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2. BEGRIFFSDEFINITIONEN

2.3. D IVERSITÄT

2.3.1. I NTERSEKTIONALITÄT

Dieser Begriff geht auf die Frauenbewegung afrikanischer und afroamerikanischer Frauen zurück, die aufgrund ihrer Hautfarbe und ihres Geschlechts diskriminiert wurden (vgl. Krüger-Potratz, 2011, S. 192). Sie sind also nicht nur bezüglich einer Kategorie diskriminiert worden, sondern gleich in zwei oder mehreren.

Intersektionalität beschreibt Überschneidungen, Verschränkungen und Schnittmengen von beispielsweise verschiedenen Strukturkategorien in einer Person (vgl. IMST, 2015, S. 1). Es geht dabei um die Wahrnehmung von Komplexitäten. Durch die Intersektionalität wird eine Wechselbeziehung zwischen Dimensionen sozialer Macht-, Herrschafts- und Normierungsverhältnisse wie GeschlechtMacht-, soziales MilieuMacht-, Migrationshintergrund, Nation, Ethnizität, Rasse, sexuelle Orientierung, Behinderung, Generation u.dgl.m. ins Zentrum gerückt. Diese Dimensionen sozialer Ungleichheit können nicht isoliert voneinander analysiert werden, sondern müssen in ihren Überschneidungen oder Wechselverhältnissen untersucht werden.

(Vgl. IMST, 2012, S. 2).

Das auf der folgenden Seite abgebildete Diversitäts-Rad bietet eine anschauliche Übersicht über die unterschiedlichen Dimensionen:

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Abb. 2: Diversitätsrad (vgl. IQ Multiplikatorenprojekt Transfer., o.J., o.S.)

Im schulischen Alltag kommen u.a. die Dimensionen Hautfarbe, ethnische Zugehörigkeit, physische und psychische Fähigkeiten, Geschlecht und Alter zu tragen.

Diese werden relativ schnell bewusst wahrgenommen. Zu jenen Dimensionen, die nicht sofort wahrnehmbar sind, gehören beispielsweise sexuelle Orientierung, Freizeitverhalten, (Bildungs-)Schicht und soziale Herkunft.

(Vgl. IMST, 2012, S. 3f.).

Zusammenhänge diverser Diversitätskategorien können im Bereich Schule folgendermaßen aussehen:

20 Behinderung und Bildung:

 Nur ein geringer Anteil von Menschen mit Lernschwierigkeiten hat in Österreich eine Matura.

 Sonderschule vs. Inklusion

 Wie sieht es mit der räumlichen Ausstattung, den Unterrichtsmethoden, Unterrichtsmaterialien und der Barrierefreiheit an den Schulen aus?

Ethnizität und Bildung:

 Warum gibt es bei Schulabschlüssen starke Unterschiede nach Herkunftsländern?

 Werden diverse Sprach- und Kulturkenntnisse wertgeschätzt und wie wird mit kulturellen Konflikten umgegangen?

Sexuelle Orientierung und Bildung:

 Die Thematik soll enttabuisiert und Mobbing aufgrund der sexuellen Orientierung vermieden werden.

Religion/Weltanschauung und Bildung:

 Wie sieht in der Schule der Umgang mit religiösen Symbolen, Vorschriften und Ritualen aus?

 Antisemitismus und Islamophobie sollen bekämpft werden.

(Vgl. ebd. S. 4f.).

An einer Schule sollten alle die Diversität der einzelnen Menschen anerkennen und als Potentiale nutzen. Denn momentan ist der Unterricht an den Schulen meist noch so gestaltet, dass in einer Stunde alle Kinder dasselbe lernen können und sollen. Dies wiederum bedeutet, dass Unterschiede wenig beachtet und die individuellen Fähigkeiten der Schüler/Schülerinnen nicht entsprechend gefördert werden.

(Vgl. ebd. S.5).

Die intersektionale Pädagogik steht für ein Bildungssystem und für Unterrichtsinhalte, die darauf aufgebaut sind, dass alle Schüler/Schülerinnen gleiche Chancen sowie gleichberechtigte Zugänge zu Wissen und bei der Wissensvermittlung haben.

