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8 Nachhaltige Organisationsformen in der Praxis: Pioniere unserer kollektiven Zukunft

8.2 Sandra Krautwaschl

Am 17. September 2009 sah Sandra Krautwaschl (K.) den Dokumentarfilm „Plastic Planet“ von Werner Boote. Für K. war dieser Ausgangspunkt einer intensiven Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Kunststoffen in ihrem täglichen Leben. K. (2016) schreibt hierzu:

„Nachdem ich »Plastic Planet« von Werner Boote gesehen habe, war ich erst frustriert und sauer, weil der Film mir klar gemacht hat, dass wir einer Werbemaschinerie aufsitzen. Ich halte mich und meine Familie für sehr umweltbewusst und es fällt uns trotzdem gar nicht mehr auf, wenn wir der Umwelt Schaden zufügen. Es war eine trotzige Reaktion, sich gegen diese Einschränkung und dem Ausgeliefert sein zu wehren. So kam der Gedanke einen Monat lang plastikfrei zu leben.“

Jenes einmonatige Experiment dauert nachwievor an und beschreibt einen Veränderungs- bzw.

Lernprozess, den K. gemeinsam mit ihrer Familie (ihrem Mann Peter R. und den gemeinsamen Kindern Samuel 13, Marlene 10 Jahre, Leonard 7121) erlebt bzw. erlebbar macht. Dem zugrunde liegt die

Überzeugung der Familie, dass dessen „Kunststoffkonsum“ einerseits aus gesundheitlichen Erwägungen, andererseits wegen des anfallenden Mülls „inakzeptabel ist“ (Krautwaschl 2012, S. 153).

119 Dies beschreibt Laloux (2015, S. 48) mit dem folgenden Bsp.: „Das Einatmen und Ausatmen kann diesen Unterschied gut illustrieren. Im Entweder-oder-Denken sehen wir beides als Gegensätze. Im sowohl-als-auch-Denken sehen wir dagegen zwei Elemente, die einander brauchen: Je mehr wir einatmen können, desto mehr können wir ausatmen. Beim Ein- und Ausatmen ist das Paradox leicht verständlich. Weniger offensichtlich ist es bei einigen der großen Paradoxien des Lebens, die wir erst auf der integralen Stufe des Lebens verstehen: Freiheit und Verantwortung, Alleinsein und Gemeinschaft, Fürsorge für sich selbst und Fürsorge für andere.“

120 Laloux (2015, S. 48) diskutiert in diesem Zusammenhang die Möglichkeit der Wissenserschließung, wie sie in Weisheitstraditionen und der transpersonalen Psychologie beschrieben wird. Diese gehen nämlich davon aus, dass der Mensch eine Frage „leben“ kann, „statt nur eine Frage zu stellen“, wo durch die Transzendenz des „Ich“ zum „Selbst“, meditative und kontemplative Zustände, unerwartete Ereignisse, Träume etc. zu Erfahrungen, Entwicklung und Wissen bzw. Weisheit führen können.

121 Anm.: Die Altersangaben beziehen sich auf den Beginn des Experiments.

Mit ihrem Ziel plastikfrei zu leben „begann eine Reise zu einem unbekannten Ziel“, so K. (2012, S. 24), „ohne zu ahnen, was mich unterwegs so alles erwarten würde.“ Aus Widerstand und Empörung entstand die Idee Kunststoff zu verweigern – ein bereichernder Befreiungsschlag für die Familie:

„…ich wollte keinen Beweis erbringen, sondern [es] vielmehr als Experiment sehen…ich wollte schauen wie geht’s uns damit […]. Ich habe mich in einer sehr aktiven und positiven Rolle gesehen, das haben auch die Kinder so mitbekommen…und auch mit meinem Mann: Wir waren immer sehr selbstbestimmt und aktiv. Es war einfach cool, es war für mich persönlich wie ein Befreiungsschlag“ (B4, Z. 68 bis 72).

Im Zuge dessen, musste sich die Familie mit zahlreichen Aspekten des Lebens auseinandersetzen: wie bspw.

der Ernährung, dem Transport, der Körperpflege und der Hygiene, dem Waschen und dem Putzen, dem Haushalt und dem Garten, der Schul- und Büroartikel, der Elektrogeräte, der Kleidung, der Schuhe. Dies erforderte eine entsprechende Neugestaltung der Einkaufsplanung und Organisation im generellen. Die Bedingungen zur Ausdifferenzierung – für Veränderungen bzw. für Lösungsvorschläge wurden zu Beginn des Experiments festgelegt (Krautwaschl 2012, S. 43-44):

· So sollte zunächst für ein Monat Kunststofffrei eingekauft werden. Sofern möglich sollte in dieser Zeit auch kein Gebrauchskunststoff verwendet werden, wie sie bspw. in Tupperware, Wäschekörbe oder Putzeimer enthalten sind. Zudem sollte auf entbehrliche Haushaltsgeräte verzichtet werden, in denen Kunststoffe enthalten sind (wie z.B. dem Wasserkocher).

