ... 53

4.8.2. INPRAX INKLUSION IN DER PRAXIS:EIN PROJEKT ZUR INKLUSIVEN SCHULENTWICKLUNG IN SCHLESWIG- HOLSTEIN ... 54

4.8.3. ALBERTA (KANADA) ALS VORREITER INKLUSIVER SCHULEN ... 54

4.9. DISKUSSIONEN UND UNEINIGKEITEN RUND UM DAS THEMA SCHULISCHE INKLUSION ... 60

5. FRAGESTELLUNGEN... 64

6. DATENERHEBUNG ... 66

6.1. FORSCHUNGSMETHODE ... 66

6.2. PROBANDEN/PROBANDINNEN ... 67

6.3. ABLAUF DER INTERVIEWS ... 68

7. DATENANALYSE ... 69

8. ERGEBNISSE ... 73

9. DISKUSSION UND AUSBLICK ... 89

LITERATURVERZEICHNIS ... 111

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ... 120

TABELLENVERZEICHNIS ... 120

ANHANG ... 121

(9)

9

1. E

INLEITUNG

Schon seit einigen Jahren laufen die Diskussionen über die Unterzeichnung und Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention und damit einhergehend die Abschaffung der Sonderschulen heiß. Verschiedene Stimmen werden dazu laut, doch es scheint so, als ob man sich zu diesem Thema nicht einig werden könne. Die vorliegende Arbeit kann keine ultimative Lösung für die Inklusions-Debatte anbieten, soll jedoch das Thema Schulische Inklusion aus der Sicht der Sozialpädagogen/- pädagoginnen und Sonderschullehrer/-lehrerinnen beschreiben, mit dem zusätzlichen Blick auf die Sonderschulen und die Rolle der dort Wirkenden.

Das Konzept der Schulischen Inklusion soll, sofern die optimalen Voraussetzungen gegeben sind, eine ideale Lernumgebung für alle Kinder bieten. Dennoch gibt es genügend Stimmen, die sich für die Aufrechterhaltung von Sonderschulen und ähnlichen sonderpädagogischen Einrichtungen stark machen. Es sollen im Zuge der vorliegenden Arbeit jene Personen zu Wort kommen, die im schulischen Kontext tagtäglich mit Kindern mit Lernschwierigkeiten zu tun haben. Das vorrangige Interesse bilden dabei die Fragen, welche Ansichten sie hinsichtlich der Schulischen Inklusion vertreten und ob es möglicherweise eine Tendenz zurück zur Integration gibt.

Eines meiner Praktika absolvierte ich bei der Lebenshilfe und seit mehr als drei Jahren arbeite ich im Rahmen eines sozialen Dienstleistungsvereins, zuerst bei der mobilen Lernförderung und seit 2015 als pädagogische Assistenz an einer Polytechnischen Schule. Aber erst eine Lehrveranstaltung im Sommersemester 2014 bewegte mich dazu, mich näher mit dem Thema der Inklusion und speziell mit jenem der Schulischen Inklusion zu beschäftigen. Zum Nachdenken brachte mich eine kritische Aussage des Vortragenden. Dieser meinte, dass die Grundidee von Inklusion die allgemeine Vorbereitung von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf das Leben in der Gesellschaft sei. Dies könne doch auch in einem geschützten Rahmen geschehen. Denn es sei nicht für jeden Menschen die beste Lösung, zwingend dem Regelunterricht beizuwohnen.

(10)

10 Pädagogen/Pädagoginnen, die schon jahrelang in Sonderschulen und anderen sozialen Einrichtungen tätig sind, müssten doch am besten wissen, welche Bedürfnisse Kinder mit Lernschwierigkeiten haben. Wenn Schulische Inklusion aus der Sicht jener Pädagogen/Pädagoginnen beleuchtet wird, könnte dies sehr viel dazu beitragen, Lösungsansätze in der Inklusionsdebatte zu finden.

(11)

11

2. B

EGRIFFSDEFINITIONEN

Schulische Inklusion ist ein umfangreiches Thema. Um schon zuvor einen kurzen Einblick in diesen Gegenstand zu erhalten, wird in diesem Kapitel ein Überblick über einige gängige Begriffe zu dieser Thematik gegeben.

2.1. Lernschwierigkeit, Lernschwäche, Behinderung, Beeinträchtigung, Störung…

Oft werden für etwas mehrere Definitionen verwendet, welche dasselbe meinen. Nach einiger Zeit sind bestimmte Begriffe aber nicht mehr gebräuchlich - sei es aufgrund einer Modeerscheinung oder der politischen Korrektheit. So ist es auch mit oben erwähnten Begriffen. Das folgende Zitat von Josef Ströbl, Vorstandsmitglied von Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.V., trifft es auf den Punkt, weshalb aktuell der Begriff Menschen mit Lernschwierigkeiten verwendet werden soll:

„Früher hat man uns viele Namen gegeben: Irre, Idioten, Geisteskranke oder Schwachsinnige. Diese Wörter sind sehr schlimm. Sie machen uns schlecht. Später hat man uns den Namen geistig Behinderte gegeben. Man hat gemeint, der Name ist besser als die anderen Wörter. Wir von Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.

V. finden, dass die Wörter geistig behindert uns auch schlecht machen. Sie passen nicht dazu, wie wir uns selbst sehen. Bei den Worten geistig behindert denken viele Menschen, dass wir dumm sind und nichts lernen können. Das stimmt nicht. Wir lernen anders. Wir lernen manchmal langsamer oder brauchen besondere Unterstützung.

Deshalb wollen wir Menschen mit Lernschwierigkeiten genannt werden. Wir fordern, dass die Wörter geistig behindert nicht mehr benutzt werden!“ (Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V., 2017, o.S.)

Da an manchen Stellen der Sinn des Wortes nicht bestehen bliebe, werden in der vorliegenden Arbeit – wenn es notwendig erscheint – auch andere Begriffe als Menschen mit Lernschwierigkeiten verwendet.

2.2. Inklusion

Da es so viele unterschiedliche Auffassungen von Inklusion gibt, ist es schwierig, sich auf eine einheitliche Definition zu einigen. Auf den ersten Blick scheinen die Erklärungen treffend formuliert zu sein. Weil es sich aber bei der Inklusion um eine so komplexe Thematik handelt, scheint es unmöglich, eine eindeutige und allgemein

(12)

12 gültige Definition zu finden. Alfred Sander erklärt den Begriff der Inklusion in drei Stadien:

1. Inklusion I hat dieselbe Bedeutung wie Integration. Die Begriffe werden synonym verwendet. Es geht dabei um den gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Lernschwierigkeiten. Ein solcher Inklusionsbegriff ist unnötig und verzichtbar.

2. Inklusion II ist die von allen Fehlformen bereinigte Integration von Kindern mit Lernschwierigkeiten. Damit ist nicht nur die Teilhabe von Schülern/Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten in einer Regelschule gemeint, sondern die prinzipielle Berücksichtigung der Verschiedenheit der Schüler/Schülerinnen im gemeinsamen Unterricht und die Akzeptanz der natürlichen Vielfalt in der Klasse.

3. Inklusion III beschreibt schließlich jene Form von Schule und Unterricht, in der alle Kinder und Jugendlichen, ungeachtet ihrer individuellen pädagogischen Bedürfnisse, gemeinsam lernen. D.h. in einer inklusiven Klasse gilt die Aufmerksamkeit der kooperierenden Lehrkräfte neben „behinderten“

Schülern/Schülerinnen auch anderen Schülern/Schülerinnen mit ihren besonderen pädagogischen Bedürfnissen. Jeder hat ein Anrecht auf individuelle Unterstützung in einem gemeinsamen Unterricht.

(Vgl. Sander, 2006, S. 4ff).