Gleichzeitig ist aber der Unterricht überwiegend auf einen Normschüler (z.B. Deutsch als Erstsprache, Unterstützung von Zuhause, keine körperlichen Einschränkungen, weiß, männlich u.dgl.m.) ausgerichtet.

(Vgl. IMST, 2015, S. 5).

21 2.3.2. Heterogenität vs. Homogenität

Der Begriff der Heterogenität besagt, dass es „Verhältnisse zwischen Verschiedenen“

gibt, diese aber „einander nicht untergeordnet sind“. Diese Vorstellung des von einander nicht untergeordneten Verschiedenen ist in Bezug auf die Menschenrechts- und Demokratiemodelle von sehr großer Bedeutung.

(Vgl. Heinzel & Prengel, 2012, o.S.).

Was die Heterogenität für den Schulunterricht bedeutet, erklärt Ingvelde Scholz in ihrem Buch „Das heterogene Klassenzimmer“: Sie versteht darunter die Verschiedenheit der Schüler/Schülerinnen im Hinblick auf ein oder mehrere Merkmale.

Dabei treten verschiedene Dimensionen der Heterogenität zutage:

Vertikale Heterogenität: Wird die Quantität und Komplexität der Anforderungen gesteigert, so zeigt sich das unterschiedliche Leistungsvermögen der Schüler/Schülerinnen.

Horizontale Heterogenität: Schüler/Schülerinnen haben verschiedene Interessen, Lernwege und Zugangsweisen zu einem Thema oder einer Aufgabenstellung. Diesen wird in der Schule oft zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl gerade darin oft der Schlüssel zum Lernerfolg liegt.

(Vgl. Scholz, 2012, S. 9).

Im Gegensatz zu Diversität hat Heterogenität einen Gegenpart – die Homogenität.

Carola Gröhlich, Katja Scharenberg und Wilfried Bos (2009) beziehen sich bei dem Begriff der Homogenität auf die Schülermerkmale (u.a. Vorwissen, kognitive Fähigkeiten, soziale Lage) und meinen dazu, diese seien als identisch zu verstehen.

In der Schulpädagogik ist dann von Homogenität die Rede, wenn zur Erreichung identischer Ziele – dem Lehrplan entsprechend – identische schulpädagogische Maßnahmen eingesetzt werden können (vgl. Stöger & Ziegler, 2014, S. 7).

Der Begriff der Homogenität ist jedoch mit seiner Bedeutung Einheitlichkeit eher positiv konnotiert. Denn bezüglich der Heterogenität erscheint es oft so, dass Verschiedenheit Unübersichtlichkeit und Schwierigkeit bedeuten könne. Der Begriff der Diversität lässt bei Verschiedenheit weniger an Konflikte denken als vielmehr an die Konfliktverhinderung, wenn Diversität als Personalentwicklungsansatz gelebt wird.

(Vgl. Krüger-Potratz, 2011, S. 191).

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2.4. Bildungsgerechtigkeit

Das Verständnis von Bildungsgerechtigkeit basiert in Österreich auf dem 14. Artikel Absatz 5a der Bundesverfassung (2005). Somit bedeutet Bildungsgerechtigkeit die Sicherung eines höchstmöglichen Bildungsniveaus, unabhängig von Herkunft, sozialer Lage und finanziellem Hintergrund der Schüler/Schülerinnen. Dazu bezeichnen Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber Menschen die Grundwerte der Schulen. Entsprechend seiner/ihrer Entwicklung und seinem/ihrem Bildungsweg soll ein/e Jugendliche/Jugendlicher zu eigenständigem Denken befähigt werden, gegenüber politischem, religiösem und weltanschaulichem Denken anderer aufgeschlossen sein und lernen, am Kultur- und Wirtschaftsleben Österreichs, Europas und der Welt teilzunehmen.

(Vgl. BGBl, 2005, S. 1).

Anhand der Verfassung sollen also eine herkunftsunabhängige Chancengleichheit und ein garantiertes Bildungsminimum, welche eine erfolgreiche Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben ermöglichen, garantiert werden.

(Vgl. Herzog-Punzenberger, 2012, S. 190).

