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8 Nachhaltige Organisationsformen in der Praxis: Pioniere unserer kollektiven Zukunft

8.3 Colearning Wien

Colearning Wien (CLW) ist ein Verein für natürliches Lernen und Gemeinschaftsbildung, existiert seit September 2015 und besteht aus einem Lernzentrum, einer Akademie und einem Coworkingspace. Als solcher ist er ein Gemeinschaftsprojekt, der es freilernenden Kindern124 und Menschen unterschiedlicher Generationen ermöglichen soll gemeinsam zu sein und zu lernen: „Wo lernen nix mehr negativ behaftetes ist, sondern so quasi etwas ist wie atmen“, so Stefan Leitner-Sidl (B1, Z. 25-26), einer der drei Gründer des CLW. Das Lernzentrum ist ein „Raum“ der Kindern und Jugendlichen im Alter von 3 bis 18 Jahren die

Möglichkeit bietet von- und miteinander zu lernen. Die Akademie des CLW beschreibt jene Plattform, die für die Koordination und Verbreitung der Erfahrungen und des Wissens des CLW zuständig ist. Dies wird

gegenwärtig über Formate, wie Wochenendseminare, „Lais“-Lehrgängen, Beratungen, Coachings und dem Webauftritt des CLW erreicht. Im Coworkingspace teilen sich Freelancer, Selbstständige, Gründer, Künstler, Handwerker, Mitglieder kleiner Firmen und Vereine gemeinsame Arbeitsräume und nutzen

gemeinschaftlich genutzte Ressourcen. Der Aufbau weiterer Tätigkeits- und Geschäftsfelder findet gegenwärtig statt (CLW 2017).

Der Idee des „Colearning“ liegt der Überzeugung zu Grunde, dass Erwachsene mit ihren Kindern und Jugendlichen einen Raum der gegenseitigen Inspiration und Begeisterung erlebbar machen können – gleichzeitig als „Lernende und Lehrende“ (Ebd.). Das Ziel des CLW beschreibt Leitner-Sidl wie folgt:

124 Dabei handelt es sich um Kinder, die vom häuslichen Unterricht abgemeldet wurden und der Unterricht von Eltern oder andere Personen bzw. einer privat organisierten Einrichtung übernommen wird (organisierter häuslicher Unterricht in Lerngruppen). Am Ende des Schuljahres muss jedes Kind (§ 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985) bis zum 9.

Schuljahr eine sogenannte Externistenprüfung an einer staatlichen Schule absolvieren – diese gilt als Leistungsnachweis.

„… ich möchte, dass sozusagen die Kinder und Jugendlichen mit den Erwachsenen mitleben, mitlernen, und möchte diese Separierung aufheben zwischen der Institution Schule, als quasi fast geschlossene Anstalt in unserer Gesellschaft und den Büros und Arbeitsplätzen, die auch irgendwie separiert sind. Und dann [auch bei] Einrichtungen für Senioren oder Altersheimen, die auch wieder separiert sind und so quasi unsere Vision ist, dass wir diese Grenzen etwas aufheben und wieder sozusagen eine Gemeinschaft fördern. Und die Zielgruppe sind sozusagen alle Menschen, […] denen so etwas taugt und die an so etwas teil teilhaben möchten“ (B1, Z. 26-33).

„Der Ort ist aus einem ganz persönlichen Suchen […] entstanden“, so Florence Holzner (B3, Z. 16-17), eine weitere Gründerin des CLW. Jenes Suchen gilt vor allem der Frage „wohin wollen wir eigentlich, wenn wir komplett frei sind“ (Ebd., Z. 270-271). Das „Wie“ ist bei der Beantwortung dieser Frage von großer Bedeutung und Phänomen einer immanenten Auseinandersetzung bzw. Forschung, dessen Ergebnis sich in einer neuen Sprache wiederfindet (vgl. B3, Z. 254-256). Der CLW ist in diesem Sinn ein Forschungs- bzw. Experimentierfeld mit dem Ziel „Wissensosmose“ dauerhaft zu leben.

Für diese Arbeit ist der CLW von Bedeutung, da dieser für Kinder, Jugendliche, sowie Erwachsene die Möglichkeit bietet, im Sinn eines „Lernen III“ und „Lernen IV“ nachhaltig zu lernen. Diese Behauptung soll im Folgenden näher begründet werden, indem gezeigt wird, inwiefern Veränderungs- bzw.