Peter J. Brenner beschreibt Inklusion als das Anstreben einer unterschiedslosen Gleichbehandlung aller Schüler/Schülerinnen, egal welche Besonderheiten sie aufweisen. Die Grundidee dieser inklusiven Pädagogik wird weniger von der Pädagogik als aus den Menschenrechten hergeleitet. Denn diese besagen, dass alle Menschen gleich sind und deshalb muss es auch möglich sein, alle Kinder gemeinsam zu unterrichten. Fraglich ist nun, ob es wirklich gerecht ist, Ungleiches gleich zu behandeln? Die bloße Anerkennung der Verschiedenheit bringt den Schülern/Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten im Unterricht recht wenig. Zusätzlich müssten kompetente pädagogische und didaktische Unterstützungssysteme umgesetzt werden. Die Verschiedenheit gilt auch für die Arten der Lernschwierigkeiten. Auch hier hat die Lehrkraft die Pflicht, sich jedem Kind so zu widmen und es so zu fördern, wie es seine individuelle Lernschwierigkeit erfordert, egal ob es sich dabei um eine Seh-, Hör- oder eine andere Art von Behinderung

(13)

13 handelt. Auf diese Gegebenheiten muss sich eine Schule einstellen. Dazu ist in erster Linie keine sonderpädagogische Ausbildung vonnöten, sondern eine adäquate pädagogische Einstellung.

(Vgl. Brenner, 2010, S. 95f.).

Eine weitere Definition von Inklusion ist jene von Aktion Mensch e.V. Auch diese trennt die Begriffe Inklusion und Integration, welche fälschlicherweise oft synonym verwendet werden, deutlich:

Der Begriff der Inklusion (lat. includere = einbeziehen) wird in Abgrenzung zum Begriff der Integration verwendet. Während bei der Integration Menschen nachträglich eingegliedert werden, handelt Inklusion davon, die Gesellschaft von Anfang an so zu gestalten, dass jeder Mensch gleichberechtigt an allen Prozessen teilhaben und sie mitgestalten kann. Dies geschieht unabhängig von individuellen Fähigkeiten, ethnischer wie sozialer Herkunft, Geschlecht oder Alter. Die Ansätze der Inklusiven Pädagogik betonen die Vielfalt in Bildung und Erziehung als Bereicherung für alle.

Soziale Kompetenzen und gegenseitiger Respekt werden gefördert und niemand wird mehr vom gemeinsamen Lernen und Leben ausgeschlossen.

(Vgl. Aktion Mensch e.V., 2012, S. 3).

Abbildung 1 gibt einen bildlichen Überblick über Inklusion, Integration, Separation (Aussonderung) und Exklusion (Ausschluss):

Abb. 1: Soziale Inklusion (vgl. Selbstbestimmt Leben, 2012, o.S.)

(14)

14 Der zentrale Unterschied zwischen den Begriffen Integration und Inklusion besteht laut Annette Textor in der Perspektive. Während der Integrationsbegriff eher an den zu integrierenden Individuen orientiert ist, ist der Inklusionsbegriff systemorientiert.

Integration geht in diesem Falle von zwei Gruppen aus: Eine, die integriert, und eine andere, die integriert werden soll. Ziel dabei ist es, eine heterogene Gruppe zu bilden.

Integration hat aber nichts mit der Anpassung einer Minderheit an eine Mehrheit zu tun, sondern sie beschreibt ein gegenseitiges Aufeinander-Zugehen. Bei dem Begriff der Inklusion liegt hingegen das Augenmerk auf der Beschreibung von Systemen, nicht von Personen. Ein inklusives System bedeutet das Vorhandensein von nur einer heterogenen Gruppe, zu der alle Personen - unabhängig von ihren individuellen Voraussetzungen - einen gleichberechtigten Zugang haben, und mit der pädagogisch gearbeitet wird. Im schulischen Bereich bedeutet Integration, dass Schüler/Schülerinnen mit sonderpädagogischem Förderbedarf innerhalb der Gruppe der Schüler/Schülerinnen ohne Lernschwierigkeiten beschult werden, an Unterricht und Schulleben gleichberechtigt teilnehmen und auch sozial eingebunden werden – wozu Unterricht und Schulleben eventuell auch angepasst werden. In der Regel werden sie aber weiterhin als eigenständige Gruppe mit spezifischen Merkmalen wahrgenommen, für die spezifische Fördermaßnahmen durchgeführt werden. Die Inklusion hingegen ist eine Pädagogik der Vielfalt und eröffnet die Perspektive auf Schule als ein Miteinander, in dem von vornherein keine Ausgrenzung erfolgt – und später selbstverständlich auch nicht. Eine inklusive Pädagogik ist also eine Pädagogik für alle Schüler/Schülerinnen und somit keine Sonderpädagogik.

(Vgl. Textor, 2015, S. 29f.).

Die inklusive Pädagogik steht für die Idee einer „Schule für alle“, in der Kinder nicht befürchten müssen, aufgrund besonderer Schwächen oder Stärken weniger akzeptiert oder gar aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Eine der Hauptaufgaben dieser Schule ist es, allen Kindern und Jugendlichen gleichberechtigt und unter Berücksichtigung ihrer individuellen Voraussetzungen die notwendigen Kompetenzen für ein humanes, demokratisches und solidarisches Zusammenleben innerhalb der Gemeinschaft zu vermitteln. Neben der Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf befasst sich die Inklusive Pädagogik mit einem gleichberechtigten, barrierefreien und qualitätsvollen Umgang mit Heterogenität aufgrund unterschiedlicher Begabungen, Lernschwierigkeiten, sozialer, kultureller und

(15)

15 weltanschaulich religiöser Herkunft, geschlechtsspezifischer und altersbedingter Bedarfe. Somit vereint sie die bisher getrennten Bereiche Sonderpädagogik, Integrationspädagogik, Begabungsförderung, interkulturelles Lernen und geschlechtersensible Pädagogik. Innovative Lehr- und Lernformen ermöglichen den gleichen, freien und gemeinsamen Zugang zu entwicklungsorientierten, individualisierenden Lernangeboten für alle Schüler/Schülerinnen in allen Schulen unter Einbeziehung ihrer Lebenswelten.

(Vgl. PHOÖ, o.J., o.S.).

2.2.1. Gemäßigtes vs. radikales Inklusionsverständnis

Wie bereits erwähnt, gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine inklusive Schule oder Pädagogik auszusehen hat.

Anders als beim radikalen Inklusionsverständnis, wird bei einem gemäßigten Inklusionsverständnis das Bisherige mehr wertgeschätzt. Es soll eine Förderung auf höherem Niveau stattfinden, wobei jedoch nur eine schrittweise Verbesserung der Lebens- und Lernsituationen angestrebt wird. Es besteht die Befürchtung, dass eine unzureichend vorbereitete und fachlich unbedachte Auflösung spezieller pädagogischer Institutionen und Settings zu mehr Nachteilen als Vorteilen führen könnte

(Vgl. Ahrbeck, 2014, S. 7f.).

Ines Boban, Robert Kruschel und Anja Wetzel beschreiben hingegen in ihrem Artikel Doing Inclusion – radikal und expansiv, dass die Nutzung des Begriffs Inklusion nur dann einen Sinn macht, wenn damit eine an die Wurzeln gehende Haltung verbunden ist, und dass es in diesem Sinne radikal zu denken und zu handeln gilt:

„Muss der Mensch als wildes Tier erst sozialisiert werden, weil er im struggle for survival immer zur Konkurrenz und Gewalt neigt? Oder kommen Menschen bereits mit Empathie ausgestattet zur Welt und ist die Zerstörung der Bedürfnisbewusstheit und Kooperationsbereitschaft ein komplizierter Prozess, der als Erziehung bezeichnet wird?“

(Boban, Kruschel & Wetzel, 2013, S. 81f.).