Allgemein bekannt ist laut JohannesGiesinger, dass dann die Bildungsgerechtigkeit in einer Gesellschaft erreicht ist, wenn auch Chancengleichheit gegeben ist. Doch diese beiden Begriffe eindeutig zu definieren, sei nach Giesinger schwierig. Allein schon bei der „Chancengleichheit“ habe das Wort Chance zwei Bedeutungen – Wahrscheinlichkeit und Gelegenheit. Wäre Chancengleichheit schon erreicht, wenn für sozial benachteiligte Kinder die Wahrscheinlichkeit, in der Schule erfolgreich zu sein, gleich groß wäre wie für Kinder aus der Mittelschicht? Oder ist damit gemeint, jemandem die Gelegenheit zu einer erfolgreichen Schullaufbahn zu geben? Im Weiteren werde deutlich, dass es unterschiedliche Auffassungen von

„Chancengleichheit“ gebe. Sie reichen von der „[…] minimalen Forderung nach Diskriminierung bis hin zur Idee der Neutralisierung von bloßem Glück oder Pech […]“

(vgl. Giesinger, 2007, S. 373). Giesinger meint weiter, dass durch diese unterschiedlichen Auffassungen des Begriffes eine Forderung nach Chancengleichheit wenig aussagekräftig sei. Der Begriff der Bildungsgerechtigkeit ist bei ihm hingegen schon genauer definiert. Dieser ist nämlich zwischen den beiden

23 vorher genannten Auffassungen angesiedelt. So sollen ungleiche Bildungserfolge, die durch eine soziale Benachteiligung entstehen (inner- wie außerschulisch), durch passende Mittel „neutralisiert“ werden. Nun entsteht aber die Frage, warum soziale, nicht aber natürliche Ungleichheit neutralisiert werden soll? Die Gesellschaft trägt zwar keinerlei Verantwortung für genetisch verursachte Schwächen, dies impliziert aber nicht, dass sie nicht verpflichtet ist, besondere Mittel für ihre Behebung bereitzustellen.

(Vgl. ebd.).

Allein schon die Überlegungen dahingehend, was nun zu neutralisieren ist, würden es, gemessen am Endergebnis, erschweren festzustellen, wann Bildungsgerechtigkeit erreicht ist (vgl. Ahrbeck, 2014, S. 91).

Brenner meint hingegen, der Begriff „Bildungsgerechtigkeit“ werde eher intuitiv verwendet, denn seine Bedeutung sei nicht geklärt. Ungeachtet dieser Unklarheit sei in Deutschland der Eindruck entstanden, dass das deutsche Bildungswesen ungerecht sei. Vor allem die Pisa-Studien sollen Anlass zu diesem Eindruck gegeben haben. Es sollen dabei immer wieder Ungleichheiten in den einzelnen Kompetenzen basierend auf sozialen Herkunftsverhältnissen festgestellt werden. Allerdings werde auf eine Gerechtigkeitsdebatte weitgehend verzichtet, obwohl im Vorwort der ersten Pisa-Studie die Frage nach der „Bildungsgerechtigkeit“ das erste Mal gestellt werde.

(Vgl. Brenner, 2010, S. 13f.).

Ein Vorläuferbegriff von „Bildungsgerechtigkeit“ ist „Chancengleichheit“. Jedoch sei bei diesem ehemals gebräuchlichen Begriff die Frage offen geblieben, ob alle Schüler/Schülerinnen gleich zu behandeln seien oder radikal verschieden – nämlich ihren jeweiligen Bedürfnissen entsprechend.

(Vgl. ebd. S. 14).

Bernd Ahrbeck schließt sich der Meinung Brenners an, wenn es darum geht, dass es in der Literatur meist offen bleibe, was unter „Bildungsgerechtigkeit“ konkret verstanden werde. Verbunden mit seinen Überlegungen bezüglich dessen, was denn

„Bildungsgerechtigkeit“ wirklich bedeute, stellt er sich folgende Fragen:

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 Ist es das Ziel einer besseren kognitiven Entwicklung, dass sie zumindest einem Teil der Schüler/Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten erhöhte Chancen im Kampf um Schulabschlüsse und Ausbildungsplätze ermöglicht?

 Werden Bildungschancen auch als soziale Erfahrungen verstanden, die einen positiven Einfluss auf die Bewältigung des alltäglichen Lebens haben könnten?