Lernprozesse, die in dieser Arbeit diskutierten Charakteristika kybernetischer Systeme aufweisen. Es soll zudem sichtbar gemacht werden, wann Information beziehungsweise Wissen „lebendig“ wird und wann Wissen zu nachhaltigen Entscheidungen und nachhaltig veränderten Verhalten führt.

8.3.1 Erziehung und Bildung: „Wissensosmose“

Die Wissensosmose wird im CLW als sinnerfassendes Lernen beschrieben, wo es darum geht, „auf Verbundenheit zu achten“, so Holzner (B2, Z. 37) – bei der die Separierung aufgehoben wird und ein

„gemeinsam sein wollen“ Gestalt annimmt (B1, Z. 24): Kinder, Jugendliche, wie Erwachsene finden sich im

„Unknown“ wieder, wo dann „das neue Wissen“ entsteht (B2, Z. 52) – ein Lernen auf den Ebenen „Lernen III und IV“, das im CLW folgende vier Aspekte des Lernens beinhält (Colearning 2016):

· dem Lernen, Wissen zu erwerben (Denk- und Urteilsfähigkeit)

· dem Lernen, zu Handeln (Entscheidungs- und Handlungskompetenz)

· dem Lernen, zusammen zu leben (Beziehungsfähigkeit bzw. Gemeinschafts- und Konfliktfähigkeit)

· dem Lernen, zu sein (Selbstbewusstsein, Kreativität, Ausdruck und Ganzheitlichkeit)

Dabei nimmt CLW auf die vier Säulen des Lernens, wie sie im Delors Report der UNESCO (1996, S. 21) Erwähnung finden, Bezug und beschreibt zudem jenen Rahmen der Erziehung und Bildung, der Lernen lernen vermitteln soll – ein Vermitteln einer Selbstverständlichkeit, die eine Beobachtung zweiter Ordnung voraussetzt und ermöglicht.

Dies impliziert eine Erziehung und Bildung zur Selbstverantwortung, Selbstermächtigung,

Begeisterungsfähigkeit und Freude am Wissen (B3, Z. 169-177) – ein Vermitteln durch Lernen auf den Ebenen „Lernen null bis II“. Eine solche ethische Erziehung und Bildung vermittelt keine moralischen Werte bzw. Normen, sondern gibt vielmehr durch ein Vorleben zu verstehen (ethische Erziehung und Bildung; vgl.

Oerter et al. 2008, S. 962) – „durchs Vorleben und durchs […] zeigen, wie ich damit umgehe, wenn ich’s nicht kann“, so Holzner (B3, Z. 180). Hiervon erzählt sie das Folgende:

„Also Erziehung ist für mich, mich selber erziehen. Mich selber reflektieren, also ich glaub, dass es keine Erziehung gibt, die nicht vorleben ist. Also man kann glauben, dass man erzieht – und lebt nicht vor, aber ich glaube, es funktioniert nicht. Also, ich mein, der Karl Valentin hat das so lustig gesagt: Ich brauche meine Kinder nicht erziehen, weil sie machen mir e alles nach. Und das Gefühl habe ich auch. Eben und wenn ich meinen Kindern was vorlebe, was mir dann nicht daugt, kann ich mal darüber nachdenken was ich vorlebe und wie ich damit umgehen kann“

(Ebd., Z. 143-149).

Eine ethische Erziehung findet dementsprechend durch ein Lernen auf den Ebenen „Lernen null bis II“ statt, das ein „Ich“ konstituieren soll,

· welches sich immerwährend in das „Selbst“ zu transzendieren vermag

· und das sich dabei verändernde „Ich“, in einem Gemeinsam-in-der-Sprache-Sein, zum Ausdruck bringen kann.

Bildung beschreibt dabei die Fähigkeit, ausgehend von einer Beobachtung zweiter Ordnung, zu

unterscheiden und sich entscheiden zu können. So ermöglicht Gudjons (2012, S. 208) zufolge, Bildung (zum Unterschied zu Erziehung) einen „generellen Maßstab, […] z.B. […] Erziehungsziele zu beurteilen, Erziehung kritisierbar zu machen und zu bewerten.“ Dabei erscheint der Mensch Wulf et al. (2014, S. 19) zufolge als

„bildungsbedürftig“ und „bildungsfähig“ – als jemand, der sein Leben erst lernen muss:

„Die Bildungsbedürftigkeit – wie die Bildsamkeit – zeigt sich in der Entwicklung ihrer Hervorbringung. Und diese Hervorbringung ist kein durch die Natur vorgegebener, passiver, sondern ein durch pädagogische Maßnahmen (mit-) initiierter aktiver Entwicklungsprozess.

