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Im Folgenden wird diese Arbeit in dessen Grundzügen (mit Verweis auf die jeweiligen Kapitel) wiedergegeben und bedeutende Zusammenhänge aufgezeigt (Kap. 9.1). Im Anschluss wird der Inhalt kritisch beurteilt, offene Fragen und weitere Forschungsperspektiven erläutert (Kap. 9.2).

Schlussfolgerungen finden sich in Kap. 9.3 wieder.

9.1 Diskussion der Aspekte des kybernetischen Lernens

Mit dieser Arbeit hat der Leser sich im Annehmen der Einladung wiederfinden können, sich und in diesem Sinn die Welt, aus einer kybernetischen Perspektive zu betrachten. Dem implizit, ist die Entdeckung des Potentials, sich als unveränderlicher Beobachter des eigenen veränderlichen Denkens und Tuns bewusst zu werden und das Denken und Tun nach eigenem Ermessen, mündig und in Freiheit, den eigenen Intentionen und Bedürfnissen entsprechend, in Gegenwart und Zukunft zu gestalten.

Die biologische Betrachtung von Leben macht sichtbar, dass Leben nicht nur unbegrenzte Möglichkeiten besitzt, sich auszuformen, sondern auch Fähig ist, sich aus sich selbst heraus zu erzeugen (Kap. 2.1). In der Interaktion mit seiner Umwelt findet sich der Mensch körperlich, wie auch geistig in Möglichkeitsräumen wieder, die er für sich, lernend durch Unterscheidung und Entscheidung (Kap. 4.2), im Rahmen seiner Möglichkeiten – seiner Autopoiesis (Kap. 2.2) – erschließen und sich dabei verändern kann.

In jenen Möglichkeitsräumen, durch Unterscheidung und Entscheidung lernend, kann sich der Mensch bzw.

die Menschheit in der Frage wiederfinden, wie er bzw. sie lernen möchte und welche Ergebnisse dabei erzielt werden sollen. Eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen Lernen lernen findet statt, die sich in den Intentionen und Bedürfnissen (Kap. 5.5) des Menschen bedingt. Der Kybernetiker Gregory Bateson (1994) beschreibt vier logische Lernebenen durch die sich die „Ökologie der Ideen“ des Menschen bzw. der Menschheit ausdifferenziert (Kap. 6.1). Bedeutend dabei ist vor allem das Phänomen „Lernen III“, was dem Mensch erlaubt in einer Kybernetik zweiter Ordnung und als Beobachter zweiter Ordnung sein

Zustandekommen durch Lernprozesse auf den Ebenen „Lernen null bis II“ zu verändern. Ein solches Lernen, ist gekennzeichnet durch das sich nichttriviale Wiederfinden des Menschen in den von von Foerster (1993 und 2014) beschriebenen Aspekt der Unentscheidbarkeit (Kap. 5.3) – der Begegnung mit dem Unbekannten (Kap. 6.2.2) . Weiters ist „Lernen III“ Voraussetzung für „Lernen IV“, das Fähig ist, Lernen auf

gesellschaftlicher Ebene zu verändern bzw. gesellschaftliche Veränderung zu konstituieren.

Prozesse des „Lernen III und IV“ werden so (bzw. sind) Voraussetzung für die nachhaltige Veränderung des Menschen und der Menschheit in der Auseinandersetzung mit sich selbst. Ausgangspunkt einer solchen Veränderung ist immer das Individuum, das sich immerwährend (weil sich verändernd bzw. lernend), auf selbstähnliche Weise, in den Fraktalen des Lebens wiederfindet: Der Mensch ist, begleitet von seinen Emotionen und Gefühlen, mit der Möglichkeit konfrontiert, sich fortwährend komplexeren

Beziehungsmöglichkeiten zu widmen (Kap. 3.6 und Kap. 6.1.7) und dem vermeintlich Gegensätzlichen einen Daseinsraum zu öffnen. Der nachhaltige Lernerfolg besteht darin, dass sich der Mensch in einer Dialogik wiederfindet und seine Beziehungsfülle erkennt und nutzt (Kap. 7.1).

Die Nachhaltigkeit zweiter Ordnung (Kap. 7.3.2) und die im Kontext dessen stattfindenden Nachhaltigkeit erster Ordnung (Kap. 7.3.1) werden dabei als Konzeptionen sichtbar, die wenn Gedacht und sich im Tun wiederfindend, zur Erlebbarmachung der von von Foerster (2003) formulierten ethischen, ästhetischen und therapeutischen Imperative führen. Dabei erlebt sich der Mensch im Vertrauen als Beobachter zweiter Ordnung und im Erleben seiner Intentionen und Bedürfnisse als Beobachter erster Ordnung.