 Ist mit „Bildungsgerechtigkeit“ ein rein subjektives Befinden gemeint, welches sich innerhalb der Bildungsprozesse entwickeln soll, ohne jegliche Konkurrenzgedanken der Schüler/Schülerinnen und Lehrkräfte?

(Vgl. Ahrbeck, 2014, S. 89)

2.5. Bildungsstandards

Aufgrund der unbefriedigenden Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudien sind die nationalen Bildungsstandards entstanden. Diese sollen als Unterstützung dienen, damit die Bildungschancen für alle Schüler/Schülerinnen verbessert werden.

(Vgl. Becker-Mrotzek, 2012, S. 273).

„Bildungsstandards sind konkret formulierte Lernergebnisse, die sich aus den Lehrplänen ableiten lassen. Sie legen jene Kompetenzen fest, die Schüler/innen bis zum Ende der 4. Schulstufe in Deutsch und Mathematik sowie bis zum Ende der 8. Schulstufe in Deutsch, Mathematik und Englisch nachhaltig erworben haben sollen. Dabei handelt es sich um Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen, die für die weitere schulische und berufliche Bildung von zentraler Bedeutung sind.“ (bifie, 2015, o.S.)

Durch diese Bildungsstandards sollen im österreichischen Schulsystem mehr Verbindlichkeit sowie grundlegende Kompetenzen bei allen Schülern/Schülerinnen sichergestellt werden. Dadurch würden Bildungsziele auch für Lernende und Lehrende transparent, vergleichbar und Lehrkräfte orientierten sich daran, was Schüler/Schülerinnen zu bestimmten Zeitpunkten ihrer Schullaufbahn können sollen.

Dieser Vergleichsmaßstab soll die Grundlage für individuelle Fördermaßnahmen darstellen.

(Vgl. ebd.).

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur definiert Bildungsstandards als eine systematische Auswahl grundlegender Kompetenzen, die im Unterricht

25 nachhaltig zu entwickeln seien. Diese Kompetenzen seien sowohl für die weitere schulische als auch für die berufliche Bildung von wesentlicher Bedeutung.

(Vgl. Bmuk, 2012, S. 4f.).

Des Weiteren sollen Bildungsstandards drei Funktionen erfüllen:

1. Orientierungsfunktion: Die Bildungsstandards geben Kompetenzen vor, die Schüler/Schülerinnen bis zum Ende der 4. bzw. 8. Schulstufe innehaben sollen.

Es wird nicht auf flüchtiges Wissen, sondern auf den nachhaltigen Kompetenzaufbau gesetzt.

2. Förderungsfunktion: Bildungsstandards geben Richtlinien vor, wie die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern während der gesamten Schulzeit auszusehen hat. Für die Planung und Gestaltung des Unterrichts würden daher die Bildungsstandards eine wesentliche Rolle spielen.

3. Evaluationsfunktion: Bildungsstandards werden regelmäßig überprüft. Dabei werden die von den Schülerinnen und Schülern erworbenen Kompetenzen festgestellt und mit den angestrebten Lernergebnissen verglichen. Die Rückmeldung der Ergebnisse soll der Qualitätsentwicklung am jeweiligen Standort dienen, im Bundesland und bundesweit.

(Vgl. ebd.).

2.6. SPF – Sozialpädagogischer Förderbedarf

Das Bundesministerium für Bildung und Frauen (bmbf) schreibt vor, dass schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (im Weiteren SPF) das Recht auf die allgemeine Schulpflicht haben. Unterrichtet werden sie entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule bzw. Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllenden Volksschule, Hauptschule, Neuen Mittelschule, Polytechnischen Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder Haushaltungsschule. Soweit also solche Schulen (Klassen) vorhanden sind und der Schulweg den Kindern zumutbar ist, steht einem Schulbesuch nichts im Wege. Sollte der tägliche Schulweg unzumutbar sein, so können Erziehungsberechtigte auch ihre Zustimmung für die Unterbringung des Kindes in einem der Schule angegliederten oder sonst geeigneten Schülerheim geben.

(Vgl. bmbf, 2015b, o.S.).