Die o.g. Autoren beschäftigen sich anhand dieser Fragen mit der menschlichen Entwicklung und kommen dabei zu dem Entschluss, dass es unmöglich ist, beiden Agenden – quasi einem gemäßigten Inklusionsverständnis – zu folgen, da dies zu

(16)

16 einem Dilemma führt. Zusätzlich handelt es sich dabei um die Realisierung von Menschenrechten, also muss man einfach radikal vorgehen. Dass eine radikale Vorgehensweise auch möglich ist, zeigen laut den Autoren die raschen Veränderungen an ostdeutschen Schulen nach dem Mauerfall - ein Beweis dafür, dass auch radikale Veränderungen sehr zügig vollzogen werden können, wenn die politische Konstellation entsprechend orientiert und gewillt ist.

(Vgl. ebd., S. 82f.).

Es stehen sich also zwei unterschiedliche Arten des Inklusinsverständnisses gegenüber. Neben dem angestrebten Reformtempo unterscheiden sie sich zusätzlich in der Frage, ob eine ungetrennte Gemeinsamkeit aller Schüler das ausschließlich gültige Ziel sein kann. Auch der Stellenwert der intraindividuellen und interindividuellen Leistungsbewertung ist bei den Inklusionsverständnissen verschieden. Primär geht es dabei um die Akzeptanz oder die (weitgehende) Ablehnung von Bildungsstandards.

Unterschiedlich sind auch die Meinungen der bisherigen sonderpädagogischen Förderkategorien. Die gemäßigte Seite hält diese für unverzichtbar. Unter dem Stichwort der Dekategorisierung wird von der radikalen Seite verlangt, diese weitgehend oder gar vollständig abzuschaffen.

(Vgl. Ahrbeck, 2014, S. 7).

2.3. Diversität

Unter Diversität wird die soziale und kulturelle Vielfalt verstanden (vgl. Fuchs, 2007, S.

17), welche die Unterschiede zwischen Menschen markiert (vgl. Fuhr, 2014, S. 25).

Des Weiteren folgen der reinen Diversität laut Fuchs keine sozialen Konsequenzen.

Es ist vielmehr entscheidend, wie mit der Diversität umgegangen wird, also wie die Gesellschaft Differenzierungen schafft und wie sie auf Differenzen Bezug nimmt (vgl.

Fuchs, 2007, S. 17f.).

Differenzen sind von Bedeutung, wenn es darum geht, dass tatsächliche oder zugeschriebene Unterschiede zwischen Individuen und sozialen Gruppen keine Ungleichbehandlung begründen und rechtfertigen sollen.

(Vgl. Hormel & Scherr, 2004, S. 203).

(17)

17 Cristina Allemann-Ghionda (2013) bezieht sich in ihrem Verständnis von Diversität auf zwei Autoren:

 Laut Amartya Sen (1995, S. xi) sind wir alle sowohl bezüglich unserer „internen Merkmale“ (wie Alter, Geschlecht, Fähigkeiten und Talente, Neigung zu Krankheiten etc.) als auch „externen Umstände“ (wie Sicherheit, sozialer Hintergrund, Umwelteinflüsse etc.) grundverschieden. Gerade wegen dieser Vielfalt („diversity“) mag es sein, dass wir, obwohl wir mit einer Gruppe bezüglich einer Eigenschaft harmonieren, bezogen auf andere Eigenschaften grundverschieden sind.

 Marshall H. Segall et al. beschreiben die Vielfalt in der Gesellschaft als „Gewürz des Lebens“. Bezogen auf ihre Studien der menschlichen Verhaltensweisen in ihren „ökokulturellen Zusammenhängen“ ermöglicht die Vielfalt Vorteile in der Diplomatie und im Handel ebenso wie in der sozialen Anpassungsfähigkeit. Wer sich nämlich der Vielfalt der sich ständig ändernden Werte- und Normensysteme in den unterschiedlichen Kulturen bewusst ist, kann sich leichter auf neue Anforderungen einstellen.

(Vgl. Allemann-Ghionda, 2013, S. 17f.)

Allemann-Ghionda weist darauf hin, dass diese zwei Ansätze den Eindruck erwecken, dass Diversität eher ein normales Phänomen sei und keine Ausnahme. Es werde also gleichzeitig definiert, was Normalität sei.

(Vgl. ebd., S. 18).

Durch den Diversitätsansatz soll nicht nur auf die Vielfalt der Differenzen und die Heterogenität von Identitäten aufmerksam gemacht werden, sondern auch auf die Verknüpfungen mit Fragen nach Macht und Abhängigkeit. Der Diversitätsansatz ist eine Weiterentwicklung antirassistischer und interkultureller Pädagogik, welche Annahmen über die Bedeutung kultureller Zugehörigkeiten und Unterschiede kritisch betrachtet. Das Ziel soll nicht die Aneignung von Toleranzen, sondern eine gegenseitige Anerkennung und das Erlernen eines aktiven Umganges mit Unterschieden sein. Dabei spielen Selbstreflexion und kritisches Hinterfragen der persönlichen Vorstellungen von Normalität eine bedeutende Rolle. Da Diversitäten

(18)

18

„Ergebnisse sozialer Handlungen“ – also gemacht – sind, können diese Zuschreibungen auch verändert bzw. umgedeutet werden.

(Vgl. IMST, 2012, S. 1).

Unterschiede beschränken sich meist nicht nur auf eine Kategorie/Dimension, sondern verschwimmen meist in verschiedene Kategorien. Dies wird auch Intersektionalität genannt.

(Vgl. ebd., S. 2).

2.3.1. Intersektionalität

Dieser Begriff geht auf die Frauenbewegung afrikanischer und afroamerikanischer Frauen zurück, die aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts diskriminiert wurden (vgl. Krüger-Potratz, 2011, S. 192). Sie sind also nicht nur bezüglich einer Kategorie diskriminiert worden, sondern gleich in zwei oder mehreren.

Intersektionalität beschreibt Überschneidungen, Verschränkungen und Schnittmengen von beispielsweise verschiedenen Strukturkategorien in einer Person (vgl. IMST, 2015, S. 1). Es geht dabei um die Wahrnehmung von Komplexitäten. Durch die Intersektionalität wird eine Wechselbeziehung zwischen Dimensionen sozialer Macht- , Herrschafts- und Normierungsverhältnisse wie Geschlecht, soziales Milieu, Migrationshintergrund, Nation, Ethnizität, Rasse, sexuelle Orientierung, Behinderung, Generation u.dgl.m. ins Zentrum gerückt. Diese Dimensionen sozialer Ungleichheit können nicht isoliert voneinander analysiert werden, sondern müssen in ihren Überschneidungen oder Wechselverhältnissen untersucht werden.

(Vgl. IMST, 2012, S. 2).

Das auf der folgenden Seite abgebildete Diversitäts-Rad bietet eine anschauliche Übersicht über die unterschiedlichen Dimensionen:

(19)

19

Abb. 2: Diversitätsrad (vgl. IQ Multiplikatorenprojekt Transfer., o.J., o.S.)

Im schulischen Alltag kommen u.a. die Dimensionen Hautfarbe, ethnische Zugehörigkeit, physische und psychische Fähigkeiten, Geschlecht und Alter zu tragen.

Diese werden relativ schnell bewusst wahrgenommen. Zu jenen Dimensionen, die nicht sofort wahrnehmbar sind, gehören beispielsweise sexuelle Orientierung, Freizeitverhalten, (Bildungs-)Schicht und soziale Herkunft.

(Vgl. IMST, 2012, S. 3f.).

Zusammenhänge diverser Diversitätskategorien können im Bereich Schule folgendermaßen aussehen:

(20)

20 Behinderung und Bildung:

 Nur ein geringer Anteil von Menschen mit Lernschwierigkeiten hat in Österreich eine Matura.