· Die Plastikvorräte sollten aufgebraucht und nicht weggeschmissen werden: Dies betraf bspw.

Lebensmittel, Kosmetikartikel, Wasch- und Putzmittel. Falls das nicht möglich ist sollten

Gegenstände, wie Spielzeug, Kochutensilien, Sesseln, Büroartikel etc. für die Dauer des Experiments weggeräumt werden.

· Durch die sich verändernden Organisationsprozesse, sollten keine zusätzlichen Fahrten mit dem Auto anfallen.

· Die Beschaffung der Ersatzprodukte sollte keine zusätzlichen Kosten verursachen.

· Und „falls das Experiment zu Stress, schlechter Laune oder sonstigen Widrigkeiten führt, kann es jederzeit von Peter oder mir abgebrochen werden“, so K. (2012, S. 44).

Die Familie war sich bewusst, dass für die angestrebten Veränderungen Kompromisse notwendig sind (wie etwa bei der Benützung von Fahrrädern, Sturzhelmen, Sportschuhe Verschlüssen von Glasflaschen, beim Fahren mit dem Auto), um das Vorhaben nicht „durch zu hohe Genauigkeit zu gefährden“ (Ebd., S. 45). K.

(2012, S. 99) findet hierfür die folgende Formulierung:

„Ich darf unser Experiment nicht durch zu hohe Erwartungen belasten – nicht zuletzt deshalb, weil ich mir sonst jede Freude daran rauben würde. Es handelt sich, bei aller Begeisterung, letztlich um einen privaten Versuch, einfach ein bisschen weniger Plastikmüll zu produzieren, weniger unnötiges Zeug einzukaufen und damit möglicherweise sogar an Lebensqualität zu gewinnen. Der Ehrgeiz, eine größere Außenwirkung zu erzielen muss im Hintergrund bleiben.

Zu sehr besteht sonst die Gefahr, dass wir sonst unter Druck geraten, alles richtig zu machen.

Unser Experiment soll menschlich bleiben. Kompromisse und Fehlschläge eingeschlossen. Für Perfektionismus ist da kein Platz.“

K. (2012, S. 100) fügt dem noch hinzu:

„Plastik ist nicht böse. Plastik ist nicht unser Feind. Neben dem Versuch, einen Monat lang dieses Material beim Einkauf zu vermeiden, wird es in unserem Experiment hauptsächlich

darum gehen, sinnvolle Verwendungen von sinnlosen zu unterscheiden und zwar auf unsere ganz individuelle Art und unserem Lebensstil entsprechend.“

Im Zuge des durch das Ziel (Kunststoffe im Alltag zu verweigern) angestoßenen Veränderungsprozess, stellten sich für die Familie bemerkenswerte Ergebnisse ein: So bestand der Kunststoffmüll der ersten beiden Monate122 im Wesentlichen nur aus einigen Verpackungen aus Mitbringsel und Geschenken, Postsendungen und ein paar Altbeständen, die in „einem kleinen Säckchen Platz fand“, so K. (Ebd., S. 154).

Zudem sprechen K. (2012, S. 154) und ihre Familie von einem „kreativen Akt“, der durch das Experiment in vielen Bereichen der Familie Fantasie und Improvisationstalent „sehr beflügelte“ – und das Experiment nicht dazu führte Kunststoff „gänzlich zu verteufeln“. Nach mehr als zwei Jahren „Experiment“ konnte der

Kunststoffmüll um ca. 95 bis 98 Prozent und der andere Müll um ca. 50 Prozent verringert werden (Ebd., S.

221). Zudem hat die Kunststoffverweigerung nicht zu zusätzliche Kosten geführt (Ebd., S. 154). Der Aspekt der Nachhaltigkeit des Experiments wird auch in der Auseinandersetzung der Familie mit ihrem

Fleischkonsum sichtbar, welchen sie ebenso einschränkten (Ebd., S. 180).

Die Familie war in ihrem Vorhaben mit so mancher Herausforderung konfrontiert: Denn nicht jedes Produkt, das auf den ersten Blick kunststofffrei erschien, ist es auch (bspw. sind Produkte außen mit Karton verpackt, haben innen aber oft eine Kunststoffschicht; Dichtungen von Glas- und Metallbehälter sind aus Kunststoff).