26 Sobald abzusehen ist, dass der/die Schüler/Schülerin auf Grund einer Lernschwierigkeit dem Unterricht in der Volks- oder Hauptschule, Neuen Mittelschule oder in der Polytechnischen Schule ohne besondere Förderung nicht folgen kann, wird ein Antrag auf Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs gestellt. Davor sind aber alle pädagogischen Möglichkeiten des allgemeinen Schulwesens voll auszuschöpfen. Entweder passiert dies bereits vor Schuleintritt oder erst später, wenn sich im Laufe der Schulzeit herausstellt, dass das Kind besondere Förderung benötigt.

Der/die Landesschulrat/-rätin bzw. der/die Stadtschulrat/-rätin, an den/die dieser Antrag gerichtet wird, hat in einem Verfahren festzustellen, ob das Kind tatsächlich sonderpädagogische Förderung braucht und welche Schritte der Förderung notwendig sind.

(Vgl. bmbf, 2015b, o.S.).

Im Nationalen Bildungsbericht Österreich 2009 wird allerdings kritisiert, dass die Diagnose von SPF nicht standardisiert sei. Denn es sei innerhalb der einzelnen Bundesländer eine deutliche Streuung der SPF-Quoten erkennbar. Tobias Buchner vom Wiener Institut für Bildungswissenschaft berichtet, dass Studien ein „[…] gewisses Maß an Willkür bei der Diagnose“ (STANDARD Verlagsgesellschaft m.b.H., 2014, o.S.) zeigen würden. Vor allem seien davon Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und solche aus sozial schwachen Schichten betroffen.

(Vgl. Feyerer, 2009, S. 90).

2.7. Universal Design – barrierefreies Bauen

Sobald von Inklusion gesprochen wird, muss auch an Barrierefreiheit gedacht werden.

So kann eine Schule niemals eine inklusive Schule werden, wenn diese nicht barrierefrei (um)gebaut wird. Es sind verschiedene Grundlagen der Planung zu beachten und umzusetzen, um den Zugang für alle Schüler/Schülerinnen, Lehrkräfte, Betreuer/Betreuerinnen und Eltern gewährleisten zu können. Davon abgesehen, dass schon der Weg bis zur Schule barrierefrei sein müsste, werden im Folgenden jene Kriterien genannt, die eine inklusive Schule an baulichen Gegebenheiten aufweisen muss. Sämtliche Angaben beziehen sich auf Normen (ÖNORM) des Austrian Standards Institute – ehemals Österreichisches Normungsinstitut (2005).

27 Eingang

Wenn möglich muss der Haupteingang, aber zumindest ein Eingang und ein Aufzug des Gebäudes, stufenlos erreichbar sein.

Türen

Türen müssen leicht zu öffnen oder mit einer motorisch unterstützten Öffnungshilfe und einer Schließverzögerung ausgestattet sein. Drehgriffe und eingelassene Griffe müssen vermieden werden. Glastüren und Glasfüllungen in Türen sind zumindest als Einscheiben-Sicherheitsglas anzuführen.

Türbreite: Sämtliche Türen müssen in der Breite eine Durchgangslichte (von der einen Türstockinnenseite bis zur anderen) von mindestens 80 cm aufweisen, wobei sich der Türflügel zu mindestens 90° öffnen lassen muss.

Sollte die Durchgangslichte breiter als 85 cm sein, so muss an der Schließseite ein horizontaler Handgriff in der Höhe von 80 bis 100 cm angebracht sein.

Türhöhe: Alle Türen müssen in der Höhe eine Durchgangslichte von mindestens 200 cm aufweisen.

Türschwelle, Türanschläge: Niveauunterschiede sollten grundsätzlich vermieden werden. Wenn vorhanden, dann sollten diese nicht höher als 2 cm sein. Sind Niveauunterschiede an Außentüren notwendig, dürfen diese maximal 3 cm betragen. Auf gut überrollbare Türschwellen sollte geachtet werden.