9.2 Reflexion

Die empirische Auseinandersetzung mit nachhaltig erfolgreichen Lebens- und Lernformen in Kap. 8 zeigt umfangreiche semantische Ähnlichkeiten mit dem in dieser Arbeit konstruierten kybernetischen

Denkgebäude auf: So beschreibt Frederic Laloux (2014) integral evolutionäre Wirtschaftsunternehmen, gemeinnützige Organisationen und die Evangelische Schule Berlin Zentrum mit den Aspekten der Selbstführung, der Ganzheit und dem evolutionären Sinn (Kap. 8.1) –, wo das Fühlen (Kap. 8.4.1), die Auseinandersetzung und die Entfaltung in das Unbekannte (Kap. 8.4.2), sowie die zu Ganzheit führende nichttriviale Auseinandersetzung mit dem Leben (Kap. 8.4.3) zu kybernetischen „Instrumenten“ für den autopoietisch, rekursiv, durch Unterscheidung und Entscheidung, organisierten Mensch werden.

Dabei erfüllen diese – das in dieser Arbeit dargestellte kybernetische Denkgebäude, wie auch die aus der Empirie abgeleiteten kybernetischen Instrumente – grundlegenden Anforderungen, wie sie von Juergen Ruesch und Gregory Bateseon (1951, S. 79) an eine psychiatrische Theorie gestellt werden:

„...that it be circular, that it have the characteristics of self-correction, that it satisfactorily solve the problem of part and whole function, and that it clearly define the position of the observer upon that which is observed and therefore state the influence of the observer upon that which is observed and vice versa.”

Zudem handelt es sich um eine Theorie, die den Formen der Welt und des Wissens implizit ist – eine

„vereinheitlichte Feldtheorie“, so Simon (2005), „die es ermöglicht, ein die verschiedenen wissenschaftlichen Universen vereinigendes Begriffssystem zu erstellen“, dessen funktionellen Beziehungen Konsequenz fordern: Sie öffnen einen Daseinsraum (Kap. 6.1.4), wo Erkennen dem Tun ident ist (vgl. Maturana et al.

2012, S. 262). Die Kybernetik wird so zu einem Werkzeug zum Denken, das zu nachhaltigem Tun befähigt: Es werden Formen des Lernens beobachtet, weiterentwickelt und angewandt – mit dem Ziel

· Liebe als Ergebnis von Beziehungsfähigkeit zu sich, seinen Mitmenschen und seiner Umwelt

· Schönheit als das Ergebnis individueller Potentialentfaltung,

· Freiheit als das Ergebnis natürlicher Bewusstwerdungs- und Entscheidungsprozesse

· und Verantwortung als das Ergebnis schöpferischen und rücksichtsvollen Handelns erlebbar zu machen.

9.2.1 Das Erkennen verpflichtet

„Kybernetik“ zu sprechen bzw. das Feedback-Denken der Kybernetik auf den eigenen Geist und Körper anwenden zu können erfordert eine ausdauernde Kontemplation und Meditation: Der Mensch begegnet seinem eigenen bewussten und unbewussten Zustandekommen, muss sich damit auseinandersetzen und findet sich in der Einladung wieder, seine Lebensanschauungen zu hinterfragen (Kap. 6.3). Kybernetik zu verstehen bedeutet in diesem Sinn, sich selbst zu verstehen – zu erkennen – ein Unterfangen, das Bateson (1992, S. 388-389) als „schwierig und selten“ beschreibt. Es stellt sich die offene Frage, ob der Mensch sich für ein solches Lernen Entscheiden möchte.

Gerade, weil die „Erkenntnis der Erkenntnis verpflichtet“126, so Maturana et al. (2012, S. 263) wird es für

„den Kybernetiker“ kein leichtes Vorhaben sein, sich für das Erkennen zu entscheiden. Es erfordert Mut

126 Diese führen fort: „Sie verpflichten uns zu einer Haltung ständiger Wachsamkeit gegenüber der Versuchung der Gewissheit. Sie verpflichtet uns dazu einzusehen, dass unsere Gewissheiten keine Beweise der Wahrheit sind, dass die Welt die jemand sieht, nicht die Welt ist, sondern eine Welt, die wir mit anderen hervorbringen. Sie verpflichtet uns dazu zu sehen, dass die Welt sich nur ändern wird, wenn wir anders leben. Sie verpflichtet uns, da wir wissen, dass wir

(Kap. 5.4 und Kap. 6.3.9) und oftmals eine entsprechende ethische Unterstützung vom sozialen Umfeld (Kap.