Die Neugestaltung der Einkaufsplanung und Organisation machte es so erforderlich, sich näher mit dem Produkt und dessen Alternativen auseinanderzusetzen – ein Lernprozess, aus dem sich immer wieder auf das Neue alternative Bezugsquellen für die verweigerten Produkte finden sollte. Das Lernen konstituierte sich dabei aus Recherchearbeit: dem Finden von Informationsplattformen im Internet, eine

Auseinandersetzung mit Ökobilanzen von alternativen Produkten (einer Beantwortung der Frage: Weist das substituierte Produkt eine bessere Ökobilanz auf?) und dem Gestalten eines aktiven

Informationsaustausches nach „außen“.

8.2.1 Medien: Homepage, Blog, Podiumsdiskussionen etc.

Grundlegend für den Erfolg des „Experiments“ war die Interaktion des „Systems Familie Krautwaschl“ mit dessen „Umwelt“: Das Führen eines Tagebuchs über die gemachten Erfahrungen wurde zu Beginn des Experiments mit der Idee ergänzt, diese auch auf Fotos und Videos festzuhalten und anderen –

Nachahmern, zur Verfügung zu stellen. Auch suchte K. (2012, S. 49) den Kontakt zu Werner Boote, dem Regisseur des Films „Plastic Planet“. Gemeinsam mit dessen Produzenten Thomas Bogner wurde (dann) die Idee geboren eine Homepage (mit dem Titel: „Kein Heim für Plastik“; abrufbar unter:

http://www.keinheimfuerplastik.at/) mit einem Blog über die Erfahrungen der Familie zu gestalten. Auch ein Zeitungsinterview wurde vermittelt. Einen Monat nach jener Ideenfindung startete der Blog. K. (B4, Z.

105-114) erzählt hiervon folgendes:

„Die ganze Idee vom Blog ist von Werner Boote entstanden – das war ein entscheidender Punkt in der ganzen Angelegenheit – dass ich auch aktiv Kontakt mit ihm aufgenommen habe.

Weil er mir im Film so sympathisch war, habe ich mir auch gedacht, vielleicht kann er ja was damit anfangen und habe ihm ein Mail geschrieben, erzählt was wir so machen und zwei, drei Fragen an ihn gestellt. Er hat sofort zurückgeschrieben – eine halbe Stunde später und war voll begeistert und hat gemeint, da müssen wir unbedingt einen Blog machen, die Medien

einschalten usw. Er war ganz begeistert und so hab ich ihn auch kennengelernt. Er ist ein ganz positiver Mensch – ähnlich wie ich. Dadurch ist das Ganze noch viel mehr ins Rollen

gekommen. Nach einem Monat ist es losgegangen, wo die Leute am Blog Fragen gestellt und

122 Das Experiment wurde von der Familie kurzerhand bis zum Jahresende verlängert (Krautwaschl 2012, S. 139-141).

Kommentare geschrieben haben. Dann war klar, ich möchte nicht aufhören, ich möchte das weiter aufbauen und das war schon 2009.“

Der Blog wurde so nicht nur zu einer bedeutenden Plattform zum Informationsaustausch – er trug auch dazu bei, „einen Beitrag zu leisten, eine Bewegung zu stärken“, so K. (B4, Z. 120-124):

„Eine Community, die sich damit auseinandersetzt Plastik zu vermeiden, die das kritisch sieht, immer wieder Fragen stellt und im Alltag versucht etwas umzusetzen. Ich sehe mich als Teil davon und das ist ein gutes Gefühl. Auch das du [damit bin ich gemeint] jetzt kommst und mit mir darüber redest, oder ich bin mit meinem Buch in Lesungen eingeladen…ich hätte nie gedacht, wie ich die Idee dazu gehabt habe, dass es dazu kommen könnte – …es war eine spontane Idee.“

Neben der Homepage bzw. dem Blog entstanden durch die Teilnahme an Podiumsdiskussionen und

gegebenen Interviews eine mediale Vermarktung der Anliegen der Familie und des Experiments. K. (2012, S.