Der Mensch ist also von Anfang an ein Wesen, das bildungsbedürftig und bildungsfähig ist, ein Homo formans.“

Auf die Frage, wie Bildung im CLW stattfindet, antwortet Holzner (B3, Z. 121-138) wie folgt:

Also in aller erster Linie als Erfahrungsraum. Also die Kinder machen ja alles selber. Die Kinder putzen selber, die Kinder kochen selber, die Kinder gehen selber einkaufen. Wir haben eine Gruppe von ganz jungen Erwachsenen, die das mit ihnen machen. Und die Bildung am Anfang entsteht eigentlich mal durch Reibung. Durch merken, was alles nicht funktioniert, durch merken, wie unwillig man ist, wie sich alles anstrengend anfühlt, wie wenig man weiß. […] so diese ersten Monate waren echt so ein ganz viel in Kontakt gehen und streiten, ein diskutieren wer bin ich, was will ich. Wie leiste ich unbewusst Widerstand, wie leiste ich bewusst

Widerstand und sage: Nein, das mache ich nicht. Das war für mich diese erste Bildung, […] von wie übernehme ich Verantwortung für mein eigenes Leben. Wie gehe ich in einer Gruppe um, wie sage ich meine Meinung, und wie sorge ich für mich, also für meine Grundbedürfnisse. […]

also das wär so für mich die Basis, dass sie in sich selber ankommen und verantwortlich für ihr eigenes Leben [werden] […] der letzte Schritt heißt dann […}: Wissen. Aber dazu braucht man diese ganzen anderen Dinge. Also diese Basisbildung […], wie sorge ich gut für mich selber, dass man dann wirklich wissbegierig wird.“

Das Wort Bildung beschreibt demnach ein Phänomen, das durch einen Lernprozess der Ebene „Lernen II“

entsteht und zu einem Lernen der Ebene „Lernen III“ befähigen kann bzw. soll. Bildung findet dabei in allen Altersgruppen statt und ist dem Begriff der Wissensosmose – einem erfolgreichen Vermitteln von Wissen – zuzuordnen. Dies entsteht erst dadurch, dass der lernende Mensch sich in einer Beobachtung zweiter Ordnung erschafft und sich so (im Sinne Bubers (1982); siehe Kap. 7.1) in Verbundenheit – in seinen Beziehungsmöglichkeiten und seiner Beziehungsfülle erfährt:

„Wenn man sich eine Wissensosmose vorstellt, dann ist es wichtig, dass es so wenig Widerstand wie nur möglich gibt – die Menschen »schwingen« dann quasi gleich. Da ist es dann wichtig, was wir als Lernbegleiter leben, welche Stimmungen wir leben. Die Kinder spüren das, das beeinflusst sie dann – das, wie wir die Dinge vorleben, so sind die Kinder dann auch drauf. Aber da sind wir ganz am Anfang – da forschen wir noch, was da genau passiert“

(B2, Z. 42-47).

8.3.2 Wissensosmose durch „Schaubildarbeit“

Ein bedeutendes Werkzeug des CLW, mit Hilfe dem Wissensosmose stattfindet bzw. stattfinden soll, ist die

„Schaubildarbeit“. Sie wird im CLW angewandt und ständig weiterentwickelt. Konkret ist „die“

Schaubildarbeit ein Begriff, der einen Prozess beschreibt, in dem „Lernen null bis IV“ stattfinden kann – wo sich in der Regel eine Gruppe von acht Menschen zusammenfindet und gemeinsam mit einem

Gruppenleiter zu einem spezifischen Thema (etwa zu Mathematik, zu Chemie, zu Biologie, zu Physik oder zu

„Fragen des Lebens“, wie, „Was ist Beziehung?“ oder „Was ist Schaubildarbeit?“) gelernt wird. Den dabei stattfindenden Lernprozess beschreibt Holzner (B2, Z. 48-52) anhand eines „Us“:

„Die Kinder graben immer tiefer, wollen was herausfinden, die Kinder kommen allmählich drauf, um was es eigentlich geht. Bis sie dann unten ankommen sind und die Kinder ein gemeinsames Aha-Gefühl miteinander teilen – sie alles miteinander teilen. Das ist wie ein Flow. Dort ist das »Unknown« – da entsteht dann das neue Wissen.“

Jener Zustand des Lernen auf den Ebenen „Lernen III und IV“ wird dann zum Anlass, das Erlernte in einem Gemeinsam-in-der-Sprache-Sein durch Lernen auf den Ebenen „Lernen null bis II“ zu integrieren bzw.

erlebbar zu machen. Holzner (B2, Z. 52-55) erzählt weiter:

„Dann geht’s wieder rauf, wo man so begeistert ist, von diesem »Unknown«, vom neuen Wissen. Da gibt es dann so ein richtig großes Bedürfnis, das Wissen der nächsten Gruppe weiterzugeben und sie machen ein Theaterstück daraus – ein Plakat, sodass die anderen verstehen.“

Das „Schau-bild“ impliziert für die nächste Gruppe nicht nur ein Lernen der Ebene „Lernen I bis II“, sondern kann zugleich auch zum Auslöser eines erneuten Lernprozesses auf der Ebene „Lernen III und IV“ werden:

„Je emotionaler das ist [damit ist die Schaubildübergabe gemeint]– oder besser, je

»anwärmender«, desto spannender, skurriler das dann ist – mit Wortspiele etc. – desto besser kann das dann gemerkt werden. In diesem Moment entsteht dann auch das Gefühl »da fehlt ja noch was«. Weil der Punkt unten eigentlich nicht »mitteilbar« ist – er bleibt immer ein

Geheimnis. Da stößt man dann an, dass die Kinder gleich was draus machen wollen und dann selber nachforschen wollen… – weil sie dieses ominöse Bild sehen – diese Begeisterung“ (B2, Z.

55-60)125.

125 Dem fügt Holzner (B2, Z. 60-69) noch hinzu: „Es ist fast so wie eine Bibelgeschichte: Es gibt eine Wahrheit, die drinnen steckt, die erzählt werden will und dann mit einer Geschichte erzählt wird. Das Selbe ist mit Märchen. Das Gleichnis, das da erzählt wird berührt dann, wenn es erzählt wird und löst bei anderen aus, dass sie losgehen wollen.

Nicht weil sie besser sein wollen – sondern vielmehr aus einem brennenden Gefühl heraus – dass man das noch ein bisschen besser machen kann. Das ist genauso, wenn unsere Kinder ein Schaubild vorstellen – die anderen wollen dann sofort losstürzen und auch eines machen. Dieses Lernen ist ein Miteinander. Du kannst es auch alleine machen, aber da ist das Aha-Gefühl nicht so groß – …dieser Punkt, wo alle gemeinsam verstehen ist so bedeutend: wo das „wir“ entsteht, wo wir etwas gemeinsam geschafft haben, wo wir wirklich etwas verstanden haben. Daher kommt dann das Bedürfnis weiterzugeben. Ich glaube, so sind die Menschen. Die schüchternsten Kinder stehen auf der Bühne oben und erklären…“

Die Schaubildarbeit gestaltet in diesem Sinn einen Lernprozess, der alle Ebenen des Lernens beinhält –

„Lernen null bis IV“: Der Mensch bzw. eine Gruppe begegnet in der Auseinandersetzung mit einem Thema dem „Selbst“ bzw. dem Unbekannten. Sie formen dabei ein „Ich“ bzw. ein Bewusstsein aus, das sich in der Transzendenzfähigkeit übt und sich zugleich „dem Sinn nach“ – sinnvoll – Mathematik, Chemie, Biologie, Physik bzw. „Fragen des Lebens“ erörtert und erschließt.