6.3.6). Ersichtlich wird auch, dass das Ergebnis eines kybernetischen Denkens zu einem adäquaten detaillierten und bewussten Wissen um das eigene Bewusstsein und Unterbewusstsein führt, aber ein solches ebenso zu einem gewissen Maß voraussetzt.

Inwiefern Voraussetzungen für ein solches Lernen geschaffen werden können, beschreibt eine bedeutende Forschungsfrage. Unumgänglich ist in diesem Zusammenhang die Anmerkung, dass sich die aus der

Forschung abgeleiteten Antwortmöglichkeiten in einem gesellschaftlichen Erkennen bedingt (siehe

Luhmann 2008; Kap. 6.1.7), das zu einem entsprechenden Verständnis von Agogik bzw. Erziehung, Bildung und Ausbildung führt. Vor allem die empirische Auseinandersetzung mit nachhaltig erfolgreichen Lebens- und Lernformen in Kap. 8 zeigt, dass hierzu die die intuitive und rationale Auseinandersetzung mit dem Unbekannten und das nachhaltige Erlebbarmachen der Emotionen und Gefühle von großer Bedeutung sind.

9.2.2 Kybernetik als Wirklichkeit

Das Denken ist Teil des autopoietischen Organisationsprozesses des Menschen. Das kybernetische Denken beschreibt eine mögliche Form, Organisation (die sich auf bzw. im Geist und Körper des Menschen

anwendet) bewusst zu gestalten – und wird sofern gedacht oder angewandt, Teil der Wirklichkeit des Menschen, mit Hilfe dieser sich der Mensch mit Realität auseinandersetzt. Dabei ist von Bedeutung, so Baecker (2005, S. 56), dass „weder“ die „Kybernetik“, noch das „Paradigma der Autopoiesis“ mit „empirisch bestätigten Hypothesen starten. Sie starten mit Annahmen und schauen sich an, wie weit man in der

Beschreibung komplexer Phänomene kommt, wenn man diese Annahmen gegen alle Wahrscheinlichkeit des Augenscheins und in diesem Sinn »theoretisch« durchhält.“

In diesem Sinn erhebt „die Kybernetik“ nicht den Anspruch der Wahrheit, sondern versucht vielmehr,

· sich selbst

· und das Sich-Verstehen des bzw. der „Anderen“,

in dessen Möglichkeiten zur Beziehungsfülle zu begreifen. Aus einer philosophischen Perspektive wird deutlich, dass das kybernetische Bewusstsein das zu erfüllen versucht bzw. vermag, was Andreas Weber (2014, S. 32-37) mit den Gesetzten der Sehnsucht des Lebens beschreibt:

„Alles Lebendige strebt nach Sein. Dieses Streben ist seine Seele. Ein Wesen sehnt sich, zu sein, zu dauern, mehr zu sein, als es ist. Es dürstet danach, sich zu entfalten, fortzupflanzen,

auszubreiten, mehr von diesem kostbaren Stoff aufzusaugen – einem Stoff dessen man nur habhaft wird, wenn man atmet. Dieser Durst ist das Leben.“

9.2.3 Künstliche Intelligenz

Die Schaffung von KI, durch die „materielle“ Anwendung des binären Feedback-Denkens der Kybernetik ermöglicht dem Mensch umfassende Teile seiner Denkleistung in den Formen des Wissens bzw. in den Formen der Welt auszulagern oder auch zu potenzieren bzw. zu reproduzieren (vgl. Füllsack 2011, S. 321-322; Kap. 4.3): KI in Form von Computern und Maschinen

· extrahieren im gegenwärtigen Industrie- bzw. Informationszeitalter riesige Mengen an Ressourcen, bewegen sie um die Welt und verarbeiten sie zu funktionellen Anwenderprodukten.

wissen, uns selbst und anderen gegenüber nicht mehr so tun können, als wüssten wir nicht“ (Maturana et al. 2012, S.

264).

· sind Bestandteile komplexer Steuerungstechniken, die Ressourcen und Informationen speichern, aufbereiten und verteilen.

· ermöglichen den Mensch, sich in virtuellen Möglichkeitsräumen wiederzufinden, die komplexe Zusammenhänge nutzerabhängig aufbereiten und begrenzte „Interaktionsniveaues“ des Menschen erweitern.