 Sonderschule vs. Inklusion

 Wie sieht es mit der räumlichen Ausstattung, den Unterrichtsmethoden, Unterrichtsmaterialien und der Barrierefreiheit an den Schulen aus?

Ethnizität und Bildung:

 Warum gibt es bei Schulabschlüssen starke Unterschiede nach Herkunftsländern?

 Werden diverse Sprach- und Kulturkenntnisse wertgeschätzt und wie wird mit kulturellen Konflikten umgegangen?

Sexuelle Orientierung und Bildung:

 Die Thematik soll enttabuisiert und Mobbing aufgrund der sexuellen Orientierung vermieden werden.

Religion/Weltanschauung und Bildung:

 Wie sieht in der Schule der Umgang mit religiösen Symbolen, Vorschriften und Ritualen aus?

 Antisemitismus und Islamophobie sollen bekämpft werden.

(Vgl. ebd. S. 4f.).

An einer Schule sollten alle die Diversität der einzelnen Menschen anerkennen und als Potentiale nutzen. Denn momentan ist der Unterricht an den Schulen meist noch so gestaltet, dass in einer Stunde alle Kinder dasselbe lernen können und sollen. Dies wiederum bedeutet, dass Unterschiede wenig beachtet und die individuellen Fähigkeiten der Schüler/Schülerinnen nicht entsprechend gefördert werden.

(Vgl. ebd. S.5).

Die intersektionale Pädagogik steht für ein Bildungssystem und für Unterrichtsinhalte, die darauf aufgebaut sind, dass alle Schüler/Schülerinnen gleiche Chancen sowie gleichberechtigte Zugänge zu Wissen und bei der Wissensvermittlung haben.

Gleichzeitig ist aber der Unterricht überwiegend auf einen Normschüler (z.B. Deutsch als Erstsprache, Unterstützung von Zuhause, keine körperlichen Einschränkungen, weiß, männlich u.dgl.m.) ausgerichtet.

(Vgl. IMST, 2015, S. 5).

(21)

21 2.3.2. Heterogenität vs. Homogenität

Der Begriff der Heterogenität besagt, dass es „Verhältnisse zwischen Verschiedenen“

gibt, diese aber „einander nicht untergeordnet sind“. Diese Vorstellung des von einander nicht untergeordneten Verschiedenen ist in Bezug auf die Menschenrechts- und Demokratiemodelle von sehr großer Bedeutung.

(Vgl. Heinzel & Prengel, 2012, o.S.).

Was die Heterogenität für den Schulunterricht bedeutet, erklärt Ingvelde Scholz in ihrem Buch „Das heterogene Klassenzimmer“: Sie versteht darunter die Verschiedenheit der Schüler/Schülerinnen im Hinblick auf ein oder mehrere Merkmale.

Dabei treten verschiedene Dimensionen der Heterogenität zutage:

Vertikale Heterogenität: Wird die Quantität und Komplexität der Anforderungen gesteigert, so zeigt sich das unterschiedliche Leistungsvermögen der Schüler/Schülerinnen.

Horizontale Heterogenität: Schüler/Schülerinnen haben verschiedene Interessen, Lernwege und Zugangsweisen zu einem Thema oder einer Aufgabenstellung. Diesen wird in der Schule oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl gerade darin oft der Schlüssel zum Lernerfolg liegt.

(Vgl. Scholz, 2012, S. 9).

Im Gegensatz zu Diversität hat Heterogenität einen Gegenpart – die Homogenität.

Carola Gröhlich, Katja Scharenberg und Wilfried Bos (2009) beziehen sich bei dem Begriff der Homogenität auf die Schülermerkmale (u.a. Vorwissen, kognitive Fähigkeiten, soziale Lage) und meinen dazu, diese seien als identisch zu verstehen.

In der Schulpädagogik ist dann von Homogenität die Rede, wenn zur Erreichung identischer Ziele – dem Lehrplan entsprechend – identische schulpädagogische Maßnahmen eingesetzt werden können (vgl. Stöger & Ziegler, 2014, S. 7).

Der Begriff der Homogenität ist jedoch mit seiner Bedeutung Einheitlichkeit eher positiv konnotiert. Denn bezüglich der Heterogenität erscheint es oft so, dass Verschiedenheit Unübersichtlichkeit und Schwierigkeit bedeuten könne. Der Begriff der Diversität lässt bei Verschiedenheit weniger an Konflikte denken als vielmehr an die Konfliktverhinderung, wenn Diversität als Personalentwicklungsansatz gelebt wird.

(Vgl. Krüger-Potratz, 2011, S. 191).

(22)

22

2.4. Bildungsgerechtigkeit

Das Verständnis von Bildungsgerechtigkeit basiert in Österreich auf dem 14. Artikel Absatz 5a der Bundesverfassung (2005). Somit bedeutet Bildungsgerechtigkeit die Sicherung eines höchstmöglichen Bildungsniveaus, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund der Schüler/Schülerinnen. Dazu bezeichnen Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber Menschen die Grundwerte der Schulen. Entsprechend seiner/ihrer Entwicklung und seinem/ihrem Bildungsweg soll ein/e Jugendliche/Jugendlicher zu eigenständigem Denken befähigt werden, gegenüber politischem, religiösem und weltanschaulichem Denken anderer aufgeschlossen sein und lernen, am Kultur- und Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teilzunehmen.

(Vgl. BGBl, 2005, S. 1).

Anhand der Verfassung sollen also eine herkunftsunabhängige Chancengleichheit und ein garantiertes Bildungsminimum, welche eine erfolgreiche Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen, garantiert werden.

(Vgl. Herzog-Punzenberger, 2012, S. 190).

Allgemein bekannt ist laut JohannesGiesinger, dass dann die Bildungsgerechtigkeit in einer Gesellschaft erreicht ist, wenn auch Chancengleichheit gegeben ist. Doch diese beiden Begriffe eindeutig zu definieren, sei nach Giesinger schwierig. Allein schon bei der „Chancengleichheit“ habe das Wort Chance zwei Bedeutungen – Wahrscheinlichkeit und Gelegenheit. Wäre Chancengleichheit schon erreicht, wenn für sozial benachteiligte Kinder die Wahrscheinlichkeit, in der Schule erfolgreich zu sein, gleich groß wäre wie für Kinder aus der Mittelschicht? Oder ist damit gemeint, jemandem die Gelegenheit zu einer erfolgreichen Schullaufbahn zu geben? Im Weiteren werde deutlich, dass es unterschiedliche Auffassungen von

„Chancengleichheit“ gebe. Sie reichen von der „[…] minimalen Forderung nach Diskriminierung bis hin zur Idee der Neutralisierung von bloßem Glück oder Pech […]“

(vgl. Giesinger, 2007, S. 373). Giesinger meint weiter, dass durch diese unterschiedlichen Auffassungen des Begriffes eine Forderung nach Chancengleichheit wenig aussagekräftig sei. Der Begriff der Bildungsgerechtigkeit ist bei ihm hingegen schon genauer definiert. Dieser ist nämlich zwischen den beiden

(23)

23 vorher genannten Auffassungen angesiedelt. So sollen ungleiche Bildungserfolge, die durch eine soziale Benachteiligung entstehen (inner- wie außerschulisch), durch passende Mittel „neutralisiert“ werden. Nun entsteht aber die Frage, warum soziale, nicht aber natürliche Ungleichheit neutralisiert werden soll? Die Gesellschaft trägt zwar keinerlei Verantwortung für genetisch verursachte Schwächen, dies impliziert aber nicht, dass sie nicht verpflichtet ist, besondere Mittel für ihre Behebung bereitzustellen.

(Vgl. ebd.).