Anfahrbereich: Auf beiden Seiten der Türen muss ein Anfahrbereich mit mindestens 120 cm Tiefe und mindestens 150 cm Breite vorhanden sein. Dieser darf durch keinerlei Einbauten eingeschränkt werden. Der seitliche Abstand des Anfahrbereiches muss an der Türdrückerseite, von der Stocklichte aus gemessen, mindestens 50 cm betragen. Vor Drehflügeltüren muss an der Aufgehseite ein größerer Anfahrbereich mit einem Mindestmaß von 200 cm mal 150 cm vorgesehen werden. Das hier Beschriebene wird in der folgenden Grafik nochmals anschaulich dargestellt:

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Abb. 3: Beispiel für Anfahrbereiche vor Türen (vgl. Österreichisches Normungsinstitut, 2005, S. 11)

Automatische Türen: Automatische Türen müssen sich frühzeitig öffnen und eine verzögerte Schließbewegung aufweisen. Impulsgeber müssen auch die Bewegungsfläche im Türbereich erfassen.

Glastüren und Glasflächen: Glastüren und große Glasflächen sind innerhalb eines Bereiches von 90 bis 100 cm und im Bereich 150 bis 160 cm über dem Fußboden mit durchgehenden kontrastierenden optischen Markierungen zu kennzeichnen. Diese Markierungen müssen sowohl helle als auch dunkle Anteile haben, um auf wechselnde Lichtverhältnisse im Hintergrund Rücksicht zu nehmen.

Fensterflügel

Ebenso wie bei den Türen sollen diese leicht zu öffnen bzw. zu schließen sein.

Gänge, Flure, Vorräume

Horizontale Verbindungswege wie Gänge, Flure oder Vorräume müssen eine lichte Breite von mindestens 120 cm und eine lichte Höhe von mindestens 210 cm aufweisen. Am Ende dieser Wege oder bei notwendigen Richtungsänderungen muss die Bewegungsfläche mindestens 150 cm Durchmesser aufweisen. Stufen sind zwar zu vermeiden, sind aber Niveauunterschiede vorhanden, müssen diese durch Rampen, Aufzüge oder andere Aufstiegshilfen ausgeglichen werden. Außer Handläufe, die bis maximal 10 cm von der Wand ragen, dürfen keine anderen Hindernisse in den Weg hineinragen.

29 Treppen und Aufzüge (vertikale Verbindungswege)

Haupttreppen müssen geradläufig sein und eine nutzbare Treppenlaufbreite zwischen den Handläufen von mindestens 120 cm aufweisen. Nach maximal 18 Stufen ist ein Podest vorzusehen, um den Transport mit einer Krankentrage zu erleichtern.

Haupttreppen müssen in ihrer ganzen Länge beidseitig mit einem Handlauf mit einem sicher umfassbaren, abgerundeten Querschnitt ausgestattet sein. Der Handlauf ist in einer Höhe zwischen 90 und 10 cm anzuordnen und soll über die Zwischenpodeste fortgeführt werden. Farblich sollen sich die Handläufe von der Wand abheben. Die Stufen selber müssen eine rutschhemmende Oberfläche aufweisen. Die Stufenhöhe sollte 16 cm nicht überschreiten und die Stufenbreite 30 cm nicht unterschreiten.

Zumindest die erste und letzte Stufe eines Treppenlaufes müssen in der ganzen Treppenbreite an der Vorderkante farblich kontrastierend markiert werden. Vor abwärts führenden Treppen muss, beginnend in einem Abstand von 30 bis 40 cm vor der ersten Stufe, ein taktiles Aufmerksamkeitsfeld über die ganze Treppenbreite in einer Tiefe von 70 bis 100 cm angebracht werden. Folgende Abbildung dient zur Veranschaulichung barrierefreier Treppen:

Abb. 4: Beispiele von Treppen (vgl. ebd. 2005, S. 13)

Sämtliche Aufzüge müssen stufenlos erreichbar sein und mit einer Einrichtung (z.B.

Spiegel) versehen sein, um rückwärtsfahrenden Rollstuhlfahrern die Sicht in die Bewegungsfläche vor dem Aufzug zu ermöglichen. Das Innere des Fahrkorbes muss eine Breite von mindestens 110 cm und eine Tiefe von mindestens 140 cm aufweisen.

30 Für Aufzüge mit über Eck angeordneten Türen ist eine Mindestgröße von 150 cm mal 150 cm vorzusehen. Die Aufzugstüren sind als automatisch öffnende Schiebetüren mit einer lichten Durchgangsbreite von mindestens 90 cm auszuführen. Der freie Bereich vor den Aufzugstüren muss eine Tiefe von mindestens 150 cm aufweisen. Kann ein abwärts führender Stiegenlauf gegenüber der Schachttüre nicht vermieden werden, so muss der Abstand von der Türe mindestens 200 cm betragen (siehe Abbildung 5).