8.3.3 Emotionen, Gefühle und „das Gefühl“

Ein weiteres bedeutendes Element des Lernens im „Colearningspace“ des CLW ist die intensive

Auseinandersetzung mit dem „Jetzt“, dem ein ethisches Selbstverständnis zugrunde liegt. Holzner (B2, Z. 71-72) beschreibt dies wie folgt:

„»Tu nie nur so als ob« – im Sinne von »Don’t prepare for life we live« – es ist nämlich das Jetzt, das real ist, wo die Kinder lernen. Wo sie sehr frustationstolerant sein müssen – und auch damit umgehen lernen, und eben ganz viel dabei lernen.“

Das „Colearning, -working und -living“ im „Jetzt“ bedeutet in diesem Sinn für die Lernenden und Lehrenden Kinder, Jugendliche, Anwender, Professionisten und Ermöglicher auch oftmals eine Begegnung mit ihren Emotionen und Gefühlen, wie sie in Kap. 6.3.1 beschrieben werden: Eine Begegnung mit empfundenen Wohlbefinden oder Unbehagen (Prä-Emtoionen), mit empfundener Freude, Angst, Wut und/oder Trauer (Basisemotionen), bis hin zu dem Fühlen von primär und sekundär kognitiven Emotionen. Die Auslöser hierfür liegen in der Wahrnehmung von Veränderung und werden durch bewusste (Verstand und Vernunft), wie auch unbewusste (limbisches System) Bewertungen verursacht. In Kap. 6.3.10 wurde zudem gezeigt, dass das als unangenehm Empfundene sich in der Tatsache bedingt, dass das Unangenehme, der Auslöser des Unangenehmen bzw. die Ursache des Unangenehmen, (zumindest im Augenblick des Empfindens) vom Menschen vermieden werden wollen. Die „Heterogenität“ des CLW (B1, Z. 138) findet sich in jenen

„Auslöser-Ursache-Prozessen“ des Menschen immanent wieder und lässt diesen (siehe Kap. 6.3.7)

· mit dem erschaffenen Anderen begegnen – den verdrängten Verhaltensweisen und Gefühlen, aus dem sich Jung (2015, S. 55) zufolge das persönlich Unbewusste konstituiert;

· bzw. mit dem kollektiv Unbewussten bzw. dem „Selbst“ begegnen – das zur Individuation des kollektiv Unbewussten (Kap. 6.3.8) bzw. einem Lernen auf der Ebene „Lernen III und IV“ führen kann bzw. führt.

Im CLW zeigt sich, dass Heterogenität und die Absicht, Gemeinsam zu sein, zu Veränderung – zu Lernen auf den Ebenen „Lernen null bis IV“ führt und (die in der Wirklichkeitsvorstellung kreierte) Separierung

aufgehoben werden kann. Das dabei stattfindende „natürliche Lernen“ ist durch mutiges Ausprobieren und dem eigenen Interessen und Impulsen folgen gekennzeichnet (LAIS-Institut 2016) – ein Lernen im

„Begeisterungsfluss“, das sich durch Angstfreiheit, einem „an sich selbst arbeiten“ und „reinspringen“

auszeichnet, so Holzner (B3, Z. 302 und 314). Der Umgang mit Emotionen und im Konkreten mit Angst, beschreibt dementsprechend einen integralen Bestandteil des Lernens im CLW (B2, Z. 83). Die Lernbegleiter geben hierfür den Halt und gestalten die Struktur bzw. Rahmenbedingungen, wo dies möglich ist. Holzner (B3, Z. 200-206) beschreibt dies wie folgt:

„…die unter 20jährigen haben ein unglaubliches Feuer, bringen unglaublich viel Freude mit und Begeisterung und tun sich schwer mit dieser Kontinuität. Also die sind mehr so am brennen und am Tun und dann kippen sie ganz raus und dann ist wieder alles schrecklich und dann ist wieder alles furchtbar und dann sind sie wieder total glücklich und bereichern uns besonders, wenn wir ihnen diesen Halt geben, […] also wir können diesen Rahmen vorgeben und wenn wir den Rahmen halten, dann können sie eigentlich ständig […] immer mehr begeistert sein.“

Auf diese Weise „entsteht“ im CLW ein „Ich“ (der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen), das fähig ist, sich selbstständig mit Veränderungen, dem Unbekannten, den unvorhersehbaren Aspekten des Lebens bzw.

dem „Selbst“ auseinanderzusetzen. Dies gilt für die Lehrer (bzw. Lernbegleiter), wie auch für die Lernenden:

Jeder Mitwirkende am CLW lernt in diesem Sinn,

· sich mit sich selbst und dem Anderen auseinanderzusetzen,

· sich im immanenten Versuch wiederzufinden, sich bzw. den Anderen zu verstehen

· und sich und den Anderen zu respektieren.

Aus einem solchen Lernprozess entsteht ein Gemeinsam-in-der-Sprache-Sein – eine „Sprache des Lebens“

die Fähig ist Stabilität und zugleich Flexibilität im Steuern durch bzw. mit dem Veränderungsprozess zu gewährleisten (siehe Kap. 6.3.8).