117-118) sah das Interesse der Medien zunehmend als Chance ihr Umfeld zu inspirieren und zu einem „Sich-in-Frage-Stellen“ anzuregen. Mit Oktober 2010 erhielt K. ein Mandat als Gemeinderätin, 2012 erschien das von K. verfasste Buch „Plastikfreie Zone: Wie meine Familie es schafft, fast ohne Kunststoff zu leben“ und 2015 wurde K. Landtagsabgeordnete der Grünen in der Steiermark123. Mit dem Experiment und der sich daraus entwickelten politischen Tätigkeit veränderte K. ihr Umfeld mit. K. (B4, Z. 205-208) erzählt hierzu:

„Das was ich gemacht habe, hat, wenn man so will, vielen Menschen Hoffnung gegeben: So wie mich Menschen motiviert haben, habe auch ich Menschen motiviert. In dem Umfeld, wo ich mich bewege, da auf Gemeindeebene – da sind Leute dazu gekommen, die mir etwas zutrauen. Und gemeinsam stärkt man sich da dann.“

Die medialen Folgeerscheinungen des Experiments waren einer der wenigen Aspekte, die Schwierigkeiten für die Familie Krautwaschl mit sich trug – und zu Diskussionen führte, wie sich die Familie mit Journalisten, Politiker, Skeptiker auseinandersetzen sollte (B4, Z. 95-96 und Krautwaschl 2012, S. 51-52, S. 235 und 219-228): Die Auseinandersetzung mit der entstandenen Resonanz bzw. nicht-Resonanz in der Umwelt Ks. hatte zur Folge, dass Gegebenes (vor allem auch innerhalb der Familie) in Frage gestellt wurde. In diesem

Zusammenhang war vor allem der wertschätzende Umgang mit Fragen und Wiedersprüchen in der Familie, unter Freunden und Bekannten ein wesentlicher Faktor, der das Experiment zu einem Symbol

heranwachsen lies –, in dem sich die Familie in einer neuen Selbstverständlichkeit (nämlich Kunststoff zu verweigern) wieder finden konnte. K. (B4, Z. 129-131) beschreibt dies wie folgt:

„…komme […] immer zur Antwort: „Nein, das ist so wichtig, weil ich das Gefühl habe, dass es nicht nur um Plastik geht – es ist vielmehr ein Symbol. Die Vermeidung von Plastik ist ein Symbol geworden für viele andere Sachen.“

8.2.2 Das nachhaltige kybernetische Lernen von Sandra Krautwaschl und ihrer Familie Das Experiment von K. und ihrer Familie führte zu einem Lernen der Ebenen „Lernen null bis IV“ – und im weiteren Sinn zu einer nachhaltigen Entwicklung erster und zweiter Ordnung. K. gelang es, ihr Ziel Plastik zu verweigern gemeinsam mit ihrer Familie zu erreichen. Dies soll im Folgenden näher begründet werden, indem gezeigt wird, inwiefern der Veränderungs- bzw. Lernprozess von K. und

123 K. (B4, Z. 201-203) hierzu: „Die ganze Politische Dimension hat sich durch das Projekt und dass das bekannt worden ist aufgetan und hat das beeinflusst. Ich wäre nicht in der Position hier, wenn das nicht gewesen wäre.“

ihrer Familie die in dieser Arbeit diskutierten Charakteristika nachhaltig agierender kybernetischer Systeme aufweist.

Das „System Krautwaschl“ lässt sich ausgehend vom Ziel (Kap. 5.5) Ks.,

· Plastik gemeinsam mit Ihrer Familie zu verweigern,

· und sich dabei wohl zu fühlen,

beschreiben (Krautwaschl 2012, S. 146). Dieses Ziel bedingt sich in den zu Beginn des Experiments festgelegten Bedingungen (siehe oben). Dem liegt ein rekursiv organisierter Lernprozess zugrunde, der zu Veränderung bzw. „Steuerung“ führte: So war es in Worten Ks. (2012, S. 212) „Eigensinn, Trotz, Leidenschaft und Hoffnung“, die K. und ihre Familie immer wieder dazu brachten, sich auf

„Dinge zu fokussieren“, die sie persönlich beeinflussen und verändern konnten. Zudem war der

„Glaube an die Bedeutung des eigenen Handelns“ Voraussetzung zur bewussten Herstellung der Selbstbezüglichkeit – der funktionalen Geschlossenheit (Kap. 2.2) des Systems K., das rekursiv organisierte Prozesse (Kap. 3.4.1) der Unterscheidung und Entscheidung (Kap. 4.2) mit sich brachte (Ebd., S. 255 und 157). Die positive Einstellung zum Leben, Hoffnung, Freude und ein „gutes Gefühl“

werden dabei als grundlegende organisierende Eigenschaft zur Aufrechterhaltung der Autopoiesis (Kap. 2.2) des Systems Krautwaschl sichtbar (vgl. Ebd. 145-146). Diese ließ K. und ihre Familie kontinuierlich weiterentwickeln und eine neue – dem Ziel entsprechende Selbstverständlichkeit ausbilden (Ebd., S. 187). Ein „Müssen“ – ein moralisches „du sollst“ war hierfür nicht die Grundlage – die Familie behielt sich vielmehr vor, „frei zu entscheiden“ auf welche Weise das Experiment

fortgesetzt werden soll (Ebd., S. 79). Ein solches Lernen der Ebene „Lernen III“ führte