Allein schon die Überlegungen dahingehend, was nun zu neutralisieren ist, würden es, gemessen am Endergebnis, erschweren festzustellen, wann Bildungsgerechtigkeit erreicht ist (vgl. Ahrbeck, 2014, S. 91).

Brenner meint hingegen, der Begriff „Bildungsgerechtigkeit“ werde eher intuitiv verwendet, denn seine Bedeutung sei nicht geklärt. Ungeachtet dieser Unklarheit sei in Deutschland der Eindruck entstanden, dass das deutsche Bildungswesen ungerecht sei. Vor allem die Pisa-Studien sollen Anlass zu diesem Eindruck gegeben haben. Es sollen dabei immer wieder Ungleichheiten in den einzelnen Kompetenzen basierend auf sozialen Herkunftsverhältnissen festgestellt werden. Allerdings werde auf eine Gerechtigkeitsdebatte weitgehend verzichtet, obwohl im Vorwort der ersten Pisa- Studie die Frage nach der „Bildungsgerechtigkeit“ das erste Mal gestellt werde.

(Vgl. Brenner, 2010, S. 13f.).

Ein Vorläuferbegriff von „Bildungsgerechtigkeit“ ist „Chancengleichheit“. Jedoch sei bei diesem ehemals gebräuchlichen Begriff die Frage offen geblieben, ob alle Schüler/Schülerinnen gleich zu behandeln seien oder radikal verschieden – nämlich ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend.

(Vgl. ebd. S. 14).

Bernd Ahrbeck schließt sich der Meinung Brenners an, wenn es darum geht, dass es in der Literatur meist offen bleibe, was unter „Bildungsgerechtigkeit“ konkret verstanden werde. Verbunden mit seinen Überlegungen bezüglich dessen, was denn

„Bildungsgerechtigkeit“ wirklich bedeute, stellt er sich folgende Fragen:

(24)

24

 Ist es das Ziel einer besseren kognitiven Entwicklung, dass sie zumindest einem Teil der Schüler/Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten erhöhte Chancen im Kampf um Schulabschlüsse und Ausbildungsplätze ermöglicht?

 Werden Bildungschancen auch als soziale Erfahrungen verstanden, die einen positiven Einfluss auf die Bewältigung des alltäglichen Lebens haben könnten?

 Ist mit „Bildungsgerechtigkeit“ ein rein subjektives Befinden gemeint, welches sich innerhalb der Bildungsprozesse entwickeln soll, ohne jegliche Konkurrenzgedanken der Schüler/Schülerinnen und Lehrkräfte?

(Vgl. Ahrbeck, 2014, S. 89)

2.5. Bildungsstandards

Aufgrund der unbefriedigenden Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudien sind die nationalen Bildungsstandards entstanden. Diese sollen als Unterstützung dienen, damit die Bildungschancen für alle Schüler/Schülerinnen verbessert werden.

(Vgl. Becker-Mrotzek, 2012, S. 273).

„Bildungsstandards sind konkret formulierte Lernergebnisse, die sich aus den Lehrplänen ableiten lassen. Sie legen jene Kompetenzen fest, die Schüler/innen bis zum Ende der 4. Schulstufe in Deutsch und Mathematik sowie bis zum Ende der 8. Schulstufe in Deutsch, Mathematik und Englisch nachhaltig erworben haben sollen. Dabei handelt es sich um Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen, die für die weitere schulische und berufliche Bildung von zentraler Bedeutung sind.“ (bifie, 2015, o.S.)

Durch diese Bildungsstandards sollen im österreichischen Schulsystem mehr Verbindlichkeit sowie grundlegende Kompetenzen bei allen Schülern/Schülerinnen sichergestellt werden. Dadurch würden Bildungsziele auch für Lernende und Lehrende transparent, vergleichbar und Lehrkräfte orientierten sich daran, was Schüler/Schülerinnen zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Schullaufbahn können sollen.

Dieser Vergleichsmaßstab soll die Grundlage für individuelle Fördermaßnahmen darstellen.

(Vgl. ebd.).

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur definiert Bildungsstandards als eine systematische Auswahl grundlegender Kompetenzen, die im Unterricht

(25)

25 nachhaltig zu entwickeln seien. Diese Kompetenzen seien sowohl für die weitere schulische als auch für die berufliche Bildung von wesentlicher Bedeutung.

(Vgl. Bmuk, 2012, S. 4f.).

Des Weiteren sollen Bildungsstandards drei Funktionen erfüllen:

1. Orientierungsfunktion: Die Bildungsstandards geben Kompetenzen vor, die Schüler/Schülerinnen bis zum Ende der 4. bzw. 8. Schulstufe innehaben sollen.

Es wird nicht auf flüchtiges Wissen, sondern auf den nachhaltigen Kompetenzaufbau gesetzt.

2. Förderungsfunktion: Bildungsstandards geben Richtlinien vor, wie die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern während der gesamten Schulzeit auszusehen hat. Für die Planung und Gestaltung des Unterrichts würden daher die Bildungsstandards eine wesentliche Rolle spielen.

3. Evaluationsfunktion: Bildungsstandards werden regelmäßig überprüft. Dabei werden die von den Schülerinnen und Schülern erworbenen Kompetenzen festgestellt und mit den angestrebten Lernergebnissen verglichen. Die Rückmeldung der Ergebnisse soll der Qualitätsentwicklung am jeweiligen Standort dienen, im Bundesland und bundesweit.

(Vgl. ebd.).

2.6. SPF – Sozialpädagogischer Förderbedarf

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen (bmbf) schreibt vor, dass schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (im Weiteren SPF) das Recht auf die allgemeine Schulpflicht haben. Unterrichtet werden sie entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule bzw. Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllenden Volksschule, Hauptschule, Neuen Mittelschule, Polytechnischen Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder Haushaltungsschule. Soweit also solche Schulen (Klassen) vorhanden sind und der Schulweg den Kindern zumutbar ist, steht einem Schulbesuch nichts im Wege. Sollte der tägliche Schulweg unzumutbar sein, so können Erziehungsberechtigte auch ihre Zustimmung für die Unterbringung des Kindes in einem der Schule angegliederten oder sonst geeigneten Schülerheim geben.

(Vgl. bmbf, 2015b, o.S.).

(26)

26 Sobald abzusehen ist, dass der/die Schüler/Schülerin auf Grund einer Lernschwierigkeit dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder in der Polytechnischen Schule ohne besondere Förderung nicht folgen kann, wird ein Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gestellt. Davor sind aber alle pädagogischen Möglichkeiten des allgemeinen Schulwesens voll auszuschöpfen. Entweder passiert dies bereits vor Schuleintritt oder erst später, wenn sich im Laufe der Schulzeit herausstellt, dass das Kind besondere Förderung benötigt.

Der/die Landesschulrat/-rätin bzw. der/die Stadtschulrat/-rätin, an den/die dieser Antrag gerichtet wird, hat in einem Verfahren festzustellen, ob das Kind tatsächlich sonderpädagogische Förderung braucht und welche Schritte der Förderung notwendig sind.

(Vgl. bmbf, 2015b, o.S.).

Im Nationalen Bildungsbericht Österreich 2009 wird allerdings kritisiert, dass die Diagnose von SPF nicht standardisiert sei. Denn es sei innerhalb der einzelnen Bundesländer eine deutliche Streuung der SPF-Quoten erkennbar. Tobias Buchner vom Wiener Institut für Bildungswissenschaft berichtet, dass Studien ein „[…] gewisses Maß an Willkür bei der Diagnose“ (STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H., 2014, o.S.) zeigen würden. Vor allem seien davon Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und solche aus sozial schwachen Schichten betroffen.

(Vgl. Feyerer, 2009, S. 90).

2.7. Universal Design – barrierefreies Bauen

Sobald von Inklusion gesprochen wird, muss auch an Barrierefreiheit gedacht werden.