Die Menschen des CLW folgen auf diese Weise ihrem „Gefühl“, das „aus einem ganz persönlichen Suchen“

entsteht – einer „Bildungssehnsucht“ die sich im Möglichen wiederfinden möchte (B3, Z. 16-18 und 73):

Einem „Lernen“, so wie es Scharmer (2009, S. 30) ausdrückt, „aus der im Entstehen begriffenen Zukunft“. Die Inspiration ist hierbei eine bedeutende treibende Kraft: Die Menschen am CLW finden sich u.a. inspiriert durch die russische Schetinin- Schule, der Weinbergschule in Salzburg, durch die Arbeit von Graf-Neureiter am LAIS-Institut in Klagenfurt, sowie in einer ständigen Auseinandersetzung mit dem möglichen Anderen und der gegenwärtigen Situation im CLW wieder (LAIS 2016).

8.3.4 Das nachhaltige kybernetische Lernen am Colearning Wien

Das Lernen im CLW ermöglicht im Betrieb bzw. durch Werkzeuge des Lernens (wie bspw. durch Schaubildarbeit) alle Ebenen des Lernens – „Lernen null bis IV“ erlebbar zu machen. Dies führt zu einer nachhaltigen Entwicklung erster und zweiter Ordnung, die dem vermeintlich Anderen einen Daseinsraum öffnet. Konkret kann diesbezüglich von sozialer Nachhaltigkeit gesprochen werden. Auch findet durch die Pädagogik am CLW ein bewusster Umgang mit bspw. Lebensmitteln und den Finanzen statt (siehe bspw. B3, Z. 129-137): Die Auseinandersetzung mit den Aspekten der ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit findet „indirekt“ statt – durch die integrale („psychische“, soziale, ökonomische und ökologische)

Betrachtung des eigenen Zustandekommen, das dem System Mensch bzw. dem System CLW erlaubt sich rekursiv organisierend selbst zu steuern (Kap. 3.4.1). Jener kybernetische Charakter des CLW wird dabei konkret auf folgende Weise sichtbar:

· Durch ein ethisches Erziehungsverständnis, das durch ein Vorleben zum Ausdruck kommt (siehe B3, Z. 180) und für die Personen am CLW zugleich „ein sich selber erziehen“ bedeutet (siehe B3, Z. 143).

· Durch ein Bildungsverständnis, das das „Leben zum eigenen machen“ soll (funktionale

Geschlossenheit; Kap. 2.2), das Beobachtung als Beobachtung zweiter Ordnung erlebbar macht (Ebd., Z. 107).

Die Erziehung, Bildung bzw. (Päd-)Agogik des CLW wird durch die Ökologie der Ideen aller Menschen des CLW konstituiert, welche sich durch Interaktion mit dessen jeweiligen Umwelten rekursiv aus sich selbst hervorbringen. Die Ökologien der Ideen verändern sich ausgelöst durch ein „Lernen III und IV“ im sozialen Netzwerk des CLW in einer Onto- und Phylogenese. Dies geschieht aus einem Bewusstsein, das als integral evolutionär bezeichnet werden kann: Selbstführung bzw. die Ermutigung zu selbstbestimmten Handeln, stehen im Mittelpunkt der Entwicklung von Ganzheit – einer stabilen und flexiblen Transzendenzfähigkeit des „Ich“ in das „Selbst“, aus der sich der evolutionäre Sinn entwickeln kann (vgl. Laloux 2015, S. 44-55).

Auf diese Weise kommt die „Qualität“ der Autopoiesis des CLW durch ihre Mitglieder zum Ausdruck (Kap.

2.2), dem eine intensive Auseinandersetzung mit Emotionen, Gefühlen und der Intuition zu Grunde liegt. Das

Intuitive – die Transzendenz in das „Selbst“ und das inspirieren Lassen von „Möglichkeitsräumen“ des miteinander Lernens, Arbeitens und Lebens beschreiben das immerwährende Ziel des CLW (Kap. 5.5). Im CLW wird praktisch sichtbar, dass wenn der Mensch autopoietisch „selber macht“, Wissen lebendig ist und nachhaltig Entscheidung und Veränderung konstituiert.

8.4 Das integral evolutionäre Bewusstsein der Pioniere unserer kollektiven