Bezüglich der Bedienungselemente in den Aufzügen muss eine akustische Informations- und Notrufeinrichtung zusätzlich zu einer induktiven Höranlage vorhanden sein. An den Außentüren muss in einer Höhe von 100 cm eine tastbare Stockwerksnummerierung angebracht sein.

Abb. 5: Beispiele für Aufzugskabinen mit Bewegungsfläche vor dem Aufzug (vgl. ebd. S. 14)

Sanitärräume

Jedes Stockwerk muss mit mindestens einem barrierefreien WC-Raum ausgestattet sein (geschlechterneutral oder je einer für Damen und Herren). Dabei wird ein

31 universell anfahrbares WC empfohlen. Die Türen dieser Räumlichkeiten dürfen nicht nach innen aufgehen und müssen von innen versperrbar und im Notfall auch von außen entriegelbar sein. Im WC-Raum muss für den Rollstuhl eine Bewegungsfläche von mindestens 150 cm Durchmesser sichergestellt sein, wobei eine Unterfahrbarkeit des Handwaschbeckens bis maximal 20 cm Tiefe miteinbezogen werden kann. Ein universell anfahrbarer WC-Sitz erfordert eine Raumbreite von mindestens 220 cm und eine Raumtiefe von mindestens 215 cm (siehe Abbildung 6).

Abb. 6: Systemskizze für einen universell anfahrbaren WC-Sitz (vgl. ebd. S. 16)

Werden zusätzliche Elemente wie beispielsweise ein Wickeltisch angebracht, sind die Mindestabmessungen zu vergrößern, um die Bewegungsfläche von mindestens 150 cm Durchmesser sicherzustellen. Sämtliche Einrichtungen wie WC-Sitz, Waschbecken oder Armaturen müssen ebenfalls einen vorgegebenen Standard erfüllen. An jeder Seite des WC-Sitzes muss ein waagrechter Haltegriff montiert werden. Des Weiteren muss eine Notrufanlage angebracht werden. Die Umkleidekabinen inklusiver Duschen unterliegen auch den Standards der ÖNORM.

32 Flucht- und Rettungswege

Bei der Planung der baulichen und technischen Ausführung der Flucht- und Rettungswege sowie notwendiger Verbindungswege sind der Transport mit Krankentrage sowie die eingeschränkte Mobilität bzw. Orientierungsfähigkeit von behinderten Menschen zu berücksichtigen. So müssen diese Wege mit visuellen und akustischen Informationssystemen ausgestattet sein sowie mit taktilen Symbolen an den Handläufen, welche die Fluchtrichtung angeben.

Das 2-Sinne-Prinzip

Informationen müssen für zwei einander ergänzende Sinne eindeutig ausgegeben werden. Akustische Informationen sind optisch anzuzeigen. Optische Informationen sind akustisch oder taktil (z.B. Brailleschrift) auszugeben. Optische Informationen müssen in Rücksicht auf Sehbehinderte stark kontrastierend sein.

Alarmsysteme

Alarmsysteme müssen nach dem 2-Sinne-Prinzip optische und akustische Signale auslösen.

Brailleschrift – Lesen mit den Fingern

Sämtliche Beschriftungen und Informationen außerhalb und innerhalb des Schulgebäudes müssen auch für sehbehinderte und blinde Menschen erfassbar sein.

Die Brailleschrift ermöglicht dies.

Louis Braille (1809-1852), selbst erblindet, erfand die tastbare Punktschrift, die blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen bis heute den Zugang zu Literatur und Bildung und damit zu einem selbstbestimmten Leben ermöglicht. Die Basis der Brailleschrift bildet ein Raster aus sechs erhabenen Punkten, da vertiefte Punkte nicht

Louis Braille (1809-1852), selbst erblindet, erfand die tastbare Punktschrift, die blinden und hochgradig sehbehinderten Menschen bis heute den Zugang zu Literatur und Bildung und damit zu einem selbstbestimmten Leben ermöglicht. Die Basis der Brailleschrift bildet ein Raster aus sechs erhabenen Punkten, da vertiefte Punkte nicht