So kann eine Schule niemals eine inklusive Schule werden, wenn diese nicht barrierefrei (um)gebaut wird. Es sind verschiedene Grundlagen der Planung zu beachten und umzusetzen, um den Zugang für alle Schüler/Schülerinnen, Lehrkräfte, Betreuer/Betreuerinnen und Eltern gewährleisten zu können. Davon abgesehen, dass schon der Weg bis zur Schule barrierefrei sein müsste, werden im Folgenden jene Kriterien genannt, die eine inklusive Schule an baulichen Gegebenheiten aufweisen muss. Sämtliche Angaben beziehen sich auf Normen (ÖNORM) des Austrian Standards Institute – ehemals Österreichisches Normungsinstitut (2005).

(27)

27 Eingang

Wenn möglich muss der Haupteingang, aber zumindest ein Eingang und ein Aufzug des Gebäudes, stufenlos erreichbar sein.

Türen

Türen müssen leicht zu öffnen oder mit einer motorisch unterstützten Öffnungshilfe und einer Schließverzögerung ausgestattet sein. Drehgriffe und eingelassene Griffe müssen vermieden werden. Glastüren und Glasfüllungen in Türen sind zumindest als Einscheiben-Sicherheitsglas anzuführen.

Türbreite: Sämtliche Türen müssen in der Breite eine Durchgangslichte (von der einen Türstockinnenseite bis zur anderen) von mindestens 80 cm aufweisen, wobei sich der Türflügel zu mindestens 90° öffnen lassen muss.

Sollte die Durchgangslichte breiter als 85 cm sein, so muss an der Schließseite ein horizontaler Handgriff in der Höhe von 80 bis 100 cm angebracht sein.

Türhöhe: Alle Türen müssen in der Höhe eine Durchgangslichte von mindestens 200 cm aufweisen.

Türschwelle, Türanschläge: Niveauunterschiede sollten grundsätzlich vermieden werden. Wenn vorhanden, dann sollten diese nicht höher als 2 cm sein. Sind Niveauunterschiede an Außentüren notwendig, dürfen diese maximal 3 cm betragen. Auf gut überrollbare Türschwellen sollte geachtet werden.

Anfahrbereich: Auf beiden Seiten der Türen muss ein Anfahrbereich mit mindestens 120 cm Tiefe und mindestens 150 cm Breite vorhanden sein. Dieser darf durch keinerlei Einbauten eingeschränkt werden. Der seitliche Abstand des Anfahrbereiches muss an der Türdrückerseite, von der Stocklichte aus gemessen, mindestens 50 cm betragen. Vor Drehflügeltüren muss an der Aufgehseite ein größerer Anfahrbereich mit einem Mindestmaß von 200 cm mal 150 cm vorgesehen werden. Das hier Beschriebene wird in der folgenden Grafik nochmals anschaulich dargestellt:

(28)

28

Abb. 3: Beispiel für Anfahrbereiche vor Türen (vgl. Österreichisches Normungsinstitut, 2005, S. 11)

Automatische Türen: Automatische Türen müssen sich frühzeitig öffnen und eine verzögerte Schließbewegung aufweisen. Impulsgeber müssen auch die Bewegungsfläche im Türbereich erfassen.

Glastüren und Glasflächen: Glastüren und große Glasflächen sind innerhalb eines Bereiches von 90 bis 100 cm und im Bereich 150 bis 160 cm über dem Fußboden mit durchgehenden kontrastierenden optischen Markierungen zu kennzeichnen. Diese Markierungen müssen sowohl helle als auch dunkle Anteile haben, um auf wechselnde Lichtverhältnisse im Hintergrund Rücksicht zu nehmen.

Fensterflügel

Ebenso wie bei den Türen sollen diese leicht zu öffnen bzw. zu schließen sein.

Gänge, Flure, Vorräume

Horizontale Verbindungswege wie Gänge, Flure oder Vorräume müssen eine lichte Breite von mindestens 120 cm und eine lichte Höhe von mindestens 210 cm aufweisen. Am Ende dieser Wege oder bei notwendigen Richtungsänderungen muss die Bewegungsfläche mindestens 150 cm Durchmesser aufweisen. Stufen sind zwar zu vermeiden, sind aber Niveauunterschiede vorhanden, müssen diese durch Rampen, Aufzüge oder andere Aufstiegshilfen ausgeglichen werden. Außer Handläufe, die bis maximal 10 cm von der Wand ragen, dürfen keine anderen Hindernisse in den Weg hineinragen.

(29)

29 Treppen und Aufzüge (vertikale Verbindungswege)

Haupttreppen müssen geradläufig sein und eine nutzbare Treppenlaufbreite zwischen den Handläufen von mindestens 120 cm aufweisen. Nach maximal 18 Stufen ist ein Podest vorzusehen, um den Transport mit einer Krankentrage zu erleichtern.

Haupttreppen müssen in ihrer ganzen Länge beidseitig mit einem Handlauf mit einem sicher umfassbaren, abgerundeten Querschnitt ausgestattet sein. Der Handlauf ist in einer Höhe zwischen 90 und 10 cm anzuordnen und soll über die Zwischenpodeste fortgeführt werden. Farblich sollen sich die Handläufe von der Wand abheben. Die Stufen selber müssen eine rutschhemmende Oberfläche aufweisen. Die Stufenhöhe sollte 16 cm nicht überschreiten und die Stufenbreite 30 cm nicht unterschreiten.

Zumindest die erste und letzte Stufe eines Treppenlaufes müssen in der ganzen Treppenbreite an der Vorderkante farblich kontrastierend markiert werden. Vor abwärts führenden Treppen muss, beginnend in einem Abstand von 30 bis 40 cm vor der ersten Stufe, ein taktiles Aufmerksamkeitsfeld über die ganze Treppenbreite in einer Tiefe von 70 bis 100 cm angebracht werden. Folgende Abbildung dient zur Veranschaulichung barrierefreier Treppen:

Abb. 4: Beispiele von Treppen (vgl. ebd. 2005, S. 13)

Sämtliche Aufzüge müssen stufenlos erreichbar sein und mit einer Einrichtung (z.B.

Spiegel) versehen sein, um rückwärtsfahrenden Rollstuhlfahrern die Sicht in die Bewegungsfläche vor dem Aufzug zu ermöglichen. Das Innere des Fahrkorbes muss eine Breite von mindestens 110 cm und eine Tiefe von mindestens 140 cm aufweisen.

(30)

30 Für Aufzüge mit über Eck angeordneten Türen ist eine Mindestgröße von 150 cm mal 150 cm vorzusehen. Die Aufzugstüren sind als automatisch öffnende Schiebetüren mit einer lichten Durchgangsbreite von mindestens 90 cm auszuführen. Der freie Bereich vor den Aufzugstüren muss eine Tiefe von mindestens 150 cm aufweisen. Kann ein abwärts führender Stiegenlauf gegenüber der Schachttüre nicht vermieden werden, so muss der Abstand von der Türe mindestens 200 cm betragen (siehe Abbildung 5).

Bezüglich der Bedienungselemente in den Aufzügen muss eine akustische Informations- und Notrufeinrichtung zusätzlich zu einer induktiven Höranlage vorhanden sein. An den Außentüren muss in einer Höhe von 100 cm eine tastbare Stockwerksnummerierung angebracht sein.

Abb. 5: Beispiele für Aufzugskabinen mit Bewegungsfläche vor dem Aufzug (vgl. ebd. S. 14)

Sanitärräume

Jedes Stockwerk muss mit mindestens einem barrierefreien WC-Raum ausgestattet sein (geschlechterneutral oder je einer für Damen und Herren). Dabei wird ein

(31)

31 universell anfahrbares WC empfohlen. Die Türen dieser Räumlichkeiten dürfen nicht nach innen aufgehen und müssen von innen versperrbar und im Notfall auch von außen entriegelbar sein. Im WC-Raum muss für den Rollstuhl eine Bewegungsfläche von mindestens 150 cm Durchmesser sichergestellt sein, wobei eine Unterfahrbarkeit des Handwaschbeckens bis maximal 20 cm Tiefe miteinbezogen werden kann. Ein universell anfahrbarer WC-Sitz erfordert eine Raumbreite von mindestens 220 cm und eine Raumtiefe von mindestens 215 cm (siehe Abbildung 6).