(dementsprechend auch) zu einem subjektiven Empfinden von Nachhaltigkeit. K. (2012, S. 156-157) schreibt hierzu:

„Egal, ob es um Gesundheit, Konsum, Hygiene, Energieverbrauch, Ernährung oder Mobilität geht – bei genauem Hinsehen stellt sich nicht nur die Frage nach der Bedeutung – und Gefahr – von Plastik, sondern auch immer und überall nach dem »richtigen« Lebensstil und den wirklich sinnvollen Alternativen. Das viel strapazierte Wort Nachhaltigkeit spare ich in diesem Zusammenhang bewusst aus, weil es mir um eine rein subjektive Einschätzung von »richtig«

oder »gut« geht.“

Der Veränderungs- bzw. Lernprozess bedingte sich zudem in der Kommunikation, in der Familie, unter Verwandten, Freunden und Bekannten – in einem Gemeinsam-in-der-Sprache-Sein, das zu Lernen der Ebene „Lernen IV“ führte. Jene Phylogenese hatte die Emergenz eines neuen

Bewusstseins bzw. eine neue kollektiv verstandenen Selbstverständlichkeit zur Folge. Diese entstand kommunikativ durch ein Bezug-nehmen auf ein gemeinsames Phänomen (das in Form einer Frage sichtbar gemacht werden kann. Sie lautet in etwa: Wie kann ich bzw. wie können wir im täglichen Leben auf Kunststoff verzichten?) in Form eines miteinander Reflektierens, gegenseitig Bestärkens und in-Frage-Stellens wurde diese Frage „gelebt“ und immer wieder auf das Neue sprachlich und somit auch organisatorisch ausgeformt (siehe Ebd., S. 27-28, 53, 57). K. und ihr soziales Netzwerk fanden sich als Beobachter zweiter Ordnung in der Beobachtung ihrer Beobachtungen und ihres Tuns wieder, was zur nachhaltigen Integration von alternativen Lebensstilen und Antwortmöglichkeiten führte.

Dies bedeutete für K. neben einer rationalen Auseinandersetzung mit ihrem Ziel, auch eine

emotionale „Begegnung“: So war für K. (B4, Z. 181) die „innere Überzeugung und das dafür begeistert sein“ besonders wichtig. Denn es ging um ihren „Lebensraum“, der im täglichen Leben in Frage gestellt wurde und zu Beginn des Experiments nicht ihrem „Zielbild“ entsprach (Krautwaschl 2012, S.

15). Hierzu findet K. (B4, Z. 68-173) die folgenden Worte:

„Retrospektiv war das immer so, dass ich etwas gespürt habe – auf einmal emotional sehr stark darauf fokussiert habe und dann ist immer was passiert – und ich habe es nie so richtig durchgeplant. Und ich habe das Gefühl, da sollte ich noch was lernen und gleichzeitig merke ich, dass ziemlich viel Wiederstand da ist, dass ich gar nicht so dran glaube, dass das mein Weg ist. Da gibt es eine Diskrepanz zwischen ich sollte und ich will.“

K. und ihre Familie haben sich im Laufe ihres Experiments durch Unterscheidung und Entscheidung ihrem Ziel angenähert – sie vermochten jenes auszuschließen, was sie nicht in ihrem Leben haben wollten bzw. entschieden sich für dessen Alternativen. Zudem fanden sie sich in einer Steigerung des eigenen Wohlbefindens wieder. Ihnen gelang es auch, sich selbstbestimmt aus einem empfundenen Eingeschränkt- und Ausgeliefertsein zu befreien: K. und ihrer Familie gelang es Bezug zum „Selbst“

herzustellen. Dies sind die Grundzüge einer nachhaltigen Entwicklung erster Ordnung. Desweiteren gelang es der Familie, indem dass sie Beobachter zweiter Ordnung wurden, unverändert (u.a. als Familie) aus ihrer Veränderung hervorzugehen – eine nachhaltige Veränderung zweiter Ordnung. Das Experiment zeigt auch, dass das Experiment zu einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit geführt hat.