Bedeutend für die nachhaltige Weiterentwicklung bzw. Nutzbarmachung von KI ist die Gestaltung der Schnittstelle bzw. des Interfaces zwischen Mensch und KI (u.a Heinecke 2012). Der interdisziplinare Forschungskontext umfasst dabei die Wissenschaftsdisziplinen der Informatik, Kognitionswissenschaften, Medizintechnik, Medienwissenschaften etc., wo Grundlagen multimodaler Mensch-Technik-Interaktion und personalisierte Dialogsysteme erarbeitet und entwickelt werden (DFKI 2017). Dabei wird das Ziel verfolgt, die Feedbackmöglichkeiten zwischen Mensch und KI so zu gestalten, dass diese sowohl universell

anwendbar, jedoch auch individuell adaptierbar sind. Anwendungsgebiete sind bspw. sensomotorische Prothesen (von Foerster 2014, S. 326) oder interaktive Displays zur Erfassung komplexer oder nicht unmittelbar zugänglicher Informationen (DFKI 2017).

Eine offene Frage ist, inwiefern nichttrivial agierende KIs konstruiert werden können, welche selbstständig – einem Lernen III entsprechend – als Lebensform, sich mit dem Leben auseinandersetzen können, das Autopoiesis erlaubt. Dies sei im Kontext der „aktuelle[n] Entwicklungen in der Komplexitätsforschung und der Computertechnologie nicht ganz unmöglich“, so Füllsack (2011, S. 323). Das Forschungsfeld müsste sichtbar machen, inwiefern KIs zugleich bzw. in einer gleichzeitigen Ungleichzeitigkeit

· nichttriviale Möglichkeitsräume ausgehend von dem gegenwärtigen Zustandekommen erzeugen,

· diese erfolgreich in den Formen der Welt zur Anwendung bringen

· und auf Basis dessen das Zustandekommen verändern könnten.

9.3 Schlussfolgerungen und Conclusio

„Die Kybernetik“ fordert den Mensch auf, Mensch zu sein – sich selbst ernst zu nehmen – und sich anstatt in der Moral, in der Ethik wiederzufinden (Kap. 6.1.4), die er nur im Unbekannten entdecken und für sich erlebbar machen kann. Dies erfordert ein Gewahr werden über die eigenen „wirklichen“ Bedürfnisse und das daraus vernünftige Ableiten entsprechender Intentionen (Kap. 5.5). Rekursiv wird der Mensch mit einem solchen Tun auf sich selbst zurückgeworfen und ist konfrontiert mit einem „Lernfeld“, das sich aus den

„Feedbackmöglichkeiten“ des Lebens gestaltet.

Das Denken in Kybernetik gestaltet dabei einen Begegnungsraum des Wirklichen mit dem Möglichen, wo sich durch die Interaktion des Menschen mit sich selbst (Kap. 7.1), seinem Körper (Kap. 6.3), seinen Mitmenschen (Kap. 6.1), der Natur und den KI (Kap. 9.2.3) immerwährend und auf selbstähnliche Weise eine werden wollende Zukunft konstituiert, dessen Entstehen sich in der gedanklichen und emotionalen Entwicklung (Kap. 6) des Menschen bedingt. Durch Unterscheidung und Entscheidung lernt der Mensch dabei vor allem, inwiefern er nachhaltig Gegenwart und Zukunft gestalten kann (Kap. 7.3) bzw. ob er in trivialer Abhängigkeit oder vielmehr in Freiheit dem Leben begegnet.

Und weil nicht minder von Bedeutung – sollen abschließend zwei hypothetische Selbstbilder beschrieben werden, in denen sich der Mensch während des rekursiven Denkens von Kybernetik wiederfinden kann:

· Das Selbstbild der Unvollkommenheit, das sich dem Mensch durch das Sichtbarwerden von Komplexität, seinen Emotionen und Gefühlen offenbaren kann

· oder ein Selbstbild, das zum Ausdruck von Freude und Liebe führt – die der Mensch zu sich selbst, in der Auseinandersetzung mit den auf selbstähnliche Weise wiederkehrenden Phänomen der

Komplexität, seinen Emotionen und Gefühlen, entdecken und erlebbar machen kann.

Damit soll darauf hingewiesen werden, dass der Mensch nicht nur selbstbestimmt entscheiden kann, wie er dem Leben einen Daseinsraum öffnet, sonder auch dafür Verantwortung tragen kann, wie er dem

Phänomen Lernen begegnen möchte – wie er lernen möchte: Die in Kap. 7 erläuterte Idee von

Nachhaltigkeit findet sich so (auch) angewandt auf das Phänomen Lernen wieder –, was zur Voraussetzung wird, dass Lernen sich unverändert verändert (den Bedürfnissen des Menschen bzw. der Menschheit) nichttrivial weiterentwickeln kann.