Abb. 6: Systemskizze für einen universell anfahrbaren WC-Sitz (vgl. ebd. S. 16)

Werden zusätzliche Elemente wie beispielsweise ein Wickeltisch angebracht, sind die Mindestabmessungen zu vergrößern, um die Bewegungsfläche von mindestens 150 cm Durchmesser sicherzustellen. Sämtliche Einrichtungen wie WC-Sitz, Waschbecken oder Armaturen müssen ebenfalls einen vorgegebenen Standard erfüllen. An jeder Seite des WC-Sitzes muss ein waagrechter Haltegriff montiert werden. Des Weiteren muss eine Notrufanlage angebracht werden. Die Umkleidekabinen inklusiver Duschen unterliegen auch den Standards der ÖNORM.

(32)

32 Flucht- und Rettungswege

Bei der Planung der baulichen und technischen Ausführung der Flucht- und Rettungswege sowie notwendiger Verbindungswege sind der Transport mit Krankentrage sowie die eingeschränkte Mobilität bzw. Orientierungsfähigkeit von behinderten Menschen zu berücksichtigen. So müssen diese Wege mit visuellen und akustischen Informationssystemen ausgestattet sein sowie mit taktilen Symbolen an den Handläufen, welche die Fluchtrichtung angeben.

Das 2-Sinne-Prinzip

Informationen müssen für zwei einander ergänzende Sinne eindeutig ausgegeben werden. Akustische Informationen sind optisch anzuzeigen. Optische Informationen sind akustisch oder taktil (z.B. Brailleschrift) auszugeben. Optische Informationen müssen in Rücksicht auf Sehbehinderte stark kontrastierend sein.

Alarmsysteme

Alarmsysteme müssen nach dem 2-Sinne-Prinzip optische und akustische Signale auslösen.

Brailleschrift – Lesen mit den Fingern

Sämtliche Beschriftungen und Informationen außerhalb und innerhalb des Schulgebäudes müssen auch für sehbehinderte und blinde Menschen erfassbar sein.

Die Brailleschrift ermöglicht dies.

Louis Braille (1809-1852), selbst erblindet, erfand die tastbare Punktschrift, die blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen bis heute den Zugang zu Literatur und Bildung und damit zu einem selbstbestimmten Leben ermöglicht. Die Basis der Brailleschrift bildet ein Raster aus sechs erhabenen Punkten, da vertiefte Punkte nicht tastbar wären. Diese sind in zwei nebeneinanderliegenden Reihen mit je drei Punkten angeordnet. Durch die unterschiedliche Anordnung der Punkte innerhalb dieses Rasters können alle Buchstaben, Buchstabenkombinationen, Zahlen und Zusatzzeichen dargestellt werden.

(Vgl. BSVÖ, o.J., o.S.).

(33)

33

3. D

ER

W

EG VON DER

E

XKLUSION ZUR

I

NKLUSION

Bereits in der Antike gibt es Aufzeichnungen über Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Die Art der Aufmerksamkeit, die man diesen Menschen zukommen ließ, veränderte sich über die Jahrhunderte. Sie wurden verehrt, gepflegt und versorgt, aber auch ermordet. Diese Arten der Behandlung waren abhängig vom menschen(ver)achtenden Zeitgeist, von weltanschaulichen, politischen oder kulturellen Bedingungen und der religiösen Auffassung. Eines steht fest: Menschen mit Lernschwierigkeiten nahmen immer schon eine Sonderstellung in unserer Gesellschaft ein.

(Vgl. Knapp, 2012, S. 577).

Schon im Zeitalter der europäischen Aufklärung, zwischen dem 17. und 18.

Jahrhundert, entwarfen einzelne Persönlichkeiten Unterrichtskonzepte für jene, die als Blinde, Taubstumme und „Blödsinnige“, meist Angehörige der unteren Stände, von Bildung und Erziehung ausgeschlossen waren. Da davon ausgegangen wurde, dass andere Sinne den beeinträchtigten Sinn zu kompensieren wüssten, ergab sich die Auffassung, dass in ihren Sinnen eingeschränkte Personen prinzipiell bildungsfähig seien.

(Vgl. Ellger-Rüttgardt, 2012, S. 29f.).

Bis zum 19 Jahrhundert war Exklusion jedoch nicht die Ausnahme, sondern die Regel.

Schüler/Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf hatten keinen gleichwertigen Zugang zu Bildungschancen. Sie wurden nicht unterrichtet und aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens ausgeschlossen.

(Vgl. Müller, o.J., o.S.).

Das Bundes-Taubstummeninstitut (seit 1779) und das Bundes- Blindenerziehungsinstitut (seit 1805) sind die ältesten selbstständigen Sonderschuleinrichtungen in Österreich. Ab 1885 wurden „geistig behinderte“ bzw.

„lernschwache“ schulpflichtige Kinder separat an einzelnen Volksschulen unterrichtet.

Nach dem Beschluss im Oktober 1920, Änderungen im Sonderschulwesen vorzunehmen, wurden selbstständige öffentliche Schulen für blinde, gehörlose,

(34)

34

„geistig behinderte und sonstige nicht vollsinnige Kinder“ errichtet. Zwischen 1921 und 1926 wurden in Wien Sonder-Volks- und -Hauptschulen für „sprachgestörte, schwerhörige, sehgestörte, körperbehinderte und erziehungsschwierige Kinder“

eingerichtet.

(Vgl. Schnell, 1972, S. 51f.).

Ende der Ersten Republik war das Wiener Sonderschulwesen so weit entwickelt, dass es als Modell für den Ausbau des differenzierten Sonderschulwesens galt und im Schulgesetzwerk 1962 als Pflichtschulform verankert wurde. Folgende Arten von Sonderschulen werden vom Schulorganisationsgesetz definiert:

 Allgemeine Sonderschulen für leistungsbehinderte und lernschwache Schüler

 Sonderschulen für körperbehinderte, sprachgestörte, schwerhörige, gehörlose, sehgestörte bzw. blinde Kinder,

 Sondererziehungsschule für schwererziehbare Kinder,

 Sonderschule für schwerstbehinderte Kinder und

 Heilstätten-Sonderschulen.

Als Österreich Mitte der 1980er Jahre über ein voll ausgebildetes Schulwesen verfügte, entwickelte sich zur gleichen Zeit die Tendenz, behinderte Kinder in Volks- und Hauptschulklassen gemeinsam mit gesunden Kindern zu unterrichten - in den sogenannten Integrationsklassen.

(Vgl. Schnell, 1993, S. 145ff.).

Nach und nach wurden an der konkreten Umsetzung der schulischen Integration innerhalb des weiterhin selektiven Schulsystems Kritiken laut. Ab dem Jahre 2000 führte dies zur Forderung nach einem inklusiven Schulsystem. Daraus würde die Abschaffung von Sonderschulen resultieren. Im „one-track approach“ ist nicht mehr die Integration der Minderheit in die Mehrheit zielführend. Es sollen dabei in einer

„Schule für alle“ Bildungsbarrieren abgebaut werden.

(Vgl. Feyerer, 2009, S. 74).

Die Salamanca-Erklärung:

Zum Thema „Pädagogik für besondere Bedürfnisse: Zugang und Qualität“ fand 1994 die UNESCO-Konferenz in Salamanca statt. Die Inklusion wurde als wichtigstes Ziel der Internationalen Bildungspolitik genannt. In der Salamanca-Erklärung werden auch

(35)

35 Schüler/Schülerinnen mit besonderen Begabungen, die in der bis dahingehenden Inklusionsdebatte kaum Berücksichtigung fanden, explizit erwähnt (vgl. Veber, Rott &

Fischer, 2013, S. 188f.). Mithilfe dieses Dokumentes wurde der erste internationale Rahmen für die Umsetzung der Inklusion geschaffen.

(Vgl. Müller, o.J., o.S.).

3.1. Von der Homogenität zur Diversität

Die Interkulturelle Bildung und die erziehungswissenschaftliche Geschlechterforschung fordern einen neuen Umgang mit der Heterogenität. In jüngster Zeit wird auch der Begriff der Diversität dafür verwendet.

(Vgl. Krüger-Potratz, 2011, S. 191).

Das Leitbild der Homogenität hat eine lange und dominante Tradition. Der Unterricht ist von gleichen Lernzielen für alle Schüler/Schülerinnen, einem übereinstimmenden Lerninhalt, gleichen Lernschritten und derselben Lernzeit geprägt.

Leistungsüberprüfungen erfolgen auf Basis der sozialen Bezugsnorm, bei der der Vergleich der Schüler/Schülerinnen innerhalb der Lerngruppe den Referenzrahmen für die Leistungsrückmeldung bildet. Mittlerweile weiß man, dass Lernwege individuell sind und dass Lernmotivation in einem komplexen Zusammenspiel von Vorwissen, Interesse, Begabung und individueller Förderung steht (vgl. Boekaerts, 2010, 2011 in Sliwka, 2014, S. 170). Internationale Schulstudien machten deutlich, dass aufgrund der Homogenität der Lerngruppe, der Separierung und Selektion innerhalb jeder Schulform eine deutliche Leistungsstreuung vorliegt. So sind bspw. leistungsstarke Hauptschüler/-schülerinnen ähnlich gut wie Schüler/Schülerinnen im Gymnasium (vgl.

Maaz, Watermann & Baumert, 2007 in Sliwka, 2014, S. 170). Ein weiteres Problem der „äußeren Differenzierung“ ist, dass auf fachspezifisch unterschiedliche Leistungspotentiale nicht differenziert genug eingegangen werden kann. So war es bisher möglich, dass ein/e mathematisch begabte/r Schüler/Schülerin aus einer Einwandererfamilie aufgrund ihrer/seiner mangelnden deutschen Sprachkenntnis in diesem Fach schlechter abschnitt, als wenn dieses Fach in ihrer/seiner Muttersprache unterrichtet worden wäre.

(Vgl. Sliwka, 2014, S. 170f.).

(36)

36 Die psychologische und neurowissenschaftliche Forschung betont die Rolle des einzelnen Kindes als Individuum mit einem ausgeprägten Lern- und Entwicklungspotential. Daraus folgt, dass die Diversität von Kindern und Jugendlichen immer mehr als Potential angesehen wird und als Ausgangspunkt einer neuen Lernkultur dient. Heterogenität wird jetzt als Herausforderung, der man sich stellen muss, erkannt. Beim Leitbild der Diversität wird die Unterschiedlichkeit der Schüler/Schülerinnen nicht mehr als Herausforderung und somit als Problemstellung erlebt, sondern als Lernressource. Dazu müssen sich Schulen in ihrer internen Organisation ständig am Erkenntnisstand über Lernen orientieren.

(Vgl. ebd. S. 171f.).

Tabelle 1 veranschaulicht kurz zusammengefasst die Wandlung von der Homogenität zur Diversität:

HOMOGENITÄT

Die Lernenden werden als vergleichbar betrachtet und erhalten daher dieselbe Behandlung.

HETEROGENITÄT

Die Lernenden werden als unterschiedlich betrachtet. Es werden Modifikationen

vorgenommen, um ihren unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.

DIVERSITÄT

Die Lernenden werden als unterschiedlich wahrgenommen.

Unterschiedlichkeit dient als Ressource für individuelles und wechselseitiges Lernen und für die Entwicklung.

Keine Anerkennung von Unterschieden.

Unterschiedlichkeit als Herausforderung, der man sich stellen sollte.

INTEGRATION

Unterschiede werden als Gewinn und als Lernressource

gesehen.

INKLUSION

Tab. 1: Von der Homogenität zur Diversität (vgl. Sliwka 2010, S. 214)

3.2. Die Stellung der Sonderpädagogik in der Inklusionsthematik

Bei der aktuellen Debatte in der Bildungspolitik sind zwei Themen zentral:

1. die Einführung der Bildungsstandards zur ergebnisorientierten Steuerung und 2. die Schulversuche zur Neuen Mittelschule (NMS).

In beiden Bereichen ist die Sonderpädagogik noch von geringer Bedeutung, obwohl sie wesentlich angesprochen wäre. So ist die Qualitätsentwicklung schon immer das bestimmende Thema in der Sonderpädagogik gewesen. Mit dieser

(37)

37 Qualitätsentwicklung wurde eine Expertengruppe beauftragt, welche 2003 von der ehemaligen Bundesministerin Elisabeth Gehrer eingerichtet wurde (vgl. Haider, Specht, Eder, Spiel, 2003, S. 5f.). Die sog. Zukunftskommission machte in ihrem Bericht deutlich, dass einheitliche Messlatten für die Bewertung von Leistungen der Schüler/Schülerinnen mit SPF kaum sinnvoll erscheinen (vgl. ebd. S. 46). Zeitgleich schlug sie aber die Entwicklung von Struktur- und Prozessstandards nach einer umfassenden Evaluation der sonderpädagogischen Förderung vor (vgl. ebd. S. 46f.).

Österreichische Lehrkräfte und Schüler/Schülerinnen hätten individualisiertes Lehren und Lernen bisher vor allem in Integrationsklassen gelernt (vgl.

ExpertInnenkommission, 2007, S. 21). Daher würde eine stärkere Einbindung der Sonderpädagogik in die aktuelle Diskussion um die NMS und die Bildungsstandards Synergieeffekte bringen.

(Vgl. Feyerer, 2009, S. 75).

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Weiters müssen sie von den Betroffenen (Klient/innen, Bewohner/innen, etc.) mitgetragen werden, also wichtig und bedeutsam für diese sein. Weitere Parameter für sinnvolle Ziele

In der Grundversorgung werden zunächst die Defizitbedürfnisse der untersten Stufe der Bedürfnispyramide bedient. So wird Essen, Trinken und Schlafen sichergestellt. Zugleich aber

78 Vgl. Ziebertz, Religiöse Signaturen heute, 384... wir später sehen werden, meistens mit eigenen Vorstellungen vermischt. 79 Konstruktion ist in Bezug auf Glauben, Religiosität

Anbautermins (1.5.), konnte die geplante systematische Auswahl der Versuchsobjekte in Abhängigkeit von den drei verschiedenen Anbauterminen (1.5., 14.5. und 28.5.) nicht

Es kann sein, dass irgendwo ein Pfeil vielleicht nicht richtig ist, aber das ist dann aus dem Zusammenhang zu entnehmen und wird man vermutlich auch erst draufkommen,

Obwohl eine Studie mit neuropathologischen Testpersonen nicht das Ziel dieser Arbeit ist, sollte das Thema kurz angesprochen werden, um die Wichtigkeit eines validen und reliablen

„Noch weniger zulässig scheint es Uns, wenn man dabei den Schutz der unversehrten, unantastbaren, absoluten Gewissensfreiheit einbezieht...Wenn man sagen will, daß

Üblicherweise werden die Fälle an die Sozialarbeit zugewiesen, mit Ausnahme der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Hier ist die Soziale Arbeit fixer Bestandteil des